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Entscheidung 10 UF 87/15


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 15.03.2015
Aktenzeichen 10 UF 87/15 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 FamFG, § 1567 BGB

Leitsatz

1. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtmittelverfahrens nach Aufhebung und Zurückverweisung erfolgt regelmäßig durch das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn das Beschwerdegericht bereits abschließend über die Kosten entscheiden kann, vor allem wenn sie dem Rechtsmittelführer deshalb aufzuerlegen sind, weil das Trennungsjahr erst in der zweiten Instanz abgelaufen ist.

2. An ein Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung sind strenge Voraussetzungen zu stellen. Entscheidend ist insbesondere, dass die Trennung nach objektiven Kriterien nach außen deutlich werden muss. Daran fehlt es, wenn die Eheleute bis zum Auszug der Ehefrau durchgängig das Schlafzimmer gemeinsam genutzt und gemeinsam gegessen haben und die Ehefrau die Wäsche für beide Ehegatten weiterhin gewaschen hat.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 29. Mai 2015 verkündete Beschluss des Amtsgerichts Strausberg aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Gründe

I.

Die am ….11.1973 geborene Antragstellerin und der am ….12.1968 geborene Antragsgegner schlossen am 12.8.2011 die Ehe. Die Antragstellerin begehrt nunmehr mit ihrem am 4.3.2015 zugestellten Antrag die Ehescheidung.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am 19.5.2015 hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 29.5.2015 den Scheidungsantrag im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin den Ablauf des Trennungsjahres nicht nachgewiesen habe zurückgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellung und der Begründung im Einzelnen wird auf jenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. Sie trägt vor:

Sie habe dem Antragsgegner am 5. oder 6.2.2014 abends in der ehelichen Wohnung mitgeteilt, dass sie die Ehe als gescheitert ansehe und diese nicht mehr fortführen wolle. Der Antragsgegner habe dies betroffen zur Kenntnis genommen und daraufhin seine Teilnahme am gemeinsamen Urlaub in den Februarferien im Spreewald abgesagt. Wegen des gemeinsamen Sohnes M… habe er sich dann kurzfristig doch dafür entschieden, am Urlaub teilzunehmen. Dies habe jedoch keine Aussöhnung dargestellt. Sie habe sich ab 11.2.2014 auf Wohnungssuche begeben. Zum 1.4.2014 habe das neue Mietverhältnis begonnen. In der neuen Wohnung hätten noch Renovierungsarbeiten vorgenommen werden müssen. Endgültig aus der Ehewohnung ausgezogen sei sie am 29.7.2014. Damit sei das Trennungsjahr jedenfalls am 29.7.2015 abgelaufen. Dies belege auch der sich daran anschließende SMS-Austausch zwischen dem Antragsgegner und ihr.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Ehe der Beteiligten zu scheiden,

hilfsweise, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor:

Im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung hätten die Scheidungsvoraussetzungen nicht vorgelegen. Schon deshalb sei die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Auch nach der räumlichen Trennung seit dem 29.7.2014 habe man fast täglichen Kontakt auf der Paarebene und nicht lediglich im Interesse des gemeinsamen Kindes gehabt. Das Trennungsjahr habe tatsächlich erst am 2.12.2014 zu laufen begonnen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Beteiligten angehört. Soweit wird auf den Anhörungsvermerk zum Senatstermin vom 23.2.2016 verwiesen.

Die Beteiligten haben ihre Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Darauf hat der Senat durch Beschluss vom 1.3.2016 das schriftliche Verfahren angeordnet, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 128 Abs. 2 ZPO, und bestimmt, dass Schriftsätze bis zum 10.3.2016 eingereicht werden können.

II.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, damit dort eine Entscheidung auch über die von Amts wegen zu betreibende Folgesache über den Versorgungsausgleich ergehen kann.

1.

Die Voraussetzungen für die Ehescheidung sind jedenfalls jetzt, in der zweiten Instanz, gegeben.

a)

Gemäß § 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen, § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB. Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde, § 1565 Abs. 2 BGB. Danach sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Ehescheidung gegeben.

aa)

Die Ehe ist gescheitert. Die Lebensgemeinschaft der Ehegatten besteht nicht mehr und es kann nicht erwartet werden, dass die Ehegatten sie wieder herstellen. Die Antragstellerin hat im Anhörungstermin vor dem Senat ausdrücklich erklärt, dass sie die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder herstellen wolle und den Wunsch geäußert, dass die Ehe geschieden werde. In diesem Zusammenhang hat sie auch berichtet, seit Sommer 2015 in einer neuen Beziehung zu leben. Damit ist das Scheitern der Ehe schon im Hinblick auf die Ablehnung der Antragstellerin, sie fortzusetzen, anzunehmen. Darauf, dass der Antragsgegner sich dazu, ob er eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft für vorstellbar hält, nicht ausdrücklich geäußert hat, kommt es somit nicht an.

bb)

Das Trennungsjahr ist jedenfalls jetzt, in der zweiten Instanz, abgelaufen.

Der Scheidungsantrag ist dem Antragsgegner am 4.3.2015 zugestellt worden. Spätestens von diesem Zeitpunkt an hat die Antragstellerin die Trennung unmissverständlich vollzogen. Auf den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags abgestellt ist das Trennungsjahr am 4.3.2016 und damit noch vor Ablauf der vom Senat gesetzten Stellungnahmefrist im schriftlichen Verfahren zum 10.3.2016 abgelaufen.

Im Übrigen kann von einem Ablauf des Trennungsjahres auch schon zu einem früheren Zeitpunkt ausgegangen werden. Dabei kommt es darauf, ob mit dem endgültigen Auszug der Antragstellerin aus der Ehewohnung am 29.7.2014 das Trennungsjahr in Lauf gesetzt worden ist, nicht an. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Trennung erst, wie vom Antragsgegner geltend gemacht, durch Erklärung am 2.12.2014 vollzogen worden ist, wäre das Trennungsjahr bereits am 2.12.2015 abgelaufen.

b)

Die Tatsachengrundlage bei Ablauf der Stellungnahmefrist in der zweiten Instanz am 10.3.2016 ist für die Beurteilung, ob die Scheidungsvoraussetzungen vorliegen, maßgebend. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kommt es für die Entscheidung in der Hauptsache nicht darauf an, ob das Amtsgericht im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung eine richtige Entscheidung getroffen hat.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 115 Satz 2 FamFG. Danach sind Angriffs- und Verteidigungsmittel in zweiter Instanz grundsätzlich zuzulassen. Eine Ausnahme besteht nur insoweit, als gemäß § 115 Satz 1 FamFG in Ehesachen und Familienstreitsachen Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nicht rechtzeitig vorgebracht werden, zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Verfahrens verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. Diese Vorschrift ist hier nicht einschlägig. Denn einen Ablauf des Trennungsjahres am 29.7.2015, am 2.12.2015 oder gar am 4.3.2016 hätte die Antragstellerin bei Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 19.5.2015 gar nicht geltend machen können.

2.

Ungeachtet des Vorliegens der Scheidungsvoraussetzungen kann die Scheidung durch den Senat noch nicht ausgesprochen werden. Vielmehr ist das Verfahren im Hinblick auf die noch offene Folgesache über den Versorgungsausgleich an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Wird eine Entscheidung aufgehoben, durch die der Scheidungsantrag zurückgewiesen wurde, soll das Rechtsmittelgericht die Sache an das Gericht zurückverweisen, dass die Abweisung ausgesprochen hat, wenn dort eine Folgesache zur Entscheidung ansteht, § 146 Abs. 1 Satz 1 FamFG. So liegt es hier. Über den Versorgungsausgleich als Folgesachen ist gemäß § 137 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 FamFG von Amts wegen zu entscheiden.

3.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind der Antragstellerin gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 97 Abs. 2 ZPO aufzuerlegen.

Allerdings erfolgt die Entscheidung über die Kosten des Rechtmittelverfahrens nach Aufhebung und Zurückverweisung regelmäßig durch das Gericht, an dass die Sache zurückverwiesen wird (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.8.2010 - II-7 UF 70/10, BeckRS 2010, 23180; OLG Köln, NJW-RR 1987, 1152; Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FamFG, Edition 18, § 69 Rn. 18). Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn das Beschwerdegericht bereits abschließend über die Kosten entscheiden kann, vor allem wenn sie dem Rechtsmittelführer deshalb aufzuerlegen sind, weil das Trennungsjahr erst in der zweiten Instanz abgelaufen ist (Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 146 Rn. 7). So liegt es hier.

Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Antragsgegners eine Trennung bereits mit dem endgültigen Auszug der Antragstellerin aus der Ehewohnung am 29.7.2014 annähme, wäre das Trennungsjahr erst am 29.7.2015 und damit nach Erlass der angefochtenen Entscheidung abgelaufen. Von einem früheren Ablauf des Trennungsjahres, etwa - wie von der Antragstellerin geltend gemacht - bereits im Februar 2015, kann nicht ausgegangen werden.

Gemäß § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB leben die Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben, § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB. Diese Voraussetzungen waren jedenfalls bis zum 29.7.2014 nicht gegeben. Auf die an ein Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung zu stellenden Voraussetzungen hat das Amtsgericht bereits zutreffend hingewiesen. Entscheidend ist insbesondere, dass die Trennung nach objektiven Kriterien nach außen deutlich werden muss (Palandt/Brudermüller, BGB, 75. Aufl., § 1567 Rn. 3). Daran fehlt es hier. Bei ihrer Anhörung vor dem Senat hat die Antragstellerin eingeräumt, dass man bis zu ihrem Auszug durchgängig das Schlafzimmer gemeinsam genutzt und gemeinsam gegessen habe; die Wäsche habe sie auch weiterhin gewaschen. Mithin hat sich am ehelichen Zusammenleben bis zum 29.7.2014 nichts geändert. Eine Trennung ist nicht nach außen deutlich geworden. Die Beschwerde hat nur deshalb Erfolg, weil das Trennungsjahr im Laufe des Beschwerdeverfahrens abgelaufen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.