Gericht | OLG Brandenburg Vergabesenat | Entscheidungsdatum | 30.04.2013 | |
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Aktenzeichen | Verg W 3/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 29. Januar 2013 - VK 42/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und diejenigen des Verfahrens gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB einschließlich der notwendigen Auslagen des Auftraggebers hat die Antragstellerin zu tragen.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Auftraggebers im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.
Der Auftraggeber beabsichtigt die Vergabe der Leistungen der hydraulischen Modellierung zum Zwecke der späteren Erstellung eines Hochwasserrisikomanagementplans für das Flussgebiet S… entsprechend der EG-Hochwasserrisikomanagement-RL (2007/60/EG). Auszuführen sind insbesondere hydraulische Berechnungen, wozu ein hydraulisches Modell aufzubauen ist, mit dem anhand der Daten eines digitalen Geländemodells unter Einsatz einer entsprechenden Software hydraulische (Strömungs-)Berechnungen durchgeführt werden.
Der Auftraggeber schrieb die Leistungen erstmals im März 2012 europaweit aus. Jene Ausschreibung sah vor, dass die hydraulische Modellierung mit dem Softwaresystem SOBEK (gekoppeltes 1D/2D-Modell) durchgeführt wird. Auf Rüge der Antragstellerin gegen die Vorgabe des Einsatzes allein der Software SOBEK hob der Auftraggeber die Ausschreibung auf.
Durch Veröffentlichung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 14.07.2012 schrieb der Auftraggeber die Leistungen erneut als Dienstleistungsauftrag im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Die Ausschreibung ist in sechs Gebietslose aufgeteilt. Bewerbergemeinschaften sind zugelassen. Die Ausschreibung lautet nunmehr dahin, dass die hydraulischen Modellierungen mit gekoppelten 1D/2D- oder mit 2D-Modellen durchzuführen sind (Ziffn. II.1.5 und VI.3 der Vergabebekanntmachung). Ferner sind unter Ziff. VI.3 der Vergabebekanntmachung folgende „Hinweise zum Verhandlungsverfahren“ erteilt:
„Es ist erforderlich, dass alle Lose mit derselben Software zur Hydronumerischen Modellierung bearbeitet werden. Sollte nicht für alle Lose jeweils wenigstens ein zuschlagfähiges Angebot für dieselbe Modellierungssoftware vorliegen, wird dies Gegenstand der Verhandlungen mit den Bietern sein. Für die Softwareprodukte, für die bereits die meisten Losgebiete abgedeckt werden (hier bezeichnet als „Mehrheitssoftware“) werden die Bieter in Losgebieten, für die nur Angebote mit „Minderheitssoftware“ vorliegen, gebeten, ihr Angebot im Rahmen der Möglichkeiten entsprechend zu ändern. Der Zuschlag erfolgt bei Punktgleichheit der übrigen Zuschlagskriterien auf die wirtschaftlichste Kombination der Lose.“
Im Antragsformular für die Bewerbung im Teilnahmeverfahren (Bewerbungsbogen) wiederholte der Auftraggeber den vorgenannten Hinweis und führte weiter aus, dass als Modellierungssoftware aus fachlicher Sicht nur gekoppelte 1D/2D- sowie 2D-Modelle möglich seien und dass die Softwaretypen - unabhängig vom Hersteller - bei fachlicher Eignung für die ausgeschriebenen Leistungen gleich bewertet werden.
Für die Auswahl der Wirtschaftsteilnehmer, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen, bestimmt Ziff. IV.1.2 der Vergabebekanntmachung die Bewertung der Teilnahmeanträge zu 70 % nach fachlicher Eignung und zu 30 % nach der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anhand einzeln gewichteter Unterkriterien. Nach Ziff. IV.2.1 der Vergabebekanntmachung soll der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien erteilt werden, die in den Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zur Verhandlung bzw. in der Beschreibung zum wettbewerblichen Dialog aufgeführt sind.
Im Bewerbungsbogen war auf Seite 1 unter „Modellierungssoftware“ als „freiwillige Angabe“ einzutragen, mit welcher Software die Lose bearbeitet werden sollen. Unter Ziff. 3.5. des Bewerbungsbogens „Nachweis zur technischen Ausstattung“ war anzugeben, welche weitere Software vom Bieter eingesetzt werden kann. Einzutragen war die Anzahl der zur Verfügung stehenden Lizenzen für die Programme SOBEK, MIKE, Hydro_AS-2D oder für sonstige Programme.
Vor Ablauf der Frist zur Einreichung der Teilnahmeanträge gab der Auftraggeber mit Bewerberrundschreiben vom 09.08.2012 seine Antworten auf verschiedene Bewerberfragen bekannt. Auf die Bewerberfrage 7: „Wir können sowohl Software ... (1. Priorität) als auch Software YY zur Bearbeitung einsetzten. Auf diese Weise hat unsere Bewerbung höhere Flexibilität. Ist das gewünscht? Wie wäre das anzugeben?“ lautet die Antwort des Auftraggebers: „Auf Seite 1 des Bewerbungsbogens ist als freiwillige Angabe die zur Bearbeitung vorgesehene Software anzugeben (hier Software ...). Im Bewerbungsbogen ist unter Punkt 3.5. die Angabe von ggf. weiterer im Unternehmen vorhandener Modellierungssoftware möglich. Auf diese Angaben wird im weiteren Verhandlungsverfahren dann zurückgegriffen, wenn die auf Seite 1 angegebene Software nach der Auswertung der Teilnahmeanträge keine „Mehrheitssoftware“ bildet. Die unter Punkt 3.5. gewählte Reihenfolge ist dabei als bewertungsfreie Aufzählung zu verstehen. In dem Fall fände die unter Punkt 3.5. aufgeführte Software YY bei den Verhandlungen Berücksichtigung, wenn die Software ... nicht als Mehrheitssoftware zustande kommt“.
Die Antragstellerin, eine Bietergemeinschaft aus zwei Unternehmen, gab fristgerecht einen Teilnahmeantrag für die Lose 1 und 4 ab. Sie benannte als bevollmächtigen Vertreter der Bietergemeinschaft Herrn Dr. G…; dieser ist Firmeninhaber des Bietergemeinschaftsmitglieds „G… Ingenieurbüro …“. Auf Seite 1 des Bewerbungsbogens gab die Antragstellerin an, dass die Lose 1 und 4 mit der Modellierungssoftware HYDRO_AS-2D bearbeitet werden sollen. Unter “Nachweise zur technischen Ausstattung” führte sie aus, dass sie über insgesamt 42 Lizenzen für HYDRO_AS-2D und über eine Lizenz für SOBEK (1D/2D) sowie über je eine Lizenz für weitere Programme verfüge.
Bei der Auswertung der eingegangenen Teilnahmeanträge stellte der Auftraggeber fest, dass für sämtliche Lose Teilnahmeanträge vorlagen, bei denen entweder angegeben war, dass der Auftrag mit der Software HYDRO_AS-2D oder mit der Software SOBEK (1D/2D) ausgeführt werden soll. Für andere Softwareprodukte lagen Angebote nur für einzelne Lose vor.
Der Auftraggeber gab zehn Bewerbern die Möglichkeit zur Abgabe eines Preisangebots. Dabei forderte er diejenigen Bewerber, welche die Software HYDRO_AS-2D als freiwillige Angabe eingetragen hatten, darunter die Antragstellerin, zur Abgabe eines Angebots für diese Software auf. Diejenigen Bieter, welche die Software SOBEK angegeben hatten, erhielten eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots für jene Software. Je nach Softwaretyp unterscheiden sich die übersandten Leistungsbeschreibungen dahin, dass es einmal heißt: „Es ist ein hydronumerisches 2D-Modell mit der Modellsoftware HYDRO_AS-2D, Version 2.x, aufzubauen“ und zum anderen: „Es ist ein gekoppeltes hydraulisches 1D/2D mit der Modellierungssoftware SOBEK, Version 2.12x, aufzubauen“ mit dem Zusatz: „Ausgehend vom digitalen Geländemodell … sind entsprechend der Datenstruktur des Hydraulikmodells für die in Tabelle 2-1 benannten Gewässerabschnitte hydronumerische Modelle aufzubauen. Dabei sind das Gerinne einschließlich der Bauwerke als 1 D-Modell und die Vorländer als 2D-Modell abzubilden und als gekoppeltes 1D-/2D-Modell bereitzustellen“. Die jeweiligen Anschreiben an die Bewerber mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe enthalten keinen Hinweis darauf, dass Angebote sowohl für HYDRO_AS-2D als auch für SOBEK eingeholt und entsprechend unterschiedliche Leistungsbeschreibungen zugrunde gelegt werden.
In den mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandten Bedingungen zur Angebotsabgabe benannte der Auftraggeber die Zuschlagskriterien: „Angebotspreis“ (35 %), Fachtechnisches Konzept / Bearbeitungsmethodik“ (35 %), „Personaleinsatz- und Zeitablaufplan“ (20 %) sowie „Präsentation Bietergespräch“ (10 %). Weiter heißt es: „Liegen für beide der abgefragten Modellierungs-Softwaretypen für jeweils alle Lose zuschlagsfähige Preisangebote vor, wird für die Vergabeentscheidung die Softwarelösung ausgewählt, die die wirtschaftlichste Gesamtkombination aus den Preisangeboten der Einzellose enthält“.
Die Antragstellerin gab fristgerecht ein Angebot für die Lose 1 und 4 ab. Neben ihrem Angebot gingen bei dem Auftrageber jeweils zwei weitere Angebote für das Los 1 und für das Los 4 fristgerecht ein, und zwar je Los je ein Angebot für die Software SOBEK und ein Angebot für die Software HYDRO_AS-2D.
Am 17.10.2012 führte der Auftraggeber mit sämtlichen Bietern ein Bietergespräch. Im Anschluss daran nahm der Auftraggeber für jedes der Angebote eine Punktewertung nach Maßgabe der bekannt gegebenen Zuschlagskriterien vor. Der Auftraggeber addierte die je Los jeweils höchste Punktewertung für die Angebote mit der Software HYDRO_AS-2D und stellte die so ermittelte Summe der in gleicher Weise ermittelten Summe für die Angebote mit der Software SOBEK gegenüber. Die Summen (Gesamtpunktzahlen) betragen 510,43 Punkte für die Software SOBEK und 437,31 Punkte für die Software HYDRO_AS-2D.
Im Ergebnis dieser Auswertung beabsichtigt der Auftraggeber, die Software SOBEK einzusetzen und den Auftrag je Los dem jeweiligen Bieter zu erteilen, der für die Software SOBEK die höchste Punktzahl erreicht hat. Das ist für die Lose 1 und 4 die Beigeladene.
Gleichlautende Vorabinformationsschreiben betreffend Los 1 und Los 4 vom 06.11.2012 versandte der Auftraggeber an „G… Ingenieurbüro …, z. Hd. Herrn Dr. G…“ und unterrichtete darüber, dass er beabsichtigte den Zuschlag der Beigeladenen zu erteilen. Der Auftraggeber führte unter Mitteilung der Gesamtpunktzahlen für die Softwarevarianten SOBEK und HYDRO_AS-2D aus, die Angebote für die Lose 1 - 6 mit der Software SOBEK seien gegenüber den Angeboten mit der Software HYDRO_AS-2D insgesamt wirtschaftlich günstiger. Das jeweilige Angebot der Antragstellerin zu Los 1 und 4 weise nicht die höchstmögliche Wirtschaftlichkeit auf, das jeweils für den Zuschlag vorgesehene Angebot erreiche einen Vorteil im Punkt „Angebotspreis“.
Mit anwaltlichen Schriftsätzen vom 07.11.2012 - jeweils gleichlautend für die Lose 1 und 4 - zeigten die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin an, dass sie “Herrn Dr. G…, Ingenieurbüro …“ vertreten. Namens ihres Mandanten erhoben sie verschiedene Rügen gegen das Vergabeverfahren. Sie beanstandeten die Gegenüberstellung von Gesamtpunktzahlen für sämtliche Lose je Softwarevariante SOBEK bzw. HYDRO_AS-2D als fehlerhaft, da je Los ein Einzelauftrag vergeben werde. Weiter rügten sie, dass Angebote für die Software SOBEK auszuschließen seien, da diese Software die in der Leistungsbeschreibung aufgestellten Anforderungen des Aufbaus eines „2D-Modells mit der Modellsoftware HYDRO_AS-2D“ nicht erfüllen könnten. Das 2D-Modell liefere deutlich genauere Angaben, die Software SOBEK (gekoppelte 1D/2D-Modellierung) müsse deshalb im Kriterium “Fachtechnisches Konzept/Bearbeitungsmethodik” eine deutlich niedrigere Bewertung als die 2D-Software HYDRO_AS-2D erhalten. Die technischen Werte der Angebote seien offensichtlich fehlerhaft gewertet worden. Schließlich fehle eine hinreichende Vergleichbarkeit der Angebote, weil der Auftraggeber, wie sich durch Bewerberanfragen herausgestellt habe, nicht in der Lage sei, das Untersuchungsgebiet eindeutig zu definieren. So könne er die Anzahl der Querbauwerke und der Bauwerke im Vorland nicht benennen.
Der Auftraggeber wies die Rügen mit Schreiben vom 12.11.2012 zurück. Er führte aus, dass die Beigeladene in den Losen 1 und 4 je eine höhere Punktzahl als die Antragstellerin erreicht habe. Ferner verwies er darauf, dass nach der Vergabebekanntmachung die hydraulische Modellierung mit gekoppelten 1D/2D-Modellen oder 2D-Modellen vorgesehen sei. Da für die Softwareprodukte HYDRO_AS-2D (2D-Modelle) und SOBEK (1D/2D-Modelle) den Anforderungen der Bekanntmachung entsprechende Teilnahmeanträge eingegangen seien, habe er Angebote für diese beiden Softwareprodukte mit jeweils auf HYDRO_AS-2D bzw. SOBEK zugeschnittener Leistungsbeschreibung eingeholt. Der inhaltliche Unterschied der Leistungsbeschreibungen bestehe allein darin, dass für die Software HYDRO_AS-2D der Aufbau eines 2D-Modells und für die Software SOBEK der Aufbau eines gekoppelten 1D/2D-Modells vorgesehen sei. Das wirtschaftlichste Angebot sei nach den bekannt gemachten Kriterien ermittelt worden. Bestimmte Einzelheiten des Untersuchungsgebiets seien erst bei der Abarbeitung des Auftrages festzustellen, diese sei Teil der zu erarbeitenden Lösung.
Unter Bezug auf die Rügeantwort des Auftraggebers beanstandeten die von Dr. G… zugezogenen Rechtsanwälte mit Rügeschreiben vom 12.11.2012 betreffend die Lose 1 und 4, dass die Verwendung unterschiedlicher Leistungsbeschreibungen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße und die Angebote nicht vergleichbar seien.
Mit Rügeschreiben vom 15.11.2012 zeigten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin an, dass sie die antragstellende Bietergemeinschaft vertreten. Sie beanstandeten, dass die Vorabinformation nur einem Bietergemeinschaftsmitglied, nicht aber der Bietergemeinschaft erteilt worden sei. Die Vorabinformation sei an das G… - Ingenieurbüro … gerichtet gewesen. Mit dem Teilnahmeantrag habe die Bietergemeinschaft Herrn Dr. G… in Person als Ansprechpartner und Bevollmächtigten benannt, nicht jedoch das G… - Ingenieurbüro …. Mangels Erteilung der Vorabinformation an den benannten Vertreter der Bietergemeinschaft entfalte das Vorabinformationsschreiben vom 06.11.2012 keine Rechtswirkungen gegenüber der Bietergemeinschaft. Abschließend heißt es, dass die mit Rügeschreiben vom 07. und 12.11.2012 für das G… - Ingenieurbüro … erhobenen Rügen vorsorglich auch für die Bietergemeinschaft erhoben werden.
Der Auftraggeber wies die Beanstandung mit Schreiben vom 16.11.2012 zurück. Das Vorabinformationsschreiben sei an Dr. G… als Ansprechpartner und Bevollmächtigten der Bietergemeinschaft gerichtet gewesen.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16.11.2012, eingegangen bei der Vergabekammer am gleichen Tag, hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag betreffend die Lose 1 und 4 gestellt. Sie hat die zuvor erhobenen Rügen wiederholt und vertieft. Aus der ihr übermittelten Leistungsbeschreibung habe sie einzig den Schluss ziehen können, dass die Software HYDRO_AS-2D zur Anwendung kommen solle und deshalb alle Bieter gleichermaßen aufgefordert worden seien, Angebote für diese Software abzugeben. Sie sei schließlich auch in der Lage, die Leistungen mit der Software SOBEK anzubieten, hierzu habe sie aber keine Gelegenheit erhalten.
Die Antragstellerin hat beantragt, den Auftraggeber zu verpflichten, das Vergabeverfahren betreffend die Lose 1 und 4 unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
Der Auftraggeber ist dem Nachprüfungsantrag entgegengetreten und hat beantragt, diesen zurückzuweisen.
Das Vorabinformationsschreiben sei nicht zu beanstanden, zudem sei eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin nicht gegeben. Die Rügen gegen die Wertung anhand der Gesamtpunktzahl über sämtliche sechs Lose je Softwarelösung sowie betreffend die Einholung von Angeboten für die Softwarelösungen HYDRO_AS-2D und SOBEK unter Verwendung unterschiedlicher Leistungsbeschreibungen und gegen die Wertung der Softwarevarianten als technisch gleichwertig seien entgegen § 107 Abs. 3 GWB nicht spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist erhoben worden und deshalb unzulässig. Den mit den Bedingungen zur Angebotsabgabe festgelegten Zuschlagskriterien sei zu entnehmen gewesen, dass die Entscheidung für die einzusetzende Software erst noch getroffen werde. Im Bietergespräch habe die Antragstellerin dargestellt, dass die 2D-Modellierungssoftware der gekoppelten 1D-/2D-Modellierungssoftware vorzuziehen sei. Solche Ausführungen seien unnötig gewesen, wenn die Antragstellerin davon ausgegangen wäre, dass die Entscheidung für HYDRO_AS-2D bereits gefallen sei. Sämtliche Rügen seien zudem unbegründet.
Die Vergabekammer hat durch Beschluss vom 29.01.2013 den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Der Nachprüfungsantrag sei überwiegend mangels Wahrung der Rügeobliegenheiten unzulässig. Soweit er zulässig sei, sei er offensichtlich unbegründet. Zur Begründung hat die Vergabekammer im wesentlichen ausgeführt:
Die Ausführungen der Antragstellerin zur Vertretung der Bietergemeinschaft ließen die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht erkennen. Selbst wenn das Vorabinformationsschreiben fehlerhaft nur an ein Mitglied der Bietergemeinschaft gerichtet worden sei, fehle es an einem drohenden Schaden, da von beiden Mitgliedern Rügen erhoben und der Nachprüfungsantrag gestellt worden sei.
Bereits der Bekanntmachung sei zu entnehmen gewesen, dass der Zuschlag auf die wirtschaftlichste Kombination aller Lose unter Einsatz einer Softwarevariante erteilt werden soll. Folglich sei auch erkennbar gewesen, dass es zu Angeboten unterschiedlicher Software kommen könne, welche die Antragstellerin nunmehr als nicht vergleichbar beanstande. Die diesbezüglich erst nach Ablauf der Angebotsfrist erhobene Rüge sei verspätet. Dasselbe gelte für die Rüge, es bestünden Unklarheiten zum Untersuchungsgebiet. Die Antragstellerin habe ihr Angebot abgegeben, ohne vermeintliche Kalkulationsdefizite aufzuzeigen.
Eine rechtzeitige Rüge habe die Antragstellerin gegen die Angebotswertung hinsichtlich des Kriteriums “Fachtechnisches Konzept/Bearbeitungsmethodik” in Bezug auf die Unterschiede der Software SOBEK und HYDRO_AS-2D erhoben. Ebenfalls rechtzeitig sei die Beanstandung des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot wegen Verwendung unterschiedlicher Leistungsbeschreibungen. Diese Rügen seien aber offensichtlich unbegründet. Der Unterschied der Leistungsbeschreibungen sei den Eigenheiten der jeweiligen Software geschuldet, beide Softwarevarianten konnten angeboten werden. Eine rechtzeitige Rüge hiergegen liege nicht vor. Die Annahme, die Software HYDRO_AS-2D müsse im Kriterium “Fachtechnisches Konzept/Bearbeitungsmethodik” eine höhere Bewertung als die Software SOBEK erhalten, finde keine Grundlage in den Vergabeunterlagen. Die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung seien mitgeteilt worden. Inwieweit einzelne Gesichtspunkte in die Bewertung einbezogen würden, unterliege dem Beurteilungsspielraum des Auftraggebers.
Gegen den ihr am 29.01.2013 zugestellten Beschluss der Vergabekammer hat die Antragstellerin die am 12.02.2013 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde erhoben. Sie beanstandet das Verfahren der Vergabekammer und wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben und
den Auftraggeber zu verpflichten, das Verfahren zur Vergabe „S… Hochwasserrisikomanagementplan, Teilprojekt 1: Hydraulische Modellierung, Lose 1 und 4“ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen.
Der Auftraggeber beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Es bestünden schon Bedenken gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde, weil die Antragstellerin entgegen § 117 Abs. 4 GWB den Auftraggeber über die Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift unterrichtet habe. Mit der Beigeladenen sei aber geklärt worden, dass die zwischenzeitlich erfolgte Zuschlagserteilung nicht wirksam und ein Vertrag deshalb nicht zustande gekommen sei.
Im übrigen wiederholt auch der Auftraggeber sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, der Antragstellerin sei das Verfahren zur Auswahl der einzusetzenden Software aufgrund ihrer Teilnahme an einer vergleichbaren Ausschreibung betreffend das Hochwasserrisikomanagement der H… bekannt gewesen. Schließlich verfüge die Antragstellerin nicht über die betrieblichen Voraussetzungen, die Leistungen beider Lose 1 und 4 unter Einsatz der Software SOBEK auszuführen.
Der Senat hat auf Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 26.02.2013 die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel verlängert.
II.
I) Die gemäß §§ 116, 117 GWB statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben und auch sonst zulässig.
1) Zwar hat es die Antragstellerin entgegen § 117 Abs. 4 GWB unterlassen, den Auftraggeber mit Einlegung der Beschwerde durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten. Dieses Versäumnis berührt aber die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nicht. Die Bestimmung des § 117 Abs. 4 GWB dient der Beschleunigung des Verfahrens und der Konzentration des Streitstoffes. Die Nichtbeachtung dieser formalen Ordnungsvorschrift führt nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlusse v. 09.12.2009, Verg 38/09; OLG Dresden, Beschluss v. 17.06.2005, Verg 08/05; OLG Celle, Beschluss v. 02.09.2004, 13 Verg 14/04, OLG Naumburg, Beschluss v. 16.01.2003, Verg 10/02, zitiert jeweils nach juris.de).
2) Die sofortige Beschwerde ist mit ihrem Antrag auf Primärrechtsschutz auch nicht infolge prozessualer Überholung des Primärrechtsschutzverfahrens wegen wirksamer Zuschlagerteilung unzulässig. Ein das Vergabeverfahren beendender Zuschlag ist nach Mitteilung des Auftraggebers, der die Beigeladene nicht entgegengetreten ist, nicht erteilt.
Mithin muss nicht näher darauf eingegangen werden, dass auch bei Verletzung der Unterrichtungsverpflichtung nach § 117 Abs. 4 GWB ein wirksamer Zuschlag nicht erteilt werden kann, solange die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 118 GWB das Zuschlagverbot des § 115 Abs. 1 GWB fortwirken lässt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.12.2009 a.a.O.; OLG Dresden, Beschluss v. 17.06.2005 a.a.O.; Losch in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2011, § 118 GWB Rn. 8; a.A. OLG Naumburg, Beschluss v. 16.01.2003 a.a.O.).
II) In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde ohne Erfolg.
1) Die von der Antragstellerin erhobene Verfahrensrüge, dass die Vergabekammer fehlerhaft ohne mündliche Verhandlung entschieden habe, rechtfertigt eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nicht.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag als teilweise unzulässig und im übrigen als offensichtlich unbegründet beurteilt. In einem solchen Fall kann die Vergabekammer nach pflichtgemäßem Ermessen auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichten und im schriftlichen Verfahren entscheiden, § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB.
Ein etwaiger Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist jedenfalls durch die mündliche Verhandlung des Senats behoben.
2) Die sofortige Beschwerde ist unbegründet, weil der Nachprüfungsantrag mit sämtlichen gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung erhobenen Beanstandungen mangels rechtzeitiger Erhebung der Rügen unzulässig ist.
Das Vergaberecht ist vom Grundsatz der größtmöglichen Beschleunigung geprägt, denn durch die Möglichkeit der Durchführung eines Vergabenachprüfungsverfahrens soll der Auftraggeber nicht daran gehindert werden, innerhalb angemessener Zeit Aufträge zu erteilen. Das Gesetz ordnet - dem Beschleunigungsgrundsatz schon vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens Rechnung tragend - in § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GWB an, erkannte und erkennbare Verstöße gegen das Vergaberecht zügig zu rügen, anderenfalls ein Nachprüfungsantrag unzulässig ist. So hat der Antragsteller nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB einen von ihm im Vergabeverfahren erkannten Vergaberechtsverstoß unverzüglich zu rügen. Vergaberechtsverstöße, die aufgrund der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, müssen gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB spätestens bis zum Ablauf der Angebots- oder Bewerbungsfrist gerügt werden.
Wesentlicher Zweck der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB ist es, dass der Auftraggeber durch eine Rüge die Möglichkeit erhält, etwaige Vergaberechtsfehler im frühestmöglichen Stadium zu korrigieren. Es soll verhindert werden, dass am Vergabeverfahren beteiligte Bieter erkannte oder erkennbare Verstöße gegen das Vergaberecht sammeln und so lange mit einer Beanstandung warten, bis klar ist, dass ihre Spekulation, den Zuschlag zu erhalten, nicht aufgegangen ist (vgl. Senat, Beschluss v. 10.01.2012, Verg W 18/11, VergabeR 2012, 521, zitiert nach juris.de). Werden Rügen zu spät erhoben, können deshalb Verstöße gegen das Vergaberecht grundsätzlich nicht mehr korrigiert werden. Das Vergabeverfahren kann dann, auch wenn es fehlerhaft ist, fortgeführt und mit einem Zuschlag beendet werden.
Den nach vorstehenden Grundsätzen an die rechtzeitige Erhebung von Rügen zu stellenden Anforderungen genügen die von der Antragstellerin erhobenen Beanstandungen nicht.
2.1) Die Antragstellerin hat erstmals nach Ablauf der Angebotsfrist Rügen gegen die beabsichtigte Vergabe erhoben. Zu diesem Zeitpunkt konnten Rügen, die sich auf einen Sachverhalt stützen, der aufgrund der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erkennbar war, nicht mehr in zulässiger Weise erhoben werden, § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB.
a) Unzulässig sind deshalb die Rügen gegen die Festlegung einer Softwarevariante für alle Lose unter Gegenüberstellung der Gesamtpunktzahlen je Softwarelösung und gegen die dabei zugrunde gelegte Annahme gleicher Eignung von 2D-Software und 1D/2D-Software sowie die Rüge gegen eine vermeintlich unzureichende Beschreibung des Untersuchungsgebiets.
aa) Dass für sämtliche Lose entweder eine gekoppelte 1D/2D-Software oder eine 2D-Software zum Einsatz kommen soll, war in der Vergabebekanntmachung (Ziff. VI.3 „Hinweise zum Verhandlungsverfahren“) ausdrücklich mitgeteilt. Im Bewerbungsbogen (Ziff. 3 „Hinweise für die Bewerbung im Teilnahmeverfahren“) hat der Auftraggeber unmissverständlich ausgeführt, dass aus fachlicher Sicht nur gekoppelte 1D/2D- sowie 2D-Modelle möglich seien und dass die Softwaretypen - unabhängig vom Hersteller - bei fachlicher Eignung für die ausgeschriebenen Leistungen im Teilnahmewettbewerb gleich bewertet werden. Damit hat der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen hinreichend deutlich gemacht, dass er ungeachtet der höheren Genauigkeit einer umfassenden 2D-Modellierung gegenüber einer gekoppelten 1D/2D-Modellierung beide Softwarevarianten als für die Erfüllung der Aufgabe gleich geeignet beurteilt und sie deshalb bei der Wertung der fachlichen Eignung gleich bewertet. Eine Rüge dagegen hätte gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB bis spätestens zum Ablauf der Angebotsfrist erhoben werden müssen.
bb) Ebenfalls bereits in der Vergabebekanntmachung (Ziff. VI.3 „Hinweise zum Verhandlungsverfahren“) war angegeben, dass der Zuschlag für eine Softwarevariante auf die wirtschaftlichste Kombination der Lose erteilt wird. Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe hat der Auftraggeber die Kriterien für die Wertung festgelegt und mitgeteilt, dass bei Vorliegen zuschlagfähiger Angebote für beide der abgefragten Softwaretypen für jeweils alle Lose diejenige Softwarelösung ausgewählt wird, welche die wirtschaftlichste Gesamtkombination der Einzellose nach Maßgabe der beschriebenen Punktvergabe darstellt. Aufgrund dieser den Vergabeunterlagen zu entnehmenden Informationen war erkennbar, dass die Auswahl der für alle Lose gleichermaßen einzusetzenden Softwarevariante anhand einer Gesamtbetrachtung der Angebote je Softwarelösung vorgenommen wird, obwohl eine Auftragserteilung je Einzellos erfolgen soll. Nach Ablauf der Angebotsfrist konnte eine zulässige Rüge gegen die in den Vergabeunterlagen vorgesehene Bestimmung einer einheitlich einzusetzenden Softwarevariante nicht mehr erhoben werden, § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB.
cc) Die Rüge der Antragstellerin, mangels Angabe der Anzahl der Querbauwerke und der Bauwerke im Vorland seien das Untersuchungsgebiet und damit auch der Auftragsumfang nicht ausreichend bestimmt, geht auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung zurück. Da die Leistungsbeschreibung die Grundlage der Angebotskalkulation der Bieter darstellt, kann eine zulässige Rüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB nur bis spätestens zum Ablauf der Angebotsfrist erhoben werden.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht gerechtfertigt, soweit die Antragstellerin ihre Rüge auf das Bewerberrundschreiben des Auftraggebers vom 28.09.2010 stützt, in dem dieser ausdrücklich erklärt hat, dass er die Anzahl der Querbauwerke und der Bauwerke im Vorland losbezogen nicht beziffern könne. Das Unterrichtungsschreiben, mit dem der Auftraggeber den Bietern vor Ablauf der Angebotsfrist ergänzende Informationen durch Mitteilung seiner Antworten auf Bieterfragen (hier Antworten 5 und 6) erteilt hat, gehört zu den Vergabeunterlagen.
b) Betreffend die Rüge der Antragstellerin gegen die Berücksichtigung der Angebote mit der Software SOBEK sind gewichtige Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der zugrunde liegende Sachverhalt für einen fachkundigen und verständigen Bieter anhand der Vergabeunterlagen erkennbar war.
Mit Grund weist die Antragstellerin allerdings darauf hin, dass aus der ihr zugesandten Aufforderung, ein Angebot mit der Software HYDRO_AS-2D abzugeben, kein Hinweis darauf ersichtlich war, dass andere Bieter eine Aufforderung für die Abgabe eines Angebots mit der Software SOBEK erhalten haben. Da der Auftraggeber jeweils eine softwarespezifische Leistungsbeschreibung versandt hat, war auch aus dieser Vergabeunterlage für sich nicht zu ersehen, dass von den Bietern Angebote für die eine bzw. die andere Softwarevariante nach Maßgabe der im Teilnahmeantrag „freiwillig“ zu bezeichnenden vorrangigen Softwarevariante abgefragt worden sind.
Das Aufforderungsschreiben und die übersandte Leistungsbeschreibung sind aber nicht isoliert zu betrachten, maßgebend ist der Erkenntnisstand, der sich für die Bieter aus der Gesamtheit der bei der Angebotsabgabe zu berücksichtigenden Vergabeunterlagen ergibt. In der Vergabebekanntmachung (Ziff. VI.3 „Hinweise zum Verhandlungsverfahren“) und im Bewerbungsbogen („Ziff. 2 Hinweise für die Bewerbung“) war mitgeteilt, dass der Zuschlag auf die „wirtschaftlichste Kombination der Lose“ erteilt wird. Dass die Frage der Wirtschaftlichkeit erst nach Vorliegen von Preisangeboten beurteilt werden kann, erschließt sich jedem Bieter. Die Regeln der Angebotswertung unter Bezeichnung der Zuschlagskriterien, deren Gewichtung und der bei den einzelnen Kriterien zur berücksichtigenden Gesichtspunkte hat der Auftraggeber in den mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandten Bedingungen zur Angebotsabgabe (Ziff. 2 „Zuschlagskriterien und Gewichtung“) bekannt gemacht. Dem Vorbringen der Antragstellerin, sie habe bei Abgabe ihres Preisangebots angenommen, der Auftraggeber habe sich bereits nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs auf eine Softwarelösung als die wirtschaftlich günstigste Kombination aller Lose festgelegt, fehlt damit die Grundlage.
Der Auftraggeber hat ferner in den mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe aufgestellten Bedingungen zur Angebotsabgabe (Ziff. 2 „Zuschlagskriterien und Gewichtung“) folgendes ausgeführt: „Liegen für beide der abgefragten Modellierungs-Softwaretypen für jeweils alle Lose zuschlagfähige Preisangebote vor, wird für die Vergabeentscheidung die Softwarelösung ausgewählt, die die wirtschaftlichste Gesamtkombination aus den Preisangeboten der Einzellose enthält“. Die Annahme der Antragstellerin, es sei nur noch die 2D-Softwarevariante HYDRO_AS-2D Gegenstand des Vergabeverfahrens gewesen, lässt sich damit nicht in Einklang bringen.
Hinzu kommt, dass der Auftraggeber mit dem Bewerberrundschreiben vom 09.08.2012 den zur Angebotsabgabe aufgeforderten Bewerbern Informationen über die Abbildung von Deichen im 1D-Modell erteilt hat. Auf die Frage: „Ist es zulässig, dass Deiche im 1D-Modell des Flussschlauches schematisch abgebildet werden?“ lautet die Antwort des Auftraggebers: „Die Deiche sind mit ihrer tatsächlichen Höhe abzubilden. … Somit sind in Bereichen, in denen nur einseitig Deiche existieren oder die Deichböden deutlich differieren, diese in das 2D-raster zu reintegrieren, d.h. mindestens der höhere der beiden Deiche findet sich sowohl im 1D- als auch im 2D-Modul“.
2.2) Letztlich kann offen bleiben, ob die Berücksichtigung von Angeboten mit der gekoppelten 1D/2D-Software in zulässiger Weise hätte bis zur Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe als Vergabefehler gerügt werden müssen. Der Antragstellerin fällt aus einem anderen Grund eine Verletzung ihrer Rügeobliegenheit zur Last.
Eine ordnungsgemäße Rüge der Antragstellerin liegt erst mit dem im Namen der Bietergemeinschaft verfassten Rügeschreiben vom 15.11.2012 vor. Diese dem Auftraggeber am gleichen Tag zugegangene Rüge ist entgegen § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht unverzüglich nach Erkennen des gerügten Vergabeverstoßes erfolgt und deshalb unzulässig.
a) Der Anwendung der Rügevorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB steht die Rechtsprechung des EuGH, dass nationale Rechtsvorschriften, welche die Dauer von Fristen für den Zugang eines Bieters zum Vergabenachprüfungsverfahren in das freie Ermessen des zuständigen Richters stellen, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sind (vgl. Urteile v. 28.01.2010, C-406/09, VergabeR 2010, 457 und C-456/08, zitiert nach juris.de), nicht entgegen. Die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB räumt nicht ein freies Ermessen ein, sie legt den in § 121 Abs. 1 BGB als „ohne schuldhaftes Zögern“ legal definierten Begriff „unverzüglich“ zugrunde (vgl. OLG Dresden, Beschluss v. 07.05.2010, WVerg 6/10; OLG Rostock, Beschluss v. 20.10.2010, 17 Verg 5/10; Senat, Beschluss v. 10.01.2012, Verg W 18/11; offen lassend: OLG München, Beschluss v. 03.11.2011, Verg 14/11, a.A. OLG Celle, [obiter dictum]; Beschluss v. 26.04.2010, 13 Verg 4/10; zitiert jeweils nach juris.de).
b) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin sind die je Los 1 und 4 versandten Vorabinformationsschreiben nicht wegen fehlerhafter Adressierung an nur ein Bietergemeinschaftsmitglied als wirkungslos anzusehen.
Die Schreiben sind gerichtet an „G… Ingenieurbüro …, z. Hd. Herrn Dr. G…“ unter der Büroanschrift in C…. Beide Schreiben sind am 06.11.2012 an die E-Mail-Adresse „dr.g….de“ gesandt worden. Mit der gewählten Adressierung hat der Auftraggeber die Vorabinformationsschreiben - wie auch die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots vom 12.09.2012 - zutreffend an den von der Antragstellerin im Teilnahmeantrag bezeichneten Vertreter der Bietergemeinschaft gerichtet. Im Teilnahmeantrag der Antragstellerin ist als Ansprechpartner und Bevollmächtigter der Bietergemeinschaft “Dr. G…” unter Angabe der vorbezeichneten E-Mail-Adresse benannt. Dass Dr. G… Inhaber des Bietergemeinschaftsmitglieds „G… - Ingenieurbüro …“ ist und Post mithin unter der Firmenanschrift in C… empfängt, ergibt sich aus dem Inhalt des Teilnahmeantrages im übrigen. Eine anderslautende Adresse des Bevollmächtigten ist nicht mitgeteilt worden. Das Geschäftspapier der Fa. „G… - Ingenieurbüro …“ gibt hingegen die Firmen-E-Mail-Adresse abweichend mit „info@g...de“ an.
Mit Zusendung der Vorabinformation an das für den Vertreter der Bietergemeinschaft genannte E-Mail-Postfach ist die Bietergemeinschaft als betroffener Bieter im Sinne des § 101a GWB informiert worden.
c) Den gerügten Vergabeverstoß, der in der Berücksichtigung der Angebote mit der Software SOBEK zu sehen ist, hat die Antragstellerin aufgrund des Inhalts der am 06.11.2012 per E-Mail zugegangenen Vorabinformationsschreiben (§ 101a GWB) erkannt. Mit den Vorabinformationsschreiben ist die Antragstellerin darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der Zuschlag für die Lose 1 und 4 auf die Angebote der Beigeladenen mit der Software SOBEK erteilt werden soll.
Zwar mag es zutreffen, dass erstmals mit Zugang des Nichtabhilfeschreibens des Auftraggebers vom 12.11.2012 der Antragstellerin bewusst geworden ist, dass unterschiedliche Leistungsbeschreibungen an die Bieter - je nach einzusetzender Software - versandt worden sind. Darauf kommt es rechtlich jedoch nicht an.
Die Antragstellerin ist in ihren Rechten nicht dadurch verletzt worden, dass sie eine Leistungsbeschreibung zugeschnitten auf 2D-Software erhalten hat. Eine Verletzung ihrer Rechte kann vielmehr nur darin liegen, dass der Auftraggeber Angebote sowohl unter Einsatz der Software SOBEK als auch der Software HYDRO_AS-2D gestattet hat, den Bietern dies aber mit der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots nicht verdeutlicht hat. Dass die Antragstellerin bei Abfassung ihres Angebots davon ausgegangen ist, es habe sich bereits im Teilnahmewettbewerb die vom Auftraggeber genannte „Mehrheitssoftware“ (nämlich HYDRO_AS-2D) herausgebildet, im Bewerbungsverfahren könne daher nur noch diese bei der Abfassung von Angeboten zum Einsatz kommen, hat der Vertreter die Bietergemeinschaft in der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2013 dargelegt.
Mit Erhalt der Vorabinformationsschreiben betreffend Los 1 und Los 4 am 06.11.2012 hat der Vertreter der Bietergemeinschaft aber erkannt, dass die Antragstellerin einem Irrtum unterlegen ist und auch Angebote der Software SOBEK zulässig waren und einer Wertung auf Seiten des Auftraggebers unterzogen wurden. Denn im Schreiben vom 07.11.2012 wird bereits die Berücksichtigung des Angebots der Beigeladenen mit der Software SOBEK als vergaberechtswidrig gerügt.
d) Der Obliegenheit gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB, einen erkannten Verstoß gegen das Vergaberecht unverzüglich zu rügen, ist die Antragstellerin nicht nachgekommen. Sie hat erstmals am 15.11.2012 eine Rüge erhoben.
Zwar enthalten bereits die Schreiben vom 07. und 12.11.2012 die mit Schreiben vom 15.11.2012 geltend gemachten Rügen. Die Schreiben vom 07. und 12.11.2012 sind jedoch nicht der Antragstellerin zuzuordnen. Diese Schreiben sind Erklärungen ausdrücklich nur im Namen des Biergemeinschaftsmitglieds „G… - Ingenieurbüro …“ und entfalten deshalb keine Rechtswirkungen für die Bietergemeinschaft. Den dahingehenden Erklärungswillen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 15.11.2012 zu Ausdruck gebracht. Nach Darstellung der Antragstellerin im Schreiben vom 15.11.2012 sollen die Rügen vom 07. und 12.11.2012 deshalb allein im Namen des von Dr. G… vertretenen Bietergemeinschaftsmitglieds abgegeben worden sein, weil die Vorabinformation fehlerhaft nur diesem Bietergemeinschaftsmitglied erteilt worden sei. Dass die Ansicht rechtlich nicht zutrifft, ist unter II.2.2.c) ausgeführt.
e) Die dem Auftraggeber am 15.11.2012 zugegangene Rüge ist nicht unverzüglich erhoben.
Der Eingang des Schreibens am 15.11.2012 per E-Mail bei dem Auftraggeber ist am neunten Kalendertag nach Zugang des Vorabinformationsschreibens beim Bevollmächtigten der Bietergemeinschaft (06.11.2012) erfolgt. Dieser Zeitablauf ist unter den Gegebenheiten des Streitfalls nicht als unverzüglich anzusehen.
Im Regelfall ist eine Rüge nach Ablauf von mehr als einer Woche nicht mehr unverzüglich, in einfach gelagerten Fälle sind drei Tage zugrunde zu legen (vgl. OLG Dresden, Beschluss v. 07.05.2010 a.a.O.; OLG Rostock, Beschluss v. 20.10.2010 a.a.O., zitiert jeweils nach juris.de). Ein längerer Zeitablauf kann nur in Ausnahmefällen bei besonders schwieriger Sach- und/oder Rechtslage als unverzüglich gelten (vgl. BayObLG, Beschluss v. 29.09.2004, Verg 22/04; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 05.05.2008, Verg 5/09; OLG Jena, Beschluss v. 05.06.2009, 9 Verg 5/0, zitiert jeweils nach juris.de; Dicks in Ziekow/Völlink, a.a.O. § 107 GWB, Rn. 46). Eine solche Sachlage liegt hier aber nicht vor.
Der Vertreter der Bietergemeinschaft und gleichermaßen Vertreter des Bietergemeinschaftsmitglieds „G… - Ingenieurbüro …“, Herr Dr. G…, hat am 07.11.2012 die Sach- und Rechtslage erkennbar so beurteilt, wie sie mit den für Los 1 und Los 4 namens des Bietergemeinschaftsmitglieds an diesem Tag verfassten anwaltlichen Rügeschreiben zum Ausdruck gekommen ist. Der Umstand, dass der als Vergabeverstoß erkannte Sachverhalt dennoch erst mehr als eine Woche später namens der Bietergemeinschaft gerügt worden ist, steht einer unverzüglichen Rüge entgegen, zumal nach Darstellung der Antragstellerin der vermeintliche Fehler der Vorabinformationsschreiben von Dr. G… ebenfalls erkannt worden ist. Denn nach dem Vorbringen der Antragstellerin sind die Rügeschreiben vom 07.11.2012 im Hinblick auf die für fehlerhaft gehaltenen Vorabinformationsschreiben vom 06.11.2012 allein für das Mitglied der Bietergemeinschaft ausgebracht worden.
f) Nicht zu folgen ist der Antragstellerin darin, dass mit der Rüge gegen die Verwendung softwarespezifischer Leistungsbeschreibungen am 15.11.2012 ein Vergabeverstoß unverzüglich nach Erkennen desselben gerügt sei, weil dieser Umstand erst aus dem Nichtabhilfeschreiben des Auftraggebers vom 12.11.2012 ersichtlich geworden sei.
Der am 12.11.20012 bekannt gewordene Umstand betrifft den bereits zuvor als Vergabefehler erkannten aber dennoch nicht unverzüglich gerügten Umstand. Bei der beanstandeten Verwendung der auf die jeweilige Software zugeschnittenen Leistungsbeschreibungen handelt sich nicht um einen selbständigen Vergabefehler, sondern um eine Element des als vergaberechtswidrig erkannten Sachverhalts der Berücksichtigung der Angebote mit der Software SOBEK bei der Angebotswertung. Das nachträgliche Bekanntwerden eines weiteren Umstandes in Bezug auf einen bereits bekannten Vergabeverstoß führt nicht dazu, dass der für die Rügeobliegenheit maßgebende Zeitpunkt der Kenntnis mit jeder weiteren Information neu zu bestimmen ist und eine trotz Kenntnis des Verstoßes unterlassene Rüge nachgeholt werden kann.
III.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren und das Verfahren auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde hat ihre Grundlage in §§ 120 Abs. 2, 78 GWB. Aus Gründen der Waffengleichheit entspricht es der Billigkeit, die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Auftraggebers im Beschwerdeverfahren als notwendig anzusehen.
Der Beigeladen ist ein Kostenerstattungsanspruch nicht zu zuerkennen, weil sie am Verfahren nicht mit eigenen Anträgen oder schriftsätzlichem Vorbringen teilgenommen hat.