Gericht | FG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 19.09.2012 | |
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Aktenzeichen | 11 K 11198/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Mit sieben Erbteilskaufverträgen erwarb der Kläger zwischen Juni und Dezember 2006 von sieben Erben nach B… insgesamt 337/384 der Anteile an der Erbengemeinschaft nach Frau B…. Als Kaufpreis zahlte der Kläger insgesamt einen Betrag in Höhe von € 141 100,-. Zu dem Nachlass gehörten verschiedene Grundstücke.
Eine weitere Miterbin nach Frau B…, Frau C…, erwarb von anderen Miterben ebenfalls deren Erbanteile. Zudem übte Frau C… ihr gesetzliches Vorkaufsrecht gegenüber dem Kläger aus.
Der Kläger und Frau C… schlossen im November 2008 vor dem Landgericht D… einen Vergleich, nach dem der Kläger seine Anteile an der Erbengemeinschaft an Frau C… übertrug. Auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 3. November 2008 in dem Verfahren 313 O 96/08 wird Bezug genommen.
Auf dieser Grundlage beantragte der Kläger im Februar 2009 beim Beklagten die Rückerstattung der aus den Erbanteilskaufverträgen beruhenden festgesetzten Grunderwerbsteuern in Höhe von insgesamt € 4 811,-.
Der Beklagte lehnte diesen Antrag ab. Die Erbanteilskaufverträge seien weder aufgehoben noch rückabgewickelt worden, sondern seien durch die Eintragung des Klägers in das Grundbuch als Miterbe durch die einzelnen Veräußerer erfüllt worden. Dementsprechend habe Frau C… ihr Vorkaufsrecht nur noch gegen den Kläger als Miterben persönlich ausüben können, und habe der Kläger seinen Anteil an Frau C… übertragen müssen.
Zur Begründung seines Einspruchs führte der Kläger aus, er sei nicht Mitglied der Erbengemeinschaft geworden. Er, der Kläger, sei auch nur hinsichtlich des Erbanteils der Miterbin E… als Miterbe in das Grundbuch eingetragen worden.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Erbanteilskaufverträge seien nicht im Sinne des § 16 Grunderwerbsteuergesetz rückgängig gemacht worden, weil die Erbteilsveräußerer nicht ihre ursprüngliche Rechtsstellung zurückerlangt hätten. Vielmehr habe der Kläger die von ihm erworbenen Anteile an Frau C… übertragen.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger weiter vor, die Erbteilskaufverträge hätten unter einer stillschweigenden auflösenden Bedingung, nämlich dass die Vorkaufsberechtigten ihr Vorkaufsrecht nicht ausüben, gestanden. Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts seien deshalb die Wirkungen der Erbteilskaufverträge fortgefallen (§ 158 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –). Außerdem habe er, der Kläger, mit Schreiben vom 10. September 2009 den Rücktritt von den Erbteilskaufverträgen erklärt. Er habe auch ein Rücktrittsrecht nach § 326 Abs. 5 in Verbindung mit § 275 Abs. 1 BGB gehabt. Die Erwerbsvorgänge seien auch tatsächlich rückgängig gemacht worden. Er, der Kläger, habe nur eine ursprünglich bestehende Verpflichtung der Veräußerer durch eigene Übertragung der erworbenen Erbanteile erfüllt.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung vom
12. März 2009 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2009 zu verpflichten, den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer vom 18. Oktober 2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, eine auflösende Bedingung sei nicht vereinbart worden; anderenfalls hätte es der Klage gegen den Kläger nicht bedurft. Die Rücktrittserklärungen seien erst nach der Übertragung der Erbanteile an Frau C… abgegeben worden.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die ablehnende Verfügung und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat zutreffend eine Aufhebung der gesonderten Feststellung nach § 16 GrEStG abgelehnt.
Soweit der Kläger hinsichtlich der Erbteilskaufverträge mit den sechs Miterben nach Frau B… (Ausnahme: Vertrag mit Frau E… am 30. Juni 2006) noch nicht als Miterbe im Grundbuch eingetragen war, kommt eine Aufhebung bzw. Änderung des Feststellungsbescheids nach § 16 Abs. 1 GrEStG nicht in Betracht.
Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird auf Antrag die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wurde, bevor das Eigentum am Grundstück übergegangen ist, und wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn die entsprechenden Erbteilskaufverträge wurden nicht durch eine Vereinbarung zwischen den jeweiligen Vertragsparteien oder aufgrund eines im Vertrag eingeräumten Rücktrittsrechts rückgängig gemacht. Es bestand auch kein Wiederkaufsrecht der jeweiligen Veräußerer.
Auch die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift wird eine Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang vor dem Übergang des Eigentums am Grundstück auf den Erwerber innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird, weil die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.
Entgegen der Auffassung des Klägers hatte er mit den einzelnen Miterben, mit denen er einen Erbteilskaufvertrag geschlossen hatte, nicht stillschweigend eine auflösende Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 2 BGB für den Fall, dass ein Vorkaufsrecht ausgeübt werde, vereinbart. Die Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung scheitert nämlich bereits an dem Umstand, dass es sich bei dem Erbteilskaufvertrag um einen formbedürftigen Vertrag (§§ 311b, 2033 Abs. 1 BGB) handelte (vergleiche nur Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Vorbemerkung zu §§ 116 – 144, Randnummer – Rn. – 7). Zudem ergibt sich auch aus den jeweiligen Verträgen, dass die Vertragsparteien eine auflösende Bedingung nicht vereinbaren wollten. Denn die Parteien wurden vom Notar jeweils ausdrücklich über das bestehende Vorkaufsrecht der Miterben belehrt. Gleichwohl haben die Vertragsparteien keine dahingehende Vereinbarung getroffen. Dieses Schweigen deutet darauf hin, dass sich die Vertragsparteien darüber bewusst waren, dass ein Vorkaufsrecht ausgeübt werden könne und sie gleichwohl den Vertrag uneingeschränkt in Vollzug setzen wollten.
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf das Urteil des BFH vom 25. Juni 1980 – II R 28/79, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 132, 316, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 1981, 332, berufen. Denn aus diesem Urteil ergibt sich nicht, dass Verträge im Zusammenhang mit der Ausübung eines Vorkaufsrechts durch Dritte als Verträge mit einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) einzuordnen sind. Vielmehr hat der BFH lediglich klargestellt, dass die in einem Kaufvertrag, der von der Erklärung über die Nichtausübung eines etwaigen Vorkaufsrechts abhängig gemacht worden ist, enthaltene Bedingung eine auflösende Bedingung und keine aufschiebende Bedingung ist. Ob jedoch eine Bedingung in diesem Sinne vereinbart wurde, ist nach Maßgabe des jeweiligen Vertrags durch das Finanzgericht festzustellen.
Ferner kann offen bleiben, ob dem Kläger ein Rücktrittsrecht nach § 326 Abs. 5 in Verbindung mit § 275 Abs. 1 BGB zustand. Jedenfalls wurde der Erwerbsvorgang im Streitfall nicht auf Grund eines Rücktritts des Klägers rückgängig gemacht. Vielmehr wurde der Erwerbsvorgang ausschließlich auf Grund des vor dem Landgericht D… mit Frau C… geschlossenen Vergleichs rückgängig gemacht. Soweit daher der Kläger den Rücktritt erst nach diesem Vergleich erklärte, scheiterte ein Vollzug des Rücktritts bereits an dem bereits durchgeführten Vergleich. Insofern war also nicht der Rücktritt, sondern der Vergleich kausal für die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs (siehe hierzu nur: Hofmann, GrEStG, 9. Auflage 2010, § 16 Rn. 29).
Weiterhin wurden die Erbteilskaufverträge durch die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht hinfällig. Vielmehr entstand zwischen dem vorkaufsberechtigten Miterben und dem Kläger – als Käufer – ein gesetzliches Schuldverhältnis, nach dem sich der Kläger so behandeln lassen musste, als ob ein Kaufvertrag zwischen dem verkaufenden und den zum Vorkauf berechtigten Miterben zustande gekommen ist, der auch ihm gegenüber wirkt; der das Vorkaufsrecht ausübende Miterbe erwarb nur einen schuldrechtlichen, gegen den Kläger – als Käufer – gerichteten Anspruch auf Übertragung des Erbanteils (siehe nur Gergen in MüKo, a.a.O. § 2035 BGB Rn. 6). Dem Kläger stand daher allenfalls ein Rücktrittsrecht zu, dessen Ausübung aber nach den vorstehenden Ausführungen nicht die Rechtsfolge des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ausgelöst hat.
Soweit der Kläger hinsichtlich des mit Frau Dr. E… am 30. Juni 2006 abgeschlossenen Erbteilskaufvertrags bereits als Miterbe im Grundbuch eingetragen war, kommt eine Aufhebung bzw. Änderung des Feststellungsbescheids nach § 16 Abs. 2 GrEStG nicht in Betracht.
Zum einen fand der Rückerwerb nicht innerhalb von zwei Jahren nach Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang statt (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Denn die Grunderwerbsteuer ist am 30. Juni 2006, dem Tag des Erbteilskaufvertrags entstanden. Der Vergleich mit Frau C… wurde jedoch erst am 3. November 2008 und damit nach Ablauf von zwei Jahren geschlossen.
Zum anderen war der dem Erwerbsvorgang zugrundeliegende Erbteilskaufvertrag nicht nichtig (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG).
Weiterhin liegen auch die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht vor, da weder eine auflösende Bedingung vereinbart worden war, noch das Rechtsgeschäft auf Grund eines gesetzlichen Rücktrittsrechts rückgängig gemacht wurde. Insoweit gelten die obigen Ausführungen entsprechend.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob der Erwerbsvorgang auch dann im Sinne des § 16 GrEStG rückgängig gemacht worden ist, wenn der Erbanteil nicht an die jeweiligen Veräußerer, sondern aufgrund eines Anspruchs unmittelbar an Frau C… übertragen wurde.
Schließlich kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in den Fällen des Scheiterns eines Erwerbsvorgangs die Festsetzung nach § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG aufzuheben sei. Denn diese Vorschrift knüpft an bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen an, die im Streitfall nicht erfüllt sind. Ob möglicherweise die Erhebung der Grunderwerbsteuer sachlich unbillig ist, wäre in einem gesonderten Verfahren (vergleiche § 163 Satz 1 und 3 Abgabenordnung) zu klären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da – soweit ersichtlich – zur Frage der Anwendbarkeit der Vorschrift des § 16 GrEStG bei Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 2035 BGB keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.