Gericht | OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 26.04.2012 | |
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Aktenzeichen | 3 WF 17/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
I.
Die Beteiligten haben bis April 2011 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Aus dieser Beziehung ist ein im Jahr 2008 geborenes Kind hervorgegangen. Durch Antrag vom 2.9.2011 hat die Antragstellerin beantragt, gegen den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz zu ergreifen. Zugleich hat sie beantragt, ihr Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Anträgen nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) entsprochen, soweit es um ein Verbot der Bedrohung, der Belästigung, Verletzung oder des körperlichen Angriffs, sowie um ein Annäherungsverbot ging, den Antrag aber zurückgewiesen, soweit auch beantragt war, dem Antragsgegner die Kontaktaufnahme zur Antragstellerin zu untersagen. Die Gerichtskosten des Verfahrens hat das Amtsgericht dem Antragsgegner auferlegt, ebenso seine außergerichtlichen Kosten. Die Antragstellerin soll nach dem angefochtenen Beschluss ihre außergerichtlichen Kosten in Höhe von erstrangigen 150 € selbst tragen, im Übrigen sind sie vom Antragsgegner zu tragen. Den Verfahrenswert hat das Amtsgericht auf 2.000 € festgesetzt. Den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren hat das Amtsgericht zurückgewiesen, den Antrag auf Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten, soweit er auf eine Befreiung von der Anwaltsvergütung in Höhe von erstrangigen 150 € gerichtet ist. Soweit es die Verfahrenskostenhilfe betrifft, ist in den Gründen des Beschlusses ausgeführt, Entscheidungsreife liege hinsichtlich des Verfahrenskostenhilfeantrags und des Beiordnungsantrags nur vor, soweit er auf Befreiung von erstrangigen 150 € Anwaltsvergütung gerichtet sei. Insoweit sei der Antrag im Hinblick auf die fehlende Erfolgsaussicht zurückzuweisen. Ob und inwieweit der Antragstellerin für den erfolgreichen Anordnungsantrag die Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen sei, werde abschließend entschieden, wenn die Unterlagen für die Verfahrenskostenhilfe vollständig vorlägen.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, soweit ihr Antrag auf Verfahrenskostenhilfebewilligung und der Beiordnungsantrag zurückgewiesen worden seien. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Antragsgegner sei im Verfahren überwiegend unterlegen. Angesichts des geringen Verfahrenswertes ergäben sich für sie außergerichtliche Kosten von 229,55 €. Müsse sie hiervon, wie vom Amtsgericht angenommen, 150 € selbst tragen, läge ihre Kostenbeteiligung bei 65 %. Dem überwiegenden Unterliegen des Antragsgegners werde damit nicht Rechnung getragen.
Durch Verfügung vom 26.10.2011 hat das Amtsgericht auf Bedenken hinsichtlich der Anwaltsbeiordnung im Hinblick auf § 78 Abs. 2 FamFG hingewiesen. Hierzu hat die Antragstellerin unter dem 21.12.2011 ergänzend vorgetragen. Im Anschluss daran hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Antragstellerin können Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht aus den vom Amtsgericht angegebenen Gründen versagt werden.
1.
Da sich das Rechtsmittel gegen den Beschluss des Amtsgerichts richtet, soweit der Verfahrenskostenhilfeantrag und der Beiordnungsantrag zurückgewiesen worden sind, handelt es sich um eine nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde. Der Umstand, dass mit der Rechtsmittelbegründung auch die vom Amtsgericht getroffene Kostenentscheidung gerügt wird, führt nicht dazu, eine Anfechtung auch der Kostenentscheidung anzunehmen. Dabei ist zum Einen zu berücksichtigen, dass eine solche Beschwerde wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts von mehr als 600 € nach § 61 Abs. 1 FamFG unzulässig wäre. Zum Anderen strebt die Antragstellerin ersichtlich an, von den Kosten ihrer Verfahrensbevollmächtigten vollständig freigestellt zu werden. Dieses Ziel kann sie auch mit der Beschwerde im Verfahrenskostenhilfeverfahren erreichen. Würde ihr nämlich Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten vollständig bewilligt werden, wäre sie von den Kosten für die Verfahrensbevollmächtigte freigestellt, § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
2.
Das Amtsgericht hat über den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung einer Verfahrensbevollmächtigten verfahrensfehlerhaft entschieden. Da die Sache schon mit Rücksicht auf die Bedürftigkeit, § 115 ZPO, nicht entscheidungsreif ist, wird das Verfahren unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückverwiesen.
a)
Das Amtsgericht hat zu Unrecht nur eine teilweise Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe getroffen.
Trotz der vollständigen Versagung von Verfahrenskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren unter VIII. des Tenors des angefochtenen Beschlusses ist mit Rücksicht auf die Gründe der Entscheidung, wonach für den erfolgreichen Antrag noch keine Entscheidungsreife bestehe, davon auszugehen, dass das Amtsgericht den Verfahrenskostenhilfeantrag nicht vollständig beschieden, sondern lediglich hinsichtlich des aus seiner Sicht nicht erfolgreichen Teils Verfahrenskostenhilfe verweigert hat.
Grundsätzlich ist über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe einheitlich zu entscheiden. Soweit hinreichende Erfolgsaussicht nur in einem bestimmten Umfang besteht, ist das Gesuch im Übrigen zurückzuweisen (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf-/Gutjahr, 2. Auflage, § 1 Rn. 61). Im Einzelfall kann es genügen, Verfahrenskostenhilfe zunächst nur für einen eingeschränkten Teil des Begehrens zu bewilligen und eine weitergehende Bewilligung wegen noch nicht abschließender Klärung der Erfolgsaussicht vorzubehalten. Für den vom Amtsgericht beschrittenen umgekehrten Weg hingegen besteht kein Bedürfnis. Ist noch nicht ersichtlich, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Verfahrensbeteiligter die Kosten der Verfahrensführung selbst aufbringen kann, § 114 f. ZPO, braucht über den Antrag noch nicht entschieden zu werden. Vielmehr ist dem Beteiligten aufzugeben, seine Bedürftigkeit weiter glaubhaft zu machen, vgl. § 118 Abs. 2 ZPO. Zunächst nur den aus Sicht des Gerichts nicht erfolgversprechenden Teil des Verfahrenskostenhilfegesuchs zu bescheiden, kann zu unnötigen Rechtsmitteln führen. Denn wenn sich im weiteren Verfahren herausstellt, dass der Beteiligte nicht bedürftig ist, hätte es einer Prüfung der Erfolgsaussicht im Hinblick auf einen eingeschränkten Teil überhaupt nicht bedurft. Insbesondere aber ist nicht ersichtlich, warum das Amtsgericht, nachdem es – was nur ausnahmsweise zulässig ist -, über das Verfahrenskostenhilfegesuch nicht vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens entschieden hat, im Hinblick auf die Verfahrenskostenhilfe nur eine Teilentscheidung getroffen hat.
b)
Im vorliegenden Verfahren war es nicht angezeigt, Verfahrenskostenhilfe unter Hinweis auf fehlende Erfolgsaussicht teilweise zu versagen.
Dabei kann dahinstehen, ob das Amtsgericht in seiner Hauptsacheentscheidung zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für ein Kontaktaufnahmeverbot nicht vorlagen. Ebenso kann auf sich beruhen, ob eine fehlende Erfolgsaussicht insoweit unterstellt, dieser Umstand bereits im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und Beantragung von Verfahrenskostenhilfe vorlag, sodass sich ein Abstellen auf die Erfolgsaussicht im Zeitpunkt der Hauptsacheentscheidung nicht als verfassungsrechtlich unzulässige Betrachtung im Nachhinein darstellt (vgl. hierzu FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 55).
Von dem Grundsatz, dass bei nur teilweise bestehender Erfolgsaussicht das Verfahrenskostenhilfegesuch im Übrigen zurückzuweisen ist, ist nämlich eine Ausnahme dann zu machen, wenn mit dem überschießenden Begehren keine zusätzlichen Kosten ausgelöst werden (Zöller/Geimer, ZPO, 29. Auflage, § 114 Rn. 23 b a.E.; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 178). So liegt es hier. Die Antragstellerin hat lediglich Maßnahmen nach § 1 GewSchG, nicht hingegen solche nach § 2 GewSchG beantragt. In Gewaltschutzsachen nach § 1 GewSchG ist von einem einheitlichen Verfahrenswert von 2.000 € auszugehen; ein höherer Wert wird nur in Gewaltschutzsachen nach § 2 GewSchG angenommen, § 49 Abs. 1 FamGKG. Der Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner auch ein Kontaktaufnahmeverbot aufzuerlegen, löst somit keine Mehrkosten aus. Bei im Übrigen bestehender Erfolgsaussicht kann, soweit auch die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, Verfahrenskostenhilfe uneingeschränkt bewilligt werden.
c)
Den Antrag auf Anwaltsbeiordnung hat das Amtsgericht in ungewöhnlicher Weise insoweit zurückgewiesen, als der Antrag auf eine Befreiung von Anwaltsvergütung in Höhe von erstrangigen 150 € gerichtet ist. Dieser Ausspruch ist dahin zu verstehen, dass dem Beiordnungsantrag insoweit nicht entsprochen worden ist, als mangels Erfolgsaussicht auch das Verfahrenskostenhilfegesuch zurückgewiesen worden ist. Des Ausspruchs zur Anwaltsbeiordnung hätte es daher nicht bedurft, da, soweit Verfahrenskostenhilfe versagt wird, eine Anwaltsbeiordnung zwangsläufig ausscheidet.
Da aber, wie soeben ausgeführt, das Begehren der Antragstellerin als in vollem Umfang erfolgversprechend anzusehen ist, kommt die Beiordnung eines Rechtsanwalts uneingeschränkt in Betracht. Allerdings kann sie nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 78 FamFG vorliegen.
Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG wird dem Beteiligten, wenn eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Die dabei gebotene einzelfallbezogene Prüfung lässt eine Herausbildung von Regeln, nach denen dem mittellosen Beteiligten für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, regelmäßig nicht zu. Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ist nach der gebotenen individuellen Bemessung deswegen nicht mit dem Gesetz vereinbar (BGH, Beschluss vom 23.6.2010 – XII ZB 232/09 - FamRZ 2010, 1427, Tz. 20). Jeder der im Gesetz genannten Umstände, sowohl die Schwierigkeit der Sachlage als auch die Schwierigkeit der Rechtslage, kann für sich allein die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe erforderlich machen (BGH, a.a.O., Tz. 14). Die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts beurteilt sich darüber hinaus auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten (BGH, a.a.O., Tz. 21 ff.). Entscheidend ist, ob ein bemittelter Rechtsuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BGH, a.a.O., Tz. 23, 25). Dabei kann, auch wenn der Grundsatz der Waffengleichheit kein allein entscheidender Gesichtspunkt für die Beiordnung eines Rechtsanwaltes mehr ist, der Umstand der anwaltlichen Vertretung anderer Beteiligter ein Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage sein (BGH, a.a.O., Tz. 17). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Antragstellerin vorliegend ein Rechtsanwalt beizuordnen.
Im Beschwerdeverfahren ist auf Anforderung des Senats seitens der Antragstellerin glaubhaft gemacht worden, dass diese bereits vor den Vorfällen, die Gegenstand des Gewaltschutzantrags waren, in stationärer psychologischer Behandlung und im Anschluss daran in einer Tagesklinik gewesen ist. Angesichts der damit einhergehenden psychischen Labilität hätte die Antragstellerin bei vernünftiger Betrachtung, wenn sie Verfahrenskosten selbst aufbringen müsste, auch einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt. Folglich ist ihr im Rahmen der Verfahrenskostenhilfebewilligung ebenfalls ein Rechtsanwalt beizuordnen.
Die Beiordnung der nicht im Bezirk des Amtsgerichts niedergelassenen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin kann allerdings nur erfolgen, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen, § 78 Abs. 3 FamFG.
d)
Über das Verfahrenskostenhilfegesuch kann nicht abschließend entschieden werden, weil noch zu klären ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Antragstellerin in der Lage ist, die Kosten der Verfahrensführung selbst aufzubringen, §§ 114, 115 ZPO.
Das Amtsgericht ist im angefochtenen Beschluss selbst davon ausgegangen, dass im Hinblick auf unvollständige Unterlagen noch keine Entscheidungsreife gegeben sei. Das Amtsgericht hat allerdings nicht zu erkennen gegeben, in welchem Umfang noch Ermittlungen anzustellen sind.
Mit Rücksicht darauf, dass die in erster Instanz vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 5.8.2011 stammt und nur hinsichtlich der Einkünfte aus Erwerbstätigkeit mit Belegen versehen ist, wird das Amtsgericht die Antragstellerin auffordern, eine aktuelle Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst vollständigen Belegen vorzulegen. Auf dieser Grundlage wird das Amtsgericht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats abschließend über das Verfahrenskostenhilfegesuch und den Beiordnungsantrag entscheiden.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.