Gericht | SG Potsdam 40. Kammer | Entscheidungsdatum | 31.05.2012 | |
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Aktenzeichen | S 40 AS 3480/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10, § 31 SGB 10, § 39 Abs 2 SGB 10, § 77 SGG, § 22 Abs 1 S 4 SGB 2 |
1. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 21. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2009 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat den Klägern die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Die Kläger wenden sich gegen eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten bezüglich des Leistungszeitraums November 2008, die eine Gesamtforderung in Höhe von 73,32 Euro ausweist.
In dieser Höhe floss den Klägern im Oktober 2008 ein Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung ihrer Wohnung für den Zeitraum Januar bis Dezember 2007 zu.
Mit Bewilligungsbescheid vom 10. September 2008 bewilligte der Beklagte unter anderem für den Monat November 2008 als Kosten für Unterkunft und Heizung auf der Grundlage des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) der Klägerin zu 1) 169,32 Euro, dem Kläger zu 2) 169,31 Euro und dem Kläger zu 3) 101,31 Euro. Eine gleich lautende Bewilligung in diesem Punkt enthalten die Änderungsbescheide des Beklagten vom 07. November 2008 und vom 09. Januar 2009. Am 27. März 2009 ging beim Beklagten die Betriebskostenabrechnung der Kläger für den Zeitraum Januar bis Dezember 2007 vom 22. September 2008 ein. Hieraus ergab sich ein Guthaben in Höhe von 73,32 Euro, welches den Klägern am 31. Oktober 2008 überwiesen wurde. Unter dem 30. März 2009 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid, in dem er den Klägern kopfteilig für den Monat November 2008 um das Betriebskostenguthaben verringerte Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligte. Unter demselben Datum hörte er die Klägerin zu 1) zu einer entsprechenden Überzahlung im Monat November 2008 an. Unter dem 21. April 2009 erließ der Beklagte folgenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheid:
„Sehr geehrte Frau D,
die Entscheidung vom 09.01.2009 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wird vom 01.11.2008 bis 30.11.2008 für Sie und Ihre Kinder M D (geb. xx.xx.2001), A D (geb. xx.xx.2006) teilweise in Höhe von 73,32 Euro aufgehoben. Näheres entnehmen Sie bitte dem Änderungsbescheid zum Bezug von Arbeitslosengeld II.“
Es folgt eine nach den Klägern gesonderte Aufstellung der aufgehobenen bzw. zurück geforderten Leistungen, jeweils bezogen auf den Erstattungszeitraum November 2008, wobei bei der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 3) als von der Rückforderung betroffene Leistungsart Leistungen für Unterkunft und Heizung benannt sind, bei dem Kläger zu 2) das Sozialgeld. Zur Begründung bezog sich der Beklagte auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und nahm Bezug auf die Anrechnung des Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung 2007. Den hiergegen am 19. Mai 2009 eingelegten Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06. August 2009 als unbegründet zurück. Zur Begründung bezog er sich auf die angegriffene Verwaltungsentscheidung und führte überdies aus, ein Abzug der Warmwasserpauschale von dem Guthaben sei nicht gerechtfertigt, da dieser Anteil schon im Rahmen der Regelleistung Berücksichtigung gefunden habe.
Die Kläger haben am 04. September 2009 Klage erhoben. Sie machen insbesondere geltend, dass der für die Warmwasserbereitung von den Heizkosten bereits abgezogene Betrag in Höhe von insgesamt 127,26 Euro im Jahr 2007 von dem Betriebskostenguthaben abgezogen werden müsse. Ein anrechenbares Guthaben verbleibe danach nicht.
Sie beantragen,
den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält den angegriffenen Bescheid für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten zur BG-Nr. (3 Bände) verwiesen, die – soweit maßgeblich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die angegriffene Verwaltungsentscheidung ist rechtswidrig und beschwert daher die Kläger (vgl. § 54 Abs. 1, 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Zwar kann der Zufluss eines Betriebskostenguthabens gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X modifiziert durch die Bestimmungen des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II in der zum streitgegenständlichen Zeitpunkt geltenden Fassung grundsätzlich im Folgemonat kopfteilig als Einkommen Berücksichtigung finden (vgl. hierzu auch: Urteil des Bundessozialgerichtes vom 22. März 2012 – B 4 AS 139/11 R –, Terminbericht des Bundessozialgerichtes Nr. 17/12).
Vorliegend hat der Beklagte jedoch die hinsichtlich der Kosten der Unterkunft bewilligten Leistungen der Kläger für den Monat November 2008 zu Unrecht zurück gefordert, denn er hat den für diese Leistungen und diesen Zeitraum maßgeblichen Bewilligungsbescheid vom 10. September 2008 nicht aufgehoben. An dessen Bindungswirkung muss er sich weiter festhalten lassen (§§ 77 SGG, 39 Abs. 2 SGB X). Mit dem angegriffenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. April 2009 hat der Beklagte ausdrücklich „die Entscheidung vom 09.01.2009 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch“ für den Zeitraum November 2008 aufgehoben. Bei dem in der angegriffenen Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung benannten Bescheid vom 09. Januar 2009 handelt es sich im streitgegenständlichen Punkt, nämlich der Leistungsbewilligung für den Monat November 2008 insbesondere den Kosten der Unterkunft, nicht um einen der Aufhebung im Sinne des § 48 SGB X zugänglichen Verwaltungsakt. Er enthält für diesen Monat nicht, wie dies § 31 Satz 1 SGB X voraussetzt, eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Der Bescheid wiederholt lediglich wörtlich die Verfügungssätze des Bescheides vom 10. September 2008, wie es im Übrigen auch bereits der Änderungsbescheid vom 07. November 2008 tut. Eine solche Wiederholung der Verfügungssätze eines Ursprungsbescheides in einem weiteren Bescheid ist kein Verwaltungsakt (vgl. Engelmann in: von Wulffen SGB X, 7. Auflage, München 2010, § 31 Rdn. 32; BSG, Urteil vom 17.04.1991 – 1 RR 2/89 –, zitiert nach juris. mit weiteren Nachweisen). Der angefochtene Bescheid kann angesichts seines klaren Wortlauts auch nicht im Wege der Auslegung dahingehend interpretiert werden, dass der Bescheid vom 10. September 2008 aufgehoben worden wäre. Ein derartiger Wille ist gegenüber den Klägern als Bescheidadressaten nicht zum Ausdruck gekommen. Auch der Widerspruchsbescheid nimmt allein auf den Bescheid vom 09.01.2009 Bezug (vgl. auch: Bayrisches LSG, Urteil vom 18.01.2011 – L 8 SO 7/08 –, zitiert nach juris.).
Im Ergebnis kommt es damit nicht darauf an, dass ausweislich des angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides bei dem Kläger zu 2) fälschlich das Sozialgeld als aufgehobene Leistung bezeichnet wird. Ebenso wäre, wäre der Bescheid vom 09. Januar 2009 der für die Aufhebungsentscheidung maßgebliche Verwaltungsakt, § 45 SGB X zu beachten.
Die im Erstattungsbescheid genannte Forderung kann nicht auf der Grundlage des § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X gegenüber den Klägern geltend gemacht werden. Hiernach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Der für das Behaltendürfen der Leistungen maßgebliche Rechtsgrund, der Verwaltungsakt vom 10. September 2008, hat weiterhin Bestand. Bei dem Bescheid vom 09. Januar 2009 handelt es sich im streitgegenständlichen Monat - wie dargelegt - nicht um einen Verwaltungsakt. Da der Beklagte Ende März 2009 Kenntnis von der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007 hatte, ist die Jahresfrist für eine etwaige Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 10. September 2008 gemäß § 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 SGB X abgelaufen.
Auf die Frage, ob und – wenn ja – inwieweit ein Anteil der von den Heizkosten für die Warmwasserbereitung bereits durch den Beklagten abgezogenen bzw. von den Klägern gezahlten Beträgen von dem Guthaben abzuziehen wäre, kommt es hier nach Allem nicht an (vgl. hierzu: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.06.2011 – L 28 AS 1198/09 – und Urteil des BSG vom 22. März 2012 – B 4 AS 139/11 R –, zitiert nach juris.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 SGG nicht gegeben ist.