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Recht der Kriegsdienstverweigerung


Metadaten

Gericht VG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 14.08.2014
Aktenzeichen VG 3 K 294/13 ECLI
Dokumententyp Gerichtsbescheid Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 1 KDVG, § 2 Abs 2 S 2 KDVG, § 2 Abs 2 S 3 KDVG, § 5 KDVG, § 7 Abs 1 Nr 1 KDVG, Art 4 Abs 3 S 1 GG

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

Der am 24. November 1969 geborene Kläger erklärte mit Schreiben vom 17. September 2012 unter Berufung auf Art. 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG), dass er den Kriegsdienst mit der Waffe verweigere. Seine Grundeinstellung verbiete ihm, andere Menschen zu verletzen oder gar zu töten. Er wolle ein gewaltfreies Leben führen. Dem Schreiben war ein tabellarischer Lebenslauf beigefügt.

Mit Schreiben vom 6. November 2012 wies ihn das zuständige Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (im Folgenden: Bundesamt) darauf hin, dass einem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer neben dem Lebenslauf eine persönliche ausführliche Darlegung der Beweggründe für die Gewissensentscheidung beizufügen sei, für deren Vorlage ihm eine Frist von einem Monat eingeräumt werde.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 3. Januar 2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Antrag nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 2 Satz 3 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes (KDVG) entspreche, da der Kläger es trotz entsprechender Aufforderung unterlassen habe, diesen durch Darlegung der Beweggründe für seine Gewissensentscheidung zu vervollständigen.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2013 Widerspruch, zu dessen Begründung er vortrug, dass sein Gewissen und seine Entscheidungen dem Datenschutz unterlägen. Er werde keinen Kriegsdienst leisten, da dies seiner erlangten Überzeugung widerspreche. Alles andere sei seine Privatsphäre. Seine intimsten Gedankengänge zu Waffen und zum Kriegsdienst werde er nicht darlegen, weil dies die Beklagte nichts angehe.

Mit Widerspruchsbescheid des Bundesamtes vom 27. Februar 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die Gründe des Ablehnungsbescheides und wies nochmals darauf hin, dass gemäß § 2 Abs. 2 KDVG eine persönliche Darlegung der Gewissensgründe zwingend erforderlich sei.

Am 2. April 2013 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

Er trägt vor, dass er die ausführliche persönliche Begründung seines Antrages unter Verweis auf das Grundgesetz und das Datenschutzgesetz verweigere. Das Grundgesetz sehe eine entsprechende Einschränkung für die Kriegsdienstverweigerung nicht vor. Das Datenschutzgesetz sichere ihm den Schutz seiner persönlichen Daten und somit erst recht seiner intimsten Gedanken und Gewissensentscheidungen. Nach dem Dialektischen Materialismus spiegele das Gewissen einen wandelbaren Gesellschaftszustand wider, gelte keine sittliche Wahrheit absolut, so dass selbst eine Entscheidung nach Darlegung der persönlichen Gewissensgründe nicht absolut zu betrachten, sondern von subjektiven Einflüssen geprägt sei. Solange ein ausreichender Datenschutz nicht gewährleistet und die durchaus lebensbestimmende Entscheidung nicht von fachlich geeigneten und sein, des Klägers, Vertrauen genießenden Personen – etwa einem Psychologen - getroffen werde, sei dem Antrag daher bereits aufgrund seiner Aussage, dass er keinen Kriegsdienst verrichten möchte, stattzugeben.

Der Kläger beantragt – sinngemäß -,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben vom 3. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2013 zu verpflichten, ihn als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Kläger nicht berechtigt sei, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Sein Antrag sei abzulehnen gewesen, nachdem der Kläger sich trotz Aufforderung hierzu geweigert habe, eine persönliche ausführliche Darlegung seiner Beweggründe vorzulegen. Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung bestehe, wenn der Betroffene aufgrund einer für ihn zwingenden Gewissensentscheidung nur unter schwerer seelischer Not im Stande sei, an einem Krieg mit der Waffe teilzunehmen. Die Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst setze voraus, dass der Betroffene das Töten von Menschen nicht lediglich aus moralischen oder ethischen Gründen missbillige, sondern es grundsätzlich und ohne Einschränkung als wirklich verwerflich empfinde. Dementsprechend sei es erforderlich, dass der Betroffene seine Gewissensentscheidung plausibel mache. Ein bloß verbales Bekenntnis zur Kriegsdienstverweigerung genüge nicht. Der Gewissensappell müsse auch gerade wegen der damit verbundenen rechtlichen Folgen äußerlich Ausdruck finden durch eine rational mitteilbare und nach dem Kontext intersubjektive nachvollziehbare Darlegung der Ernsthaftigkeit, Tiefe und Unabdingbarkeit der Gewissensentscheidung. Maßgeblich sei, ob das Vorhandensein eines Gewissensgebotes und seiner Verhaltensursächlichkeit hinreichend wahrscheinlich sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang (ein Band) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Ablehnungsbescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

Rechtsgrundlage der von dem Kläger begehrten Anerkennung ist Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG i. V. m. §§ 1 Abs. 1, 5 KDVG.

Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung i. S. d. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 KDVG als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf Antrag als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist (Nr. 1), die dargelegten Beweggründe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen geeignet sind (Nr. 2) und das tatsächliche Gesamtvorbringen und die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nicht mehr bestehen (Nr. 3).

Hier fehlt es schon an einem vollständigen Antrag. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 KDVG muss der Antrag neben der Berufung auf Art 4 Abs. 3 Satz 1 GG einen vollständigen tabellarischen Lebenslauf und eine persönliche ausführliche Darlegung der Beweggründe für die Gewissensentscheidung enthalten. Letztere hat der Kläger seinem Antrag jedoch nicht beigefügt und auch nicht innerhalb der ihm vom Bundesamt gesetzten Monatsfrist eingereicht. Damit war sein Antrag gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 KDVG abzulehnen.

Mit seinen Einwendungen hiergegen vermag der Kläger nicht durchzudringen.

Insbesondere bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass derjenige, der als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden will, die Beweggründe für seine Gewissensentscheidung ausführlich darzulegen hat. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt dies unmittelbar aus Art 4 Abs. 3 GG.

Das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung stellt einen Spezialfall der in Art 4 Abs. 1 GG gewährleisteten Gewissensfreiheit dar (vgl. Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 20. Dezember 1960 – 1 BvL 21/60 -, zitiert nach juris, dort Rdn. 27; von Münch, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 4 Rdn. 66). Dementsprechend setzt Art 4 Abs. 3 Satz 1 GG tatbestandlich das Vorliegen einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe voraus (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Oktober 1972 – VIII C 46.72 -, zitiert nach juris, dort Rdn. 12; von Münch, a. a. O., Art 4 Rdn. 73). Die Feststellung, dass der Betroffene eine entsprechende Gewissensentscheidung getroffen hat, ist im Hinblick auf die rechtsstaatliche und grundrechtlich in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgte Gleichheit vor dem Gesetz unverzichtbar, da nur so sichergestellt werden kann, dass nur derjenige das Recht der Kriegsdienstverweigerung in Anspruch nehmen kann, der die gesetzlichen Voraussetzungen des Grundrechtes erfüllt (vgl. vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Oktober 1972 – VIII C 46.72 -, a. a. O., dort Rdn. 12; von Münch, a. a. O., Art 4 Rdn. 73 f.). Eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen ohne Überprüfung der verbal bekundeten Gewissensentscheidung, wie sie der Kläger hier begehrt, unterläge vielmehr ihrerseits verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. Februar 1978 – VI B 36.77 -, zitiert nach juris, dort Rdn. 5).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügt demnach ein rein verbales Bekenntnis, also die bloße Behauptung des Betroffenen, eine derartige Gewissensentscheidung getroffen zu haben, nicht, um einen Anerkenntnisanspruch zu begründen. Es bedarf vielmehr der konkreten Feststellung, ob die behauptete Gewissensentscheidung tatsächlich getroffen worden ist. Als Grundlage für diese Feststellung wird vor allem der persönlichen Entwicklung, der Lebensführung, dem bisherigen Verhalten des Betroffenen, den Einflüssen, denen er ausgesetzt war und ist sowie der Motivation seiner Entscheidungsbildung ein wesentlicher Aussagewert zuzumessen sein. Den Grundrechtsträger trifft also eine Darlegungslast, er muss seine Gewissensentscheidung erläutern und deren identitätsprägende Bedeutung plausibel machen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. Februar 1978 – VI B 36.77 -, a. a. O., dort Rdn. 5 m. w. N.; von Münch, a. a. O., Art 4 Rdn. 74).

Ist es nach alledem unzulässig, Art 4 Abs. 3 Satz 1 GG in einer Weise zu handhaben, die einem Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal der Gewissensentscheidung gleichkäme, trifft den Gesetzgeber die Verpflichtung, ein Verfahren zu schaffen, durch das hinreichend sichergestellt wird, dass nur derjenige, der aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, von dieser Pflicht befreit wird. Dem dient die Regelungsbefugnis in Art. 4 Abs. 3 Satz 2 GG.

Unter Beachtung dieser Grundsätze unterliegt das dementsprechend in den §§ 2 ff KDVG geregelte Verfahren zur Prüfung des Tatbestandsmerkmales der Gewissensentscheidung keinen rechtlichen Bedenken. Es stellt sich vielmehr als sachgerecht, geeignet und zumutbar dar, insbesondere ist im Hinblick auf die genannten Grund-sätze nicht zu beanstanden, dass von dem Betroffenen objektivierbare Anhaltspunkte verlangt werden, aus denen mit hinreichender Sicherheit auf das Vorliegen einer Gewissensentscheidung geschlossen werden kann. Insoweit kann es entscheidend nur auf die von ihm gegebene Begründung und den gewonnenen Gesamteindruck ankommen. Maßgeblich zu prüfen ist, ob das, was sich nach außen als Gewissensentscheidung kundgibt, wirklich den Charakter einer ernsten, sittlichen, also an den Kategorien von Gut und Böse orientierten Entscheidung trägt, die der Betroffene in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte, und die auf der Vorstellung beruht, im Kriege Menschen töten zu müssen. Schwierigkeiten bei der Beurteilung solcher Sachverhalte seelischer Art müssen als in der Natur der Sache liegend in Kauf genommen werden und lassen sich durch eine sachgerechte und gründliche Ermittlung regelmäßig überwinden. Dabei ist es entgegen der Auffassung des Klägers weder geboten, sich etwa mit theologischen oder philosophischen Lehren über Begriff, Wesen und Ursprung des Gewissens auseinanderzusetzen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 20. Dezember 1960 – 1 BvL 21/60 -, a. a. O., dort Rdn. 28, 31), noch bedarf es in der Regel der Hinzuziehung eines (psychologischen) Sachverständigen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. November 1973 – VI C 5.73 -, zitiert nach juris, dort Rdn. 11 ff., und Beschluss vom 15. Oktober 1992 – 6 B 25/92 -, zitiert nach juris, dort Rdn. 6).

Ebenso wenig vermögen die von dem Kläger benannten datenschutzrechtlichen Bedenken überzeugen.

Gemäß § 4 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten zulässig, soweit das Bundesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Gemäß § 13 Abs. 1 BDSG ist das Erheben personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen des Bundes zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der verantwortlichen Stelle erforderlich ist. Ebenso ist das Speichern, Verändern oder Nutzen personenbezogener Daten zulässig, wenn es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stellen liegenden Aufgaben erforderlich ist und es für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind, § 14 Abs. 1 BDSG.

Wie bereits dargelegt, hat das Bundesamt im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nach dem Kriegsdienstverweigerungsgesetz zu prüfen, ob der Betroffene tatsächlich eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat. Maßgebliche Grundlage hierfür ist die entsprechende Darlegung seiner Beweggründe durch den Betroffenen, deren Erhebung demgemäß in § 2 Abs. 2 Satz 2 KDVG vorgesehen ist. Zudem enthält § 12 KDVG i. V. m. § 36 des Zivildienstgesetzes ausdrückliche gesetzliche Regelungen zur Erhebung personenbezogener Daten sowie zum Umgang mit diesen und zu deren Aufbewahrung bzw. Vernichtung. Den Anforderungen des Datenschutzrechtes ist damit genügt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.