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Entscheidung 9 K 124/18


Metadaten

Gericht VG Cottbus 9. Kammer Entscheidungsdatum 07.08.2020
Aktenzeichen 9 K 124/18 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2020:0807.9K124.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 3 BBesG, § 3 EZulV, § 850a Nr 3 ZPO

Leitsatz

Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO, Zulagen für Samstags-, sog. Vorfest- und Schichtarbeit jedoch nicht.

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheids vom 1. November 2018 und des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2018 verurteilt, dem Kläger den Differenzbetrag zu den an ihn bereits geleisteten Bezügen für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 auszuzahlen, der sich ergibt, wenn die in diesem Zeitraum gewährten Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als unpfändbar gewertet werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu drei Vierteln und der Beklagte zu einem Viertel.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Pfändbarkeit von Zulagen für Schichtdienst und Dienst zu ungünstigen Zeiten.

Der am 4. Februar 1960 geborene Kläger war im Zeitpunkt der Klageerhebung Polizeioberkommissar der Bundespolizei bei der Bundespolizeidirektion B... und der Bundespolizeiinspektion Flughafen B... zugewiesen. Im November 2017 war er in die Besoldungsgruppe A 10 eingruppiert. Neben seinen Bezügen erhielt der Kläger in den Jahren 2014 bis 2017 nach eigenen Angaben unständige Bezüge für Dienste zu ungünstigen Zeiten (DUZ) gemäß § 3 Erschwerniszulagenverordnung (EZulV) und Schichtzulage gemäß § 20 EZulV.

Gegen den Kläger lag ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts W... vom 13. März 2012 in der Zwangsvollstreckungssache der Frau A...als Gläubigerin und der Bundespolizei – Bundespolizeiamt F...– als Drittschuldnerin vom 13. März 2012 nach dem vollstreckbaren Vergleich zum nachehelichen Unterhalt des Amtsgerichts B... vom 15. August 2011 vor, der rückständigen Unterhalt bis einschließlich Januar 2012 in Höhe von 228 EUR sowie laufenden Unterhalt in Höhe von 307 EUR monatlich ab Februar 2012 umfasste. Ab September 2012 reduzierte sich der nacheheliche Unterhalt auf 280 EUR monatlich. Weiter lag gegen den Kläger ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts L... vom 2. April 2014 in der Zwangsvollstreckungssache der Deutsche Bausparkasse q... AG als Gläubigerin und des Bundesverwaltungsamts als Drittschuldner vor, wonach der Kläger eine Gesamtsumme von 29.000 EUR schuldete, wegen der in die Forderungen des Klägers gegenüber dem Drittschuldner so lange zu pfänden war, bis der Gläubigeranspruch gedeckt war.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 12. März 2017 bei dem Beklagten die „Auszahlung der gepfändeten Schichtzulage und DUZ für die Jahre 2014, 2015 und 2016“. Mit weiterem Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 10. Oktober 2017 beantragte er die Feststellung, „dass die Schichtzulage und die Zulage für Dienste zu ungünstigen Zeiten (DUZ) pfändungsfrei sind und für die Jahre 2014, 2015, 2016 und 2017 die einbehaltenen Beträge rückwirkend an den Beamten auszuzahlen sind“.

Mit Bescheid vom 1. November 2018 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab, da die vom Kläger bezogenen Zulagen nicht der Unpfändbarkeit gemäß § 850a ZPO unterlägen.

Der Kläger erhob dagegen mit Schreiben vom 22. November 2017 Widerspruch. Weiter beantragte er mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 10. Januar 2018, den Bescheid vom 01.11.2017 aufzuheben und ihm einbehaltene Schichtzulagen in Höhe von 4.183,75 EUR für die Jahre 2014 bis 2017 zu erstatten. Erschwerniszulagen seien gemäß § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Unter Erschwerniszulagen seien alle Zulagen zu verstehen, die zum Ausgleich der Erschwernisse gezahlt würden, welche die Umstände einer Dienstleistung mit sich brächten. Für Erschwerniszulagen gäbe es ansonsten praktisch keinen Anwendungsbereich, wenn an die Art der ausgeübten Tätigkeit angeknüpft werde.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2018 zurück. Erschwerniszulagen seien nach § 850a Nr. 3 ZPO nur pfändbar, wenn die Erschwernis in der Arbeit selbst und nicht in der ungünstigen Zeit oder ähnlichem begründet sei. In diesem Sinn seien Zuschläge für Nacht-, Schicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit oder Dienst zu ungünstigen Zeiten keine Erschwerniszulagen. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Problematik liege nicht vor.

Der Kläger hat am 23. Januar 2018 Klage erhoben. Er beruft sich zur Begründung darauf, er habe Anspruch auf die Feststellung, dass die genannten Zulagen pfändungsfrei seien. Es seien insgesamt 4.183,75 EUR zu Unrecht einbehalten worden und an ihn zu erstatten. Im Jahr 2014 seien 984,27 EUR gepfändet worden, 2015 993,22 EUR, 2016 1.088,82 EUR und 2017 1.117,44 EUR. Die Zulagen seien nicht regelmäßig monatlich ausgezahlt worden, sondern zum Teil rückwirkend für mehrere Monate. Die gepfändeten Zuschläge seien von dem Beklagten zu ermitteln. Dem Kläger lägen die entsprechenden Bezügemitteilungen nicht mehr vor. Aus § 850a ZPO ergäbe sich keine Differenzierung der Erschwernis. Hinsichtlich der Zulage für Dienst zu wechselnden Zeiten nach § 17a bis 17d EZulV führe das Bundesverwaltungsamt aus, dass mit der Zulage die besonderen Belastungen des Biorhythmus durch häufig wechselnde Arbeitszeiten und mit einem hohen Anteil von Nachtdienststunden vergütet werden sollten. Der Kläger verweist vor allem auf das Urteil des Oberverwaltungsgericht L... vom 17. September 2009 – 5 ME 186/09.

Der Kläger beantragt wörtlich,

den Bescheid vom 01.11.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einbehaltene Schichtzulagen in Höhe von 4.183,75 EUR für die Jahre 2014 bis 2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, nach den einschlägigen Erlassen des Bundesministeriums des Innern bzw. des Bundesministeriums der Finanzen komme es auf die Art und nicht auf den Zeitpunkt der geleisteten Arbeit an. Bei dem Kläger seien im Jahr 2014 5.050,48 EUR, im Jahr 2015 3.058,83 EUR, im Jahr 2016 953,34 EUR und im Jahr 2017 1.730,34 EUR gepfändet worden. Aus technischen Gründen könne jedoch keine Differenzierung dahingehend vorgenommen werden, welcher Teil der insgesamt einbehaltenen Beträge auf die gezahlten Schichtzulagen und Zulagen für Dienste zu ungünstigen Zeiten entfalle. Systemseitig stände dafür keine mögliche Berechnungsoption zur Verfügung.

Mit Schriftsätzen vom 13. April 2018 und vom 11. Mai 2018 haben die Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Die damals zuständige 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 10. September 2018 dem damals zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (ein Band) und die Widerspruchsakte (ein Band). Alle Akten und Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet durch die nunmehr zuständige Einzelrichterin, nachdem die früher zuständige 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus den Rechtsstreit dem damaligen Berichterstatter als Einzelrichter gemäß § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach entsprechender Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 10. September 2018 zur Entscheidung übertragen hat. Das Gericht kann zudem gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung in der Sache entscheiden, weil die Beteiligten darauf mit Schriftsätzen vom 13. April 2018 und vom 11. Mai 2018 verzichtet haben.

Die Leistungsklage ist zulässig. Weder eine Entscheidung über die Höhe des pfändbaren Einkommens noch über die Leistung der streitigen Zulagen erfolgt im Wege eines Verwaltungsaktes (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil v. 10. Dezember 2019 – 4 S 2227/18 – juris, Rn. 19). Die Leistungsklage ist auch im Übrigen, insbesondere nach Durchführung des in §§ 126 Abs. 2 BBG, 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG vorgeschriebenen Vorverfahrens zulässig und fristgerecht erhoben worden.

Die Leistungsklage ist aber nur im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 1. November 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2018 sind hinsichtlich des Differenzbetrags zu den an den Kläger bereits geleisteten Bezügen für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 rechtswidrig, der sich für diesen Zeitraum ergibt, wenn die in diesen Jahren gewährten Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als unpfändbar gewertet werden, und verletzen den Kläger in diesem Umfang in seinen Rechten, im Übrigen jedoch nicht.

Hinsichtlich des schriftsätzlich wörtlich gestellten Klageantrags ist die Klage unbegründet. Der Klageantrag enthält wörtlich ein gegen den Beklagten gerichtetes Leistungsbegehren, an den Kläger einbehaltene Schichtzulagen in Höhe von 4.183,75 EUR für die Jahre 2014 bis 2017 zu zahlen. Die Höhe der Zahlungsforderung ist für das Gericht jedoch betragsmäßig nicht feststellbar. Denn der Kläger hat in keiner Weise belegt, welche Arten von Zulagen er in den Jahren 2014 bis 2017 in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt erhalten hat und welche Beträge aus diesen Zulagen jeweils in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt gepfändet wurden. Auch aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten ist dies nicht ersichtlich. Eine allgemeine Aufstellung, welche Gesamtbeträge vom jeweiligen Monatseinkommen bzw. Jahreseinkommen gepfändet wurden, ist für diese Betrachtung unergiebig, weil darin auch pfändbares Einkommen enthalten sein kann, abgesehen davon, dass selbst dies hier nicht für alle Monate zweifelsfrei erkennbar ist. Entsprechende Nachforschungen des Gerichts bei den Beteiligten blieben erfolglos; so verfügt der Kläger nach eigenem Bekunden nicht mehr über Bezügemitteilungen, während der Beklagte systemtechnisch nicht in der Lage ist zu ermitteln, welcher Teil der insgesamt einbehaltenen Beträge auf die gezahlten Schichtzulagen und Zulagen für Dienste zu ungünstigen Zeiten entfällt. Erst recht hat keiner der Beteiligten die Gesamtforderung dahingehend aufgeschlüsselt, welcher Anteil der gepfändeten Beträge auf welche Art von Zulage entfällt. Weitere Ermittlungsansätze sieht das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nicht mehr.

Für Verpflichtungsbegehren ist anerkannt, dass bei ungenügender Sachaufklärung die Möglichkeit besteht, den Vornahmeantrag auf einen Bescheidungsantrag umzustellen (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 25. Aufl. 2019, § 113 Rn. 205). Entsprechendes muss auch für ein Leistungsbegehren gelten, bei dem mangels ausreichender Sachaufklärung der zu leistende Betrag lediglich dem Grunde nach bzw. nach seinen einzelnen Bestandteilen, aber nicht nach der betragsmäßigen Höhe bestimmbar ist. Entsprechend ist der schriftsätzlich wörtlich gestellte Klageantrag gemäß § 88 VwGO durch das Gericht auszulegen. Gemäß § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Das Gericht hat das im Klageantrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 25. Aufl. 2019, § 88 Rn. 3). Nach dem gesamten Vorbringen des Klägers ist sein Begehren demnach hilfsweise auch darauf gerichtet, dass ihm der Beklagte die Besoldung für die Jahre 2014 bis 2017 in gesetzlicher Höhe gemäß § 3 BBesG auszuzahlen hat, insbesondere unter Beachtung der Pfändungsfreiheit der gewährten Zulagen für Schichtdienst und Dienst zu ungünstigen Zeiten, ohne dass der Zahlungsbetrag bereits betragsmäßig bezifferbar ist.

Bezüglich dieses dem klägerischen Antrag durch Auslegung zu entnehmenden Hilfsantrags ist die Klage hinsichtlich der Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 begründet, hinsichtlich der Zulagen für Schicht-, Samstags- und sog. Vorfestarbeit jedoch unbegründet.

Unpfändbare Bezüge nach § 850a ZPO sind u.a. gemäß Nr. 3 Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Die Regelung unterscheidet nicht zwischen Einkommen aus Arbeits- und Dienstverhältnissen.

Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar. Zulagen für Schicht-, Samstags- und sog. Vorfestarbeit sind dagegen der Pfändung nicht entzogen (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 23. August 2017 – 10 AZR 859/16 – juris, Leitsatz Nr. 1 und Rn. 42; vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil v. 10. Dezember 2019 – 4 S 2227/18 – juris, Leitsätze Nr. 1 und Nr. 2).

Zunächst können nicht unterschiedslos alle Zulagen, die auf der Grundlage des § 47 BBesG in der Verordnung über die Gewährung von Erschwerniszulagen zur Abgeltung besonderer, bei der Bewertung des Amtes oder bei der Regelung der Anwärterbezüge nicht berücksichtigter Erschwernisse (Erschwerniszulagenverordnung, vgl. § 47 Abs. 1 BBesG und § 1 EZulV) gewährt werden, als Erschwerniszulagen im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO angesehen werden. Denn die für die Pfändbarkeit von Zuschlägen maßgebliche Qualifizierung als Erschwerniszulagen im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO liegt nicht in der Regelungskompetenz des für das Dienstrecht jeweils zuständigen Bundes- und Landesgesetz- bzw. Verordnungsgebers. Aus der Erschwerniszulagenverordnung lässt sich auch keine Wertung entnehmen, die für den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Schuldner und Gläubiger bei einer Pfändung von Bedeutung wäre. Zulagen nach der Erschwerniszulagenverordnung setzen entsprechend der Verordnungsermächtigung nach § 47 Abs. 1 BBesG voraus, dass besondere, bei der Bewertung des Amtes oder bei der Regelung der Anwärterbezüge nicht berücksichtigte Erschwernisse abgegolten werden. Wie sonstige Stellenzulagen gehören auch die Erschwerniszulagen – im Unterschied zum Grundgehalt und zu Amtszulagen, die statusbezogen sind –, nicht zum Kernbereich beamtenrechtlicher Alimentation. Als Element der Besoldungsstruktur dienen sie der Abgeltung besonderer tätigkeitsbezogener, bei der statusabhängigen Besoldung nicht berücksichtigter Erschwernisse der Dienstausübung. Zwar können sich auch Erschwernisse im Sinne von § 47 Abs. 1 BBesG u.a. aus physischen oder psychischen Belastungen sowie aus erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität ergeben. Erforderlich ist jedoch, dass diese Belastungen bzw. Beeinträchtigungen weder durch die Einstufung des Amtes – einschließlich der Gewährung einer Amtszulage – bewertet noch durch die Gewährung einer Stellenzulage honoriert werden. Insbesondere Dauererschwernisse gleichbleibender Art stellen in dieser Struktur keine Erschwernisse im Sinne des § 47 BBesG dar; sie können ggf. durch eine Stellenzulage im Sinne des § 42 BBesG abgegolten werden. Im Übrigen besteht ein weiter Spielraum bei der Einschätzung, welche besonderen, aufgabenbezogenen Anforderungen als Erschwernis anerkannt werden und wie hoch die Zulage bemessen wird. Vor diesem Hintergrund lassen die in diesem Rahmen getroffenen Regelungen keine Rückschlüsse darauf zu, welchen Interessen im Falle einer Pfändung hinsichtlich der dem beamteten Schuldner auf der Grundlage der Erschwerniszulagenverordnung gewährten Zulagen der Vorrang zu geben ist (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil v. 10. Dezember 2019 - 4 S 2227/18 – juris, Rn. 45-47 mit Verweis auf Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 23. August 2017 – 10 AZR 859/16 – juris und mit weiteren Nachweisen).

Nach § 3 Abs. 2 EZulV sind unter Diensten zu ungünstigen Zeiten folgende Dienstzeiten zu verstehen: 1. an Sonntagen und gesetzlichen Wochenfeiertagen, 2. an Samstagen nach 13.00 Uhr, 3. an den Samstagen vor Ostern und Pfingsten nach 12.00 Uhr; dies gilt auch für den 24. und 31. Dezember jeden Jahres, wenn diese Tage nicht auf einen Sonntag fallen, 4. an den übrigen Tagen in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr.

Unpfändbare Teile der Zulage nach § 3 EZulV sind jedoch nur die Anteile für Dienste in Nachtarbeit sowie an Sonn- und Feiertagen.

Nachtarbeit ist nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen grundsätzlich für jeden Menschen schädlich und hat negative gesundheitliche Auswirkungen, und zwar unterschiedslos sowohl in Arbeits- als auch in Dienstverhältnissen. Außerdem soll der Nachtarbeitszuschlag i.S.d. § 6 Abs. 5 ArbZG in einem gewissen Umfang den Arbeitnehmer für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen. Der Gesetzgeber hat die Ausgleichspflicht für Nachtarbeit als so bedeutend angesehen, dass er den entsprechenden Zuschlag – als einzigen Zuschlag – gesetzlich geregelt hat. Damit wird unterstrichen, dass dieser Zahlung auch im Interesse des Arbeitnehmers eine besondere Stellung eingeräumt wird. Insoweit haben im Rahmen einer Pfändung Gläubigerinteressen zurückzustehen (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 23. August 2017 – 10 AZR 859/16 – juris, Rn. 43). Für Beamte kann hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge nichts anderes gelten als für Arbeitnehmer, weil beide Gruppen in gleicher Weise von den gesundheitlichen Auswirkungen der Nachtarbeit und der erschwerten Teilhabe im sozialen Leben betroffen sind.

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage sind in Ausfüllung der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV nach § 1 Nr. 2 ArbZG als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen. Damit haben der Verfassungsgeber und der Gesetzgeber in nachdrücklicher Weise ein Schutzbedürfnis zum Ausdruck gebracht. Vom Grundsatz her dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr nicht beschäftigt werden, § 9 Abs. 1 ArbZG. Nur aufgrund gesetzlicher Ausnahmeregelungen ist dies erlaubt (vgl. § 9 Abs. 2 und 3, § 10 ArbZG), was dann aber besondere Ausgleichsmaßnahmen erfordert (vgl. § 11 ArbZG). Daraus wird deutlich, dass auch hier der Gesetzgeber Arbeit an Sonn- und Feiertagen als besondere Erschwernis betrachtet. Die besondere Rolle von Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit hat der Gesetzgeber z.B. auch im Rahmen von Beschäftigungsverboten in § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 MuSchG im Unterabschnitt „Arbeitszeitlicher Gesundheitsschutz“ berücksichtigt. Zulagen für Arbeit zu diesen Zeiten sind im Rahmen der Pfändungsschutzvorschrift des § 850a Nr. 3 ZPO vorrangig vor Gläubigerinteressen zu behandeln (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 23. August 2017 – 10 AZR 859/16 – juris, Rn. 44-45). Auch insoweit kann für Beamte nichts anderes gelten als für Arbeitnehmer.

Hinsichtlich der Zuschläge für Arbeit am Samstag gilt dagegen, dass die bundesdeutsche Rechtsordnung den Samstag als Werktag bewertet. Auch für Arbeitnehmer gibt es für die Arbeit am Samstag gesetzlich keine anderen Schutzbestimmungen als für die übrigen Werktage. Hiervon ausgehend ist das Bundesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass tarifliche Samstagszuschläge für Arbeitnehmer keine Erschwerniszulagen im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO sind. Denn im Arbeitsrecht ist der Samstag ein normaler Werktag (vgl. § 3 Abs. 2 BUrlG). Besondere gesundheitliche oder soziale/familiäre Beeinträchtigungen sind nicht erkennbar (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 23. August 2017 – 10 AZR 859/16 – juris). Für die sog. Vorfestzuschläge, die auch in § 3 Abs. 2 EZulV enthalten sind, gilt Entsprechendes.

Dem steht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg § 6 Abs. 1 der Verordnung zur Neuordnung der Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (vom 15.02.2006, BGBl. I S. 427, Arbeitszeitverordnung – AZNeuoV), wonach der Samstag grundsätzlich dienstfrei ist, nicht entgegen. Denn diese Norm stellt im Hinblick auf die Dienstfreiheit der Beamten an Samstagen weder auf den Zweck der physischen und psychischen Regeneration und damit auf die körperliche Unversehrtheit des Beamten noch auf den Schutz des Familien- und Soziallebens des Beamten ab. Sie verfolgt vielmehr das Interesse, die regelmäßige Arbeitszeit der Beamten von 41 Wochenstunden gemäß § 3 Abs. 1 AZNeuoV gleichmäßig und ausgewogen auf die Zeit zwischen Montag und Freitag zu verteilen, wobei das Modell der Fünf-Tage-Woche der kontinuierlichen Erreichbarkeit der Behörden und der staatlichen Einrichtungen zwischen Montag und Freitag am besten Rechnung trägt (vgl. auch Hinweise des Bundesministeriums des Innern zur Arbeitszeitverordnung vom 24.02.2006 – D I 3 - 211 321-9/9). Müssen oder dürfen vom Dienst am Samstag in den entsprechenden Arbeitszeitregelungen grundsätzlich freigestellte Bedienstete in bestimmten Fällen am Samstag arbeiten (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AZNeuoV), entfällt insoweit lediglich ihre mittelbare Besserstellung. Dies rechtfertigt es offensichtlich nicht, die Samstagarbeit in diesen Fällen als „besondere Erschwernis“ zu beurteilen (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil v. 10. Dezember 2019 – 4 S 2227/18 – juris, Rn. 49). Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an.

Schicht- und Wechselschichtzulagen sind ebenfalls keine Erschwerniszulagen i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO. Sie sollen zwar durchweg besondere Belastungen ausgleichen, was auch in § 6 Abs. 1 ArbZG anklingt. Eine Sonderstellung wie die Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit hat der Gesetzgeber der reinen Schichtarbeit aber nicht eingeräumt. Er hat – anders als bei der Nachtarbeit – insbesondere keinen Anlass gesehen, gesetzlich verpflichtend Zulagen oder andere Ausgleichsleistungen hierfür zu regeln. Die Belastungen der Wechselschichtarbeit werden jedenfalls zum Teil bereits durch Nachtarbeitszuschläge ausgeglichen. Im Übrigen gibt es kein zuverlässiges Abgrenzungskriterium dafür, was – angesichts einer Vielzahl denkbarer Arbeitszeitmodelle – als Schichtarbeit mit der Folge eines pfändungsrechtlich privilegierten Zuschlags anzusehen ist. Angesichts der drohenden Uferlosigkeit dieses Begriffs hat hier das im Pfändungsrecht auch zu berücksichtigende Gläubigerinteresse vorrangige Bedeutung (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 23. August 2017 – 10 AZR 859/16 – juris, Rn. 51 mit weiteren Nachweisen). Auch dies gilt für Beamte entsprechend, denn auch bei ihnen gibt es heute eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitszeitmodelle.

Die gegenteilige Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, wonach auch Zuschläge für Samstags- sowie für Schichtarbeit der Unpfändbarkeit unterliegen, überzeugt dagegen nicht. Hinsichtlich der Zulage für Schichtdienst führt es als Begründung lediglich an, die Arbeit in wechselnden Schichten sei mit besonderen Erschwernissen verbunden (Beschluss v. 17. September 2009 – 5 ME 186/09 – juris, Rn. 7-8). Dies allein genügt jedoch wie oben ausgeführt nicht, um eine Unpfändbarkeit zu bejahen, denn der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Schichtarbeit keine besondere gesetzliche Regelung getroffen, und dies ersichtlich vor dem Hintergrund, dass es mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle für Schichtarbeit, Gleitzeit, Arbeitszeitkonten, Heimarbeit („Homeoffice“) etc. gibt und nicht einmal gesetzlich klar definiert ist, was genau unter Schichtarbeit zu verstehen ist bzw. wo diese beginnt. Hinsichtlich der Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg nicht zwischen Samstagsarbeit einerseits und Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit andererseits differenziert, was der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich getan hat und was daher auch bei der Auslegung im Rahmen von § 850a Nr. 3 ZPO zu berücksichtigen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zulasten des Klägers war hier zu berücksichtigen, dass dieser im Hauptantrag vollständig und im darin als Minus enthaltenen Hilfsantrag zu einem nicht näher bezifferbaren Teil unterlegen ist. Das Gericht sah es deshalb als sachgerecht an, das Unterliegen im Hauptantrag mit der Hälfte und das nicht näher quantifizierbare Unterliegen im Hilfsantrag mit einem weiteren Vierteil der Kosten zu bewerten.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.