Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 25. Kammer | Entscheidungsdatum | 01.09.2011 | |
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Aktenzeichen | 25 Sa 131/11, 25 Sa 151/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 4 Nr 7 AEntG, § 2 Abs 1 TVMindestlohn Abfall |
I. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 09. Dezember 2010 - 1 Ca 769/10 - werden zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits haben auch in II. Instanz der Kläger zu 27 % und die Beklagte zu 73 % zu tragen.
III. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Mindestlohn nach dem Mindestlohntarifvertrag für die Abfallwirtschaftsbranche sowie um die Anrechnung geleisteter Zahlungen auf den ggf. zu beanspruchenden Mindestlohn.
Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 21.09.2005 als Altpapiersortierer bei der Beklagten in deren Niederlassung in Schwedt beschäftigt. Die Beklagte ist ein Entsorgungsfachbetrieb zur Erfassung, Einholung, Sortierung, zum An- und Verkauf, Im- und Export von Papierabfällen jeder Art sowie zur Erfassung und Vernichtung von Akten, Daten und Datenträgern mit Sitz in München sowie mit zwei Niederlassungen in Schwedt und in Ingolstadt. Die Beklagte verfügt als Entsorgungsfachbetrieb über ein Anerkennungszertifikat der bvse-Entsorgergemeinschaft e. V. sowohl für den Standort München als auch für den Standort Schwedt und ist für beide Standorte berechtigt, das Gütezeichen nach § 52 Abs. 3 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vom 27.09.1994 (nachfolgend: KrW-/AbfG) zu führen.
Die Beklagte übernahm die Niederlassung Schwedt im Jahr 2003 von einer Rechtsvorgängerin und führte den Betrieb am selben Standort fort. Für die Niederlassung Schwedt kauft die Beklagte Altpapier an, das an die Niederlassung geliefert und dort sowie in einem im Umland gelegenen Lager für die Dauer von max. sechs Monaten zwischengelagert wird. In der Niederlassung Schwedt sortieren die Arbeitnehmer der Beklagten Altpapier und fraktionieren es in zwei Klassen, ehe es an die mit der Beklagten verbundene Papierfabrik Schwedt auf demselben Betriebsgelände geliefert wird. Der Kläger war bei einer vereinbarten 40-Stunden-Woche in dem dreischichtig geführten Betrieb in wechselnden Schichten im Umfang von 37,5 Stunden wöchentlich eingesetzt.
Im Arbeitsvertrag, auf dessen weiteren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 127 f. d. A.), regelten die Parteien u. a. in Ziffern 4, 5 und 11 das Folgende:
4. Sie erhalten die Vergütungsgruppe 6 = 6,73 EUR/Stunde.
Die Vergütung richtet sich nach den derzeit gültigen Betriebsvereinbarungen.
5. Zuschläge und Zulagen werden entsprechend den hierfür geltenden Bestimmungen gewährt. Alle derzeit oder später gezahlten Zulagen sind arbeitsplatzbezogen. Außerdem sind sie stets freiwillige und widerrufliche Leistungen und können auf Lohnerhöhungen, auch wenn sie durch eine Änderung der Lohngruppe bedingt sind, angerechnet werden, soweit sie nicht ausdrücklich als feste Zulagen vereinbart sind.
11. Für das Arbeitsverhältnis sind die geltenden Bestimmungen unserer Industrie sowie die Arbeitsordnung maßgebend. Günstigere gesetzliche Bedingungen haben in jedem Fall Vorrang vor den Regelungen des Arbeitsvertrages.
In der Niederlassung Schwedt wurde nach deren Eingliederung in den Betrieb der Beklagten im Jahr 2003 ein Betriebsrat gewählt. Bei der Rechtsvorgängerin bestand ein Betriebsrat, mit dem diese eine Betriebsvereinbarung vom 28.01.1999 abschloss. Darin waren u. a. eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden (§ 4.1), Zuschläge für regelmäßige Nachtarbeit im Umfang von 25 % (§ 7.1. d) und Spätschichtzuschläge im Umfang von 5 % (§ 7.1. f) geregelt. Auf den weiteren Inhalt der ungekündigten Betriebsvereinbarung wird Bezug genommen (Bl. 133 ff. d. A.).
Im Bundesmanteltarifvertrag vom 01.01.2009 zwischen dem Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e. V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft e. V. (ver.di) (nachfolgend: BMTV), dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien der entsprechende Bundesmanteltarifvertrag vom 31.10.2001 vorausgegangen war, sind u. a. Regelungen enthalten über eine 40-Stunden-Woche im Land Brandenburg (§ 4.1.), über Zuschläge auf Basis der tariflichen Vergütung für regelmäßige Nachtarbeit in Höhe von 15 % (§ 8.1. d) und für unregelmäßige Nachtarbeit in Höhe von 25 % (§ 8.1. e), sowie über die Zahlung von 20,00 EUR monatlich als vermögenswirksame Leistung an die Arbeitnehmer (§ 14.1). Die Beklagte ist nicht Mitglied des tarifschließenden Bundesverbandes.
Die Beklagte zahlte an den Kläger Arbeitsentgelt für 40 Arbeitsstunden pro Woche in Höhe von regelmäßig 6,73 EUR brutto pro Stunde. Für insgesamt 64 Stunden im Zeitraum März bis Mai 2010 (Urlaub und Entgeltfortzahlung) zahlte sie Stundenlöhne von 7,45 EUR bzw. 7,47 EUR brutto. Zusätzlich erhielt der Kläger regelmäßig Nachtzuschläge in Höhe von 25 % von 6,73 EUR brutto für geleistete Nachtarbeit sowie Spätschichtzuschläge von 5 % von 6,73 EUR brutto für in der Spätschicht geleistete Arbeit. Die Beklagte zahlte weiter an den Kläger monatlich vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,88 EUR brutto und führte vom sich ergebenden Gesamtnettobetrag 40,00 EUR auf dessen Bausparvertrag ab. Im Zeitraum von Januar bis Juni 2010 zahlte die Beklagte an den Kläger insgesamt Entgelt in Höhe von 6.998,81 EUR brutto für 1.033 Arbeitsstunden (einschließlich Urlaubs- und Entgeltfortzahlungszeiten) sowie 565,32 EUR Nachtzuschläge, 104,99 EUR Spätschichtzuschläge und 239,28 EUR vermögenswirksame Leistungen.
In § 4 Nr. 7 und §§ 7, 8 Arbeitnehmerentsendegesetz vom 20.04.2009 (AEntG) ist die Anwendbarkeit tarifvertraglicher Arbeitsbedingungen auch auf nicht Tarifgebundene hinsichtlich der Mindestentgeltsätze für die Abfallwirtschaft geregelt. Der Mindestlohntarifvertrag für die Branche Abfallwirtschaft vom 07.01.2009 in der Fassung vom 12.08.2009 (nachfolgend „Mindestlohn-TV“) sieht einen Mindestlohn von 8,02 EUR brutto pro Stunde seit dem 01.05.2009 vor (§ 2 Abs. 1) bei einem betrieblichen Geltungsbereich für die Branche Abfallwirtschaft mit allen
Betrieben und selbständigen Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Abfälle sammeln, befördern, lagern, behandeln, verwerten oder beseitigen (§ 1 Abs. 2). Dabei bleiben gemäß § 2 Abs. 3 des Mindestlohn-TV höhere Entgeltansprüche aufgrund anderer Tarifverträge, betrieblicher oder einzelvertraglicher Regelungen unberührt. Die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen der Abfallwirtschaft vom 18.12.2009 regelt in § 1 Satz 1 die Anwendbarkeit des Mindestlohn-TV auf alle tarifgebundenen und anderen unter den Geltungsbereich fallenden Arbeitgeber, wenn der Betrieb oder die selbständige Betriebsabteilung überwiegend Abfälle im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG sammelt, befördert, lagert, beseitigt oder verwertet.
Der Kläger begehrt mit seiner im August 2010 erhobenen Klage die Zahlung der Differenz zwischen der tatsächlich gezahlten Stundenvergütung für 1.033 Stunden im Zeitraum Januar bis Juni 2010 und dem Entgelt, das sich bei Zugrundelegung eines Stundenlohnes von 8,02 EUR brutto für dieselbe Stundenzahl ergäbe (8.284,66 EUR brutto – 6.998,81 EUR brutto = 1.285,85 EUR brutto).
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ein Abfallverwertungsbetrieb und unterfalle dem Mindestlohn-TV. Die von der Beklagten gezahlten Zuschläge für Nacht- und Spätschichtarbeit leiste die Beklagte aufgrund einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Die vermögenswirksamen Leistungen seien nicht als Entgelt zu berücksichtigen, weil der Kläger nicht frei über die auf ein Bausparkonto geleisteten Zahlungen verfügen könne. Die Vergütung der täglichen 30-minütigen Pause erfolge auf Veranlassung der Beklagten und gleiche nicht gesondert vergütete Übergabezeiten bei den Schichtwechseln aus.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.285,85 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, die Niederlassung Schwedt unterfalle nicht dem Geltungsbereich des Mindestlohn-TV, da Geschäftsgegenstand in der Niederlassung Schwedt nicht die Verwertung von Abfall, sondern die Sortierung des Rohstoffes Altpapier für die Produktion von Neupapier sei. Dieser Prozess könne nicht unter den Begriff der Abfallverwertung subsumiert werden. Das Altpapier sei spätestens bei seinem Eintreffen in der Niederlassung Schwedt nicht mehr als Abfall einzustufen, sondern als Rohstoff. Für den Fall, dass ein Anspruch auf Mindestlohn bestehe, seien die vermögenswirksamen Leistungen sowie die Nacht- und Spätzuschläge jeweils in voller Höhe als gezahltes Entgelt anzurechnen. Die Vergütung von 2,5 Stunden Pause wöchentlich sei rechnerisch in der Weise zu berücksichtigen, dass sich ein höherer effektiver Stundenlohn für tatsächlich geleistete 37,5 Arbeitsstunden ergebe. Insgesamt sei dadurch eine Überzahlung gegenüber der Berechnung mit dem Mindestlohn erfolgt.
Durch Urteil vom 09.12.2010 hat das Arbeitsgericht Eberswalde der Klage teilweise stattgegeben, den Anspruch auf Zahlung des Mindestlohnes für gegeben erachtet und eine Anrechnung der vermögenswirksamen Leistungen sowie der Spätzulage für zutreffend gehalten. Sowohl der Betrieb der Beklagten insgesamt als auch die Betriebsabteilung Schwedt seien als Betriebe der Abfallwirtschaft zu beurteilen, da Altpapier als Abfall zu klassifizieren sei und in der Niederlassung Schwedt durch die dortigen Arbeitsverfahren verwertet werde. Die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns sei wie eine Lohnerhöhung zu beurteilen. Auf diese seien die vermögenswirksamen Leistungen sowie die Spätzulage wegen der vertraglichen Anrechnungsregelung in Ziffer 5 des Arbeitsvertrages anzurechnen. Die gezahlten Nachtzuschläge seien nicht anzurechnen, da diese entsprechend der gesetzlichen Ausgleichsregelung in § 6 Abs. 5 ArbZG gezahlt worden sein. Die bezahlten Pausen seien nicht anzurechnen, da eine vertragliche Vereinbarung über die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche bestehe, die die Beklagte auch dann zu erfüllen habe, wenn sie den Kläger tatsächlich nur mit 37,5 Stunden pro Woche beschäftige. Das Arbeitsgericht hat für den im Umfang von 344,27 EUR unterlegenen Kläger die Berufung zugelassen.
Gegen dieses beiden Parteien am 22.12.2010 zugestellte Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Beklagte hat mit Berufungsschrift vom 18.01.2011 ihre Berufung zum Geschäftszeichen 25 Sa 131/11 eingelegt und mit der am 16.02.2011 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufungsbegründungsschrift begründet. Der Kläger hat zum Geschäftszeichen 25 Sa 151/11 mit einer am 19.01.2011 eingegangenen Berufungsschrift Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.03.2011 mit der am 21.03.2011 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufungsbegründungsschrift begründet.
Die Beklagte meint, die Niederlassung Schwedt gehöre nicht zur Abfallwirtschaftsbranche, weil dort ausschließlich die Sortierung des Rohstoffes Altpapier durchgeführt werde. Nach der Richtlinie 2008/98/EG vom 19.11.2008 sei Altpapier als recyclingfähiger Rohstoff nicht als Abfall zu klassifizieren. Die Betriebsvereinbarung vom 28.01.1999 sei eine freiwillige Betriebsvereinbarung, die Regelungen über üblicherweise tarifliche Regelungsgegenstände treffe. Deshalb bestehe kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates und gelte die Betriebsvereinbarung nur bis zu deren Kündigung oder so lange der Arbeitgeber Mittel bereitstelle. Für den Fall eines Mindestlohnanspruchs des Klägers seien alle vier zusätzlich zum Stundenlohn gezahlten Positionen auf diesen Anspruch anzurechnen. Insbesondere sei die bezahlte Pause von 2,5 Stunden pro Woche zu berücksichtigen, da der Mindestlohn den Stundenlohn für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden betreffe. Der Nachtzuschlag könne jedenfalls nicht vollständig von einer Anrechnung ausgenommen sein, da nicht ersichtlich sei, aus welchen Gründen ein Zuschlag von 25 % anstelle etwa von 5 % ausreichend und angemessen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 09.12.2010 – 1 Ca 769/10 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;
2. das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 09.12.2010 – 1 Ca 769/10 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 344,27 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2010 zu zahlen.
Der Kläger meint, die Beklagte sei sowohl insgesamt als auch hinsichtlich der Niederlassung Schwedt in der Abfallwirtschaft tätig als Entsorgungsfachbetrieb, in dem das als Abfall zu klassifizierende Altpapier im Sinne einer Verwertung behandelt, gelagert und sortiert werde. Der gesetzliche Mindestlohn sei keine Lohnerhöhung, auf die Anrechnungen erfolgen könnten. Der Mindestlohn betreffe den Stundenlohn und sei ohne Berücksichtigung von Zuschlägen und vermögenswirksamen Leistungen nur auf diesen bezogen. Die Spät- und Nachtzuschläge seien als Erschwerniszuschläge aufgrund der weiterhin gültigen Betriebsvereinbarung gezahlt und geschuldet worden und daher auf den Mindestlohn auch im Falle seiner Beurteilung als Lohnerhöhung nicht anrechenbar. Die vermögenswirksamen Leistungen seien bereits ihrer Zielsetzung nach nicht vergleichbar mit dem Stundenlohn und deshalb nicht anrechenbar. Als monatliche gleich bleibende Zahlungen könnten diese Leistungen für den auf den Stundenlohn bezogenen Mindestlohn keine Berücksichtigung finden. Gemäß § 2 Abs. 3 des Mindestlohn-TV hätten die gezahlten Zuschläge und vermögenswirksamen Leistungen als höhere betriebliche bzw. vertragliche Entgeltansprüche unberührt zu bleiben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Auf den weiteren Inhalt der Schriftsätze des Klägers vom 18.03.2011 und 25.07.2011 (Bl. 114 und 150 ff. d. A.) sowie der Beklagten vom 14.02.2011, 19.04.2011 und 17.08.2011 (Bl. 97, 143 und 154 ff. d. A.) nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle wird Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 ZPO).
I.
Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Sie sind jeweils gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 lit. a (für den Kläger) und lit. b (für die Beklagte) ArbGG statthaft und frist- und formgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Sätze 1 und 5 ArbGG i. V m. §§ 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufungen beider Parteien haben jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Kammer teilt die rechtliche Einschätzung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit des Mindestlohn-TV in vollem Umfang. Im Ergebnis, jedoch mit anderer Begründung, teilt sie auch die erstinstanzliche Beurteilung des noch offenen Zahlungsanspruchs des Klägers.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns von 8,02 EUR brutto pro Stunde aufgrund des Mindestlohn-TV, in dessen Geltungsbereich die Beklagte fällt. Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers durch Zahlung des Stundenlohnes, der vermögenswirksamen Leistungen und des Spätschichtzuschlags weitgehend - bis auf den noch zu leistenden Differenzbetrag von 941,58 EUR brutto nebst Zinsen für den streitgegenständlichen Zeitraum Januar bis Juni 2010 - erfüllt. Die in diesem Zeitraum gezahlten Nachtzuschläge sind nicht auf die Erfüllung des Mindestlohns anzurechnen, da die Beklagte gesetzlich zum Ausgleich für Nachtarbeit durch Zahlung oder Freizeitgewährung verpflichtet ist (§ 6 Abs. 5 ArbZG) und die Variante der Zahlung gewählt hat. Eine Berücksichtigung der ohne Arbeitsleistung vergüteten 2,5 Stunden pro Woche kommt zu Gunsten der Beklagten nicht in Betracht, da die Zahlung im Rahmen der unstreitig vereinbarten 40-Stunden-Woche erfolgte und nicht darüber hinaus ging.
1.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Mindestlohn in Höhe von 8,02 EUR brutto pro Stunde nach § 2 Abs. 1 des allgemeinverbindlichen Mindestlohn-TV. Die Beklagte unterfällt mit ihrer Niederlassung Schwedt dem betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 Mindestlohn-TV, da sie dort überwiegend gewerbsmäßig Abfälle im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG lagert und verwertet.
Das von der Beklagten für die Niederlassung Schwedt angekaufte Altpapier ist als Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG zu beurteilen, da es sich um bewegliche Sachen handelt, derer sich ihre Besitzer entledigen, sowie um Produkte, die von den Besitzern nicht oder nicht mehr verwendet werden, z. B. in Haushaltungen, Büros und Verkaufsstellen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG sind Abfälle im Sinne dieses Gesetzes alle beweglichen Sachen, die unter die im Anhang I zum KrW-/AbfG aufgeführten Gruppen fallen und derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Gemäß § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG liegt eine Entledigung im Sinne des Abs. 1 vor, wenn der Besitzer bewegliche Sachen einer Verwertung im Sinne des Anhangs II B oder einer Beseitigung im Sinne des Anhangs II A zuführt oder die tatsächliche Sachherrschaft über sie unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgibt. Zu den im Anhang I genannten Abfallgruppen gehört die Gruppe Q 14: Produkte, die vom Besitzer nicht oder nicht mehr verwendet werden (z. B. in der Landwirtschaft, den Haushaltungen, Büros, Verkaufsstellen, Werkstätten usw.). Zu den Verwertungsverfahren nach Anhang II B gehört unter Ziffer R 3 die Verwertung organischer Stoffe.
Das Altpapier fällt damit unter die im Anhang I zum KrW-/AbfG genannte Abfallgruppe Q 14. Eine Entledigung im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 KrW-/AbfG liegt vor, da die Besitzer ihre Sachherrschaft am Altpapier aufgeben und es – unmittelbar oder mittelbar – durch die Veräußerung an die Beklagte einer Verwertung im Sinne des Anhangs II B zum KrW-/AbfG zuführen, denn die Verwertung organischer Stoffe fällt unter die Rubrik R 3 im Anhang II B.
Das Altpapier wird von der Beklagten i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG gelagert, da in der Niederlassung unmittelbar sowie im Außenlager für die Dauer von regelmäßig ein bis zwei (maximal sechs) Monaten eine Zwischenlagerung erfolgt. Darüber hinaus ist die von der Beklagten durchgeführte Sortierung des Altpapiers eine Verwertung im Sinne der Regelungen. Zwar ist das bloße Aussortieren kein eigenständiges Verwertungsverfahren im Sinne des Anhangs II B, es handelt sich aber um einen ersten Teilschritt im Zuge der beabsichtigten Verwertung, indem zum Zwecke der späteren Gewinnung neuen Papiers das geeignete Material bereitgestellt wird (vgl. BVerwG zur Sortierung von Alttextilien, Urteil vom 19.11.1998 – 7 C 31/97 – NVwZ 1999, 1111 und juris, dort Rz. 12).
An der Einstufung des Altpapiers als Abfall ändert die Tatsache nichts, dass die Beklagte das bei ihr zwischenzulagernde und zu sortierende Altpapier im Rahmen von Rechtsgeschäften kauft. Da die Verwertung von Abfällen Teil des Wirtschaftsgeschehens ist, schließt dieser Umstand die Abfalleigenschaft des Produktes nicht aus (vgl. BVerwG, a. a. O.). Entgegen der Einschätzung der Beklagten ergibt sich auch aus der Richtlinie 2008/98/EG vom 19.11.2008 nichts anderes. Gemäß Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie sind bestimmte Abfälle dann nicht mehr als Abfälle anzusehen, wenn sie ein Verwertungsverfahren, wozu auch ein Recycling-Verfahren zu rechnen ist, durchlaufen haben und sie spezifische Kriterien erfüllen. Vorliegend hat das Altpapier bei Anlieferung in der Niederlassung der Beklagten in Schwedt noch kein Verwertungsverfahren durchlaufen, sondern das Verwertungsverfahren setzt dort ein. Dass die Beklagte aus ihrer Sicht das Altpapier dabei als Rohstoff betrachtet, führt nicht dazu, dass es nach den Kriterien des KrW-/AbfG und der vorgenannten Europäischen Richtlinie nicht mehr als Abfall zu klassifizieren wäre.
2.
Die Beklagte hat den Mindestlohnanspruch des Klägers von insgesamt 8.284,66 EUR brutto für die im streitgegenständlichen Zeitraum angefallenen 1.033 Arbeitsstunden auf der Basis der vereinbarten 40-Stunden-Woche im Umfang von insgesamt 7.343,08 EUR brutto unter Berücksichtigung des Stundenlohns, der Spätschichtzuschläge und der vermögenswirksamen Leistungen erfüllt. Den weiteren Differenzbetrag von 941,58 EUR brutto hat sie zur Erfüllung des Mindestlohnanspruchs für den Zeitraum von Januar bis Juni 2010 an den Kläger zu zahlen.
Für die Erfüllung des Mindestlohnanspruches ist vom effektiv gezahlten Lohn unter Einschluss sämtlicher für die Arbeitsleistung gezahlter Gegenleistungen auszugehen. Dabei sind als Lohnbestandteile sämtliche Zahlungen und Zuschläge zu berücksichtigen, auf die ein gesetzlicher Rechtsanspruch nicht besteht. Diese Einschätzung wird von der Kommentarliteratur, soweit ersichtlich, und vom Landesarbeitsgericht Hamburg geteilt (vgl. LAG Hamburg, Urteile vom 17.09.2009 – 8 Sa 33/09, Revision anhängig beim BAG, 4 AZR 139/10; und vom 06.01.2010 – 5 Sa 33/09, Revision anhängig beim BAG, 4 ARZ 168/10; Erfurter Kommentar–Schlachter, 11. Auflage 2011, § 1 AEntG Rz. 7 und § 5 AEntG Rz. 3; Hümmerich/Goecken/Düwell-Kühn, 2. Auflage 2010, § 5 AEntG Rz. 2; Däubler-Lakies, Kommentar zum TVG, 2. Auflage 2006 – § 5 AEntG Rz. 7 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 14.04.2005 – C 341/02 – AP-Nr. 1 zu Richtlinie 96/71/EG und NZA 2005, 573 ff.).
Entgegen der Einschätzung des Klägers ist der Mindestlohn nicht mit dem Grundstundenlohn gleichzusetzen. Das Arbeitnehmerentsendegesetz und die aufgrund § 7 AEntG ergangene Verordnung über die Allgemeinverbindlichkeit des Mindestlohn-TV verfolgen den in § 1 AEntG vorgegegeben Zweck, den Arbeitnehmern Mindestarbeitsbedingungen und dem Arbeitgeber durch Gleichschaltung der Mindestbedingungen Wettbewerbsstabilität zu sichern. Bei der Frage, ob einem Arbeitnehmer bereits die durch die Verordnung vorgegebenen Mindestarbeitsbedingungen gewährt werden, ist hinsichtlich des Mindestlohns zu vergleichen, welchen Lohn der Arbeitnehmer insgesamt aufgrund vertraglicher und tariflicher Vereinbarungen und Regelungen für seine Arbeitsleistung erhält und wie viel Mindestlohn er für dieselbe Arbeitsleistung zu erhalten hätte.
Entsprechend den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts für einen Günstigkeitsvergleich zwischen den tariflichen und vertraglichen Regelungen nach § 4 Abs. 3 TVG ist dabei ein Sachgruppenvergleich vorzunehmen und zu prüfen, welche Leistungen funktional gleichwertig sind (vgl. BAG, Beschluss vom 20.04.1999 – 1 ABR 72/98 – AP-Nr. 89 zu Artikel 9 GG und juris, dort Rz. 112). Entscheidend für die funktionale Gleichwertigkeit ist die Frage, welche Gegenleistung der Arbeitnehmer für die verschiedenen Entgeltbestandteile erbringen muss, d.h. ob die Funktion der Entgeltzahlung die Vergütung der geleisteten Arbeit ist. Zum Entgelt gehören neben dem Grundlohn sämtliche (einmaligen und regelmäßigen) Zahlungen, Zulagen und Zuschläge, für die der Arbeitnehmer nicht mehr als die vertraglich vereinbarte Arbeit leisten muss. Soweit mit der vertraglich vereinbarten Arbeit besondere Erschwernisse verbunden sind, sind dafür gezahlte Zulagen oder Zuschläge für die Erfüllung des Mindestlohns zu berücksichtigen, weil auch solche Zulagen oder Zuschläge die vereinbarte – erschwerte – Arbeitsleistung betreffen (vgl. LAG Hamburg, Urteile v. 17.09.2009 – a.a.O., juris Rz. 29; und v. 06.01.2010 – a.a.O., juris Rz. 38).
Dass entsprechend der Annahme des Klägers der Mindestlohn auf den Grundstundenlohn bezogen wäre und keine weiteren Entgeltbestandteile zu berücksichtigen wären, kann nach dem Wortlaut des Mindestlohn-TV nicht angenommen werden. Gegenstand eines bundesweiten Tarifvertrages nach § 3 AEntG können gemäß § 5 Nr. 1 AEntG Mindestentgeltsätze, die nach Art der Tätigkeit, Qualifikation der Arbeitnehmer und Region differieren können, sowie Überstundensätze sein. Vorliegend haben die Tarifparteien im allgemeinverbindlichen Mindestlohn-TV keinen Gebrauch von der Differenzierungsmöglichkeit und von der Festlegung von Überstundensätzen gemacht, sondern ausschließlich eine Regelung über den Mindestentgeltsatz getroffen, den sie mit dem Mindestlohn von 8,02 EUR je Stunde festgelegt haben. Dieser Regelung ist nicht zu entnehmen, dass der Grundstundenlohn 8,02 EUR brutto betragen und sämtliche bisher gezahlten Zulagen zusätzlich zu zahlen sein sollten. Insbesondere im Hinblick auf das Ziel der Angleichung von Wettbewerbsbedingungen für die Arbeitgeber kann diese Auslegung nicht zutreffend sein. Ein Arbeitgeber, der neben einem Grundstundenlohn weitere 20 % des Grundlohnes als Zulage zahlt, stünde sonst schlechter als ein anderer Arbeitgeber, der für dieselbe Arbeitsleistung einen um 20 % höheren Grundstundenlohn und keine Zulagen zahlte. Für den Arbeitnehmer, dessen Mindestlohn garantiert werden soll, wären jedoch beide Varianten gleich zu beurteilen. Der effektiv für die Arbeitsleistung erzielte Lohn ist in beiden Fällen gleich hoch. An dieser effektiven Gegenleistung für die geleistete Arbeit ist der Mindestlohn zu messen.
Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, auf welcher Rechtsgrundlage der effektive Lohn gezahlt wird. Im vorliegenden Fall kann deshalb die zwischen den Parteien streitige Frage dahinstehen, ob der Kläger aufgrund der vertraglichen Regelungen in Ziffern 4 und 5 des Arbeitsvertrages den Spätschichtzuschlag aufgrund einer „derzeitig gültigen Betriebsvereinbarung“ als „geltender Bestimmung“ erhalten hat. Im Hinblick auf die Sperr-Regelung des § 77 Abs. 3 BetrVG betreffend den Tarifvorrang, auf die Regelungen im einschlägigen BMTV und auf den Umstand, dass der Kläger erst nach dem Betriebserwerb der Niederlassung Schwedt im Jahr 2003 seit dem Jahr 2005 Arbeitnehmer der Beklagten wurde, geht die Kammer von der Zahlung sowohl des Spätschichtzuschlags als auch der vermögenswirksamen Leistung aufgrund betrieblicher Übung aus. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung des Spätschichtzuschlags oder der vermögenswirksamen Leistungen besteht für die Beklagte nicht.
2.1.
Vorliegend folgt aus der Berücksichtigung des effektiven Lohnes die Anrechnung sowohl des Spätschichtzuschlags als auch der vermögenswirksamen Leistungen auf die Erfüllung des Mindestlohns. Der Spätschichtzuschlag in Höhe von 104,99 EUR brutto im streitgegenständlichen Zeitraum ist von der Beklagten für die während der Spätschicht geleistete Arbeit gezahlt worden, ohne dass die Beklagte gesetzlich zur Zahlung eines solchen Zuschlags verpflichtet wäre. Er ist deshalb als effektiver Bestandteil der Gegenleistung für die – während der Spätschicht – erbrachte Arbeitsleistung zu berücksichtigen.
2.2.
Gleiches gilt für die in Höhe von insgesamt 239,28 EUR brutto (6 x 39,89 Euro brutto monatlich) gewährten vermögenswirksamen Leistungen. Insoweit hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass es sich bei den vermögenswirksamen Leistungen gemäß § 2 Abs. 6 und Abs. 7 des 5. Vermögensbildungsgesetzes um Bestandteile des Lohnes und damit um Arbeitsentgelt handelt. Der Umstand, dass die Leistungen – jedenfalls nicht ohne Verlust – für den Kläger unmittelbar zur Verfügung stehen, sondern erst nach Ablauf der für die Vermögensbildung festgelegten Zeit, steht der Beurteilung als Arbeitsentgelt nicht entgegen. Die Entscheidung über den Abschluss eines Bausparvertrages, mit dem eine Bindung des darauf eingezahlten Bausparvermögens verbunden ist, hat der Kläger getroffen. Dabei hat er in gleicher Weise über sein Arbeitsentgelt verfügt, wie dies der Fall wäre, wenn er einen vom Arbeitsverhältnis unabhängigen Sparvertrag abgeschlossen hätte. Die vermögenswirksamen Leistungen sind als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, weil sie vom Arbeitgeber zusätzlich zu dem vereinbarten Entgelt und ohne gesetzliche Verpflichtung erbracht worden sind. Der Kläger hat keinerlei Gegenleistung über die vereinbarte Arbeitsleistung hinaus zu erbringen, um die vermögenswirksamen Leistungen zu erhalten. Auch die Zahlung der vermögenswirksamen Leistungen ist daher mindestlohnwirksam, da sie das Verhältnis von Arbeitsleistung und Gegenleistung ausschließlich zum Vorteil des Klägers verändert (vgl. LAG Hamburg, Urteil vom 06.01.2010 - a. a. O., juris Rz. 54).
Soweit sich der Kläger hinsichtlich der Spätschichtzuschläge und der vermögenswirksamen Leistungen auf § 2 Abs. 3 Mindestlohn-TV gestützt hat, wonach höhere Entgeltansprüche aufgrund anderer Tarifverträge, betrieblicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen unberührt bleiben, führt dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die Regelung in § 2 Abs. 3 Mindestlohn-TV dient der Klarstellung und betrifft Fälle, in denen der Arbeitgeber aufgrund der vorgenannten Vereinbarungen ein höheres Entgelt als 8,02 Euro brutto pro Stunde bereits zahlt. In diesem Fall soll sich der Arbeitgeber nicht aufgrund des Mindestlohn-TV darauf beschränken dürfen, nunmehr nur noch 8,02 Euro brutto zu zahlen, sondern soll weiterhin an den über 8,02 Euro brutto pro Stunde hinausgehenden Vereinbarungen festgehalten sein.
2.3.
Etwas anderes gilt für die gezahlten Nachtzuschläge. Diese sind nicht mindestlohnwirksam gezahlt worden, denn die Beklagte war gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG gesetzlich verpflichtet, im Falle des Fehlens einer tarifvertraglichen Ausgleichsregelung für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das dem Kläger zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Vorliegend besteht eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht, da der BMTV mangels Tarifbindung der Beklagten auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung findet. Der Arbeitgeber kann nach der Ausgleichsregelung gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG zwischen der Gewährung von Freizeitausgleich und der Zahlung eines angemessenen Zuschlages wählen. Vorliegend hat die Beklagte sich dazu entschlossen, einen Zuschlag für geleistete Nachtarbeit an den Kläger zu zahlen und hat hinsichtlich der Höhe einen Betrag von 25 % auf 6,73 Euro brutto pro Stunde für angemessen erachtet. Diesen in der Vergangenheit geleisteten Nachtzuschlag, den die Beklagte vorbehaltlos geleistet hat, kann sie nicht rückwirkend reduzieren. Die Regelung in Ziffer 5 des Arbeitsvertrages gestattet keine Anrechnung, da es sich nicht um eine freiwillige Leistung der Beklagten handelt, sondern um eine gesetzliche Ausgleichsverpflichtung für geleistete Nachtarbeit. Soweit die Beklagte zukünftig geleistete Nachtarbeit in anderer Weise auszugleichen beabsichtigt, kann dies keine Auswirkung auf die in der Vergangenheit von ihr für angemessen erachteten Nachtzuschläge haben. Die Ausführungen der Beklagten dazu, dass auch ein Nachtarbeitszuschlag von 5 % ausreichend und angemessen sei, waren von der Kammer nicht zu überprüfen, da eine Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Korrektur der in der Vergangenheit vorbehaltlos geleisteten Zuschläge nicht ersichtlich ist.
Da es sich bei dem Nachtzuschlag um eine gesetzlich zusätzlich zum Entgelt zu zahlende Leistung handelt, ist diese zwingend dem Mindestlohn hinzuzurechnen und kann nicht zur Erfüllung des Mindestlohns herangezogen werden. Auch ein Arbeitgeber, der bereits in vollem Umfang die Verpflichtung der Mindestlohnzahlung erfüllt, ist aufgrund der Regelung in § 6 Abs. 5 ArbZG gehalten, zusätzlich einen Nachtarbeitszuschlag zu zahlen oder einen angemessenen Freizeitausgleich für geleistete Nachtarbeit zu gewähren. Deshalb kann dieser Zuschlag auf die Erfüllung des Mindestlohnes nicht angerechnet werden.
2.4.
Soweit sich die Beklagte darauf gestützt hat, in die Berechnung seien die von ihr mit vergüteten Pausen zu ihren Gunsten einzurechnen, überzeugt dieser Einwand nicht. Wie vom Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, hat die Beklagte mit der Vergütung der Pausenzeiten lediglich die arbeitsvertraglich vereinbarte Entgeltzahlung für 40 Wochenstunden geleistet. Soweit die Beklagte aufgrund der Arbeitszeiteinteilung im Drei-Schicht-System die Arbeitsleistung des Klägers nur mit 37,5 Stunden pro Woche und damit 2,5 Stunden weniger in Anspruch genommen hat, hat sie dennoch das vereinbarte Entgelt für 40 Wochenstunden an den Kläger zu leisten, da die Minderleistung allein auf die fehlende Inanspruchnahme durch die Beklagte zurückzuführen ist (Annahmeverzug, § 615 BGB). Im Übrigen ergäbe sich rechnerisch kein für die Beklagte günstigeres Ergebnis, wenn sie die Bezahlung der Pausen dem Entgelt für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit von 37,5 Stunden wöchentlich hinzurechnete. In diesem Fall verringerte sich zwar die Differenz zum Mindestlohn für die tatsächlich geleisteten Stunden, zugleich ergäbe sich aber ein Anspruch des Klägers auf volle 8,02 EUR brutto pro Stunde für sämtliche Annahmeverzugszeiten von 2,5 Stunden wöchentlich im streitgegenständlichen Zeitraum.
2.5.
Der geltend gemachte Zinsanspruch auf den noch zu leistenden Betrag folgt als Verzugszinsanspruch aus den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Kosten waren den Parteien entsprechend dem Umfang ihres jeweiligen Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen.
IV.
Die Revision war für beide Parteien gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da die Frage der Berücksichtigung von Entgeltbestandteilen für die Erfüllung des Mindestlohns grundsätzliche Bedeutung hat und eine Vielzahl von Arbeitnehmern der Beklagten von der Entscheidung dieser Frage betroffen sind.