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JAV; Neufestsetzung; Begriff der Ausbildung; Weiterbildung; Facharztausbildung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 01.11.2010
Aktenzeichen L 3 U 59/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 56 SGB 7, § 90 SGB 7, § 44 SGB 10

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Streitig sind die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) und der daraus sich errechnenden Verletztenrente.

Die 1968 geborene Klägerin erlitt am 19. Dezember 1983 als Schülerin einen Unfall. Der Unfall wurde von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern (GUV Essen, Rheinischer GUV) als Arbeitsunfall anerkannt und der Klägerin deshalb mit Wirkung ab dem 20. Dezember 1983 Verletztenrente gewährt, seit dem 19. September 1984 auf der Grundlage einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. (Bescheide vom 28. Januar 1985 sowie vom 26. November 1987). Als der Rentenberechnung zugrunde zu legender JAV wurde mangels Einkommens der Klägerin vor dem Unfall zunächst der Mindest-JAV zur Zeit des Versicherungsfalles in Höhe von 12.384,00 DM herangezogen. Dieser wurde in der Folgezeit jährlich angepasst und darüber hinaus mit der Vollendung des 18. Lebensjahres auch gem. § 575 Reichsversicherungsordnung (RVO) von 40 % auf 60 % der Bezugsgröße angehoben (Bescheid vom 26. November 1987).

Nach Abschluss der Schule mit dem Abitur im Jahr 1988 absolvierte die Klägerin ein Medizinstudium, das sie am 14. November 1995 mit der 3. Ärztlichen Prüfung abschloss (Urkunde des Landesversorgungsamtes N-W vom 23. November 1995). Am 29. Dezember 1995 erhielt sie von der Bezirksregierung K die Erlaubnis zur vorläufigen Ausübung des ärztlichen Berufes als Ärztin im Praktikum (AiP). Nach dieser vom 01. März 1996 bis zum 31. August 1997 gemäß Ausbildungsvertrag vom 20. Dezember 1995 ausgeübten Tätigkeit erhielt sie am 01. September 1997 die Approbation als Ärztin gemäß § 3 Bundesärzteordnung (BÄO) erteilt. Zuvor hatte sie am 16. Juni 1997 den akademischen Grad Dr. med. erhalten (Urkunde der R-W T Hochschule A).

Ab dem 01. September 1997 arbeitete die Klägerin als Assistenzärztin in der gynäkologischen Abteilung des Ev. Krankenhauses (KH) B in D im Rahmen mehrerer befristeter Arbeitsverträge bis zum 30. September 1998. Der erste Vertrag machte seine Gültigkeit von der Vorlage der Approbation abhängig. Außerdem wurde in ihm wie auch den anderen Verträgen u. a. geregelt, dass die Klägerin ihren nach der Gehaltsgruppe II Stufe 3 des damals geltenden Bundesangestelltentarifvertrags kirchliche Fassung (BAT-KF) vergüteten Dienst nach den Weisungen des Chefarztes oder dessen Vertreters zu verrichten habe.

Mit Arbeitsvertrag vom 27. Mai 1999 wurde die Klägerin ab dem 01. Juli 1999 erneut im Ev. KH B in der Frauenklinik als Assistenzärztin beschäftigt, diesmal befristet bis zum Erreichen der Facharztqualifikation zur Gynäkologin, längstens bis zum 31. August 2001. Die Regelungen zur dienstlichen Tätigkeit und Rechten und Pflichten der Klägerin im Arbeitsvertrag entsprechen im Wesentlichen den vorherigen Arbeitsverträgen. Die Vergütung erfolgte nach Gehaltsgruppe II Stufe 4 des BAT-KF. Am 25. Oktober 2001 erlangte sie die Qualifikation zur Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Urkunde der Ärztekammer N vom 25. Oktober 2001). Später qualifizierte sie sich noch weiter zur Fachärztin für operative Gynäkologie.

Nach Kenntniserlangung vom Abschluss des Medizinstudiums der Klägerin, der Erlangung der Approbation und ihrer anschließenden Assistenzarzttätigkeit ermittelte die Beklagte das tarifliche Jahresentgelt eines Assistenzarztes am 02. September 1997 auf der Grundlage einer Auskunft des Ev. KH B vom 21. September 2001 mit 73.328,87 DM (37.492,46 €) und setzte den der Rentengewährung zugrunde zu legenden JAV mit Bescheid vom 11. Dezember 2002 ab dem 02. September 1997 gem. § 90 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auf 37.492,46 € fest. Ab dem 01. Oktober 1997 werde die Rente gem. § 73 Abs. 1 SGB VII entsprechend erhöht. Der gem. § 90 Abs. 1 SGB VII neu als JAV festgesetzte Betrag entspreche dem Betrag, den die Klägerin tariflich nach der Beendigung ihrer Ausbildung mit Erlangung der Approbation am 01. September 1997 als Ärztin verdient hätte. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 31. August 2005 (bei der Beklagten eingegangen am 06. September 2005) beantragte die Klägerin eine Überprüfung der Rentenzahlung, da ihre bereits vierjährige Tätigkeit als Oberärztin (Fachärztin) noch nicht berücksichtigt worden sei.

Mit Schreiben vom 07. September 2005 lehnte die Beklagte eine Neufestsetzung des JAV mit der Begründung ab, dieser sei bereits mit Bescheid vom 11. Dezember 2002 nach § 90 Abs. 1 SGV VII neu festgesetzt worden. Eine solche Neufestsetzung sei nur einmal möglich. Berufsausbildung im Sinne dieser Regelung sei nur die erste zu einem beruflichen Abschluss führende Bildungsmaßnahme. Hingegen fielen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen nicht unter § 90 Abs. 1 SGB VII. Dem Schreiben war keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt.

Die Klägerin legte hiergegen am 06. Oktober 2005 Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, eine erneute Überprüfung müsse möglich sein. Es sei unzutreffend, dass Weiter- und Fortbildungen nicht vom Ausbildungsbegriff umfasst würden, wenn sie das angestrebte Berufsziel erst ermöglichten. Wenn wie bei ihr das Berufsziel dasjenige des Facharztes für spezielle operative Gynäkologie sei, müsse selbstverständlich auch dies bzw. die hierfür notwendige Ausbildung, in der sie sich gerade befinde, berücksichtigt werden. Eine vollwertige ärztliche Tätigkeit könne heutzutage erst nach der Facharztqualifikation ausgeübt werden. Diese sei Voraussetzung, um sich als frei praktizierender Arzt niederlassen zu könne. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) in einer älteren Entscheidung die Facharztausbildung als bloße Weiterbildung und nicht als Ausbildung bewertet habe, sei dies aufgrund des veränderten Berufsbildes des Arztes und neuer rechtlicher Regelungen zur Niederlassungsbeschränkung auf Fachärzte als überholt anzusehen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2006 zurück. In der gesetzlichen Unfallversicherung gelte der Grundsatz, dass für die Berechnung der Geldleistungen die Verdienstverhältnisse vor dem Unfall maßgebend und für die Zukunft bestimmend seien. Dieser Grundsatz gelte insbesondere für die Berechnung des JAV. Unter anderem bei Auszubildenden und Jugendlichen, die zum Zeitpunkt des Unfalls vielfach keinen oder nur einen geringen Verdienst erzielten, werde dieser Grundsatz durchbrochen. Diese Personen seien hinsichtlich der Berechnung des JAV so zu stellen, als hätten sie den Unfall erst nach Beendigung der Ausbildung erlitten. Nach dem Ende der Schul- oder Berufsausbildung sei bei diesen Versicherten für die Zeit vom Tag nach Ausbildungsbeendigung an der JAV neu zu berechnen, wenn dies für den Versicherten günstiger sei. Dieser nur einmal möglichen Neuberechnung des JAV sei das Entgelt zugrunde zu legen, das an dem Stichtag für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder anderenfalls am Beschäftigungsort üblich sei. Eine derartige Neufeststellung des JAV sei hier durch Bescheid vom 11. Dezember 2002 vorgenommen worden. Der Erwerb des Facharztes für spezielle operative Gynäkologie sei eine Weiterbildung und kein Bestandteil einer einheitlichen Ausbildung zur Ärztin.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin ergänzend zur Begründung im Widerspruchsverfahren auf § 95 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und § 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) hingewiesen, wonach eine Facharztausbildung in Umsetzung der EG-Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. EU Nr. L 255 S. 22, 2007 Nr. L 271 S. 18) Mindestvoraussetzung für die Zulassung als Kassen-/Vertragsarzt sei. Grundsätzlich setze der ärztliche Standard, den ein Krankenhaus gewährleisten müsse, die Tätigkeit eines Facharztes voraus. Deshalb gehe auch § 116 SGB V davon aus, dass ärztliche Leistungen im Krankenhaus regelmäßig von Fachärzten erbracht würden. Die von der Beklagten zur Begründung ihrer Rechtsauffassung herangezogenen jüngeren BSG-Urteile seien in ihrem Sachverhalt mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar. Nach den vom BSG vorgegebenen genannten Abgrenzungskriterien müsse die Facharztqualifikation als Ausbildung bewertet werden, weil es sich um die Erlangung von Kenntnissen und einer Qualifikation handele, die notwendig sei, um in einer sich wandelnden Arbeitswelt eine qualifizierte berufliche Tätigkeit ausüben zu können. Eine qualifizierte ärztliche Tätigkeit sei nur mit einer Facharztqualifikation möglich. Dass das SGB V die Erlangung der Facharztqualifikation als Weiterbildung bezeichne, schade nicht. Der Begriff sei unterschiedlich vom sozialrechtlichen Weiterbildungsbegriff in § 90 SGB VII, der demjenigen der Fortbildung im SGB V, insbesondere in § 95 d SGB V, entspreche.

Das Sozialgericht hat Auskünfte der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKHG) vom 25. März 2009 und der Bundesärztekammer (BÄK) vom 31. März 2009 eingeholt.

Anschließend hat es die auf Aufhebung des Bescheides vom 07. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2006 und Verurteilung der Beklagten, den Bescheid vom 11. Dezember 2002 aufzuheben, den der Berechnung der Verletztenrente zugrunde zu legenden JAV ab dem 26. Oktober 2001 neu festzusetzen sowie der Klägerin ab dem 01. November 2001 höhere Verletztenrente zu gewähren unter Anrechnung der ihr für die Zeit vom 01. Oktober 1997 bis zum 31. Oktober 2001 zuviel gewährten Rentenleistungen gerichtete Klage abgewiesen.

Eine Verpflichtung der Beklagten, den Bescheid vom 11. Dezember 2002 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben, bestünde nur, wenn die Klägerin ihre berufliche Ausbildung i. S. v. § 90 Abs. 1 SGB VII nicht bereits mit dem Erhalt der Approbation, sondern erst mit dem Erwerb der Facharztqualifikation abgeschlossen hätte. Hiervon könne jedoch in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 30. Oktober 1991 – 2 RU 61/90 -, 05. August 1993 – 2 RU 24/92 – sowie 07. Februar 2006 – B 2 U 3/05 R) nicht ausgegangen werden. Vielmehr sei in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung die Ausbildung der Klägerin zur Ärztin mit dem Erhalt der Approbation am 02. September 1997 abgeschlossen gewesen, während die spätere Qualifikation zur Fachärztin für Gynäkologie eine von der Ausbildung im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB VII abzugrenzende bloße Weiterbildung dargestellt habe.

Zwar zwinge allein die Tatsache, dass der Erwerb der Facharztqualifikation in allen einschlägigen Gesetzen nicht als Ausbildung, sondern als Weiterbildung bezeichnet werde (u. a. auch in §§ 95 a Abs. 1 Nr. 2, 116 SGB V sowie in der in den 90er Jahren von der BÄK herausgegebenen Musterweiterbildungsordnung für den Erwerb von Facharztqualifikationen), nicht automatisch dazu, die Facharztqualifikation als bloße Weiterbildung zu qualifizieren. Denn der Regelung des § 90 Abs. 1 SGB VII liege ein eigenständiger Begriff der Berufsausbildung zugrunde, zu dessen Bestimmung nicht ohne weiteres auf die in anderen sozialrechtlichen Regelungen geläufige Begriffsbestimmung und Abgrenzung zur Weiterbildung zurückgegriffen werden könne, sondern der nach seinem Wortsinn, dem systematischen Zusammenhang der Regelung sowie seinem Zweck bestimmt werden müsse. Gerade der systematische Zusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung des § 90 Abs. 1 SGB VII sprächen jedoch dagegen, den Erwerb einer Facharztqualifikation bei der Anwendung von § 90 Abs. 1 SGB VII als Berufsausbildung zu werten. Gesetzessystematisch sei § 90 Abs. 1 SGB VII eine Ausnahmeregelung zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung in §§ 82, 84 SGB VII aufgestellten Grundsatz, dass die Verdienstverhältnisse vor dem Versicherungsfall für alle Zukunft die maßgebende Berechnungsgrundlage der Geldleistungen blieben und spätere Erwerbsaussichten bei der Feststellung des JAV nicht zu berücksichtigen seien. Als Ausnahmeregelung hierzu müsse § 90 Abs. 1 SGB VII eng ausgelegt und innerhalb der Wortgrenzen auf Fälle beschränkt werden, in denen der Sinn und Zweck der Regelung eine Abweichung von dem genannten Grundsatze erfordere. Wie bereits § 573 Abs. 1 RVO solle § 90 Abs. 1 SGB VII in Ergänzung zur individuellen Härtefallregelung des § 87 SGB VII Härtefälle vermeiden, die typischerweise dann entstünden, wenn auch für Versicherungsfälle vor oder während der Ausbildung bei der Bemessung der Versichertenrenten auf Dauer auf den im Jahr vor dem Versicherungsfall erzielten JAV bzw. den Mindest-JAV abgestellt würde, obwohl die Versicherten vor oder während der Ausbildung noch kein Arbeitsentgelt bzw. allenfalls eine geringe Ausbildungsvergütung erhalten hätten. Die Betroffenen sollten dann so gestellt werden, als ob sie den Versicherungsfall nach der (voraussichtlichen) Beendigung der von ihnen angestrebten Berufsausbildung erlitten hätten. Approbierte Ärzte ohne Facharztausbildung erhielten bei einer Tätigkeit als Krankenhausarzt jedoch keinesfalls nur eine geringe Ausbildungsvergütung, sondern würden auf der Grundlage der geltenden Tarifverträge als durch Hochschulausbildung qualifizierte Berufseinsteiger vergleichbar mit dem Gehalt von Juristen nach Abschluss des 2. Juristischen Staatsexamens bezahlt (im streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 01. September 1997 hier 73.328,98 DM = 37.492,46 Euro). Diesen eher überdurchschnittlichen Verdienst der Berechnung von Rentenansprüchen nach dem SGB VII als JAV zugrunde zu legen, stelle für Ärzte, die während ihrer Tätigkeit als Assistenzarzt einen Versicherungsfall erlitten, keine Härte dar.

Darüber hinaus zwinge auch der Wortlaut der Regelung des § 90 Abs. 1 SGB VII, insbesondere des dort verwendeten Begriffs der Ausbildung, nicht dazu, den Erwerb der Qualifikation als Facharzt als Ausbildung zu verstehen. Stelle man auf das allgemeine Sprachverständnis sowohl außerhalb der medizinischen Fachkreise als auch innerhalb dieser Kreise ab, werde ein Assistenzarzt in einem Krankenhaus anders als ein AiP nicht als ein in der Ausbildung befindlicher Arzt verstanden. Dies werde auch aus den Auskünften der DKHG und der BÄK deutlich. Beide führten aus, dass die Ausbildung eines Arztes mit der Approbation ende bzw. dass Assistenzärzte als vollverantwortlich handelnde angestellte Ärzte „in der Regel zum Zweck der der Weiterbildung“ tätig würden. Dementsprechend würden die Kriterien und Maßstäbe für den Erwerb einer Facharztqualifikation auch nicht in einer Ausbildungsordnung geregelt, sondern in Weiterbildungsordnungen wie der von der BÄK eingereichten (Muster-)Weiterbildungsordnung. Es könne auch nicht gänzlich außer Betracht bleiben, dass § 95 a Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 2 a BÄO sowie die Approbationsordnung für Ärzte von der „Approbation als Arzt“ sprächen, während in den sich auf die Facharztqualifikation beziehenden Regelungen des § 95 a Abs. 1 Nr. 2 SGB V und des § 116 Satz 1 SGB V von Weiterbildung gesprochen werde.

Soweit die Klägerin vortrage, ohne Facharztqualifikation habe sie praktisch keine Möglichkeit, als Ärztin berufstätig zu sein, so sei dies zwar insoweit nachvollziehbar, als ein frei praktizierender Arzt nicht als Vertragsarzt tätig werden (§ 95 a SGB V), sondern lediglich Privatpatienten behandeln könne. Auch könnten Ärzte ohne Facharztqualifikation in Krankenhäusern nicht in der gleichen Unabhängigkeit und Eigen-veranwortlichkeit tätig werden wie Fachärzte (vgl. auch die Auskünfte der DKHG und der BÄK). Dies rechtfertige jedoch nicht, den Erwerb der Facharztqualifikation als Ausbildung i. S. v. § 90 Abs. 1 SGB VII zu bewerten. Auch unter den genannten Einschränkungen stelle sich der Erwerb der Facharztqualifikation nur als Weiterbildung zur Erlangung eines bestimmten Status bzw. zur Verbesserung der Qualifikation und der beruflichen Chancen und Verdienstmöglichkeiten und nicht als Ausbildung, mit der die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten und die erforderlichen Berufserfahrungen erworben würden, dar. Denn die Einschränkungen der Möglichkeiten der Berufsausübung approbierter Ärzte ohne Facharztqualifikation erreichten bei einer Gesamtwürdigung kein solches Gewicht und Ausmaß, dass eine qualifizierte berufliche Tätigkeit ohne Facharztqualifikation unmöglich wäre. Möglich bleibe die Tätigkeit als frei praktizierender Arzt ohne Vertragsarztzulassung. Zwar möge die Vertragsarztzulassung in der Regel erforderlich sein, um als frei praktizierender Arzt wirtschaftlich überleben zu können. Dieses wirtschaftliche Erfordernis diene aber vorrangig der Verbesserung der beruflichen Chancen und Verdienstmöglichkeiten im oben genannten Sinne. Ob eine Ausbildung nur dann abgeschlossen sei, wenn man mit dem entsprechenden Beruf seinen Lebensunterhalt verdienen könne, dürfte in Anbetracht dessen, dass in manchen anerkannten Ausbildungsberufen wie z. B. im Friseurhandwerk die Verdienstmöglichkeiten durchgehend so gering seien, dass sie kaum zur Bestreitung des Lebensunterhaltes genügten, fraglich sein. Letztlich sei dies nicht zu entscheiden, weil approbierten Ärzte ohne Facharztqualifikation noch weitere Berufsausübungsmöglichkeiten eröffnet seien wie z. B. eine Anstellung in einem Unternehmen als Betriebsarzt oder eine ärztliche Tätigkeit bei Behörden und sonstigen Einrichtungen und vor allem die Tätigkeit als Krankenhausarzt. Zwar sei diese aufgrund des zivilrechtlichen Haftungsmaßstabes „Vertragsarztstandard“ eingeschränkt. Dennoch handele es sich um eine Berufsausübung eines ausgebildeten Arztes, wie schon aus den Arbeitsverträgen der Klägerin mit dem Ev. KH B ersichtlich sei. Bei all diesen Verträgen handele es sich ausdrücklich nicht um Ausbildungs-, sondern Arbeitsverträge. Die Vergütung habe derjenigen eines Beschäftigten mit abgeschlossener Hochschulausbildung entsprochen. Den Verträgen sei nicht zu entnehmen, dass die Tätigkeit der Klägerin keine „vollwertige“ ärztliche Tätigkeit gewesen wäre. Insbesondere sei sie anders als ein AiP und entgegen den typischen Merkmalen einer Berufsausbildung keinen Anleitungen, Belehrungen und Unterweisungen anderer sachkundiger Beschäftigter oder eines bestimmten Ausbilders unterworfen gewesen. Besondere Beachtung verdiene die in § 6 der Arbeitsverträge geregelte Verpflichtung der Klägerin, auf entsprechende Anordnung des Hauses nicht nur in den mit dem Haus verbundenen Schulen Unterricht zu erteilen, sondern sich auch an der „theoretischen und praktischen Ausbildung der Studenten der Medizin … auf Anweisung des jeweiligen Chefarztes in angemessenem Umfang zu beteiligen“. Wenn sie selbst in der Ausbildung von Ärzten habe tätig werden können und sollen, habe sie schwerlich selber sich in Ausbildung befinden können. Auch habe sie sowohl am Notarztwagendienst teilnehmen als auch als Stationsärztin tätig werden können. Auch sei es nicht richtig, dass Assistenzärzte ohne Facharztausbildung im Krankenhausbereich nicht selbständig und eigenverantwortlich tätig würden. Denn wie schon aus der (Muster-)Weiterbildungsordnung für die Erlangung der Qualifikation zum Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der BÄK ersichtlich sei, sei es zur Erlangung der Facharztqualifikation gerade erforderlich, Berufserfahrung durch eine Vielzahl selbständig durchgeführter Maßnahmen der Diagnostik und Behandlung wie z. B. selbständig durchgeführte nichtspezielle operative Eingriffe an äußeren und inneren Genitalien etc. zu sammeln.

Schließlich sei hier auch weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass die Klägerin bereits bei Aufnahme des Medizinstudiums das feststehende Berufsziel des Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe gehabt habe.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Ihr sei kein niedergelassener Arzt bekannt, der ohne Kassenzulassung wirtschaftlich überleben könne. Der durchschnittliche Arzt behandele zu 85 bis 90 % Kassenpatienten. Soweit das SG auf die Verdienstmöglichkeiten der Friseure hinweise, gehe dies fehl, da der typische Lehrling vom steuerfreien Trinkgeld lebe. Auch eine Beschäftigung als Betriebsarzt, Arzt in einer Behörde oder in sonstigen Einrichtungen sowie als Krankenhausarzt komme nicht in Betracht. Nicht-Fachärzte würden nicht eingestellt. Keinesfalls dürfe ein Assistenzarzt eigenverantwortlich Operationen durchführen. Operationen dürfe er nur in Anwesenheit eines Facharztes durchführen. Insgesamt hätten sich die Anforderungen an den Arztberuf grundlegend gewandelt, so dass das Erreichen des Facharzttitels mit dem Berufsbild des Arztes in untrennbarer Weise verbunden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2010 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2006 zu verurteilen, den Bescheid vom 11. Dezember 2002 aufzuheben, den der Berechnung der wegen des Unfalles vom 19. Dezember 1983 gewährten Rente zugrunde zu legenden Jahresarbeitsverdienst unter Zugrundelegung ihrer am 25. Oktober 2001 beendeten Facharztausbildung zur Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe i. S. von § 90 Abs. 1 SGB VII neu festzusetzen und ihr rückwirkend ab dem 01. November 2001 eine entsprechend höhere Rente zu gewähren unter Anrechnung der ihr für den Zeitraum vom 01. Oktober 1997 bis zum 31. Oktober 2001 aufgrund der früheren Neufestsetzung des ihrer Rente zugrunde zu legenden Jahresarbeitsverdienstes bereits zum 02. September 1997 zu viel gewährten Rentenzahlungen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Mit Schreiben vom 25. August 2010 ist den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben worden.

Wegen des weiteren Sachverhalts und Beteiligtenvorbringens wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbegründet. Ihr steht, wie das SG zutreffend entschieden hat, eine höhere Verletztenrente ab dem 01. November 2001 nicht zu, da der JAV nicht wegen der Erlangung der Qualifikation zur Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am 25. Oktober 2001 neu festzusetzen ist.

Streitgegenstand ist die Höhe der Verletztenrente nach § 56 SGB VII i. V. m. § 90 SGB VII. Zwar hat die Beklagte dem Wortlaut nach in ihrem Schreiben vom 07. September 2005, das als Bescheid i. S. v. § 31 SGB X anzusehen ist, lediglich über die Neufestsetzung des JAV unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Dezember 2002 entschieden. Die Klägerin hat aber mit Schreiben vom 31. August 2005 eine Überprüfung der Verletztenrente gemäß § 44 SGB X im Hinblick auf eine Anpassung des JAV unter Berücksichtigung des Facharztabschlusses begehrt. Auch handelt es sich bei dem von der Beklagten überprüften Bescheid vom 11. Dezember 2002 um einen Bescheid, in dem die Höhe der Verletztenrente – unter Zugrundelegung eines nach § 90 Abs. 1 SGB VII neu festgesetzten JAVs – geregelt worden ist. Der JAV stellt nach § 56 Abs. 3 SGB VII i. V. m. §§ 81ff ein Berechnungselement der Verletztenrente dar. Soweit die Beklagte also in ihrem Bescheid vom 07. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2006 eine Aufhebung des Bescheides vom 11. Dezember 2001 sowie eine Neufestsetzung des JAVs abgelehnt hat, hat sie implizit auch eine Neufeststellung der Verletztenrente abgelehnt.

Eine Neufestsetzung des JAV ab dem 01. November 2001 scheidet hier aus. Der Bescheid vom 11. Dezember 2002 ist rechtmäßig und nicht zu beanstanden.

§ 90 Abs. 1 SGB VII schreibt vor, das bei Eintritt des Versicherungsfalls während einer Schul- oder Berufsausbildung der JAV, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt wird, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Der Neufestsetzung wird das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen oder sonst ortsüblich ist.

Die Klägerin hat mit der Erteilung ihrer Approbation ihre Berufsausbildung beendet. Die Qualifizierung zur Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe war ausschließlich Weiterbildung.

Der Begriff der Berufsausbildung wird in § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VII selbst nicht definiert. Seine Bedeutung muss daher aus dem Wortsinn sowie dem systematischen Zusammenhang und dem Zweck der Regelung erschlossen werden. Zu den mit § 90 Abs. 1 SGB VII inhaltlich übereinstimmenden Vorläufervorschriften des § 565 Abs. 1 RVO a. F. bzw. später des § 573 Abs. 1 RVO hat das BSG wiederholt entschieden, dass ihnen ein eigenständiger Begriff der Berufsausbildung zugrunde liegt und auf die aus anderen Bereichen des Sozialrechts geläufigen Begriffsbestimmungen deshalb bei der Auslegung nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden kann (BSGE 18, 136, 141 = SozR Nr. 5 zu § 565 RVO a. F.; SozR 2200 § 573 Nr. 2; Urteil vom 04. Dezember 1991 - 2 RU 69/90 - HV-Info 1992, 598; zuletzt Urteil vom 07. Februar 2006 – B 2 U 3/05 R -, in SozR 4-2700 § 90 Nr. 1).

Nach dem Wortsinn dient eine Berufsausbildung der Vermittlung bzw. dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zur späteren Ausübung des Berufes benötigt werden. Daran anknüpfend hat das BSG für die Anwendung des § 90 SGB VII bzw. seiner Vorläufervorschriften stets eine geregelte, zu einem qualifizierten beruflichen Abschluss führende Ausbildung vorausgesetzt (so z. B. BSGE 60, 258 = SozR 2200 § 573 Nr. 12 - Ausbildung zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer; SozR 3-2200 § 573 Nr. 2 - Ausbildung zum Bauingenieur; Urteil vom 26. März 1986 - 2 RU 32/84 = HV-Info 1986, 860 - Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin; Urteil vom 04. Dezember 1991 - 2 RU 69/90 = HV-Info 1992, 598 - Ausbildung zum staatlich geprüften Landwirt). Dieses Begriffsverständnis deckt sich mit der im Berufsbildungsgesetz (BBiG) vom 14. August 1969 (BGBl I 1112), neu gefasst durch Gesetz vom 23. März 2005 (BGBl I 931) beschriebenen Aufgabenstellung, nach der die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen hat (§ 1 Abs. 3 BBiG). Nicht als Berufsausbildung gewertet wurde im Gegensatz dazu eine bloße berufliche Weiterbildung zur Erlangung eines bestimmten Status oder zur Verbesserung der Qualifikation und der beruflichen Chancen und Verdienstmöglichkeiten (z. B. BSGE 12, 109 = SozR Nr. 2 zu § 565 RVO a. F. - Facharztausbildung eines approbierten Arztes; BSGE 14, 5 = SozR Nr. 3 zu § 565 RVO a. F. - Ableistung der Vorbereitungszeit für die kassenärztliche Tätigkeit; BSGE 19, 252 = SozR Nr. 6 zu § 565 a. F. - Qualifizierung eines Tarifangestellten einer Krankenkasse zum Dienstordnungs-Angestellten), und zwar auch dann nicht, wenn während der Weiterbildungsphase - vergleichbar einer Ausbildungssituation - die reguläre Berufstätigkeit unterbrochen und ein niedrigeres Entgelt bezogen wurde (BSGE 18, 136 = SozR Nr. 5 zu § 565 RVO a. F. - Promotion eines Diplom-Chemikers; Urteil vom 30. Oktober 1991 - 2 RU 61/90 = HV-Info 1992, 428 - Promotionsstudium eines Arztes). Auch diese Abgrenzung findet ihre Entsprechung im BBiG, wo zwischen Berufsausbildung auf der einen und beruflicher Fortbildung (§ 1 Abs. 4 BBiG) auf der anderen Seite unterschieden wird.

Dass der Begriff der Berufsausbildung in § 90 SGB VII bzw. seinen Vorläufervorschriften nicht über den Wortsinn hinaus auf andere Formen beruflicher Bildung ausgedehnt werden kann, folgt auch aus dem Ausnahmecharakter der gesetzlichen Regelung, den die Rechtsprechung stets betont hat (BSGE 19, 252, 254 = SozR Nr. 6 zu § 565 RVO a. F.; BSG SozR Nr. 7 zu § 565 RVO a. F.; BSG Urteil vom 26. März 1986 - 2 RU 32/84 = HV-Info 1986, 860; BSG Urteil vom 04. Dezember 1991 - 2 RU 69/90 = HV-Info 1992, 598; zuletzt Urteil vom 07. Februar 2006 – B 2 U 3/05 R – a. a. O.). Mit der Möglichkeit, bei Eintritt des Versicherungsfalls während einer Schul- oder Berufsausbildung die Bemessungsgrundlage anzuheben, weicht das Gesetz für einen Sonderfall von dem die Unfallversicherung beherrschenden Grundsatz ab, dass die Verdienstverhältnisse vor dem Arbeitsunfall für alle Zukunft die maßgebende Grundlage der Geldleistungen bleiben und spätere Erwerbsaussichten bei der Feststellung des JAV nicht zu berücksichtigen sind (BSGE 31, 38, 40 = SozR Nr. 1 zu § 573 RVO; BSGE 38, 216, 218 = SozR 2200 § 573 Nr. 2; BSGE 47, 137, 140 = SozR 2200 § 573 Nr 9.). Einzig Personen, die bereits während der Zeit der Ausbildung für einen späteren Beruf einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch kein Arbeitsentgelt, sondern allenfalls eine geringe Ausbildungsvergütung erhalten haben, sollen zur Vermeidung von Härten geschützt und so gestellt werden, als hätten sie den Unfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung erlitten. Eine solche genau umschriebene Ausnahmeregelung kann nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auf andere, vermeintlich ähnlich liegende Sachverhalte erstreckt werden.

Allerdings ist der Anwendungsbereich des § 90 SGB VII weiter als der des BBiG und erstreckt sich auch auf Bereiche der beruflichen Bildung, für die dieses Gesetz nicht oder nur eingeschränkt gilt, wie etwa die Hochschulausbildung oder die Ausbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder in einem Handwerksberuf (vgl. § 3 BBiG). Berufsausbildung im Sinne des § 90 SGB VII ist darüber hinaus auch, anders als im Recht der beruflichen Bildung und im Arbeitsförderungsrecht, nicht nur die erste, sondern jede zu einem beruflichen Abschluss führende Bildungsmaßnahme (vgl. BSG SozR 3-2200 § 573 Nr. 2 m. w. N.).

All das ändert nichts daran, dass im Falle der Klägerin die Berufsausbildung bereits mit der Erlangung der Approbation am 01. September 1997 abgeschlossen wurde. Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab, da er sich nach eigener Überprüfung den ausführlichen, sorgfältigen, zutreffenden und überzeugenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils vom 29. Januar 2010 anschließt.

Lediglich ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

Gemäß § 2 Abs. 1 der Bundesärzteordnung (BÄO) bedarf, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes den ärztlichen Beruf ausüben will, der Approbation als Arzt. Laut § 2 Abs. 5 BÄO ist Ausübung des ärztlichen Berufs die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung „Arzt" oder „Ärztin". Die Berufsbezeichnung „Arzt" oder „Ärztin" darf nur führen, wer als Arzt approbiert oder nach § 2 Abs. 2, 3 oder 4 BÄO zur Ausübung des ärztlichen Berufs befugt ist (§ 2 a BÄO). Nach § 3 Abs. 1 BÄO wird auf Antrag die Approbation als Arzt erteilt, wenn der Antragsteller

1. Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes, Staatsangehöriger eines der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, oder heimatloser Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer ist,

2. sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt,

3. nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist,

4. nach einem Studium der Medizin an einer wissenschaftlichen Hochschule von mindestens sechs Jahren, von denen mindestens acht, höchstens zwölf Monate auf eine praktische Ausbildung in Krankenhäusern oder geeigneten Einrichtungen der ärztlichen Krankenversorgung entfallen müssen, die ärztliche Prüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes bestanden hat,

5. und über die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.

Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht die Facharztqualifikation erforderlich ist.

Nach § 3 der am 30. September 2003 außer Kraft getretenen Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) umfasste die ärztliche Ausbildung ein Studium der Medizin von sechs Jahren an einer wissenschaftlichen Hochschule, eine anschließende achtzehnmonatige Tätigkeit als AiP, eine Ausbildung in Erster Hilfe, einen Krankenpflegedienst von zwei Monaten, eine Famulatur von vier Monaten und als Prüfungen die ärztliche Vorprüfung sowie die in drei Abschnitten abzulegende Ärztliche Prüfung. Gemäß § 1 Abs. 2 der Approbationsordnung für Ärzte 2002 (gültig ab dem 01. Oktober 2003 in der Fassung vom 21. Juli 2004) umfasst die ärztliche Ausbildung nunmehr ein Studium der Medizin von sechs Jahren an einer Universität oder gleichgestellten Hochschule (Universität), das, vorbehaltlich § 3 Abs. 3 Satz 2, eine zusammenhängende praktische Ausbildung (Praktisches Jahr) von 48 Wochen einschließt, eine Ausbildung in erster Hilfe, einen Krankenpflegedienst von drei Monaten, eine Famulatur von vier Monaten und die in zwei Abschnitten abzulegende Ärztliche Prüfung. Auch hiernach gehört die Facharztqualifikation nicht zur ärztlichen Ausbildung.

Die BÄO geht von einem einheitlichen Beruf des Arztes aus. Davon ausgehend stellt weder der Amtsarzt noch der Facharzt oder ein sonstiger, sich einem speziellen Tätigkeitsbereich widmender Arzt einen besonderen Beruf i. S. d. Art. 12 Grundgesetz dar (vgl. Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, S. 215). Die Approbation ist die staatliche Erlaubnis zur Ausübung eines akademischen Heilberufs. Mit der Erteilung der Approbation besteht die Berechtigung, eigenverantwortlich Patienten zu behandelnd und sich in freier Praxis niederzulassen (vgl. Quaas/Zuck a. a. O. S. 220). Die Approbation bedeutet hingegen nicht zugleich die Berechtigung, gesetzlich versicherte Patienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ambulant zu behandeln. Das Recht der ärztlichen Weiterbildung liegt an der Schnittstelle zwischen dem Berufszugangsrecht des Arztes und der Berufsausübung. Begrifflich endet die Ausbildung zum Arzt nach der BÄO mit der Erteilung der Approbation. Im Anschluss hieran beginnt die berufsbegleitende Phase der ärztlichen Weiterbildung. An deren Ende steht die Anerkennung einer Facharztbezeichnung. Die Approbation schließt also die ärztliche Ausbildung ab. Die Anerkennung einer Facharztbezeichnung schließt demgegenüber die ärztliche Weiterbildung ab. Während die Ausbildung zum Arzt ein Basiswissen vermitteln soll, auf Grund dessen die Berufsausübung der Heilkunde am Menschen unter der Bezeichnung „Arzt“ oder „Ärztin“ gestattet wird, dient die Facharztausbildung einer Spezialisierung ärztlichen Fachwissens auf einem eingegrenzten Fachgebiet. Deshalb ist der Facharzt im Verhältnis zum Arzt auch kein besonderer eigener Beruf, sondern lediglich eine Ausprägung des einheitlichen Arztberufs (vgl. Quaas/Zuck a. a. O. S. 225). Rechtlich fällt die ärztliche Weiterbildung als Teil der Berufsausübung in die Kompetenz des Landesgesetzgebers, während die Ausbildung und damit das Berufszugangsrecht in die Regelungskompetenz des Bundes fällt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Grundgesetz; s. auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im sog. Facharzt-Beschluss vom 09. Mai 1972 - 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64 -, BVerfGE 33, 125ff).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin angeführten Richtlinie des Europäischen Parlaments 2005/36/EG. Zum einen sind die Begrifflichkeiten dieser Richtlinie nicht automatisch identisch mit dem in § 90 Abs. 1 SGB VII verwendeten Begriff der Ausbildung. So werden die Begrifflichkeiten der Richtlinie unter Titel I Allgemeine Bestimmungen Artikel 3 gesondert definiert. Darüber hinaus verhält sich die Richtlinie in keiner Weise dazu, wann die ärztliche Ausbildung abgeschlossen ist. Hier werden in den Art. 24ff lediglich Mindestanforderungen z. B. an die ärztliche Grundausbildung (Art. 24) sowie die Fachärztliche Weiterbildung (Art. 25) festgelegt, bei deren Erfüllung z. B. eine gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen zu erfolgen hat und die Dienstleistungs- sowie Niederlassungsfreiheit gewährt ist.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nach den Vorschriften zur ärztlichen Ausbildung und auch nach der Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen die Approbation die entscheidende Trennlinie zwischen Aus- und Weiterbildung i. S. der Vorschriften der BÄO und der ÄApprO bzw. der ÄApprO 2002 bildet.

Wenn die Klägerin demgegenüber darauf verweist, dass ein wirtschaftliches Überleben als Ärztin ohne Facharztqualifikation praktisch nicht möglich sei, so weist sie zutreffend – dies hat auch die erste Instanz so gesehen – auf ein tatsächliches Problem hin. Es mag der ökonomischen Vernunft entsprechen, eine Facharztqualifikation zu erlangen. Allein dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Erlangung der Facharztqualifikation der Ausbildung i. S. d. § 90 Abs. 1 SGB VII zuzuordnen, denn die Sicherung oder Verbesserung von Verdienstmöglichkeiten gehört nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. das Urteil vom 07. Februar 2006 – B 2 U 3/05 R – a. a. O.) nicht zur Ausbildung. Hier ist nochmals auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift zu verweisen, der nur eine enge Auslegung des Begriffs „Ausbildung“ gestattet. Zum anderen ist eine Berufsausübung als Arzt ohne Facharztqualifikation nicht unmöglich, denn über die Niederlassung als Vertragsarzt hinaus bestehen z. B. Beschäftigungsmöglichkeiten in Gesundheitsämtern, bei Sozialversicherungsträgern, bei Versorgungsämtern, beim medizinischen Dienst der Krankenkassen, bei privaten Krankenversicherungen sowie anderen Versicherungen, in medizinischen Rehabilitationseinrichtungen, in Labors, in der medizinischen Forschung, in der Pharmabranche, im Verlagswesen, im Verbandswesen der Ärzte etc.. Darüber hinaus kann eine niedergelassene privatärztliche Tätigkeit ausgeübt werden. Hier ist auch eine Kombination mit anderen - angestellten – Tätigkeiten denkbar. Auch stellt die Tätigkeit als Assistenzarzt – auch wenn sie nicht auf Lebenszeit, so doch auf einige Jahre, ausgefüllt werden kann – grundsätzlich eine vollwertige ärztliche Tätigkeit dar, wie sich auch aus der Auskunft der BÄK vom 31. März 2009 ergibt. Zutreffend hat das SG aufgezeigt, dass die Arbeitsverträge der Klägerin in der Phase der Facharztqualifikation keine Einschränkungen der Verantwortlichkeit der Klägerin als Ärztin enthielten und die Bezahlung der einer ausgebildeten Akademikerin entsprach. Die Vergütung der Klägerin richtete sich laut den vorliegenden Arbeitsverträgen in der Zeit ab dem 01. September 1997 nach der Vergütungsgruppe II des BAT-KF (Nr. 3.1 Fallgruppe 1 der Anlage 1a zu § 22 des BAT-KF). Tarifvertraglich hätte nach fünfjähriger Tätigkeit als Arzt die Einstufung in die Vergütungsgruppe I b erfolgen müssen (Nr. 3.1 Fallgruppe 3 der Anlage 1 a zu § 22 des BAT-KF). Dies entsprach der Einstufung von sonstigen Mitarbeitern mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulausbildung und entsprechender Tätigkeit (Nr. 6 Fallgruppe 1 der Anlage 1 a zu § 22 des BAT-KF). Die Klägerin hat also keine – wegen Ausbildung – verminderte Vergütung erhalten.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.