Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 06.01.2012 | |
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Aktenzeichen | L 1 KR 75/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 229 Abs 1 Nr 3 SGB 5 |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Im Streit steht ein Rückerstattungsanspruch, den die Klägerin als Witwe und Erbin des zwischenzeitlich verstorbenen bei der Gmünder Ersatzkasse Versicherten D H (nachfolgend: Versicherter = “V“) geltend macht. Die Gmünder Ersatzkasse ist mit der Barmer Ersatzkasse zum 1. Januar 2010 zur jetzigen Beklagten fusioniert (nachfolgend nur noch: „die Beklagte“).
Es geht der Sache nach um die Frage, ob die Beklagten zu Recht von dem Ruhegeld, das die Bayerische Versorgungskammer dem V gezahlt hat, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz erhalten hat.
Der V war von April 2002 bis zu seinem Tode im April 2008 bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner als Bezieher einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Er war ferner aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Bühnenregisseur bei verschiedenen Theatern Mitglied bei der Bayerischen Versorgungskammer als Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen und hatte die Engagementzeiten Pflichtbeiträge geleistet. Zwischen den einzelnen Engagements als Regisseur und nach Beendigung dieser Tätigkeit hatte er dort freiwillig weiter Beiträge in erheblichem Umfang einbezahlt.
Die bayerische Versorgungskammer zahlte ihm ab 1. Januar 2000 ein monatliches Ruhegeld in Höhe von 2.347,31 Euro. Hiervon führte sie Beiträge zur Krankenversicherung an die Beklagte in Höhe von 340,36 Euro ab. Der V widersprach mit Schreiben vom 1. Februar 2007 an die Beklagte dem Beitragseinzug und bat um einen Beitragsbescheid.
Mit Bescheid vom 12. März 2007 lehnte die Beklagte eine Erstattung der ab 1. Januar 2007 erhobenen Beiträge ab, weil es sich bei dem Ruhegeld um eine einer Rente vergleichbare Einnahmen. Bei der Beitragsbemessung das Ruhegeld deshalb voll einzubeziehen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Versicherten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2007 zurück.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2007 zurück.
Der Versicherte hat hiergegen Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Nachdem er am 5. April 2008 verstorben ist, führt die Klägerin den Rechtsstreit fort. Der V sei über Jahrzehnte der Künstlersozialkasse versichert gewesen und haben daneben freiwillige Beiträge auf sein Versicherungskonto bei der bayerischen Versorgungskammer eingezahlt. Bei deren Ruhegeld handele es sich nicht um einen Versorgungsbezug im Sinne des § 229 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V). Jedenfalls unterliege der Teil des Ruhegehalts, der aus dem freiwillig vom V gezahlten Beiträgen erwirtschaftet worden sei, nicht der Beitragspflicht.
Die Beteiligten haben einen Verfahrensvergleich abgeschlossen, wonach nur über die Beitragspflicht hinsichtlich der Krankenversicherung entschieden werden soll und das rechtskräftige Ergebnis auf die Pflegeversicherung übertragen werde.
Das SG hat die auf Aufhebung des Bescheides vom 12. März 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2007 sowie Verurteilung, die aus dem Ruhegehalt der Bayerischen Versorgungskammer erhobenen Krankenversicherungsbeiträge an die Klägerin zu erstatten, gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2011 abgewiesen.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klage sei zwar als Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Insbesondere sei die Klägerin als Erbin des Versicherten aktiv legitimiert, § 58 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch i.V.m. § 1922ff Bürgerliches Gesetzbuch. Die Klage hat jedoch in der Sache kein Erfolg. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Ein Erstattungsanspruch gemäß § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch bestehe nicht.
Die Bezüge, die der V. von der Bayerischen Versorgungskammer erhalten habe, dienten der Altersversorgung und seien ihm aus Anlass seiner früheren Tätigkeit als Bühnenregisseur zugesagt worden. Damit gehörten diese Leistungen zu den Versorgungsbezügen nach § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V und seien beitragspflichtige Einnahmen nach § 237 Satz 1 Nr. 2 SGB V.
Nach § 237 Satz 1 Nr. 2 SGB V werde der Beitragsbemessung bei versicherungspflichtigen Rentnern der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zu Grunde gelegt. Gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V gälten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) unter anderem Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet worden seien. Zudem Versicherungseinrichtungen zählten alle Versorgungsanstalten, wenn der Kreis der Mitglieder auf die Angehörigen eines oder mehrer Berufe beschränkt sei. Dies sei bei der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen der Fall. Gemäß § 1 deren Satzung habe die Anstalt den Zweck, den an deutschen Bühnen tätigen Bühnenangehörigen eine Berufsunfähigkeits-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung im Wege der Versicherung zu gewähren. Rechtlich nicht relevant sei, dass der V freiwillig Beiträge zum Versorgungswerk gezahlt habe. Werde eine Rente von einer Versorgungseinrichtung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V gezahlt, sei es unerheblich, ob die Rente im Einzelfall ganz oder zum Teil auf Leistungen des Versicherten beruhe. Die Vorschrift knüpfe an den Bezug der Rente einer solchen Einrichtung an und sei damit institutionell ausgerichtet. Für eine solche Rente könne nichts anderes gelten als für eine betriebliche Altersversorgung nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 (Bezugnahme hierzu auf das Urteil des hiesigen Senats vom 10.06.2009 - L 1 KR 491/08 -). Die Auffassung werde von der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts gestützt (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 30.03.1995 - 12 RK 40/94 -). Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28.09.2010 (1 BvR 1660/08).
Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin. Der Gerichtsbescheid sei falsch, weil sich aus der dort angeführten Bundesverfassungsgerichtsentscheidung gerade ergebe, dass aus der privaten Fortführung einer Direktversicherung keine Krankenversicherungsbeiträge zu zahlen seien.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 9. Februar 2011 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die aus dem Ruhegehalt der Bayerischen Versorgungskammer erhobenen Krankenversicherungsbeiträge an die Klägerin zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Bundesverfassungsgericht habe im Beschluss vom 28. September 2010 (1 BvR 1660/08) nur die bisherige Rechtssprechung des Bundessozialgerichts soweit korrigiert, dass es bei Lebensversicherung (Direktversicherungen) darauf ankomme, ob eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung die Leistungen auszahle oder ob der (ehemalige) Arbeitnehmer selbst der Versicherungsnehmer ist.
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine nach §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt.
Die Berufung hat kein Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung für zulässig, jedoch unbegründet gehalten. Auf die zutreffenden Ausführungen wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen, § 155 Abs. 2 SGB.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sei nur ergänzend darauf hingewiesen, dass die Auffassung des SG und des Beklagten, wonach die stattgebenden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes nur die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung auf Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen betreffen, vom Senat geteilt wird. Die vom Bundessozialgericht früher bei der Auslegung von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V vorgenommene Typisierung ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes (nur insoweit) mit Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar, soweit dies dazu führt, dass Zahlungen aus Beiträgen, die der Versicherte nach Ende seines Arbeitverhältnisses auf einen auf ihn als Versicherungsnehmer laufenden Kapitallebensversicherungsvertrag eingezahlt hat, als betriebliche Altersversorgung zu Beiträgen zur Krankenversicherung der Rentner herangezogen werden, obwohl der Gesetzgeber Erträge aus privaten Lebensversicherung Pflichtversicherter Rentner keiner Beitragspflicht unterwirft (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, 3. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 14.04.2011 - 1 BvR 2123/08 - RdNr. 5).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 Satz 1 SGG i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 1. Buch, § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.