Gericht | LG Potsdam 10. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 08.10.2010 | |
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Aktenzeichen | 10 S 1/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung des Beklagten gegen das am 26.05.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Brandenburg - 30 C 342/09 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 511, 520 Abs. 2 ZPO statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie bleibt im Ergebnis jedoch erfolglos, denn der Kläger ist gemäß § 116 Sachenrechtsbereinigungsgesetz (im Folgenden: SachenRBerG) zur Mitbenutzung des streitgegenständlichen Weges berechtigt. Der Nutzungsbegriff des § 116 SachenRBerG ist, im Gegensatz zu anderen Bereinigungstatbeständen des SachenRBerG nicht personenbezogen, sondern grundstücksbezogen. Hieraus folgt zugunsten des Klägers, dass er, ebenso wie die Voreigentümer, einen Anspruch darauf hat, den mit Zustimmung der damaligen Stellen der DDR errichteten Weg zu nutzen.
1) Der Anwendungsbereich der Sachenrechtsbereinigung ist eröffnet. Mit der Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG werden zwar Nutzungen zur „Erholung, Freizeit-gestaltung oder kleingärtnerischen Bewirtschaftung“ aus dem Anwendungsbereich der SachenRBerG ausgenommen. Dieser Ausschlusstatbestand liegt aber begrifflich nicht vor.
a) Der Gesetzgeber ist im Ausgangspunkt seiner Überlegungen davon ausgegangen, dass die der Erholung dienenden Bauwerke (im Vergleich zu Eigenheimen oder den betrieblichen Zwecken dienenden Gebäuden) eine sozial und wirtschaftlich geringere Bedeutung haben und aus diesem Grund im Regelfall nicht der Sachenrechtsbereinigung unterfallen. Die Nutzung zu Erholungszwecken erfolgt insoweit durch eine vertragliche Regelung, die durch Kündigung oder sonstige vertragliche Aufhebung beendet werden konnte, so dass Erholungsnutzungsrechte im Regelfall nicht zu einer verdinglichten Rechtsstellung im Sinne der Sachenrechtsbereinigung führen. Nach zutreffender Auffassung, der auch die angerufene Kammer folgt, sind hingegen betriebliche Freizeiteinrichtungen, wie etwa Ferienheime, Hotels oder Gemeinschaftsanlagen wie Sportanlagen oder Clubhäuser, zu denen letztlich auch die hier streitgegenständliche Kegelbahn gehört, nicht von der SachenRBerG ausgenommen (vgl. Zimmermann/Heller, SachenRBerG, § 2 Rn. 56 m.w.N.).
Von einer derartigen betrieblichen Gemeinschaftsanlage ist hier auszugehen. Mit dem bereits erstinstanzlich zur Akte gereichte Prüfbescheid Nr. 695/84 vom 12.09.1984 des Investitionsauftraggebers Deutsche Reichsbahn/Weichenwerk wurde auf dem benachbarten Flurstück der Um- und Ausbau einer Kegelbahn als Gemeinschaftsanlage durch die staatliche Bauaufsicht genehmigt. Mit dem vom Beklagten als Anlage B 12 der Berufungsbegründung eingereichten Schreiben vom 13.08.1982 (Bl. 203 d.A.) hat die Deutsche Reichsbahn - unstreitig - die Zustimmung zur Errichtung einer Grundstückseinfahrt über das Grundstück des Beklagten, das damals als Postgelände genutzt wurde, beantragt.
b) Nichts anderes ergibt sich aus den im Rahmen des Berufungsangriffs angeführten Entscheidungen. Der Bundesgerichtshof hat zwar durch Urteile vom 5.06.2009 (V ZR 117/08 - Jagdhütte im Waldgründstück) und 5.05.2006 (V ZR 139/05 - Zugang zum Bootssteg bei gepachteter Seefläche) den Anwendungsbereich der SachenRBerG im Ergebnis verneint. Im Rahmen der Begründung hat der Senat aber maßgeblich darauf abgestellt, dass etwa das Grundstück, auf dem die Jagdhütte errichtet wurde, vom Anspruchssteller zu Freizeit und Erholungszwecken gemäß § 321 ZGB genutzt und diese (allein) vom Anspruchssteller und dessen Familie privat genutzt wurde. Beide Entscheidungen zeichnen sich folglich dadurch aus, dass die freizeitliche Nutzung zu „persönlichen Zwecken Einzelner“ erfolgte. Demgegenüber ist hier von einer deutlich darüber hinaus gehenden Nutzung einer betrieblichen Freizeiteinrichtung und des hierzu errichteten Geh- und Fahrweges auszugehen.
2) Nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG kann ein Grundstückseigentümer folglich die Eintragung eines Geh- und Fahrrechts von dem belasteten Grundstückseigentümer verlangen, wenn die Nutzung des Grundstücks
- vor dem 2.10.1990 mit Zustimmung staatlicher Stellen begründet wurde,
- die Nutzung des Grundstücks für die Erschließung oder Entsorgung eines eigenen Grundstücks oder Bauwerks erforderlich ist
- und ein Mitbenutzungsrecht gemäß §§ 321, 322 ZGB (DDR) nicht begründet wurde, § 116 I Nr. 1, 2 und 3 SachenRBerG.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Ein vertragliches Mitbenutzungsrecht im Sinne des § 321 ZGB wurde unstreitig nicht begründet. Nach dem Prüfbescheid Nr. 695/84 vom 12.09.1984 sowie dem Schreiben vom 13.08.1982, mit dem Errichtung der streitgegenständlichen Zufahrt beantragt wurde, wurde die Nutzung mit Zustimmung staatlicher Stellen eindeutig vor dem 2.10.1990 begründet. Eine unrechtmäßige Mitbenutzung lag danach nicht vor. Nicht entscheidend ist gleichfalls, ob der genutzte Weg selber eine bauliche Anlage darstellt. Geschützt wird durch § 116 SachenRBerG auch derjenige, der ein Grundstück in einzelnen Beziehungen nutzt oder derjenige, der auf diesem Grundstück eine Anlage unterhält (vgl. BGH, Urt. v. 9. Mai 2003 - Az: V ZR 388/02, VIZ 2003, 385-387)
Die Erforderlichkeit i.S.d. § 116 I Nr. 2 SachenRBerG ist zu bejahen. Denn der Begriff der Erforderlichkeit ist nicht so eng auszulegen wie bei der Einräumung eines Notwegerechtes. Es reicht aus, wenn das Recht für den Eigentümer den gesetzlichen Zwecken objektiv dient und eine andere Zweckerreichung technisch aufwendiger oder anderweit belästigender wäre (vgl. Eickmann, Kommentar zum SachenRBerG, Rz. 5 zu § 116 SachenRBerG; Smid in Münch.Komm., SachenRBerG, Sonderdruck 4. Aufl., § 116 Rn. 9 m.w.N.). Von einer Erforderlichkeit der Inanspruchnahme ist danach auszugehen. Zu berücksichtigen ist, dass es sich um ein gefangenes Grundstück (Hinterliegergrundstück) handelt und der Kläger unstreitig nicht Eigentümer des anderweitigen Flurstücks 60/6 ist. Nach dem Vorbringen im Rahmen der Berufungsbegründung, dort Seite 14, ist ein Dritter Eigentümer des Flurstücks 60/6. Anhaltspunkte dafür, dass bereits über dieses Grundstück eine Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Klägers besteht, sind nicht ersichtlich. Des Weiteren besteht auch kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass der auf den Lichtbildern erkennbare nördliche Weg auf einer öffentlichen Verkehrsfläche errichtet ist.
3) Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 SachenRBerG, wonach der Eigentümer des belasteten Grundstücks die Bestellung einer Grunddienst-barkeit dann verweigern kann, wenn der Mitbenutzer der Inanspruchnahme des Grundstücks nicht bedarf oder wenn die weitere Mitbenutzung die Nutzung des belasteten Grundstücks erheblich beeinträchtigen würde, sind auch nach dem Ergebnis der mündlichen Erörterungen im Verhandlungstermin nicht ersichtlich. Die privatgutachterliche Stellungnahme der beratenden Ingenieurgesellschaft D. ... Consult mbH vom 22.07.2010 ist nicht geeignet, als neues Angriffsmittel gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zugelassen zu werden; mit der Berufungsbegründung wurden auch keine Tatsachen vorgebracht, aufgrund derer dies neue Angriffsmittel zuzulassen wäre. Inhaltlich verbleibt es bei dem Grundsatz der möglichst schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit, so dass sich die Belange des Denkmalschutzes und der historischen Fassade noch mit dem Zuwegungs- und Zufahrtrecht vereinbaren lassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Weitere Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, § 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 5.000,00 €.