Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat | Entscheidungsdatum | 26.09.2013 | |
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Aktenzeichen | L 13 SB 160/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 69 SGB 9 |
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2012 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 03. August 2009 in der Fassung des Bescheides vom 23. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 2009 in der Fassung der Bescheide vom 29. September 2010 und 09. Mai 2011 verpflichtet, zugunsten der Klägerin mit Wirkung vom 09. März 2011 einen Grad der Behinderung von 100 festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten vorliegend über die Höhe des zuzuerkennenden Grades der Behinderung und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“.
Die Klägerin wurde im Jahre 1947 geboren. Sie war seit Juli 1991 beim S B und sodann von 1999 bis August 2010 beim D B tätig. Seitdem ist die Klägerin berentet.
Mit Bescheid vom 12. November 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1993 hatte der Beklagte der Klägerin auf deren Antrag aus dem Jahre 1991 einen Grad der Behinderung von 40 zuerkannt.
Am 19. Mai 2009 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Neuantrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung und auf Zuerkennung des Merkzeichens „G“. Sie leide an einer Leukozystose, einer diabetischen Neuropathie, einem Diabetes Mellitus Typ II, einem arteriellen Hypertonus, lumbalen und sonstigen Bandscheiben- und HWS-Schäden und einer beginnenden Arthrose. Infolge dessen verspüre sie Übelkeit und Schwäche, müsse plötzlich erbrechen, habe Brustschmerzen, Schmerzen in den Füßen, Beinen, Händen und Armen und schmerzhafte Funktionsstörungen der gesamten Wirbelsäule. Sie fügte ärztliche Atteste bei.
Mit Bescheid vom 3. August 2009 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest. Dem legte er, wie sich aus der gutachterlichen Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin W ergibt, folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde (zugrunde gelegte Einzel GdB in Klammern):
Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule; Muskuläre Verspannungen,
Nervenwurzelreizerscheinungen, degenerative Veränderungen
am Bein (Kniegelenke) und Armgelenken(30)
Diabetes Mellitus
(30)
Beeinträchtigung der Gehirnfunktion
(20)
Schilddrüsenunterfunktion, Bluthochdruck
(20)
Harninkontinenz
(10)
Polyneuropathie
(10)
Die Leukozyste wirke sich nicht auf den GdB aus. Merkzeichen erkannte der Beklagte nicht zu.
Auf den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin vom 12. August 2009, mit dem diese vortrug, dass sie auch unter einer chronisch lymphatischen Leukämie leide, stellte der Beklagte nach Einholung eines Befundberichtes der onkologischen Schwerpunktpraxis Dr. N, einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme der Vertragsärztin Dr. P folgend, mit Bescheid vom 23. November 2009 bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 60 fest. Dem legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde (zugrunde gelegte Einzel GdB in Klammern):
Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule; Muskuläre Verspannungen,
Nervenwurzelreizerscheinungen, degenerative Veränderungen
am Bein (Kniegelenke) und Armgelenken(30)
Diabetes Mellitus
(30)
Erkrankung des lymphatischen Systems
(30)
Beeinträchtigung der Gehirnfunktion
(20)
Schilddrüsenunterfunktion, Bluthochdruck
(20)
Harninkontinenz
(10)
Polyneuropathie
(10)
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Funktionsbeeinträchtigung chronisch lymphatische Leukämie sei bei der Bewertung des Gesamtgrades der Behinderung nunmehr angemessen berücksichtigt worden. Die Voraussetzungen des Merkzeichens „G“ lägen nicht vor.
Die Klägerin hat am 4. Januar 2010 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und die Feststellung eines Grades der Behinderung von 100 und die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ geltend gemacht. Die chronisch lymphatische Leukämie sei als weitere erhebliche Funktionsbeeinträchtigung anzuerkennen. Sie fügte einen vorläufigen Entlassungsbericht des C-centrums für Innere Medizin mit Kardiologie, Gastroenterologie, Nephrologie vom 26. Oktober 2009 bei, wo sie sich im Oktober 2009 zur Einstellung des Blutzuckers stationär aufgehalten hatte.
Das Gericht hat sodann Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte, der Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. Z, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. E, des Facharztes für HNO Dr. S-S und des Facharztes für Innere Medizin Dr. N, sowie des Charitécentrums für Innere Medizin mit Kardiologie, Gastroenterologie, Nephrologie eingeholt.
Nach Kenntnisnahme der Befundberichte hat der Beklagte mit Bescheid vom 29. September 2010 einen Grad der Behinderung von 70 ab Oktober 2009 unter Anerkennung folgender Funktionsbeeinträchtigungen (EinzelGdB, wie sie sich aus der Stellungnahme der Versorgungsärztin Dr. M-S ergeben in Klammern) festgestellt:
Diabetes Mellitus
(40)
Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule; Muskuläre Verspannungen,
Nervenwurzelreizerscheinungen, Bandscheibenschäden,
Funktionsbehinderungen der Kniegelenke(30)
Erkrankung des lymphatischen Systems
(30)
Beeinträchtigung der Gehirnfunktion
(20)
Schilddrüsenunterfunktion, Bluthochdruck
(20)
Harninkontinenz
(10)
Polyneuropathie
(10)
Funktionsbehinderung der Armgelenke
(10)
Das Sozialgericht hat sodann zur weiteren medizinischen Sachaufklärung Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Arzt M, welches dieser nach einer Untersuchung am 9. März 2011 am 4. April 2011 erstattet hat. Der Sachverständige Mschlug die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von 80 vor. Bis September 2009 habe der GdB 60 betragen und im Zeitraum Oktober 2009 bis Februar 2011 70. Dem legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde (zugrunde gelegte Einzel GdB in Klammern):
Erkrankung von Nervensystem und Psyche
(50 ab März 2011; 20 bis Februar 2011)
Diabetes mellitus
(40 ab Oktober 2009, 20 bis September 2009)
Chronische Schmerzstörung mit somatischen
und psychischen Faktoren(30)
Erkrankung des lymphatischen Systems
(30)
Bluthochdruck
(20)
Harninkontinenz
(10)
Polyneuropathie
(10)
Die Klägerin sei problemlos in der Lage, eine Wegstrecke von 2000 Metern in maximal 40 Minuten zurückzulegen. Der mobilitätsbedingte GdB betrage 30.
Der Beklagte hat nach Kenntnisnahme des Gutachtens mit Bescheid vom 9. Mai 2011 einen GdB von 80 festgestellt und dem die von dem Sachverständigen M festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen und vorgeschlagenen Teil-GdB zugrunde gelegt.
Der Sachverständige M hat auf Aufforderung des Gerichts am 21. November 2011 und 25. Januar 2012 ergänzende gutachterliche Stellungnahmen abgegeben.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Gerichtsbescheid vom 29. Juni 2012 die Klage abgewiesen. Es bezieht sich hierbei auf das Gutachten des Sachverständigen M
Gegen den ihr am 5. Juli 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29. Juli 2012 Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die chronisch lymphatische Leukämie nicht hinreichend berücksichtigt worden sei.
Sie beantrage das Merkzeichen „G“ und einen GdB von 100. Sie müsse, um ihren gemieteten Parkplatz zu erreichen, ein zu langes Wegestück zurücklegen.
Der Senat hat zur weiteren medizinischen Aufklärung des Sachverhaltes Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Bvom 22. Februar 2013. Er stellte folgende Funktionsbehinderungen fest (zugrunde gelegte Einzel GdB in Klammern):
Präseniler Beeinträchtigungswahn
(60 ab März 2011; 40 bis Februar 2011)
Diabetes Mellitus und Struma nodosa
(40 ab Oktober 2009, 20 bis September 2009)
Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren
(30)
Erkrankung des lymphatischen Systems
(30)
Bluthochdruck
(20)
Harninkontinenz
(10)
Polyneuropathie
(10)
Der als „anhaltende wahnhafte Störung“ zu klassifizierende „präsenile Beeinträchtigungswahn“ stelle eine therapeutische nur begrenzt zu beeinflussende wahnbildende Krankheit dar. Hinsichtlich des Gesamt-GdB schließe er sich dem Vorschlag des Sachverständigen M an. Die Höherbewertung des psychischen Komplexes schlage sich nicht in der Bewertung des Gesamtgrades der Behinderung nieder. Die Wege- und Gehfähigkeit sei nicht bedeutsam behindert/eingeschränkt.
Die Klägerin hat sich gegen die Feststellung des Dr. B gewendet. Der Gutachter habe während der Begutachtung mehrmals telefoniert.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 26. September 2013, zu der die Klägerin – wie angekündigt – nicht erschienen ist, hat der Beklagte das Vorliegen eines GdB von 100 mit Wirkung vom 9. März 2011 anerkannt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 3. August 2009 in der Fassung des Bescheides vom 23. November 2009, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 in der Fassung der Bescheide vom 29. September 2010 und 9. Mai 2011 zu verpflichten, bei ihr einen Grad der Behinderung von 100 und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs „G“ festzustellen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2012 zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin über das abgegebene Teilanerkenntnis hinaus für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG-).
Entsprechend seinem Teilanerkenntnis vom 26. September 2013 ist der Beklagte durch Urteil zu verpflichten, bei der Klägerin vom 9. März 2011 an einen GdB von 100 festzustellen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist im Übrigen nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage insoweit abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 3. August 2009 in der Fassung des Bescheides vom 23. November 2009, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 in der Fassung der Bescheide vom 29. September 2010 und 9. Mai 2011 in der Fassung des Teilanerkenntnisses verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB bis zum 8. März 2011 (I.), noch auf Zuerkennung des Merkzeichens „G“ (II.).
I. Eine weitergehende wesentliche Veränderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen gegenüber den mit Bescheid vom 12. November 1992 getroffenen Feststellungen, die über die durch den Beklagten mit den Bescheiden vom 23. November 2009, vom 29. September 2010, 9. Mai 2011 - GdB von 60 bis September 2009, 70 von Oktober 2009 bis Februar 2011 und 100 ab März 2011 - berücksichtigten Veränderungen hinausgeht und ab Stellung des Änderungsantrages vom 19. Mai 2009 bis zum 8. März 2011 die Feststellung eines GdB von 100 rechtfertigt, liegt nicht vor (§ 48 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuch Zehntes Buch –SGB X).
Gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) stellen die zuständigen Behörden - hier das Landesamt für Gesundheit und Soziales - das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Gemäß § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4, 5 SGB IX abgestuft als Grad der Behinderung in Zehnergraden von 20 bis 100 festzustellen. Dabei gelten gemäß § 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008, die in Anlage zu § 2 dieser Verordnung (Anlagenband zum BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008), in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14. Juli 2010 (BGBl. I Nr. 37 vom 21. Juli 2010, S. 928) (Anlage VersMedV) niedergelegt sind. Gemäß Teil A Nr. 2 d) Anlage VersMedV sind die in der Tabelle (Teil B) aufgeführten Werte aus langer Erfahrung gewonnen und stellen altersunabhängige und trainingsunabhängige Mittelwerte dar. Je nach Einzelfall kann von den Tabellenwerten mit einer die besonderen Gegebenheiten darstellenden Begründung abgewichen werden. Nach der Vorbemerkung zu Teil A Anlage VersMedV wird in der Tabelle des Teil B einheitlich die Abkürzung GdS genutzt, wenn mit dem Grad der Behinderung und dem Grad der Schädigungsfolgen das Maß für die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemeint ist.
Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Dabei verbietet sich die Anwendung jeglicher Rechenmethoden, insbesondere die bloße Addition der Einzel-GdB (Teil A Nr. 3a der Anlage zu § 2 VersMedV). Nach Teil A Nr. 3c der Anlage zu § 2 VersMedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 d) aa) – ee) der Anlage zu § 2 VersMedV).
Das Hauptleiden der Klägerin ist zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt das Leiden im psychischen Bereich aufgrund der Wahnvorstellungen (1.). Darüber hinaus bestehen Funktionsbehinderungen aufgrund des Diabetes mellitus (2.) der chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (3.), der Erkrankung des lymphatischen Systems (4.), des Bluthochdrucks (5.), der Harninkontinenz, der Polyneuropathie und der Schilddrüsenerkrankung (6.).
1. Erkrankung des Nervenssystems und der Psyche
Nach den schlüssigen Ausführungen des Dr. B handelt es sich bei den psychischen Leiden der Klägerin um eine anhaltende wahnhafte Störung. Nach den Vorgaben der Anlage zu § 2 VersMedV, Teil B Nr. 3.6. VersmedV 3.6 ist die Erkrankung seit der Erkrankung des Gutachters M als langdauernde (über ein halbes Jahr anhaltende) Psychose im floriden Stadium je nach Einbuße beruflicher und sozialer Anpassungsmöglichkeiten mit einem GdB zwischen 50 – 100 zu bewerten.
Das Ausmaß der Einbuße beruflicher und sozialer Anpassungsmöglichkeiten ist nicht objektiv messbar, sondern muss anhand der Äußerungen der Klägerin und den Unterlagen ermittelt werden. Der Senat folgt den schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen M und Dr. B. Der Wahn der Klägerin bezieht sich allein auf ihre Herkunft und Identität. Außerhalb dieser Thematik ist das Auftreten der Klägerin weitgehend integriert und alltagskompetent. Inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Fremdbeeinflussungen hat die Klägerin nicht angegeben. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass während der noch ausgeübten Tätigkeit bis 2010 das berufliche Anpassungsvermögen eingeschränkt war. Dies ist aus einer Abmahnung im Jahre 2003 ersichtlich, welche wohl auf einem wahnbegründeten Fehlverhalten beruht hat. Die Klägerin hat aber danach noch bis zu ihrer Berentung im Jahre 2010 gearbeitet. Im sozialen insbesondere familiären Bereich bestehen Einschränkungen, jedoch kann – wie der Sachverständige Dr. B nachvollziehbar ausgeführt hat – aus den drastischen Formulierungen der Klägerin nicht auf die realen Beeinträchtigungen geschlossen werden. Gegen erhebliche Beeinträchtigungen sprechen beispielsweise die von der Klägerin vorgelegten Fotos. Der Klägerin ist es durchaus auch möglich, den hiesigen Prozess selbst zu führen.
Angesichts dessen bewertet der Senat den GdB ab dem Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen M am 9. März 2011 mit 60, also im unteren Bereich. Für den Zeitraum davor ist das Leiden nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. B jedoch mangels ärztlicher Befunde mit 40 nach den Vorgaben der Anlage zu § 2 VersMedV, Teil B Nr. 3.6. zu bewerten. Hiernach sind Psychosen mit relativ kurz andauernden, aber häufig wiederkehrenden Phasen bei 1 bis 2 Phasen im Jahr von mehrwöchiger Dauer je nach Art und Ausprägung mit einem GdB von 30 -50 zu bewerten. Da gesicherte Erkenntnisse zu der Dauer und zu den sich ergebenden Einschränkungen mangels ärztlicher Behandlung nicht vorliegen, erscheint dem Senat insbesondere unter Berücksichtigung der beruflichen Tätigkeit der Klägerin bis August 2010 die Bewertung mit einem Einzel-GdB von 40 angemessen und nachvollziehbar.
2. Diabetes mellitus
Hinsichtlich der Bewertung des Diabetes mellitus findet Teil B Nr. 15.1 Anlage 2 VersMedV in der seit dem 1. Januar 2009 maßgeblichen Anlage § 2 VersMedV (siehe dort S. 90), in dem die nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts entwickelte Tabelle des Ärztlichen Sachverständigenbeirates (Rundschreiben des BMAS vom 22. September 2008 – IV C 3 - 48064 – 3) – zunächst – übernommen worden ist, Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2009 – B 9 SB 3/08 R -; zitiert nach juris), jedoch beschränkt auf die Zeit bis zum 21. Juli 2010.
Hiernach ist der Diabetes mellitus unabhängig von dessen Typus wie folgt zu bewerten: Ist er durch Diät allein (ohne blutzuckerregulierende Medikamente) eingestellt, ist ein GdB von 0, ist er mit Medikamenten eingestellt, die die Hypoglykämieneigung nicht erhöhen ist ein GdB von 10 angemessen und bei Einstellung mit Medikamenten, die die Hypoglykämieneigung erhöhen, ist ein GdB von 20 angemessen. Unter Insulintherapie, auch in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten, beträgt der GdB, je nach Stabilität der Stoffwechsellage (stabil oder mäßig schwankend) 30 bis 40, unter Insulintherapie bei instabiler Stoffwechsellage einschließlich gelegentlicher schwerer Hypoglykämien 50. Häufige, ausgeprägte oder schwere Hypoglykämien sind zusätzlich zu bewerten. Schwere Hypoglykämien sind Unterzuckerungen, die eine ärztliche Hilfe erfordern. Wie das BSG in dem Urteil vom 23. April 2009 zu den in der (vorläufigen) Tabelle geregelten Vorgaben entschieden hat, können sie jedoch nicht abschließende Grundlage für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus sein. Denn sie erfassen zwar mit dem Begriff der Einstellbarkeit die für die GdB-Beurteilung wesentliche Frage, ob bei den betroffenen behinderten Menschen eine stabile oder instabile Stoffwechsellage besteht, nicht jedoch den aufgrund von § 69 Abs. 1 Satz 4 (vormals Satz 3) SGB IX darüber hinaus zwingend zu berücksichtigenden medizinisch notwendigen Therapieaufwand, der erforderlich ist, um eine bestimmte Einstellungsqualität zu erreichen. Dieser Therapieaufwand kann je nach Umfang dazu führen, dass der anhand der Einstellungsqualität des Diabetes mellitus beurteilte GdB auf den zunächst höheren Zehnergrad festzustellen ist.
Infolge der mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14. Juli 2010 zum 22. Juli 2010 in Kraft getretenen Neufassung des Teil B Nr. 15.1 der Versorgungsmedizin-Verordnung (vgl. hierzu im Einzelnen: BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 SB 3/09 R -), die nunmehr den rechtlichen Vorgaben des § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX genügt (vgl. das zitierte Urteil des BSG vom 2. Dezember 2010), gelten hinsichtlich einer Diabetes mellitus Erkrankung ab diesem Zeitpunkt folgende GdB-Bewertungen:
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt, der GdB beträgt 0. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung, der GdB beträgt 20. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung, der GdB beträgt 30 bis 40. Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein, der GdB beträgt 50. Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdB-Werte bedingen.
Der Begriff des Therapieaufwandes im Sinne der Rechtsprechung des 9. Senats des BSG mit Urteil vom 2. Oktober 2010 ist weit auszulegen. Der Therapieaufwand muss allerdings medizinisch notwendig sein, tatsächlich durchgeführt werden und sich nachteilig auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auswirken. Er beurteilt sich dabei auch für die Zeit vor dem 22. Juli 2010 anhand der neuen Bewertungsgrundsätze, wie sie in der Neufassung des Teils B Nr. 15.1 der Anlage zu § 2 VersMedV aufgrund der 2. ÄnderungsVO anhand des Oberbegriffes „Einschnitte in die Lebensführung“ zusammengefasst sind, danach, ob und wie die Planung des Tagesablaufes, die Gestaltung der Freizeit, die Zubereitung der Mahlzeiten, die Berufsausübung und die Mobilität beeinträchtigt ist. Die Intensität der Einschnitte in die Lebensführung ist dabei davon abhängig, ob der Therapieaufwand aus medizinischen Gründen nach Ort, Zeit oder Art und Weise festgelegt ist oder die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt wird.
Dies zugrunde gelegt ist der Diabetes Mellitus den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen M folgend bis September 2009 mit einem GdB von 20 und seitdem mit einem GdB von 40 zu bewerten.
Der Diabetes ist seit dem Jahre 1998 bekannt. Bei der Klägerin kam es im Februar 2008 und Oktober 2009 zu einem entgleisten Diabetes. Es fand jeweils eine stationären Behandlung statt. Zwar erfolgte bereits nach der Entgleisung im Jahre 2008 zunächst eine intermittierende Insulintherapie, spätestens im Juni 2009 lehnte die Klägerin jedoch die Weiterbehandlung mit Insulin ab. Es wurde mit Metformin und Byetta therapiert. Im Oktober 2009 wurde dann eine intensivierte Insulintherapie eingeleitet, die noch immer durchgeführt wird, dies mit leichten Unterzuckerungen, die von der Klägerin selbst bemerkt und beherrscht werden. Eine Fremdhilfe ist nicht notwendig. Eine klassische Diabetes-Diät wird nicht eingehalten, die Klägerin ist auch nicht gezwungen, ihre körperlichen Belastungen selbständig zu variieren, so dass keine erheblichen Einschnitte in der Lebensführung bestehen.
3. Chronische Schmerzstörung
Die Klägerin gibt Schmerzen im gesamten Bewegungsapparat an, wobei diese nach den Feststellungen des Sachverständigen M massiv psychisch überlagert sind. Eine orthopädische Behandlung erfolgt nicht, Physiotherapie erfolgt seit langem nicht. Schmerzmittel nimmt die Klägerin nicht. Die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule, der Schultern, der Knie- und Hüftgelenke bleiben ohne funktionelle Einschränkungen bzw. mit geringen Einschränkungen. Die Schmerzsymptomatik steht im Vordergrund. Die Einordnung des Sachverständigen Mals psychosomatische Krankheit ist mithin nachvollziehbar. Diese ist nicht mit einem höheren GdB als 30 zu bewerten.
Heranzuziehen sind insoweit die Vorgaben der Anlage zu § 2 VersMedV, Teil B Nr. 16.3.1. Hiernach sind leichtere psychovegetative und psychische Störungen mit einem GdB von 0-20 und stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägte depressive, hypochrondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30-40 zu bewerten. Erst schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sind mit einem GdB von 50-70 zu bewerten.
4. Erkrankung des lymphatischen Systems
Der Senat folgt auch der Einschätzung der Sachverständigen hinsichtlich der Bewertung der chronisch lymphatischen Leukämie. Nach der Anlage zu § 2 VersMedV, Teil B Nr. 3.7. ist die chronische lymphatische Leukämie mit geringen Auswirkungen (keine wesentlichen Beschwerden, keine Allgemeinsymptome, keine Behandlungsbedürftigkeit, keine wesentliche Progredienz) mit einem GdB von 30 – 40 zu bewerten. Liegen mäßige Auswirkungen (Behandlungsbedürftigkeit) erfolgt eine Bewertung mit 50 – 70.
Von den behandelnden Ärzten wurde ausweislich eines Arztbriefes vom 10. Mai 2010 die Leukämie bisher ohne Therapieindikation und ohne eindeutig der Leukämie zuzuordnende Beschwerden eingeordnet.
5. Bluthochdruck
Der Bluthochdruck wird von den Sachverständigen nachvollziehbar mit 20 bewertet, wobei dieser auch eine gewisse Luftnotneigung bei 75 W berücksichtigt. Diesbezüglich besteht auch zwischen den Beteiligten Einigkeit.
6. Übrige
Die Polyneuropathie ist leicht ausgeprägt. Ein höherer GdB als 10 kommt hierfür nach Teil B Nr. 3.11 Anlage 2 VersMedV nicht in Betracht. Auch die von der Klägerin angegebene Harninkontinenz ist nach Teil B Nr. 12.2.4 Anlage 2 VersMedV allenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten. Eine Stressinkontinenz besteht nach den Schilderungen der Klägerin nicht. Das Schilddrüsenleiden ist allenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten. Es fand im Februar 2012 eine einmalige Radiojodbehandlung wegen einer latenten Überfunktion der Schilddrüse statt. Funktionsbeeinträchtigungen wurden nicht dargestellt.
Aus den genannten Funktionsbeeinträchtigungen ist unter Berücksichtigung der oben dargestellten Kriterien ein GdB von 60 bis September 2009 und ein GdB von 70 von Oktober 2009 bis zum 8. März 2011 zu bilden.
Führendes Leiden ist die Psychische Störung, welche mit einem GdB von 40 zu bewerten ist. Dieses wird um 10 verstärkt, durch das chronische Schmerzsyndrom und die Erkrankung des lymphatischen Systems, welche zwar jeweils mit einem GdB von 30 eingeschätzt werden, zwischen denen jedoch eine erhebliche Überschneidung besteht, sowie weiterhin durch den Diabetes einem GdB von 20.
Im Zeitraum von Oktober 2009 bis 8. März 2011 bewirkt der nunmehr höher zu bewertende Diabetes Mellitus mit einem GdB von 40 eine wesentlichere Verstärkung der psychischen Erkrankung, so dass ein Gesamt-GdB von 70 zu bilden ist.
Eine weitere Erhöhung durch die jeweils mit 10 bewerteten weiteren Einzel-GdB nach Teil A Nr. 3 d) ee) der Anlage zu § 2 VersMedV und Teil A Nr. 19 Abs. 1, 3, 4) in aller Regel und so auch im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt.
Die Berufung hat somit hinsichtlich der Feststellung eines höheren GdB keinen Erfolg.
II. Auch hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens „G“ ist die Berufung zurückzuweisen.
Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX). Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – d.h. altersunabhängig von nichtbehinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 10. Dezember 1987, 9a RVs 11/87, BSGE 62, 273 = SozR 3870 § 60 Nr. 2). Allerdings ist es für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ nicht ausreichend, dass diese Wegstrecke nicht in dem genannten Zeitraum bewältigt werden kann.
Denn Teil D Nr. 1d der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) gibt an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um annehmen zu können, dass ein behinderter Mensch infolge einer Einschränkung des Gehvermögens in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also dem Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören. Von all diesen Faktoren filtern die Anhaltspunkte diejenigen heraus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die Anhaltspunkte beschreiben dabei Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (BSG, Urteil vom 13. August 1997, 9 RVs 1/96, SozR 3-3870 § 60 Nr. 2).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr lässt sich insbesondere nicht auf eine behinderungsbedingte Einschränkung des Gehvermögens gründen, da bei der Klägerin weder sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 1 der Anlage zu § 2 VersMedV), noch Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sind, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arterielle Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (vgl. Nr. 30 Abs. 3 Satz 2 der AHP bzw. Teil D Nr. 1d Satz 2 der Anlage zu § 2 VersMedV). Denn die Behinderungen an den unteren Gliedmaßen – leichte Polyneuropathie und chronischen Schmerzstörung von Seiten der unteren Wirbelsäule und der Gelenke der unteren Extremitäten -bedingen nach der Einschätzung durch den Sachverständigen M welcher der Senat folgt, allenfalls einen GdB von 30
Zwar kann nach Teil D Nr. 1d Satz 3 der Anlage zu § 2 VersMedV die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ auch auf innere Leiden gestützt werden, jedoch führen bei der Klägerin auch innere Leiden nicht zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr.
Darüber hinaus ist die Klägerin nach den Feststellungen der Sachverständigen problemlos in der Lage, eine Wegstrecke von 2000 m in maximal 40 Minuten zurückzulegen. Die Fortbewegung erfolgt raumgreifend und zügig, ohne Unsicherheit und ohne Luftnot.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.