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GdB - Wirbelsäule - Zeitpunkt


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat Entscheidungsdatum 22.11.2012
Aktenzeichen L 13 SB 41/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 69 SGB 9

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 30. Januar 2012 aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 12. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2009 in der Fassung des Bescheides vom 6. Februar 2012 verpflichtet, zu Gunsten der Klägerin ab dem 20. März 2008 einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das gesamte Verfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).

Die im Jahre 1975 geborene Klägerin leidet insbesondere an einer Erkrankung der Wirbelsäule und an einem Gehörsleiden. Am 20. März 2008 beantragte sie bei dem Beklagten die Feststellung des GdB. Mit Bescheid vom 12. August 2008 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 30 fest, der auf folgenden Beeinträchtigungen beruhe:

1.Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Nervenwurzelreizerscheinungen der Wirbelsäule
2.Schwerhörigkeit links

Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2009 mit der Begründung zurück, der GdB sei zutreffend bemessen. Es liege ein Wirbelsäulenschaden mit mittel- bis schwergradigen funktionellen Auswirkungen vor, dementsprechend sei hierfür ein GdB von 30 in Ansatz zu bringen, dem entspreche auch der GdB insgesamt.

Mit ihrer zu dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren fortgeführt, die Feststellung eines höheren GdB zu erreichen.

Auf Grund richterlicher Beweisanordnung hat am 11. November 2010 die Fachärztin für HNO- Heilkunde Dr. H. ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist sie zu der Einschätzung gelangt, der GdB betrage insgesamt 40. Da sich die Hörminderung zwischenzeitlich verschlechtert habe, sei auf Grund der Hörbeeinträchtigung ein Einzel-GdB von 30 in Ansatz zu bringen, der GdB für das Wirbelsäulenleiden betrage ebenfalls 30. Aus dem Tonschwellenaudiogramm aus dem Jahre 2005 ergebe sich allerdings, dass damals noch keine so schwerwiegende Hörminderung vorgelegen habe. Am 12. Mai 2010 hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass ab dem 13. August 2009 wegen der Verschlechterung der Hörfähigkeit ein GdB von 40 anerkannt werde. Am 29. Juni 2010 hat die Klägerin das Teilanerkenntnis angenommen, den Rechtsstreit aber im Übrigen fortgesetzt.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen:

Der GdB sei auch in zeitlicher Hinsicht zutreffend bemessen worden. Zu Recht habe der Beklagte aus den beiden Einzel-GdB’s von jeweils 30 einen Gesamt-GdB von 40 gebildet. Im Übrigen sei eine Veränderung während des Klageverfahrens eingetreten, weil erst auf Grund des im Klageverfahren erstellten Audiogramms vom 13. August 2009 eine größere Hörminderung festzustellen gewesen sei.

Gegen diesen ihr am 3. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 2. März 2012 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Am 6. Februar 2012 hat der Beklagte der Klägerin in Ausführung des Teilanerkenntnisses einen Bescheid erteilt, in welchem ab dem 19. August 2009 ein GdB von 40 festgestellt wurde.

Die Klägerin macht geltend, sie habe bereits im Widerspruchsverfahren ein Tonschwellenaudiogramm vorgelegt, welches den höheren GdB im Hinblick auf die Hörminderung rechtfertige. Im Übrigen sei der GdB zu niedrig bemessen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. November 2012 hat der Beklagte ein weiteres Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass ein GdB von 40 bereits ab dem 3. April 2008 anerkannt wurde.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 30. Januar 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2009 in der Fassung des Bescheides vom 6. Februar 2012 zu verpflichten, bei ihr ab dem 20. März 2008 einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, soweit nicht das weitere Teilanerkenntnis vom 22. November 2012 abgegeben ist.

Er hält die angefochtene Entscheidung im Übrigen für zutreffend.

Hinsicht der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist auch in vollem Umfang begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn der Klägerin steht mit Wirkung vom 20. März 2008 ein GdB von 50 zu.

Soweit der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. November 2012 ein weiteres Teilanerkenntnis abgegeben hat, war der Beklagte ohnehin diesem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen. Indessen steht der Klägerin der höhere GdB nicht erst ab dem 3. April 2008 – dem Tag der Erhebung des Tonaudiogramms – zu, sondern bereits am dem 20. März 2008. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass das verschlechterte Hörvermögen der Klägerin nicht erst seit dem Tag besteht, an dem es durch das Tonaudiogramm vom 3. April 2008 festgestellt wurde, sondern dass es auch bereits bei Antragstellung durch die Klägerin wenige Tage zuvor, nämlich am 20. März 2008, gegeben war. Darüber hinaus ist der GdB ab dem 20. März 2008 nicht nur mit 40, sondern mit 50 zu bemessen, weil jedenfalls ab diesem Zeitpunkt das führende Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 40 und die Hörminderung mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sind.

Die Bewertung der Hörminderung mit einem Einzel-GdB von 30 folgt aus dem Tonaudiogramm vom 3. April 2008 und ist jedenfalls ab diesem Zeitpunkt in der Sache selbst nicht mehr im Streit. Auch für den Senat ergeben sich keine Zweifel dahingehend, dass der Wert von 30 insoweit zutreffend in Ansatz gebracht worden ist, denn die gemessenen Werte entsprachen bereits im Jahre 2008 den Werten, wie sie die Sachverständige Dr. H. zu einem späteren Zeitpunkt vorliegen hatte und die nach der fachärztlichen Einschätzung der Dr. H. mit einem Einzel-GdB von 30 in Ansatz zu bringen waren.

Der Senat hat darüber hinaus nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, § 128 SGG, keine Zweifel dahingehend, dass der Einzel-GdB für das Wirbelsäulenleiden ab Antragstellung am 20. März 2008 mit 40 zu bemessen war. Nach B 18.9 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) sind Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB von 30 – 40 zu bewerten. Es steht vorliegend fest, dass die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule der Klägerin in mehr als einem Wirbelsäulenabschnitt angesiedelt sind und dass sie mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen hervorrufen. Indessen ergibt sich aus dem Bericht der behandelnden Radiologen vom 17. Februar 2005 darüber hinaus auch, dass vorliegend nicht nur zwei, sondern alle drei Wirbelsäulenabschnitte der Klägerin von solchen Funktionsbeeinträchtigungen betroffen sind. Dies unterscheidet den Fall der Klägerin von weniger ausgeprägten Fällen, in denen lediglich zwei Wirbelsäulenabschnitte betroffen sind und die mit einem GdB von 30 zu bewerten wären; vorliegend ist eine Ausschöpfung des durch die VersMedV vorgegebenen Bewertungsrahmens nach oben erforderlich.

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird gemäß § 69 Absatz 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Der Senat hat keine Zweifel, dass hiernach und unter Zugrundelegung der Maßstäbe aus A 3 VersMedV ein Gesamt-GdB von jedenfalls 50 ab Antragstellung für die Klägerin aus den vorhandenen Einzel-GdB von 40 und 30 zu bilden war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Absatz 2 SGG nicht vorliegen.