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Entscheidung 7 Sa 688/13


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer Entscheidungsdatum 30.07.2013
Aktenzeichen 7 Sa 688/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 104 SGB 7

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. März 2013 - 34 Ca 19877/12 - wird im Übrigen zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Arbeitsunfall, den der Kläger auf einer Baustelle der Beklagten am 27.02.2009 erlitten hat. Die Beklagte hatte den Kläger, der auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 24.02.2009 (Bl. 11 ff. d. A.) bei der L. Personalleasing e.K. beschäftigt war, die die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betreibt, für ihr Bauvorhaben am Tempelhofer H. entliehen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 12.03.2013, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien Bezug genommen wird, die Klage auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und auf Feststellung des Anspruchs auf Ersatz aller materiellen und immateriellen Schäden abgewiesen. Zur Begründung hat es – soweit für das Berufungsverfahren noch relevant – ausgeführt, der Kläger habe schon deshalb keinen Anspruch darauf, von der Beklagten als Entleiherin Ersatz für seine Personenschäden zu erhalten, da entsprechende Schadensersatzansprüche nach den Regelungen der §§ 104 ff. SGB VII, die auf den vorliegenden Arbeitsunfall auch im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten Anwendung finden würden, ausgeschlossen seien. Eine vorsätzliche Unfallverursachung durch die Beklagte sei angesichts des unstreitigen Unfallhergangs abwegig.

Gegen dieses, dem Kläger am 21.03.2013 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 12.04.2013 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 19.04.2013 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger vertritt auch in der Berufungsinstanz die Auffassung, die Regelungen der §§ 104 ff. SGB VII seien nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf die vorliegende Vertragskonstellation anzuwenden. Denn nicht die Beklagte, sondern sein Vertragsarbeitgeber, der nach dem Arbeitsvertrag auch den Lohn zu zahlen gehabt habe, habe die Beiträge in die Unfallversicherung eingezahlt. Weiterhin trägt er vor, aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelungen sei er nicht in den Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen. Vielmehr sei sein Vertragsarbeitgeber berechtigt gewesen, ihn jederzeit von der Baustelle abzuberufen. An dem Unfall treffe den Kläger kein Selbstverschulden. Vielmehr habe die Beklagte die entsprechenden DIN-Normen über fahrbare Arbeitsbühnen nicht eingehalten und ihn auch nicht ordnungsgemäß vor Aufnahme der Tätigkeit in der Baustelle eingewiesen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt zuletzt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin, verkündet am 12.03.2013, zugestellt am 21.03.2013 zum Aktenzeichen 34 Ca 19877/12 die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 22.12.2002;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der den Kläger aus dem Arbeitsunfall vom 27.02.2009 auf der Baustelle des Einkaufszentrums „Tempelhofer H.“, T. D. 227, 12099 Berlin, entstanden ist und noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen mit Rechtsausführungen zur Haftungsbeschränkung der §§ 104 ff. SGB VII, die aus ihrer Sicht auch auf Leiharbeitnehmer anzuwenden sei und bestreitet jegliches Verschulden in Bezug auf den erlittenen Arbeitsunfall.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt des Schriftsatzes des Klägers vom 18.04.2013 (Bl. 183 bis 188 d. A.) sowie auf denjenigen der Beklagten vom 27.05.2013 (Bl. 198 bis 201 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die vom Kläger noch geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen des von ihm erlittenen Personenschadens abgewiesen. Dabei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten überhaupt vorliegen. Jedenfalls ist die Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger gemäß § 104 SGB VII ausgeschlossen.

1. Nach § 104 SGB VII ist der Unternehmer den Versicherten, die für sein Unternehmen tätig sind oder zu seinem Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt hat. Die Anwendbarkeit der §§ 104 ff. SGB VII setzt nicht voraus, dass der Geschädigte in einem Arbeitsverhältnis zu dem Unternehmer steht. Vielmehr erstreckt sich der Haftungsausschluss auch auf diejenigen Beschäftigten, die nicht zur Stammbelegschaft des Unternehmens gehören, sondern dort „wie“ ein Beschäftigter (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) tätig werden. Darunter fallen insbesondere auch die Leiharbeitnehmer, für die bereits § 636 Abs. 2 RVO eine eigenständige gesetzliche Regelung getroffen hatte (vgl. BAG v. 14.12.1983 – 7 AZR 438/80 – juris Rz. 17 unter Hinweis auf die Bundestags-Drucksache IV 939 neu Seite 10; Rolfs, NJW 1996, 3177; LAG Hamm v. 30.07.2001 – 19 Sa 259/01 – juris; BAG v. 19.02.2009 – 8 AZR 188/08 – DB 2009, 1134 ff. zu § 105 SGB VII). Voraussetzung für den Haftungsausschluss ist, dass der Arbeitnehmer in dem Betrieb vorübergehend eingegliedert ist. Dafür ist es entscheidend, ob der Geschädigte Aufgaben des anderen Unternehmens wahrgenommen hat und die Förderung der Belange dieses Unternehmens seiner Tätigkeit auch im Übrigen das Gepräge gegeben hatte, d. h. er muss wie ein Beschäftigter dieses Unternehmens im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig geworden sein (vgl. BAG vom 19.02.2009 – 8 AZR 188/08 – a.a.O.). Davon ist bei einer echten Leiharbeit grundsätzlich auszugehen da die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers dazu bestimmt ist, die Zwecke des fremden Betriebs zu fördern und er dem Weisungsrecht des entleihenden Arbeitgebers unterliegt (vgl. BAG vom 27.05.1983 – 7 AZR 1210/79 - juris).

2. So lagen die Dinge auch im Streitfall. Der Kläger ist im Rahmen eines echten Leiharbeitsverhältnisses bei der Beklagten tätig geworden. Als solcher war er vorübergehend in deren Betrieb eingegliedert, d. h. seine Tätigkeit war dazu bestimmt, die Zwecke des Betriebes der Beklagten zu fördern und er unterlag dem Weisungsrecht der entleihenden Beklagten, die ihm die Tätigkeit zugewiesen hat, die er in deren Betrieb erbringen sollte. Soweit der Kläger auf die Regelung in seinem Arbeitsvertrag verweist, stehen diese einer vorübergehenden Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten nicht entgegen. Es handelt sich hier um typische Regelungen zur Dreieckskonstellation bei der Arbeitnehmerüberlassung. Bei dieser behält sich in der Regel der Vertragsarbeitgeber Weisungsrechte über die Zuweisung zum Entleiher und den dortigen Einsatz vor. Die Arbeit vor Ort wird indes vom Entleiher bestimmt. Etwas anderes trägt der Kläger hierzu auch nicht vor. Vielmehr wurde durch die Schilderung des Klägers zu dem Einsatz des Unfallgerüstes deutlich, dass die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter den Einsatz des Klägers auf ihrer Baustelle vorgegeben haben.

3. Dass die Beklagte den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat, behauptet der Kläger selbst nicht. Dazu reicht weder die vom Kläger behauptete fehlende Unterweisung, noch die Nutzung eines fahrbaren Baugerüstes ohne Seitenausleger, das – nach dem Vortrag des Klägers – ohnehin von einer dritten Firma kam, nicht aus. Allein der Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften indiziert kein vorsätzliches Verhalten. Vielmehr ist ein Arbeitsunfall nur dann vorsätzlich herbeigeführt worden, wenn dieser gewollt und für den Fall seines Eintritts gebilligt worden war (vgl. BAG vom 19.02.2009 – 8 AZR 188/08 -, DB 2009, 1134 ff.). Auch wenn im vorliegenden Fall möglicherweise Unfallverhütungsvorschriften missachtet wurden, kann daraus indes nicht geschlossen werden, dass der Arbeitsunfall gewollt und für den Fall seines Eintritts gebilligt worden wäre. Derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, will meistens nicht die Schädigung und den Arbeitsunfall des Arbeitnehmers selbst, sondern er hofft, dass diesem kein Unfall widerfahren werde. Etwas anderes trägt der Kläger im vorliegenden Fall nicht vor.

4. Aus diesen Gründen waren die Voraussetzungen für den Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII gegeben. Dieser erfasst grundsätzlich auch einen Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld. Die Norm ist verfassungsgemäß, was das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgesprochen hat (vgl. zuletzt BVerfG vom 27.02.2009 – 1 BvR 3505/08 – NZA 2009, 509 m. w. N. zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Die Haftungsbefreiung findet ihren sachlichen Grund in der sozialrechtlichen Leistung der in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Arbeitgeber (BVerfG vom 07.11.1972 – 1 BvL 4/71 – NJW 1973, 502 zur Vorgängerregelung in § 636 RVO).

5. Aus diesen Gründen war die Berufung des Klägers insgesamt zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 97, 516 und 92 ZPO. Eine Kostenquotelung kam im Hinblick auf den Teilvergleich nicht in Betracht, da insoweit die Voraussetzungen von § 92 Abs. 2 ZPO vorlagen.

Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Es handelt sich um eine an einem Einzelfall orientierte Entscheidung ohne grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Die insoweit maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich bereits geklärt. Der zu beurteilende Sachverhalt wirft keine neuen Gesichtspunkte auf. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar.