Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 15.11.2012 | |
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Aktenzeichen | L 3 R 1048/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 48 Abs 4 S 1 Nr 2a SGB 6 |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 05. September 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Halbwaisenrente über den 30. Juni 2008 hinaus.
Der 1987 geborene Kläger ist Waise des 2004 verstorbenen Versicherten K G.
Der Kläger befand sich bis Juni 2007 in schulischer Ausbildung und war vom 01. Oktober 2007 bis zum 31. Mai 2008 an der Technischen Universität (TU) D immatrikuliert.
Seit dem 01. Juli 2008 ist der Kläger als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit bei der Bundeswehr eingestellt (Einstellungsbescheid vom 25. Januar 2008, Personalverfügung vom 15. Mai 2008). Seit dem 01. Oktober 2009 ist der Kläger an der Universität der Bundeswehr in M mit der Studienfachrichtung Elektro- und Informationstechnik, zunächst im Bachelor-Studiengang, immatrikuliert. Ab Erhalt des Bachelor-Abschlusses im April 2012 absolviert er den Master-Studiengang mit einem vorgesehenen Abschluss am 30. September 2013. Er erhält laut Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 05. März 2009 die Dienstbezüge eines Obergefreiten.
Der Kläger bezog ab dem Todestag des Versicherten eine Halbwaisenrente von der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft bzw. von der Berufsgenossenschaft Handel und Wartendistribution (BGHW) und zwar zunächst befristet bis zum 30. September 2005 (Bescheid vom 21. Juli 2004), sodann befristet bis zum 31. Juli 2007 (Bescheid vom 25. August 2005) und anschließend zunächst befristet bis zum 30. September 2012 (Bescheid vom 09. Oktober 2007). Aufgrund der Mitteilung des Eintritts in das Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit wurde die Zahlung von Waisenrente durch die BGHW eingestellt. Ein Antrag auf Weitergewährung der Waisenrente über den 30. Juni 2008 hinaus wurde abgelehnt (Bescheid vom 24. April 2009, Widerspruchsbescheid vom 16. November 2009). Das hierauf anhängig gemachte Klageverfahren bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (Az. S 10 U 154/09) ruht.
Die Beklagte gewährte dem Kläger ebenfalls Halbwaisenrente ab dem Todestag des Versicherten befristet bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres mit Ablauf des 30. September 2005 (Bescheid vom 06. September 2004). Diese Halbwaisenrente wurde jedoch wegen Zusammentreffens mit Einkommen aus der Halbwaisenrente der BG nicht gezahlt.
Mit einem am 10. Dezember 2008 eingegangenen Schreiben wandte der Kläger sich an die Beklagte und begehrte die Überprüfung der Entscheidung zur Einstellung der Halbwaisenrente zum 30. September 2005. Er übersandte u. a. die Personalverfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 15. Mai 2008, den Einstellungsbescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 25. Januar 2008, die Exmatrikulationsbescheinigung der TU D vom 29. Mai 2008 und die Bescheinigung über Hochschulzeiten der TU D vom 29. Mai 2008.
Mit Bescheid vom 30. März 2009 stellte die Beklagte die Halbwaisenrente des Klägers nunmehr auch ab dem 01. Oktober 2005 und zwar bis zum 30. Juni 2008 neu fest und teilte mit, dass die Rente aufgrund des Zusammentreffens mit anderen Ansprüchen nicht zu zahlen sei. Für die Zeit ab dem 01. Juli 2008 wurde der Anspruch auf Gewährung von Waisenrente mit der Begründung abgelehnt, der Kläger erhalte als Offiziersanwärter keine Anwärterbezüge, sondern volles Gehalt, weshalb er sich nicht in einer Berufsausbildung i. S. des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) befinde.
Gegen den Rentenbescheid vom 30. März 2009 legte der Kläger mit Schreiben vom 26. März 2009 Widerspruch ein und machte geltend, seine Ausbildung zum Offizier als Offiziersanwärter gelte nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 16. April 2002 (VIII R 58/01) als Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchstabe a des Einkommenssteuergesetzes (EStG), weshalb ihm nach seiner Auffassung die Halbwaisenrente auch über den 30. Juni 2008 hinaus zustehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02. Februar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Vorliegend könne sich für die Ausbildung als Offiziersanwärter bei der Bundeswehr in der Zeit ab dem 01. Juli 2008 kein Anspruch auf Waisenrente ergeben, da dem Grunde nach keine Ausbildung i. S. d. § 48 Abs. 4 SGB VI vorliege. Eine Ausbildung i. S. dieser Vorschrift liege dann nicht vor, wenn sie im Rahmen einer Erwerbstätigkeit mit Zahlung von vollem Arbeitsentgelt oder vollen Dienstbezügen vollzogen werde. Während der Ausbildung im Rahmen des freiwilligen Dienstes bei der Bundeswehr stünden die Soldaten durchgehend in einem Dienst- bzw. Beschäftigungsverhältnis und erhielten dafür entsprechend volle Dienstbezüge. Bei den Dienstbezügen des Klägers als Obergefreiter handele es sich nicht um Anwärterbezüge oder Ausbildungsvergütungen, sondern um Bezüge nach dem Bundesbesoldungsgesetz (BBesG). Die Zahlung der vollen Bezüge nach dem BBesG stehe der Annahme einer Berufsausbildung i. S. d. § 48 Abs. 4 SGB VI entgegen. Die Rechtsprechung des BFH habe auf den Anspruch auf Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung keine Auswirkung. Zwar habe der BFH mit mehreren Grundsatzentscheidungen vom 06. September 1999 Ausführungen zum Begriff der Berufsausbildung i. S. v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG a. F. gemacht, die wesentlich von der bisherigen Auslegung des kindergeldrechtlichen Ausbildungsbegriffs im Rahmen des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) abwichen. Die vom BFH aufgestellten Grundsätze seien auch im Rahmen des Kindergeldes nach dem BKKG entsprechend anzuwenden. Für die Auslegung des Begriffs „Schul- oder Berufsausbildung“ in § 48 Abs. 4 SGB VI könne dem geänderten kindergeldrechtlichen Ausbildungsbegriff jedoch im Hinblick auf die veränderte Zweckrichtung des Kindergeldes (steuerrechtliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Eltern) keine Bedeutung zukommen. Im Rahmen der Anspruchsprüfung auf Waisenrente gälten für die Auslegung des Begriffs „Schul- oder Berufsausbildung“ weiterhin die gleichen Rechtsgrundsätze wie sie das Bundessozialgericht (BSG) für die Auslegung des Begriffs bis zur Neuregelung des Kindergeldrechts entwickelt habe. Auch die Tatsache, dass der Kläger ab dem 01. Oktober 2009 ein Studium begonnen habe, führe zu keinem Anspruch auf Waisenrente, da dieses Studium Teilabschnitt der Ausbildung zum Offizier sei.
Hiergegen hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhoben. Er absolviere sowohl mit der militärischen Ausbildung zum Offizier als auch mit dem derzeitigen Studium „Diplom-Ingenieur Elektrotechnik“ eine Berufsaubildung, denn es würden Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die die Ausübung eines zukünftigen Berufes ermöglichen sollten, welcher gegen Entgelt ausgeübt werden könne. Auch würden seine Zeit und Arbeitskraft ausschließlich bzw. überwiegend für die Ausbildung verwendet. Die militärische Fachausbildung zum Offizier sei nach §§ 18, 19 Soldatenlaufbahnverordnung (SLV) in verschiedene Lehrgänge, Module und Ausbildungsabschntite unterteilt und ende mit der Offiziersprüfung und der Ernennung zum Leutnant (§ 24 Abs. 2 SLV). Danach erfolge der Einsatz des Offiziers im Truppendienst. Sollte die Offiziersprüfung nicht bestanden werde, ende die Ausbildung und werde der Soldat zeitnah aus dem Dienstverhältnis entlassen. Damit sei das erfolgreiche Bestehen der Ausbildung Voraussetzung für den Beruf des Offiziers. Die militärische Ausbildung zum Offizier im Truppendienst sei daher als Maßnahme zu qualifizieren, die als Grundlage für den angestrebten Beruf gelte, und mithin Berufsausbildung i. S. v. § 48 Abs. 4 SGB VI. Dies gelte auch für sein im Rahmen der Offiziersausbildung zu absolvierendes Studium. Bestünden Offiziersbewerber des Truppendienstes das Studium nicht, so würden sie in der Regel ebenfalls zeitnah entlassen. Das BSG habe sich letztmalig 1980 mit ähnlich gelagerten Fällen im Rahmen der Rentenversicherung befasst und entschieden, dass für die Rentenversicherung die militärische Ausbildung zum Offizier im Truppendienst keine Berufsausbildung sei. Der BFH habe in seiner neueren Rechtsprechung abweichend davon entschieden, dass auch Offiziersanwärter sich in einer Berufsausbildung befänden. Die anderweitigen Entscheidungen des BSG beruhten letztlich auf dem Kriterium der vollen Besoldung der Offiziersanwärter im Gegensatz zu den Beamtenanwärtern. Diese Rechtsprechung sei nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar, stehe der finanzgerichtlichen Rechtsprechung entgegen und konterkariere die politische Entscheidung der höheren Alimentierung der Offiziersanwärter. Er hat die Ausbildungsanweisungen SALP 718 738 (Offiziersbasisausbildung) und 718 742 (Offizierslehrgang TrD/ROA), den Tätigkeitskatalog zum Praktikum Bordbetrieb, den Lehrplanauszug SALP - Lehrgangsbewertungsstruktur 718 742 sowie das Modulhandbuch des universitären Studiengangs Elektrotechnik und Informationstechnik (B. Sc.) an der Universität der Bundeswehr M vorgelegt.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 05. September 2011 abgewiesen. Der Kläger befinde sich nicht in einer Berufsausbildung i. S. d. § 48 Abs. 4 SGB VI, denn er erhalte volle Dienstbezüge nach dem BBesG. Nicht jede Aus-, Fort- oder Weiterbildung, die ein Kind nach Vollendung des 18. Lebensjahres betreibe, sei Berufsausbildung i. S. d. § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI. Sinn und Zweck der Regelung sei vielmehr, die Fälle zu erfassen, in denen das Kind entgegen der sonst angenommenen Regel auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres noch auf elterliche Unterhaltsleistungen angewiesen sei, weil seine Ausbildung noch nicht abgeschlossen sei und es sich deshalb noch nicht selbst unterhalten könne. Eine Schul- oder Berufsausbildung vermöge einen Anspruch auf Waisenrente daher nur dann zu begründen, wenn das Kind infolge dieser Ausbildung gehindert sei, sich selbst den ausreichenden Lebensunterhalt zu verdienen. Eine Berufsausbildung i. S. d. genannten Vorschrift liege somit nicht vor, wenn sich die Ausbildung im Rahmen einer Erwerbstätigkeit vollziehe, die den vollen Unterhalt des Kindes sichere, so dass es auf keine andere Erwerbstätigkeit mehr angewiesen sei. Dies sei nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29. November 1967 – 1 RA 217/66 -) insbesondere dann anzunehmen, wenn es – wie hier - bereits volle Dienstbezüge bzw. volles Gehalt beziehe. Auf die Auslegung des Begriff der Berufsausbildung durch den BFH sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht abzustellen, insoweit schließe sich die Kammer der Rechtsprechung des BSG hierzu, insbesondere in dessen Urteil vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 37/02 R – an.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags fort. Er weist ergänzend darauf hin, dass das Argument des vollen Unterhalts bereits angesichts eines Vergleichs mit Ausbildungsvergütungen für hinterbliebenenrechtlich anerkannte Berufsausbildungen nicht trage. So seien laut einer Untersuchung des Bundesinstituts für berufliche Bildung in klassischen Ausbildungsberufen wie Binnenschiffer, Mechatroniker und Maurer im Jahre 2010 tarifliche Ausbildungsvergütungen von bis zu 978 Euro gezahlt worden. Auch der Beamte in Ausbildung verdiene bereits im ersten Jahr z. B. in Baden-Württemberg als Polizeimeisteranwärter (mittlerer Dienst), unter 26 Jahre, ledig mit Steuerklasse I ca. 949 Euro netto monatlich. Diese Ausbildungsvergütungen lägen weit über der höchsten Stufe der unterhaltsrechtlich einschlägigen Düsseldorfer Tabelle 2011, welche 670 Euro Unterhaltsbedarf für einen Studenten bzw. 781 Euro Unterhaltsbedarf eines Kindes ab 18 Jahren in der höchsten Stufe 10 ausweise.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 05. September 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 30. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Februar 2010 zu verurteilen, ihm über den 30. Juni 2008 hinaus Halbwaisenrente nach dem Versicherten K G zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und überzeugend.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 17. März 2012 und 20. März 2012 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet. Zutreffend ist das SG in seinem Urteil vom 05. September 2011 davon ausgegangen, das der Kläger keinen ein Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente gemäß § 48 Abs. 1 SGB VI über den 30. Juni 2008 hinaus hat.
Gemäß § 48 Abs. 1 SGB VI haben Kinder nach dem Tode eines Elternteils einen Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig ist (Nr. 1), und der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat (Nr. 2). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das subjektive Recht des Klägers auf Halbwaisenrente war daher nach dem Tode seines Vaters (des Versicherten) am 01. Mai 2004 in diesem Monat entstanden. Es erlischt erst mit Vollendung des 27. Lebensjahres (sofern kein Verlängerungstatbestand i. S. des § 48 Abs. 5 SGB VI eingreift). Aus diesem subjektiven Recht entstehen monatliche Zahlungsansprüche, und zwar bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ohne weitere Voraussetzungen (§ 48 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI). Ist die Waise aber älter als 18 Jahre, setzt der Bestand von monatlichen Zahlungsansprüchen voraus, dass sie wegen eines anerkannten Grundes verhindert war, ihren Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren (gesetzliche Erwerbshinderungsgründe i. S. des § 48 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI oder eine unvermeidbare Zwischenzeit als richterrechtlich entwickelter Erwerbshinderungsgrund). Soweit dies nicht der Fall ist, können monatliche Zahlungsansprüche nicht entstehen (ständige Rechtsprechung des BSG; etwa in SozR 3-2600 § 311 Nr. 1; SozR 3-2600 § 48 Nr. 1; Urteil vom 31. August 2000 – B 4 RA 5/00 R -, in SozR 2200 § 1267 Nr. 27; in SozR 3-2600 § 48 Nr. 4).
Nach § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI bestehen monatliche Zahlungsansprüche über das 18. Lebensjahr, wenn die Waise sich in Berufsausbildung befindet. Die rechtliche Bedeutung des Begriffs „Berufsausbildung" ist in § 48 SGB VI oder in anderen Vorschriften des Rentenversicherungsrechts nicht näher umschrieben. Welche Sachverhalte der Ausbildung zu einem Beruf im Einzelnen als „Berufsausbildung" i. S. von § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI zu bewerten sind, richtet sich nach dem Zweck des Rechts auf Halbwaisenrente. Dieses soll monatlich anteilig den Ausfall eines - typisierend unterstellten - gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten (§§ 1601 ff. Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) ausgleichen, solange das Kind aus Ausbildungsgründen oder im öffentlichen Interesse daran gehindert ist, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren. Nach allgemeiner Wertung ist dies stets bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der Fall, danach nur in den Monaten, in denen ein anerkannter Erwerbshinderungsgrund vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 31. August 2000 – B 4 RA 5/00 R -, a. a. O.).
Daher ist nicht jede Aus-, Fort- oder Weiterbildung, die ein Kind nach Vollendung des 18. Lebensjahres betreibt, „Berufsausbildung". Vielmehr muss die tatsächlich durchgeführte Ausbildung dazu dienen und wegen der Qualität des Ausbildungsinstituts und des Lehrplans dazu geeignet sein, die für den angestrebten Beruf notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Verfahren zu vermitteln. Unter Berufist dabei jede für die Dauer vorgesehene Arbeit zu verstehen, die geeignet ist, in der Gesellschaft auftretende materielle oder auch geistige Bedürfnisse zu befriedigen, die außerdem der Existenzsicherung dient und bei der schließlich die Befähigung zu ihrer Ausführung durch eine Ausbildung erworben wird (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar zum SGB VI, Randnr. 30 zu § 48). Ferner muss die Waise durch die Ausbildung an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert sein, d. h. sie muss durch den Erwerb der Kenntnisse und Fertigkeiten soweit in Anspruch genommen werden, dass ihr eine für die Sicherung der Existenz notwendige Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Eine „Berufsausbildung" i. S. von § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI liegt also nur vor, soweit im jeweiligen Monat für den gewählten Beruf notwendige (nicht: nur nützliche, wünschenswerte oder förderliche) Kenntnisse oder praktische Fertigkeiten von einer hierfür anerkannt qualifizierten Ausbildungsinstitution oder Ausbildungsperson vermittelt werden und wenn der Erwerb der Kenntnisse und Fertigkeiten die Waise wöchentlich wenigstens 20 Zeitstunden beansprucht (ständige Rechtsprechung des BSG, etwa Urteil vom 18. September 1975 - 4 RJ 295/74 -; BSGE 39, 185 = SozR 2200 § 1267 Nr. 9; SozR 2200 § 1267 Nr. 2; BSG SozEntsch 5 § 1267 Nr. 5; SozR 2200 § 1259 Nr. 102; Urteil vom 20. Juli 2011 – B 13 R 52/10 R -, in SozR 4-2600 § 48 Nr. 5).
Hingegen ist die vom Kläger in Bezug genommene erörterte Rechtsprechung des BFH (z. B. Urteile vom 9. Juni 1999 - VI R 92/98 -, in BFHE 189, 113 oder vom 16. April 2002 – VIII R 58/01 -, in BFHE 199, 111) nicht einschlägig. Sie ist zu dem seit 1996 eingeführten und Kindergeld genannten Abschlag (Steuervergütung) auf den Steuererstattungsanspruch wegen (sonst) verfassungswidriger Besteuerung des Existenzminimums von Kindern ergangen. Hier steht bereits die Verschiedenartigkeit der Rechts- und Regelungsbereiche einer Übertragung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs der „Berufsausbildung“ im ESt-Recht auf das Recht der Waisenrente i. S. d. SGB VI entgegen (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. Urteile vom 31. August 2000 – B 4 RA 5/00 R -, a. a. O.; vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 37/02 R -, in SozR 4-2600 § 48 Nr. 2 sowie vom 20. Juli 2011 – B 13 R 52/10 R -, a. a. O.).
Zwar sprechen unabhängig von der Rechtsprechung des BFH einige Gründe dafür, die Ausbildung des Klägers zum Offizier einschließlich des damit verbundenen Studiums mit dem Berufsziel Offizier im Truppendienst für besondere Verwendungen als eine „Berufsausbildung“ i. S. d. § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI anzusehen. Der Kläger hat Ausbildungsanweisungen und Lehrpläne vorgelegt. Danach hat er ab dem 01. Juli 2008 eine rund sechsmonatige Offiziersbasisausbildung (einschließlich der soldatischen Basisausbildung; SALP LNR 718 738) mit insgesamt 635 Ausbildungsstunden Basisausbildungen und 103 sonstigen Stunden (z. B. politische Bildung) sowie anschließend einen Offizierslehrgang TrD/ROA (SALP 718 742) von rund fünf Monaten Dauer einschließlich eines Praktikums „Bordbetrieb“ und abschließend mit der Offiziersprüfung mit insgesamt 933 Ausbildungsstunden und 92 sonstigen Stunden absolviert. Ab dem 01. Oktober 2009 hat sich ein Vollzeit-Präsenz-Studium der Elektrotechnik und Informationstechnik an der Universität der Bundeswehr in M mit dem Ziel eines Bachelor-Abschlusses angeschlossen. Danach bestehen durchaus Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger jedenfalls für die Dauer bis zum Studiumsabschluss für den gewählten Beruf des Truppenoffiziers für besondere Verwendungen notwendige Kenntnisse oder praktische Fertigkeiten von einer hierfür anerkannt qualifizierten Ausbildungsinstitution oder Ausbildungsperson vermittelt worden sind bzw. werden und dass der Erwerb der Kenntnisse und Fertigkeiten den Kläger wöchentlich wenigstens 20 Zeitstunden beansprucht hat bzw. beansprucht. Auch ist nicht ersichtlich, dass bspw. neben Studium noch weitere Dienstpflichten verrichtet werden.
Allerdings hat das BSG bereits in seiner Entscheidung vom 29. November 1967 (Az. - 1 RA 217/66 -, in SozR Nr. 31 zu § 1267 RVO) entschieden, dass die dem Kläger als Offiziersanwärter auf der Grundlage des BBesG gewährten vollen Dienstbezüge es ausschließen, ihn als in Berufsausbildung befindlich anzusehen.
Indem der Gesetzgeber dem Soldaten auf Zeit Dienstbezüge gewährt, ihn also wie einen Beamten besoldet (§ 24 Abs. 1 SLV i. V. m. der Anlage I zum BBesG), bringt er zum Ausdruck, dass er davon ausgeht, dass der Offiziersanwärter überwiegend Dienst leistet und nicht ausgebildet wird. Der Offiziersanwärter hat den Status eines Soldaten auf Zeit gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 SG (in der bis zum 21. März 2012 geltenden Fassung) und damit dienstrechtlich gesehen seinen Beruf als Soldat (vgl. § 1 Abs. 1 SG) bereits erreicht, so dass seine Ausbildung sich im Rahmen eines bereits erreichten Berufes und zumindest während des Studiums unter weitgehender Freistellung von seinen soldatischen Dienstpflichten vollzieht. Mit Rücksicht hierauf kann die gesamte Dienstzeit des Klägers als Offiziersanwärter nicht als Berufsausbildung im Sinne des § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI angesehen werden.
Zwar sollte die Höhe des erzielten Einkommens der Halbwaise letztlich nur ein Indiz dafür sein, dass im Rahmen des Ausbildungsverhältnisses der Ausbildungszweck gegenüber der Verwertung der Arbeitskraft in den Hintergrund tritt, so dass die Ausbildung der Tätigkeit des Waisen nicht das Gepräge gibt und aus diesem Grunde keine Ausbildung i. S. d. § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) SGB VI vorliegt (so auch Gürtner in Kasseler Kommentar, a. a. O., Randnrn. 39 und 40). Auch ist es zutreffend, dass auch die Ausbildungsvergütungen in manchen klassischen Ausbildungsberufen weit oberhalb der Unterhaltsbedarfsbeträge für studierende Kinder bzw. volljährige Kinder nach der Düsseldorfer Tabelle liegen.
Demgegenüber besteht jedoch im Falle des Klägers, so wie generell bei Offiziersanwärtern, die Besonderheit, dass er nicht nur volle Dienstbezüge nach dem BBesG erhält, sondern dass er darüber hinaus den vollwertigen Status eines Soldaten hat. Er unterliegt sämtlichen Dienstpflichten eines Soldaten gemäß der §§ 6 ff. des SG – ist also quasi lediglich zur Ausbildung „freigestellt“ -, während etwa ein Auszubildender nicht den Pflichten eines regulären Beschäftigten unterliegt, sondern lediglich denen des § 13 Berufsbildungsgesetzes (BBiG).
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegen nicht vor.