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Entscheidung OVG 1 K 85.10


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 06.07.2012
Aktenzeichen OVG 1 K 85.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Erinnerungsführers werden der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Juli 2010 und der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 11. Februar 2010 geändert.

Die dem Erinnerungsführer von dem Erinnerungsgegner in dem Verfahren VG 8... zu erstattenden Kosten werden auf 208,25 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. Januar 2010 festgesetzt.

Der Erinnerungsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Gründe

Die Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung über die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 165, 151 VwGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts vom 11. Februar 2010 hat Erfolg.

Dem Erinnerungsführer steht - anders als das Verwaltungsgericht meint - für die Tätigkeit seines Verfahrensbevollmächtigten in dem Rechtsschutzverfahren VG 8..., das auf gerichtliche Entscheidung zur Fristsetzung (§ 62 Bundesdisziplinargesetz - BDG -) gerichtet gewesen ist, eine Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 6203 VV RVG zu. Diese Gebühr entsteht für die anwaltliche Tätigkeit im ersten Rechtszug des gerichtlichen Verfahrens in der Disziplinargerichtsbarkeit. Zu den gerichtlichen Verfahren in der Disziplinargerichtsbarkeit gehört auch das in § 62 BDG geregelte gerichtliche Fristsetzungsverfahren, wonach der Beamte bei Gericht die gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens beantragen kann, wenn ein behördliches Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten seit der Einleitung durch Einstellung, durch Erlass einer Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden ist; dass dieses „besondere“ Verfahren der Disziplinargerichtsbarkeit (s. die Bezeichnung in Teil 4, Kapitel 2, Abschnitt 2 BDG) von Nr. 6203 VV RVG ausgenommen wäre, ist dieser Gebührenbestimmung nicht zu entnehmen.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stellt das gerichtliche Fristsetzungsverfahren nach § 62 BDG auch kein Zwischenverfahren i.S.v. § 19 RVG dar mit der Folge, dass die Tätigkeit im Fristsetzungsverfahren - wie das Verwaltungsgericht freilich meint - von der (für die Tätigkeit im behördlichen Disziplinarverfahren entstehenden) Verfahrensgebühr nach Nr. 6202 VV RVG abgedeckt wäre. Dem Verwaltungsgericht ist zwar zuzugeben, dass das gerichtliche Fristsetzungsverfahren in einem engen Zusammenhang zu dem behördlichen Disziplinarverfahren steht und von dessen Verlauf abhängt. Gleichwohl spricht Überwiegendes dafür, es kostenrechtlich nicht als i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 RVG dem behördlichen Verfahren selbst zugehörig und insoweit auch nicht als (unselbständigen) Zwischenstreit i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG zu betrachten. In dem Fristsetzungsverfahren nach § 62 BDG geht es nämlich nicht um den Disziplinarvorwurf selbst, der Gegenstand des behördlichen Disziplinarverfahrens ist, sondern um die Frage eines zureichenden Grundes für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens. Das - beschwerdefähige - Fristsetzungsverfahren enthält damit einen eigenen Streitgegenstand, über den abschließend entschieden wird (vgl. nur Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Aufl. 2012, Rdn. 17), so dass auch die Befassung des Verfahrensbevollmächtigten hiermit einen besonderen Aufwand darstellt, der von der anwaltlichen Befassung mit dem Disziplinarvorwurf selbst nicht abgedeckt wäre. Auch hat der Gesetzgeber in § 77 Abs. 3 BDG ausdrücklich vorgesehen, dass das Gericht in den Fällen des § 62 BDG zugleich mit der Entscheidung über den Fristsetzungsantrag über die Kosten des Verfahrens zu befinden hat; eine solche (eigenständige) Kostenentscheidung wäre kaum erklärbar, wenn es sich bei dem Fristsetzungsverfahren lediglich um einen (unselbständigen) Zwischenstreit handelte, die Kosten des Zwischenverfahrens also in der im behördlichen Disziplinarverfahren zu treffenden Kostenentscheidung mit zu regeln wären (vgl. zum Zusammenhang von selbständiger Kostenentscheidung und Zwischenstreit: BVerwG, Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO, Beschlüsse vom 1. Februar 2011 – 20 F 17/10 -, Juris, Rdn. 6, und vom 16. Dezember 2010 – 20 F 15/10 -, Juris, Rdn. 11 sowie Leitsatz, dazu auch Anmerkung Kugele vom 28. Februar 2011, Juris). Der eigenständigen Kostenentscheidung im gerichtlichen Fristsetzungsverfahren entspricht es vielmehr, dass in diesem Verfahren das behördliche Disziplinarverfahren selbst – nämlich in Bezug auf die Einhaltung des in § 4 BDG geregelten Beschleunigungsgebots - zur Überprüfung steht, was ebenfalls gegen die Sichtweise spricht, dass das gerichtliche Fristsetzungsverfahren i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 RVG (noch) zu dem behördlichen Disziplinarverfahren gehören soll. In dieser Sonderheit unterscheidet es sich auch von den klassischen Zwischenstreiten i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG insoweit, als es dort typischerweise um prozessual zu klärende Vorfragen des eigentlichen Verfahrens wie etwa Fragen der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, der Aussetzung des Verfahrens oder der Zulässigkeit eines Beweismittels geht (s. auch OLG Köln, Beschluss vom 20. August 2007 – 5 W 129/06 -, Juris, Rdn. 3), nicht aber um eine (teilweise) Überprüfung der Rechtmäßigkeit des nämlichen Verfahrens selbst. All dies zusammengenommen spricht eher dafür, dass es auch in Bezug auf das gerichtliche Fristsetzungsverfahren nach § 62 BDG bei dem in § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG festgelegten Grundsatz zu verbleiben hat, wonach in gerichtlichen Verfahren der Rechtsanwalt die Gebühren in jedem Rechtszug fordern kann.

Dementsprechend war dem Kostenfestsetzungsantrag des Erinnerungsführers vom 11. Januar 2010 stattzugeben. Bedenken gegen die Kostenberechnung im Einzelnen hat weder der Erinnerungsgegner geltend gemacht noch sind solche sonst ersichtlich. Der Erstattungsanspruch errechnet sich danach aus der beantragten Verfahrensgebühr i.H.v. 155,- Euro zuzüglich Auslagenpauschale von 20.- Euro nebst MwSt. von 19 % aus 175,- Euro (33,25 Euro), was den zu erstattenden Betrag von 208,25 Euro ergibt; der ebenfalls ausgeworfene Zinsausspruch findet seine Grundlage in § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf § 66 Abs. 8 GKG festgestellt hat, dass Kosten nicht erstattet werden, ist dies zu korrigieren; für Erinnerungen (und Beschwerden) gegen gerichtliche Kostenfestsetzungsbeschlüsse greift nicht § 66 GKG, sondern § 165 VwGO i.V.m. entsprechender Anwendung des § 151 VwGO. Ein Ausschluss der Kostenerstattung ist danach nicht vorgesehen.

Einer Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht, weil für das Verfahren - wie Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz deutlich macht - eine Gebühr nicht anfällt.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).