I.
Für den betroffenen Jugendlichen besteht Amtsvormundschaft des Jugendamtes der Stadt … aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Cottbus vom 11.12.2009 (Az.: 51 F 203/08), nachdem zuvor bereits durch Beschluss vom 03.11.2008 des Amtsgerichts Cottbus das Jugendamt zum Ergänzungspfleger (u.a. für den Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmungsrecht) bestellt worden war. Den Kindeseltern ist die elterliche Sorge in vollem Umfang entzogen worden.
Der Jugendliche hielt sich zuletzt in einer Einrichtung in K…, im Bezirk des Amtsgerichts Bad Liebenwerda, auf und ist seit dem 09.11.2009 unbekannten Aufenthalts. Nach ihm wird polizeilich gesucht.
Mit Antrag vom 16.12.2009 hat der Vormund bei dem Amtsgericht – Familiengericht - Bad Liebenwerda Antrag auf Genehmigung zur Unterbringung des Jugendlichen gemäß § 1631b BGB gestellt.
Das Amtsgericht Bad Liebenwerda hat am 22.12.2009 einen Verfahrensbeistand bestellt und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beschlossen. Mit Verfügung vom 11.02.2010 hat das Amtsgericht Bad Liebenwerda den Antragsteller darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht Cottbus für die Entscheidung über den Antrag zuständig sei, eine Stellungnahmefrist von 10 Tagen eingeräumt und dies auch dem Verfahrensbeistand zur Kenntnis gegeben.
Mit Beschluss vom 25.02.2010 hat sich das Amtsgericht Bad Liebenwerda für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren „an das gem. § 167, 313 I Nr.1 FamFG zuständige Amtsgericht Cottbus“ verwiesen. Das Amtsgericht Cottbus – Familiengericht - hat mit Verfügung vom 17.03.2010, die dem Vormund zur Kenntnis gegeben wurde, die Akte an das Amtsgericht Bad Liebenwerda zurückgereicht mit der Begründung, die Verweisung sei greifbar gesetzeswidrig und daher nicht bindend. Die Zuständigkeit richte sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Jugendlichen.
Das Amtsgericht Bad Liebenwerda hat mit Beschluss vom 20.04.2010 nach Anhörung der Beteiligten und der Kindeseltern dem Brandenburgischen Oberlandesgericht die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 5 Nr. 4 FamFG durch das Brandenburgische Oberlandesgericht – Familiensenat – zu entscheiden, weil dieses das nächsthöhere gemeinsame Gericht ist und es sich um eine Familiensache handelt.
Die gerichtliche Genehmigung einer zivilrechtlichen Unterbringung eines Minderjährigen, der unter Amtsvormundschaft steht, ist nach Inkrafttreten des FamFG, das hier gemäß Art 111 FGG-RG Anwendung findet, nicht mehr wie nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht eine Angelegenheit, für die das Vormundschaftsgericht sachlich zuständig ist (vgl. nur: Palandt/Diederichsen, BGB, 68. A., § 1800 Rz.2; Senat, FamRZ 2004, 815; 2008, 616). Vielmehr handelt es sich um eine Kindschaftssache gemäß § 151 Nr. 6 FamFG und damit um eine Familiensache gemäß § 111 Nr. 2 FamFG, für die nach § 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG das Amtsgericht – Familiengericht – zuständig ist. Dies ist durch die ausdrückliche Benennung von § 1800 BGB in § 151 Nr. 6 FamFG eindeutig geregelt.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 Nr. 4 FamFG liegen vor. Beide Amtsgerichte – Familiengerichte – haben sich „rechtskräftig“ für unzuständig erklärt, das Amtsgericht Bad Liebenwerda durch nach § 3 Abs. 3 FamFG unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 25.02.2010 und das Amtsgericht Cottbus durch die seine Zuständigkeit verneinende Verfügung vom 17.03.2010. Letztere genügt den Anforderungen, die an das Merkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 5 Nr. 4 FamFG zu stellen sind, weil es insoweit allein darauf ankommt, dass eine den Beteiligten bekannt gemachte ausdrückliche Kompetenzleugnung vorliegt (zum insoweit gleichlautenden § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO: BGHZ 102, 338; BGH, NJW 2002, 3634; Brandenburgisches Oberlandesgericht, OLGR 2005, 2004; Zöller/ Vollkommer, 27. A., § 36 Rz. 25).
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts – Familiengerichts – Cottbus folgt schon aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 25.02.2010 (§ 3 Abs. 3 S. 2 FamFG).
Die Bindungswirkung entfällt (wie bei § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO) nur ausnahmsweise, namentlich bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder bei objektiver Willkür, die etwa auch dann gegeben sein kann, wenn die Verweisung offenbar gesetzeswidrig oder sonst grob rechtsfehlerhaft erfolgt ist (BGHZ 71, 69; BGH, NJW 2002, 3634; Zöller/Greger, a.a.O., § 281 Rz. 17).
Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör ist beachtet worden. Eines Verweisungsantrags bedurfte es (anders als bei § 281 ZPO) nicht (Schulte-Bundert/Weinreich/Schöpflin, FamFG, § 3 Rz. 4).
Objektive Willkür liegt ebenfalls nicht vor. Im Interesse an einer baldigen Klärung der Gerichtszuständigkeit und der Vermeidung von wechselseitigen Rück- bzw. Weiterverweisungen zwischen Gerichten sind an die Annahme einer objektiven Willkür im Allgemeinen strenge Anforderungen zu stellen. Der Gesetzgeber hat sich für die Bindungswirkung und Unanfechtbarkeit von – selbst fehlerhaften – Verweisungsbeschlüssen entschieden. Deshalb kann eine Ausnahme davon nur bejaht werden, wenn die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) eine Durchbrechung der Bindungswirkung erfordert. Einfache Rechtsfehler genügen nicht; umso weniger (noch) vertretbare Entscheidungen, auch in Abweichung von „herrschender Meinung“ (BGH, NJW-RR 1992, 902; NJW 2003, 3201; BayObLG, NJW 2003, 1196; OLG Naumburg, MDR 2010, 519; Zöller/Greger, a.a.O. § 281, 17).
Die Annahme der Zuständigkeit des Amtsgerichts Cottbus durch das Amtsgericht Bad Liebenwerda ist jedenfalls gut vertretbar. Da das FamFG erst seit Kurzem in Kraft ist, hat sich eine gefestigte Meinung zu den sich daraus ergebenden Rechtsfragen noch nicht bilden können. Für die Ansicht, die örtliche Zuständigkeit richte sich nach § 313 FamFG und nicht nach § 152 FamFG spricht zunächst der umfassende Wortlaut der Verweisung in § 167 Abs. 1 FamFG, der (alle) für die Unterbringungssachen Volljähriger nach § 312 Nr. 1 FamFG geltenden Vorschriften für anwendbar erklärt, mithin §§ 312 ff FamFG, wovon auch § 313 FamFG erfasst wird. Entsprechend wird in mehreren Kommentaren zum FamFG auf die Geltung von „§§ 312 ff FamFG“ in Kindschaftssachen hingewiesen (Schulte-Bunert/Weinreich/ Ziegler, a.a.O., § 167 Rz. 2; Horndasch/Viefhues, FamFG, § 167 Rz. 3). Teilweise findet sich der ausdrückliche Hinweis, dass bei Unterbringungsmaßnahmen betreffend minderjährige Kinder die Regelung der örtlichen Zuständigkeit aus § 313 Abs. 1 Nr. 1 FamFG folge (Schulte-Bunert/Dodegge, a.a.O., § 13 Rz. 4). Auch der Zweck der gesetzlichen Regelung in § 313 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, die im Rahmen der Ermittlungen zur Betreuerbestellung (übertragen auf Minderjährige: der Ermittlungen zur Bestellung eines Vormunds) gewonnenen Erkenntnisse sollten im Unterbringungsverfahren verwertet werden, spricht für die Heranziehung auch der Zuständigkeitsregelungen des § 313 FamFG bei der Unterbringung Minderjähriger.
Schließlich begegnet auch die Annahme, hier sei § 313 Abs. 1 Nr. 1 FamFG einschlägig, keinen durchgreifenden Bedenken. Als Verfahren auf Bestellung eines Betreuers ist im vorliegenden Fall sinngemäß das sorgerechtliche Verfahren zu verstehen, in dem das Jugendamt zunächst zum Ergänzungspfleger und sodann zum Vormund des Jugendlichen bestellt worden ist. Zwar könnte der Wortlaut von § 313 Abs. 1 Nr. 1 FamFG darauf hindeuten, dass aus einem bereits abgeschlossenen Verfahren keine Zuständigkeit mehr hergeleitet werden kann. Zweck der Vorschrift ist jedoch die Verwertung gewonnener Erkenntnisse, bereits ab Einleitung eines entsprechenden Verfahrens. Dies lässt den Schluss darauf, dass es auf den Abschluss des entsprechenden Verfahrens nicht ankommen soll, jedenfalls als nicht fern liegend erscheinen.
Es bleibt somit bei der durch das Amtsgericht Bad Liebenwerda ausgesprochenen Verweisung.