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Entscheidung 6 Sa 488/13


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 6. Kammer Entscheidungsdatum 10.05.2013
Aktenzeichen 6 Sa 488/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 63 Abs 8 S 3 Angleichungs-TV BE

Leitsatz

Bei der Berechnung eines gemäß § 63 Abs. 8 Satz 3 AngleichTV finanziell abzugeltenden Zeitguthabens ist der Stundensatz aus Monatseinkommen und durchschnittlicher monatlicher Arbeitszeit zugrunde zu legen. Auf die Berechnung des Entgelts für einzelne Tage eines Kalendermonats gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 TV-L kann nicht zurückgegriffen werden.

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14.02.2013 – 58 Ca 13823/12 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger stand bis zum 27.01.2011 in einem durch außerordentliche Kündigung des Beklagten beendeten Arbeitsverhältnis. Sein Arbeitszeitkonto wies zuletzt 654,22 Plusstunden auf.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger, soweit in der Berufungsinstanz noch von Interesse, Abgeltung dieser Plusstunden.

Das Arbeitsgericht Berlin hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 10.825,67 € brutto nebst Verzugszinsen seit dem 21.09.2012 zu zahlen, und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden und einem Monatsentgelt des Klägers ohne vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 2.760,61 € ergebe sich ein Satz von 16,547443 € je Arbeitsstunde, woraus sich für 654,22 Stunden der zugesprochene Betrag errechne.

Gegen dieses ihm am 07.03.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 14.03.2013 eingelegte und zugleich begründete Berufung des Beklagten. Er beruft sich darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Grundsatz, ein Arbeitszeitkonto sei spiegelbildlich zu seinem Aufbau abzubauen, nicht bestehe. Die Berechnung eines abzugeltenden Arbeitszeitguthabens richte sich nach den Grundsätzen des § 54 Abs. 3 TV-L, der ausdrücklich vom Kalendermonat als Bemessungsgrundlage für das Tabellenentgelt und die sonstigen Entgeltbestandteile spreche. Dadurch flössen aufgrund der Wochenenden mindestens acht Tage mehr in die Berechnung ein, woraus sich für den Kläger ein Abgeltungsbetrag von lediglich 7.602,75 € errechne.

Der Beklagte beantragt,

unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils die Klage in Höhe eines weiteren Betrags von 3.222,92 € brutto nebst Zinsen abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass bei einem Ausgleich seines Arbeitszeitkontos durch Freizeitgewährung Sonnabende und Sonntage nicht eingerechnet worden wären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist unbegründet.

1.1 Der Kläger hat Anspruch auf Abgeltung von 654,22 Plusstunden auf seinem Arbeitskonto in Höhe von 10.825,67 € brutto.

1.1.1 Aufgrund des beiderseitigen Vortrags war davon auszugehen, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers die für den Beklagten geltenden Tarifverträge kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung gefunden hatten.

1.1.2 Gemäß § 63 Abs. 8 Satz 3 Angleichungs-TV Land Berlin vom 14.10.2010 (AngleichTV) wird ein Zeitguthaben finanziell abgegolten, wenn ein vollständiger Ausgleich des Arbeitszeitkontos bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Inanspruchnahme von Freizeit nicht möglich ist.

1.1.2.1 Dass Aufbau und Abbau eines Arbeitszeitkontos jeweils eigenen Regeln folgen können (BAG, Urteil vom 17.03.2010 - 5 AZR 269/09 – AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 35 R 15), erlaubt entgegen der Ansicht des Beklagten nicht, die Abgeltung eines Zeitguthabens geringer festzulegen als einen Ausgleich durch Freizeitgewährung. Diese sind vielmehr mangels abweichender ausdrücklicher Regelung zur Realisierung des mit dem Guthaben ausgedrückten Entgeltanspruchs des Arbeitnehmers (dazu BAG, Urteil vom 10.11.2010 – 5 AZR 766/09 – BAGE 136, 152 = AP BGB § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3 R 16) gleich zu behandeln.

1.1.2.2 Während gemäß § 3 Buchst. A Abs. 3 UAbs. 9 Satz 6 des bis Ende 2009 geltenden Anwendungs-TV Land Berlin vom 31.07.2003 vorgesehen war, dass ein Zeitguthaben entsprechend den im Abgeltungszeitpunkt geltenden tarifvertraglichen Regelungen zur Urlaubsabgeltung finanziell abzugelten war, enthält der nunmehr einschlägige § 63 Abs. 8 Satz 3 AngleichTV keine Verweisung mehr auf die Regelungen zur Urlaubsabgeltung. Daraus kann jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht geschlossen werden, dass nunmehr die Regelungen des §§ 24 Abs. 3 Satz 1 TV-L zur Berechnung des Entgelts in der Weise heranzuziehen sind, dass die in Arbeitstage umgerechneten Plusstunden als Kalendertage in Ansatz gebracht werden. § 24 Abs. 3 Satz 1 TV-L stellt für die Berechnung eines Anspruchs auf Entgelt für nicht alle Tage eines Kalendermonats auf den jeweiligen Anspruchszeitraum des konkreten Monats ab und bezieht dabei pauschal auch die dabei auf Wochenenden fallenden Tage mit ein, was sich je nach Lage der geleisteten Arbeitstage zu Gunsten oder auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers auswirken kann. Übertrüge man diese pauschalierende Regelung auf die Abgeltung erarbeiteter Plusminuten, liefe dies für einen vollen Monat stets auf eine Kürzung des mit dem Arbeitszeitguthaben ausgedrückten Entgeltanspruch von mindestens (8 : 31=) 25,81 % hinaus.

1.1.2.3 Gegen eine solche unterschiedliche Behandlung von Arbeitszeitguthaben durch Freizeitgewährung und seine Abgeltung bestünden auch erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Gewährleistung des Eigentums und des Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Zwar sind die Tarifvertragsparteien nicht gemäß Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar grundrechtsgebunden, weil sie nicht Teil der Staatsgewalt sind. Jedoch verpflichtet die Schutzfunktion der Grundrechte die Rechtsprechung dazu, solchen Regelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen oder eine unangemessene Beschränkung eines grundrechtlichen Freiheitsrechts zur Folge haben (BAG, Urteil vom 27.05.2004 – 6 AZR 129/03 – BAGE 111, 8 = AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 5 zu B II 1 d und 2 c der Gründe). Wie bei der Anwendung von Gesetzen gilt für die Anwendung von Tarifverträgen zudem der Grundsatz, dass von zwei möglichen Auslegungen einer Norm, deren eine zu einem verfassungswidrigen, deren andere dagegen zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, die letztere zu wählen ist (BAG, Urteil vom 21.07.1993 – 4 AZR 468/92 – BAGE 73, 364 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 144 zu B II 1 a bb der Gründe).

1.1.2.4 Mangels einer eigenen Berechnungsregelung in § 63 Abs. 8 Satz 3 AngleichTV erschien es sachgerecht, mit dem Arbeitsgericht der Berechnung die durchschnittliche monatliche Arbeitszeit des Klägers für die Ermittlung des Stundensatzes zugrunde zu legen. Dabei hätte sogar eine Rundung auf zwei Stellen hinter dem Komma erfolgen können (vgl. BAG, Urteil vom 31.08.2005 – 5 AZR 545/04 – BAGE 115, 372 = AP ArbZG § 6 Nr. 8 zu II 2 c der Gründe).

1.2 Die Zinsforderung beruht auf §§ 288 Abs. 1 Satz 2, 291 Satz 1 Ts. 1 und Satz 2 BGB, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1, 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Auf einen Verzug des Beklagten kam es deshalb nicht an.

2. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt. Insbesondere kam der streitigen Rechtsfrage der Berechnung des Abgeltungsanspruchs des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil an ihrer Beantwortung keinerlei Zweifel bestehen und sie deshalb nicht höchstrichterlich klärungsbedürftig ist.