Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Heranziehung zu Fäkalwassergebühren

Heranziehung zu Fäkalwassergebühren


Metadaten

Gericht VG Cottbus 6. Kammer Entscheidungsdatum 05.12.2013
Aktenzeichen VG 6 K 410/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2011 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Zunächst zog der Beklagte den Kläger mit den drei Bescheiden vom 17. August 2007 (01.01.2007 bis 19.07.2007: 19,26 Euro), vom 15. August 2008 (01.01.2008 bis 17.07.2008: 19,26 Euro) und vom 19. April 2010 (01.01.2010 bis 22.03.2010: 20,34 Euro) wegen der Entsorgung von dreimal 2 cbm Schlamm aus der Kleinkläranlage des Klägers auf dessen Grundstück in A. zu Fäkalschlammgebühren in Höhe von insgesamt 58,86 Euro heran.

Mit Schreiben vom 15. Juni 2010 (30 GA) forderte der Beklagte den Kläger auf, Unterlagen zur derzeitigen Abwasserentsorgungseinrichtung auf dessen Grundstück sowie bei Betreibung einer Kleinkläranlage eine wasserrechtliche Erlaubnis vorzulegen. Da er diese nicht beibringen konnte, dichtete der Kläger seine Kleinkläranlage nach eigenem Bekunden ab. Mit Schreiben vom 12. Juli 2010 zeigte der Kläger dem Beklagten an, dass er über eine am 29. Juni 2010 auf Dichtheit geprüfte, abflusslose Sammelgrube verfüge.

Mit Bescheiden vom 4. Oktober 2010 bzw. vom 29. November 2010 hob der Beklagte die o.g. Fäkalschlammgebührenbescheide jeweils auf.

Der Beklagte zog den Kläger sodann mit Bescheid vom 24. Januar 2011 für dessen o.g. Grundstück sowie den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 28. Juni 2010 zu Fäkalwassergebühren in Höhe von insgesamt 4.070,50 Euro heran. Dabei entfielen jeweils unter Anwendung des modifizierten Frischwassermaßstabes für die Abfuhr von Fäkalwasser aus einer abflusslosen Sammelgrube 723,60 Euro auf den Zeitraum bis 30. September 2007, 1.199,30 Euro auf den nachfolgenden Zeitraum bis 30. September 2008, 1.072,00 Euro auf den darauf folgenden Zeitraum bis 30. September 2009, 348,40 Euro auf den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis 31. Dezember 2009 und 727,20 Euro auf den letzten Zeitraum. Bis 31. Dezember 2009 legte der Beklagte einen Gebührensatz von 6,70 Euro/cbm und danach von 7,20 Euro/cbm zugrunde.

Dagegen erhob der Kläger am 17. Februar 2011 Widerspruch und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Gebührenbescheid sei bereits formell rechtswidrig, da er dem Beklagten nicht zuzurechnen sei. Er sei nur dem äußeren Anschein nach vom Beklagten, in Wahrheit aber von der LWG Lausitzer Wasser GmbH & Co KG erlassen worden. In materieller Hinsicht sei er rechtswidrig, da für die Anwendung des modifizierten Frischwassermaßstabes bei der Entsorgung von Fäkalschlamm aus Kleinkläranlagen kein Raum sei. Es handele sich außerdem um eine unzulässige Doppelveranlagung, da dem Kläger auch keine Bescheide vorlägen, mit denen die ursprünglichen Fäkalschlammgebührenbescheide aufgehoben worden wären. Die Gebührensatzung sei überdies unwirksam.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2011, der der Klägerseite nicht förmlich zugestellt wurde, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er auf die Aufhebungsbescheide aus dem Jahr 2010 und im Wesentlichen auf die Argumentation des VG Potsdam im Urteil vom 3. September 2008 - 8 K 1195/06 - (veröffentlicht in juris).

Der Kläger hat am 16. Mai 2011 Klage erhoben und bezieht sich im Wesentlichen auf seine Argumentation im Widerspruch.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2011 aufzuheben und

die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint ergänzend im Wesentlichen, der streitgegenständliche Bescheid sei ihm zuzurechnen. Das genannte Urteil des VG Potsdam sei vorliegend anwendbar, da der Kläger im betreffenden Zeitraum über keine wasserrechtliche Erlaubnis zur Betreibung seiner Kleinkläranlage verfügt habe.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 22. Oktober 2013 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Fäkalwassergebührenbescheid des Beklagten vom 24. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der angefochtene Gebührenbescheid ist rechtswidrig, da der für die Erhebung von Benutzungsgebühren wegen der Entsorgung von Fäkalwasser aus abflusslosen Sammelgruben maßgebliche Gebührentatbestand des § 1 Abs. 2 lit. c) der rückwirkend zum 1. Oktober 2004 in Kraft getretenen Gebührensatzung zur Abwassersatzung des Abwasserzweckverbandes C. vom 15. Oktober 2009 (GS-AW 2009) - deren Gültigkeit einmal unterstellt -, im Erhebungszeitraum nicht erfüllt war und daher der modifizierte Frischwassermaßstab gem. § 2 Absätze 3 bis 6 GS-AW 2009 nicht zur Anwendung gelangt. Gemäß § 1 Abs. 2 lit. c) GS-AW 2009 werden Abwassergebühren erhoben für die Entleerung, Abfuhr und Behandlung von Schmutzwasser aus abflusslosen Sammelgruben in Wohn- und Gewerbegrundstücken sowie in Erholungs- und Wochenendgrundstücken und in Kleingärten bzw. Parzellen von Kleingartenanlagen nach dem Bundeskleingartengesetz.

Weder befand sich überhaupt auf dem Grundstück des Klägers im Erhebungszeitraum eine „abflusslose Sammelgrube“ (a.) noch entleerte, transportierte oder behandelte der Beklagte „Schmutzwasser“ (b.). Auch kommt eine (erweiternde) Auslegung der GS-AW 2009 in dem Sinne, dass für die Entsorgung nicht separierten Klärschlammes aus wasserrechtlich illegal betriebenen Kleinkläranlagen eine Fäkalwasserentsorgungsgebühr nach dem modifizierten Frischwassermaßstab erhoben werden könnte, nicht in Betracht (c.).

a. Nach § 2 Nr. 8 der Satzung über die Abwasserbeseitigung und den Anschluss an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung und ihre Benutzung im Gebiet des Abwasserzweckverbandes C. vom 30. April 2009 (AWS 2009), die zum 1. Oktober 2004 rückwirkend in Kraft treten sollte, sind „Sammelgruben“ Anlagen eines Grundstücks zum Sammeln von Abwässern. Diese müssen wasserdicht und ausreichend groß, abflusslos, korrosionsbeständig und ggf. auftriebssicher sein. Sie müssen eine dichte und sichere Abdeckung sowie Reinigungs- und Entleerungsöffnungen haben. Diese Öffnungen dürfen nur vom Freien aus zugänglich sein. Die Zuleitungen müssen geschlossen und dicht und - soweit erforderlich - zum Reinigen eingerichtet sein. Die Gruben müssen jederzeit zugänglich sein, leicht überwacht, gewartet, geleert und instand gehalten werden.

Diese Voraussetzungen erfüllte die - nach unbestrittenem und auch plausiblem Vortrag des Klägers - im Erhebungszeitraum auf seinem Grundstück vorhandene und betriebene (ungenehmigte) Kleinkläranlage auf seinem Grundstück nicht. Insbesondere war sie weder zum bloßen Sammeln von Abwasser bestimmt noch wasserdicht bzw. abflusslos.

b. Die Satzungen des Beklagten differenzieren - wie auch § 66 Abs. 1 Satz 2 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) - jeweils zwischen „Schmutzwasser“ und „nicht separiertem Klärschlamm“. Nach der Definition in § 2 Nr. 1 AWS 2009 ist „Schmutzwasser“ das „durch Gebrauch in seiner Eigenschaft veränderte und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende und gesammelte Wasser“, wie es etwa in abflusslosen Sammelgruben gesammelt wird (vgl. § 2 Nr. 2, 3. Var. AWS 2009), während in § 2 Nr. 2, 2. Var. AWS 2009 davon der in Kleinkläranlagen anfallende nicht separierte Klärschlamm unterschieden wird. Nicht separierter Klärschlamm im Sinne des § 66 Abs. 1 BbgWG ist das in der mechanischen Vorbehandlungsstufe der Kleinkläranlage mit dem Abwasser und Feststoffen vorliegende Gemisch, das im Sinne der Nr. 1020 der DIN EN 1085 vom Abwasser abtrennbar ist (vgl. Erlass W/09/05 des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz vom 7. Februar 2005, S. 2, veröffentlicht unter: http://www.mugv.brandenburg.de/media_fast/4055/rl_kka.pdf). Es handelt sich dabei mithin um unbehandelten Fäkalschlamm (Roh-, Primär- bzw. gemischter Primärschlamm), der einer weiteren abwassertechnischen Behandlung zuzuführen ist.

Vorliegend entsorgte der Beklagte im Erhebungszeitraum „nicht separierten Klärschlamm“ im o.g. Sinne. Dies wird auch vom Beklagten nicht bestritten.

c. Auch kommt eine (erweiternde) Auslegung der GS-AW 2009 in dem Sinne, dass für die Entsorgung nicht separierten Klärschlammes aus wasserrechtlich illegal betriebenen Kleinkläranlagen eine Fäkalwasserentsorgungsgebühr nach dem modifizierten Frischwassermaßstab erhoben werden könnte, nicht in Betracht.

Die GS-AW 2009 differenziert (ebenso wie die AWS 2009) nämlich nicht zwischen Kleinkläranlagen, für die eine wasserrechtliche Erlaubnis vorliegt, und solchen, für die eine solche Erlaubnis fehlt. Es verbietet sich aber, ohne diesbezügliche satzungsmäßige Vorgaben illegal betriebene Kleinkläranlagen wie abflusslose Sammelgruben zu behandeln, da der Satzungsgeber aufgrund des Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit gehalten ist, in der Gebührensatzung eindeutig zu regeln, dass dieser Maßstab auch bei wasserrechtlich illegal betriebenen Kleinkläranlagen gilt. Eine solche Handhabung darf auch nicht der Verwaltung anheimgestellt sein (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: Kluge in Becker u.a., KAG Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: März 2013, § 6 Rz. 656).

Die einheitliche Behandlung der Schlammabfuhr in der GS-AW 2009 ist gebührenrechtlich auch sachgerecht, da die jeweilige durch die Gebühr abzugeltende Entsorgungsleistung des Beklagten gleich ist bzw. ihrem Umfang nach nicht vom Vorliegen einer wasserrechtlichen Erlaubnis abhängt. Sie unterscheidet sich hingegen deutlich von den Leistungen im Bereich der Entsorgung von Fäkalwasser aus abflusslosen Gruben. Nur in jenem Bereich der dezentralen Entsorgung ist der modifizierte Frischwassermaßstabes grundsätzlich ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab, da dieser seine Rechtfertigung aus der Annahme bezieht, dass damit zu rechnen ist, dass die Menge des der öffentlichen Entwässerungsanlage zugeführten Schmutzwassers etwa der Menge des bezogenen Frischwassers entspricht (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28. März 1995 - 8 N 3/93 -, juris Rz. 16). Diese Prämisse ist aber im Bereich der Fäkalschlammabfuhr gerade nicht erfüllt, und zwar unabhängig davon, ob der zu entsorgende Schlamm legal oder illegal entstanden ist. Der modifizierte Frischwassermaßstab ist für die Entsorgung von Fäkalschlamm aus Kleinkläranlagen kein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Gebührenerhebung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 KAG (ständige Rechtsprechung der Kammer; vgl. nur Urteil vom 14. Juni 2007 - 6 K 1420/03 -, juris Rz. 109 ff.). Das KAG verhält sich zu einer Berücksichtigung von Steuerungszwecken, wie sie der Beklagte hier verfolgt hat, neutral. Derartige Motive können Durchbrechungen oder Einschränkungen der sich aus den gesetzlichen Vorschriften des KAG ergebenden Grundsätze für die Erhebung von Benutzungsgebühren nicht rechtfertigen, so dass solche Zwecke grundsätzlich nur verfolgbar sind, soweit sie mit den gesetzlichen Bestimmungen in Einklang gebracht werden können (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 22. Januar 2003 - 2 A 581/00 -, juris Rz. 38), was vorliegend nicht der Fall ist.

Auch eine Umdeutung des Bescheides in einen Fäkalschlammentsorgungsgebührenbescheid unter Anwendung des Maßstabes der abgefahrenen Menge kommt in Anbetracht des eindeutigen Willens des Beklagten, den Kläger zu Fäkalwasserentsorgungsgebühren bei Anwendung des modifizierten Frischwassermaßstabes heranzuziehen, nicht in Betracht. Der Bescheid ist daher insgesamt aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.