Gericht | OLG Brandenburg 12. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 08.05.2012 | |
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Aktenzeichen | 12 W 43/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 28.07.2010, Az.: 3 O 188/10, wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Der Antragsteller beantragt Prozesskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Klage, mit der gegenüber dem Antragsgegner Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangt werden soll.
Der Antragsteller erlitt am 25.07.2005 einen Motorradunfall, in dessen Folge er sich eine Fraktur des Kahnbeins am rechten Handgelenk zuzog. Der Antragsteller wurde vom Antragsgegner in der Zeit vom 26.07.2005 bis 17.01.2006 behandelt.
Im Rahmen der Erstversorgung in den … Kliniken erhielt der Antragsteller am 25.07.2005 einen gespaltenen Kahnbeingips. Nachdem sich am 12.09.2005 noch keine Callusbildung zeigte, wurde der Antragsteller am 05.10.2005 in der A… Klinik B… operiert, es erfolgte eine offene Reposition und Osteosynthese mittels Herbertschraube. Im Entlassungsbrief der Klinik vom 10.10.2005 an den Antragsgegner wurde als Weiterbehandlung vorgeschlagen: „Vier Wochen Gipslonguette mit Umstellen auf zirkulären Gips mit Daumeneinschluss nach Abschwellen und Entfernung des Nahtmaterials nach 10 Tagen. Anschließend sukzessiver Belastungsaufbau mit Krankengymnastik sowie eine Röntgenverlaufskontrolle in vier Wochen.“ Der Antragsgegner legte dem Antragsteller am 20.10.2005 einen zirkulären Gips mit Daumeneinschluss an, der erst am 03.01.2006 wieder abgenommen wurde. Am 23.01.2006 wurde durch Dr. H… vom MDK … ein Morbus Sudeck II. - III. Grades diagnostiziert.
Der Antragsteller macht geltend, der Antragsgegner habe am 28.11.2005 anlässlich einer Röntgenkontrolle festgestellt, dass der „Spalt noch sichtbar“ sei, weiteres habe er nicht veranlasst, insbesondere habe er ihn den Gips ohne Kontrolle weitere fünf Wochen tragen lassen. Durch die ungewöhnlich lange postoperative Ruhigstellung ohne weitere begleitende Diagnostik sei es zur Erkrankung gekommen. Aus dem durch die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen eingeholten Gutachten des Sachverständigen W… vom 07.07.2009 würde sich im Übrigen ergeben, dass zu diesem Zeitpunkt alternativ eine erneute Operation mit einer Knochenspanplastik möglich gewesen wäre. Ferner habe der Sachverständige ausgeführt, dass die Tendenz bei Operationen zur frühfunktionellen Therapie, möglichst mit einem Verzicht auf eine Ruhigstellung in Gips gehe. Der Antragsgegner habe sich für die konservative Therapie entschieden, ohne ihn an dieser Entscheidung zu beteiligen. Der Antragsgegner hätte ihn über die unterschiedlichen Behandlungsmethoden einschließlich etwaiger Risiken der beiden möglichen Behandlungsformen und die Gefahr der Ausbildung einer Sudeckschen Erkrankung bzw. dessen möglicher Vermeidbarkeit aufklären und ihm die Entscheidung überlassen müssen, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen solle,
Dem Antragsgegner sei auch ein Diagnosefehler vorzuwerfen, nachdem er bei der am 03.01.2006 vorgenommenen Röntgenkontrolle den Morbus Sudeck nicht diagnostiziert habe. Auf dem Röntgenbild vom 03.01.2006 sei bereits eine fortgeschrittene hochgradige grobwabige, fleckige Osteoporose als Zeichen eines fortgeschrittenen Morbus Sudeck erkennbar gewesen. Bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung hätten die nunmehr schweren, nicht mehr rückgängig zu machenden Folgen vermieden werden können und gute Heilungschancen bestanden.
Der Antragsteller behauptet, seine rechte Hand sei nur noch als Beihand einsetzbar. Er verlangt vom Antragsgegner Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25.000,00 €, Verdienstausfallschäden in Höhe von 25.664,66 €, Fahrtkosten in Höhe von 2.056,40 € sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht für zukünftige Schäden. Für die insoweit beabsichtigte Klage hat der Antragsteller Prozesskostenhilfe beantragt.
Mit Beschluss vom 28.07.2010, dem Antragsteller am 09.08.2010 zugestellt, hat das Landgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach den Ausführungen des durch die Schlichtungsstelle beauftragten Sachverständigen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Ruhigstellung nach der Operation ursächlich für die Entstehung des Morbus Sudeck war. Dem Antragsgegner könne auch nicht vorgeworfen werden, er habe den Morbus Sudeck am 03.01.2006 nicht erkannt, da zu diesem Zeitpunkt andere typische Symptome fehlten und für bestimmte Krankheitszeichen plausible andere Erklärungen bestanden. Überdies habe der Sachverständige ausgeführt, dass auch im Fall, dass der Morbus Sudeck am 03.01.2006 erkannt worden wäre, der Gesundheitszustand nicht nachweislich hätte verbessert werden können. Soweit der Sachverständige die Frage nicht mit der ausreichenden Sicherheit beantworten könne, gehe dies zulasten des Antragstellers, der die Beweislast trage. Der Antragsteller könne sich auch nicht auf eine unterlassene Aufklärung über eine echte Behandlungsalternative berufen, da die Wahl der Behandlungsmethode Sache des Arztes sei. Eine echte Wahlmöglichkeit habe nicht vorgelegen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 06.09.2010, bei Gericht am 07.09.2010 eingegangen. Zur Begründung führt der Antragsteller aus, der Antragsgegner müsse den Nachweis erbringen, dass durch eine andere Behandlungsmethode die Bildung des Morbus Sudeck nicht vermieden worden wäre. Die Frage, ob die Operation mit Knochenspanplastik zu einem besseren Ergebnis geführt hätte, würde einen hypothetischen Kausalverlauf im Falle des rechtmäßigen Alternativverhaltens betreffen, für den der Arzt beweispflichtig sei. Der Sachverständige W… habe sich nicht dazu geäußert, dass die Operation mit einer Knochenspanplastik als Alternative ungeeignet gewesen wäre, die Ausbildung eines Morbus Sudeck zu verhindern. Das Gutachten sei insoweit unvollständig. Die Ausführungen des Sachverständigen W… zu der Frage, ob der Antragsgegner das Vorliegen eines Morbus Sudeck in der Zeit vom 03.01. bis 17.01.2006 hätte erkennen müssen, seien nicht überzeugend, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sechs Tage nach Ende der Behandlung die Diagnose eines Morbus Sudeck erfolgt sei. Der Sachverständige habe sich im Übrigen lediglich mangelhaft mit der Problematik der Vermeidbarkeit des Morbus Sudeck bei früherer Diagnose auseinandergesetzt. Das Gutachten sei daher unvollständig. Die Einholung eines weiteren Gutachtens sei indiziert.
Mit Beschluss vom 29.12.2010 hat das Landgericht zu der Behauptung des Antragstellers, am 28.11.2005 habe aufgrund des Nichteintritts der eigentlich zu erwartenden Durchbauzeichen der Fraktur eine erneute Operation mit Knochenspanplastik als alternative Behandlungsmöglichkeit bestanden, diese sei gleichfalls medizinisch indiziert gewesen, habe aber wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen geboten, ein Sachverständigengutachten des Oberarztes Dr. He… vom J… Krankenhaus … eingeholt. Zum Ergebnis wird auf das schriftliche Gutachten vom 12.07.2011 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 20.09.2011 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde des Antragstellers nicht abgeholfen und dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 u. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Erfolgsaussichten der durch den Antragsteller beabsichtigten Klage verneint (§ 114 ZPO).
An die Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht einer Klage sind zwar keine überspannten Anforderungen zu stellen (BVerfG NJW 1991, 413; BVerfG FamRZ 1993, 664). Sie sind schon dann erfüllt, wenn der vom Antragsteller vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH VersR 1987, 1186; NJW 1988, 266). Bei der dahingehenden Prüfung ist, wenn auch nur in eng begrenztem Rahmen, eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig (BGH VersR 1960, 62; NJW 1994, 1160). Hält das Gericht aufgrund dieser Prüfung die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen für sehr unwahrscheinlich, so darf es Prozesskostenhilfe selbst dann verweigern, wenn es einem von der Partei gestellten Beweisantrag stattgeben muss. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht mit denen für eine Beweiserhebung identisch. Beide Entscheidungen sind voneinander unabhängig zu treffen, wobei der Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht enger verstanden werden kann als das Gebot zur Beweiserhebung (BVerfG NVWZ 1987, 786). Diese unterschiedliche Regelung trägt zum einen dem Umstand Rechnung, dass die Staatskasse nicht mit Kosten belastet werden soll, die mit großer Wahrscheinlichkeit unnötig sind. Zum anderen liegt sie auch im Interesse der Partei, die i.S.v. § 114 ZPO nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Denn sie muss - auch im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe - im Falle des für sie negativen Ausgangs des Rechtsstreits die außergerichtlichen Kosten des Prozessgegners erstatten. Ein im Schlichtungsverfahren eingeholtes Gutachten kann im Arzthaftungsprozess grundsätzlich im Wege des Urkundenbeweises gewürdigt werden (BGH NJW 1987, 2300) und demgemäß zur Verneinung der Erfolgssaussicht im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren führen. Ob die Berücksichtigung des Gutachtens aus einem vorangegangenen Schlichtungsverfahren eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ermöglicht, ist eine Frage des Einzelfalls. Ausschlaggebend sind Schlüssigkeit und Überzeugungskraft des Gutachtens sowie das konkrete Vorbringen der Partei, die sich gegen die Verwertung des Gutachtens wendet und weitere Beweiserhebungen beantragt (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.01.1998, 5 W 9/98; OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.02.2010, 22 W 5/10; OLG Köln VersR 1990, 311).
Danach war vorliegend Prozesskostenhilfe zu versagen. Nach dem sorgfältig begründeten und inhaltlich überzeugenden Gutachten des Sachverständigen W… vom 07.07.2009 bestehen keine Anhaltspunkte für Diagnosefehler, sonstige Behandlungsfehler oder eine fehlerhafte Aufklärung durch den Antragsgegner.
Die Verletzung von Aufklärungspflichten ist nicht ersichtlich. Richtig ist zwar, dass der Arzt dem Patienten Kenntnis von Behandlungsalternativen verschaffen muss, wenn es sich um gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen handelt, die eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen. Wählt der Arzt eine medizinisch indizierte standardgemäße Behandlungsmethode, bedarf es der Aufklärung über eine anderweitige, gleichfalls medizinisch indizierte, übliche Methode dann nicht, wenn die gewählte standardgemäße Therapie hinsichtlich ihrer Heilungsaussichten einerseits und ihrer Belastungen und Risiken für den Patienten andererseits der Behandlungsalternative gleichwertig oder vorzuziehen ist. Eine Aufklärung kann nur dann erforderlich werden, wenn die Behandlungsalternative zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Teil C. Rn. 22 f.).
Bereits aus den Feststellungen des Sachverständigen W… ergibt sich, dass am 28.11.2005 ein Abwarten der Konsolidierung des Bruches einer erneuten Operation vorzuziehen war. Eine Aufklärung über die Möglichkeit einer Operation mittels Knochenspanplastik war daher nicht erforderlich. Auch nach einer Operation mit Knochenspanverfahren hätte postoperativ eine Ruhigstellung im Kahnbeingips von 12 Wochen erfolgen müssen. Im Vergleich zu dem weiteren Abwarten mit der Hoffnung auf Durchbauung der Fraktur - wie durch den Antragsgegner gewählt - hätte sich neben dem üblichen Operationsrisiko somit auch das Erfordernis einer weiteren langwierigen Ruhigstellung der Fraktur mit den sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen durch eine Knochenentkalkung ergeben. Dagegen führte die Entscheidung des Antragsgegners nach weiteren fünf Wochen zu einer vollständigen Durchbauung der Fraktur. Dieses Ergebnis wäre bei einer erneuten Operation am 28.11.2005 in jedem Fall nicht zu erzielen gewesen. Eine Operation per 28.11.2005 wäre daher mit deutlich höheren Risiken verbunden gewesen und hätte zu einer noch längeren Ruhigstellung der Fraktur geführt, ohne gleichzeitig eine Heilung zu garantieren. Nach den Feststellungen des Sachverständigen muss bei einer Kahnbeinfraktur grundsätzlich mit einem Ausbleiben der Knochenbruchheilung gerechnet werden. Im Vergleich zu dem weiteren Abwarten, das letztlich auch zur Durchbauung der Fraktur geführt hat, stellte die Operation mit Knochenspanverfahren zum fraglichen Zeitpunkt daher keine aufklärungsbedürftige Behandlungsalternative dar.
Im Übrigen lässt sich - eine Aufklärungspflichtverletzung unterstellt - die Kausalität zwischen der Behandlung des Antragsgegners und dem Entstehen des Morbus Sudeck nicht feststellen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt die Beweislast bei der Frage, ob der Morbus Sudeck durch die Wahl einer Operation mit Knochenspanverfahren vermieden worden wäre, bei ihm selbst. Er hat zu beweisen, dass der Morbus Sudeck aufgrund eines fehlerhaften Verhaltens bzw. rechtswidrigen Eingriff des Antragsgegners entstanden ist. Erst für den Einwand, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, würde der Antragsgegner die Beweislast tragen. Darum geht es jedoch vorliegend nicht. Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen, die der Antragsteller auch nicht angreift, lässt sich schon nicht feststellen, dass der Morbus Sudeck auf eine Behandlung durch den Antragsgegner zurückzuführen ist. Bei einem Morbus Sudeck handele es sich um eine Krankheit, deren Ursache bis heute noch nicht eindeutig geklärt sei und nach Verletzungen, z. B. Frakturen, Verstauchungen oder Prellungen auftreten kann aber auch nach operativen Eingriffen und auch nach Bagatelltraumen, teilweise geringfügigen Weichteilverletzungen oder auch ohne jede erkennbare Ursache. Nach den Feststellungen des Sachverständigen war die am 05.10.2005 bestehende präoperative Ausgangslage bereits geeignet, die Entstehung eines Morbus Sudeck hervorzurufen. Die Operation vom 05.10.2005 als zusätzliches Gewebetrauma und die nachfolgende Ruhigstellung stellten weitere unvorteilhafte aber nicht vermeidbare Faktoren als mögliche Ursache des entstandenen Morbus Sudeck dar.
Auch im Übrigen lässt sich ein Behandlungsfehler nicht feststellen, da - wie der Sachverständige festgestellt hat - die Entscheidung des Antragsgegners, den Gips entgegen dem vorgeschlagenen Prozedere der A… Klinik weitere fünf Wochen zu belassen im Hinblick auf die schlechte Heilungstendenz von Kahnbeinbrüchen vertretbar war und im Übrigen auch zum Erfolg führte. Bei einem verzögerten Durchbau der Fraktur kann eine lange Ruhigstellungszeit in einzelnen Fällen noch zur Konsolidierung des Bruches führen. Das Zuwarten in der Hoffung auf eine noch eintretende knöcherne Konsolidierung sei statthaft gewesen. Zwar bestehe die Tendenz zu kürzeren Ruhigstellungszeiten und früherer Mobilisierung, gleichwohl sei die gewählte Verfahrensweise mit einer längeren Immobilisation nicht abzulehnen oder fehlerhaft.
Schließlich stellt es auch keinen Diagnosefehler dar, dass der Antragsgegner den Morbus Sudeck in der Zeit zwischen dem 03.01. bis 17.01.2006 nicht erkannt hat. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt: Typische Symptome der Erkrankung seien Schmerzen in den Gliedmaßen, die ödematöse Schwellung der Extremität, einhergehend mit Gelenkeinsteifungen und einer Knochenarthrophie des Gliedmaßenskelettes, Muskel-, Haut- und Haarwachstumsveränderungen. Teilweise bereite es erhebliche Schwierigkeiten, die Diagnose Morbus Sudeck zu stellen, da sich nicht immer das Vollbild der Symptomatik darstelle und einzelne Symptome nicht zwangsläufig auf einen Morbus Sudeck schließen lassen würden. Eine sichere Methode der Früherkennung gebe es nicht. Nach der beim Antragsteller insgesamt zu verzeichnenden Zeit der Immobilisation von 22 Wochen komme es zu einer Demineralisierung des Knochens. Diese Kalksalzminderung könne auch ohne das Vorliegen eines Morbus Sudeck die gleichen Ausmaße annehmen wie auf der Röntgenaufnahme des Antragstellers vom 03.01.2006 zu erkennen sei. Es könne dem Antragsgegner nicht vorgeworfen werden, auf Basis der Röntgenaufnahme den Morbus Sudeck nicht erkannt zu haben, da zu diesem Zeitpunkt andere typische Symptome noch fehlten. In der Zeit zwischen dem 28.11.2005 und dem 03.10.2006 seien keine Befunde dokumentiert, die auf die klinische Manifestation eines Morbus Sudeck schließen lassen würden. Dies gilt auch für die am 17.01.2006 dokumentierten Beschwerden: „schlechte Beweglichkeit, Muskelarthrophie, leichtes Ödem“. Nachvollziehbar hat der Sachverständige ausgeführt, dass das Vorliegen dieser Symptome noch nicht die Diagnose eines Morbus Sudeck rechtfertige. Die Symptome seien ebenso adäquate physiologische Folge der langen Immobilisationsdauer. Zu Recht weist der Sachverständige darauf hin, dass sich eine Expost-Betrachtung verbietet, sondern die Frage einer möglichen Diagnose aus der damaligen Sicht gestellt werden muss.
Selbst wenn der Antragsgegner bereits am 03.01.2006 einen Morbus Sudeck hätte diagnostizieren müssen, kann im Übrigen nicht festgestellt werden, dass der Gesundheitszustand des Antragstellers nachweislich verbessert worden wäre bzw. dass die schweren Folgen bei einer früheren Diagnose hätten vermieden werden können. Aufgrund der durch den Sachverständigen geschilderten Unsicherheiten bei der Frage der Entstehung und Entwicklung eines Morbus Sudeck und auch im Hinblick auf den kurzen Zeitraum bis zur nachfolgenden Diagnose am 23.01.2006 sind die Feststellungen des Sachverständigen nachvollziehbar.
Der Antragsteller kann schließlich auch nicht damit gehört werden, dass „offensichtlich“ keiner der Sachverständigen im Besitz der Röntgenaufnahme vom 28.11.2005 gewesen wäre, weil diese sich „wohl“ ausschließlich beim Antragsgegner befände (Schriftsatz vom 19.10.2011). Diese pauschale Behauptung ist im Hinblick darauf, dass der Antragsteller mit Schriftsatz vom 10.03.2011 mitgeteilt hat, dass das bildgebende Material vollständig in seinem Besitz sei, widersprüchlich und damit unbeachtlich. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, welchem Ziel der Einwand des Antragstellers dienen soll. Der Antragsteller hat dem Antragsgegner im Zusammenhang mit der Auswertung des Röntgenbildes vom 28.11.2005 keinen Diagnosefehler vorgeworfen.
Da es aus Sicht des Senats auf das mit Beschluss vom 29.12.2010 eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. He… nicht ankam, kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage an, ob und unter welchen Voraussetzungen (§ 118 Abs. 2 S. 3 ZPO) die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfolgen darf.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Inanspruchnahme des Antragstellers für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens bereits aus Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG ergibt, das erstinstanzliche Verfahren gerichtsgebührenfrei ist und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden, §§ 118 Abs. 1 S. 4, 127 Abs. 4 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1, 2 ZPO bestehen nicht. Es handelt sich um eine Entscheidung, die unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles ergeht und die deshalb nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und die auch im Übrigen zu grundsätzlichen Rechtsfragen nicht von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht.