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Gewerbesteuermessbetrag 2009 bis 2011


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 8. Senat Entscheidungsdatum 12.02.2019
Aktenzeichen 8 K 8030/15 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2019:0212.8K8030.15.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2009 bis 2011 vom 22. Oktober 2014 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2015 werden aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Reichweite der Gewerbesteuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchstabe d Gewerbesteuergesetz -GewStG-.

Die Klägerin wurde im Jahr 2001 gegründet. Eingetragener Gegenstand der Klägerin ist die Erbringung von Pflegeleistungen gegenüber kranken Personen entsprechend der Leistungskataloge der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Durch Notarurkunde vom 12. Januar 2009 erwarb Frau B… sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin von Frau C…. Mit Wirkung vom 01. Februar 2009 übernahm Frau B… zudem die Geschäftsführung der Klägerin.

Zur Finanzierung der Übernahme der Anteile an der Klägerin nahm die Klägerin selbst ein Darlehen bei der D… Bank über 250.000 € auf (Darlehensvertrag vom 10. Dezember 2010). Das Darlehen war mit 7,4 % jährlich zu verzinsen. Zudem wurde ein einmaliges Bearbeitungsentgelt in Höhe von 5.000 € vereinbart. Die Klägerin vereinbarte mit Frau B… eine entsprechende Darlehensgewährung zu ebenfalls 7,4 % Zinsen an Frau B…. Frau B… stellte zur Sicherheit u.a. eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 300.000 € und trat Ansprüche aus einer Risikolebensversicherung auf ihren Todesfall an die D… Bank ab. Das Darlehen wurde im Jahr 2011 ausgezahlt und Frau B… bezahlte damit (anteilig) den Kaufpreis für die Anteile an der Klägerin an Frau C…. Die Klägerin zahlte im Jahr 2011 Zinsen in Höhe von 17.620 €, die sie als Betriebsausgaben in Abzug brachte. Die Klägerin gewährte Frau B… zudem ein weiteres Darlehen aus eigenem Vermögen, dass in Höhe von 4 % jährlich verzinst werden sollte.

Die Klägerin aktivierte Forderungen gegenüber Frau B… wie folgt:

        

 Forderungskonto

 Darlehenskonto

 Summe Zinsen

Stand 1.1.2009

 - €   

                

Valutierung

 127.187,87 €

                

Zinsen

 2.295,88 €

        

2.295,88 €

Stand 31.12.2009

 129.483,75 €

                

Valutierung

 57.101,08 €

                

Zinsen

 6.530,79 €

        

6.530,79 €

Stand 31.12.2010

 193.115,62 €

                

Valutierung

 - €   

 244.000,00 €

        

Zinsen

 7.724,62 €

 7.608,45 €

15.333,07 €

Stand 31.12.2011

 200.840,24 €

 251.608,45 €

        

Im Jahr 2011 erzielte die Klägerin zudem Zinserträge aus Bankguthaben in Höhe von 392,16 €. Sie erfasste gewinnmindernde Zinsaufwendungen wie folgt:

        

 2009 

 2010 

 2011 

Zinsen D… Bank

                

 17.620,00 €

Zinsen Darlehen Pflegesoftware

 1.290,64 €

 1.290,64 €

 908,23 €

Zinsen kurzfristige Verbindl.

 256,83 €

 1.375,66 €

 2.166,92 €

Auflösung abgegrenzte Bearb.Geb.

                

 714,00 €

Summe 

 1.547,47 €

 2.666,30 €

 21.409,15 €

Die Klägerin erhielt zudem Provisionen von der Fa. E… GmbH (50 € im Jahr 2010) sowie von dem F… e.V. (100 € im Jahr 2011).

Nachdem die Klägerin zunächst erklärungsgemäß veranlagt wurde, führte das vormals zuständige Finanzamt G… bei der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2011 durch. Diese kam zu folgenden tatsächlichen Feststellungen, die mittlerweile zwischen den Beteiligten unstreitig sind; strittig sind nur die rechtlichen Folgen. Auf dem Forderungskonto waren weitere Zahlungen zu erfassen. Demzufolge erhöhten sich auch die Zinserträge für 2009 auf 2.362,58 €, für 2010 auf 6.626,79 € und für 2011 auf 7.810,33 €. Ferner errechnete die Außenprüfung, dass auf dem Darlehenskonto nur eine Verzinsung von 4 % statt wie vereinbart von 7,4 % verbucht worden sei. Demzufolge erhöhte sich der erfasste Zins von 7.608,45 € auf 14.075,60 €. Die nicht weiterbelastete Bearbeitungsgebühr, die sich in Höhe von 714 € gewinnmindern ausgewirkt hatte, wurde zudem als verdeckte Gewinnausschüttung dem Einkommen hinzugerechnet.

Die Außenprüfung nahm deshalb eine partielle Gewerbesteuerpflicht in Höhe der erzielten Zins- und Provisionserträge an. Die Gewerbeerträge ermittelte sie wie folgt:

        

 2009 

 2010 

 2011 

Zinserträge

 2.362,00 €

 6.626,00 €

 21.886,00 €

Provisionen

        

 50,00 €

 100,00 €

verdeckte Gewinnausschüttung

                

 714,00 €

Zinsaufwand

                

./. 17.620,00 €

Disagioaufwand

                

./. 714,00 €

Gewerbeertrag

 2.362,00 €

 6.676,00 €

 4.366,00 €

Das Finanzamt G… folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ am 22. Oktober 2014 Gewerbesteuermessbescheide nach Maßgabe dieser Gewerbeerträge (Messbetrag 2009: 80 €, Messbetrag 2010: 231 € und Messbetrag 2011: 150 €).

Die fristgerecht eingelegten Einsprüche wies das Finanzamt G… mit Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2015 als unbegründet zurück. Von der Gewerbesteuer seien gem. § 3 Nr. 20 Buchstabe d GewStG nur bestimmte Einrichtungen mit bestimmten Erträgen befreit. Eine persönliche Steuerbefreiung sei nicht gegeben. Nicht befreit seien deshalb Gewinne, die die Klägerin mit anderen Tätigkeiten erziele. Dem Sinn und Zweck der Norm entsprechend seien nur die Einnahmen und Ausgaben steuerfrei, die mit Leistungen in den jeweiligen Einrichtungen gegenüber den dort untergebrachten und/oder behandelten Personen zusammenhingen; nicht dagegen solche Erträge, die aus Leistungen gegenüber Dritten erwirtschaftet würden. Damit könnten die Zins- und Provisionserträge nicht steuerfrei sein.

Die Klägerin hat hiergegen fristgerecht Klage erhoben.

Die Zinserträge würden nicht aus einem eigenständigen Wirtschaftsbetrieb resultieren. Sie seien durch den Betrieb der Einrichtung erwirtschaftet worden. Die Klägerin sei mit der Gewährung der Darlehen nicht mit einer Dienstleistung am Markt tätig, um damit dauerhaft Gewinn erzielen zu wollen. Es fehle damit an einer gesonderten wirtschaftlichen Betätigung. Nach § 3 GewStG sollen auch nur solche Einkünfte aus der Befreiung ausgenommen werden, die zu einer Wettbewerbsverzerrung mit anderen Unternehmen führen würden. Dies liege im Streitfall nicht vor, da die Klägerin nicht im Wettbewerb mit Kreditinstituten stehe. Eine Gleichstellung mit einem gesonderten wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sei nicht möglich, denn selbst unter einer solchen Betrachtungsweise wäre nur eine Vermögensverwaltung gegeben. Die bisher entschiedenen Fälle zu § 3 Nr. 20 GewStG hätten jedoch immer gesonderte wirtschaftliche Geschäftsbetriebe betroffen. Zudem sei das Prüfungsergebnis insoweit willkürlich, als Zinserträge aus Bankguthaben nicht aufgegriffen worden seien. Würde man zudem die Erzielung von Erträgen gegenüber Dritten entscheidungserheblich ansehen, müsste bspw. auch ein Gewinn aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern der Gewerbesteuerpflicht unterliegen. Letztlich gewähre der Gesetzgeber bei § 3 Nr. 6 GewStG für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe eine Freigrenze von 35.000 €. Damit wolle der Gesetzgeber verhindern, dass bereits relativ geringe Gewerbeerträge zu einer Veranlagung führen würden.

Nachdem das Gericht die Klägerin aufgefordert hat die Aufwendungen zu beziffern, die mit den Provisionserträgen (50 € in 2009 und 100 € in 2010) in Zusammenhang stünden, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 25. Juni 2015 erklärt, dass sie auf die Ermittlung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verzichte.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2009 bis 2011 vom 22. Oktober 2014 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2015 aufzuheben,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Erträge würden der Gewerbesteuer unterliegen. Es sei nicht erforderlich, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliege. Entscheidend sei, ob die Erträge mit dem Betrieb der jeweiligen Einrichtung selbst erzielt würden. Eine wirtschaftliche Betätigung mit anderem Gegenstand sei dagegen nicht befreit, denn befreit seien nur die Erträge, die mit Leistungen in den jeweiligen Einrichtungen gegenüber den dort untergebrachten und/oder behandelten Personen zusammenhingen. Die Gesellschafterin selbst zähle nicht zu den Personen, die durch die unterhaltene Einrichtung begünstigt werde. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass Zinserträge aus Bankguthaben unberücksichtigt geblieben seien; insoweit fehle es an einer Beschwer der Klägerin. Die Zinsaufwendungen für kurzfristige Verbindlichkeiten stünden nicht im Zusammenhang mit den erzielten Zinseinnahmen und seien nicht zu berücksichtigen. Der Verweis auf § 3 Nr. 6 GewStG führe zu keiner anderen Beurteilung, denn insoweit liege eine gesetzliche Regelung in § 64 Abs. 3 Abgabenordnung -AO- vor. Für § 3 Nr. 20 GewStG habe der Gesetzgeber gerade keine solche Freigrenze geschaffen.

Im Laufe des Klageverfahrens ist aufgrund einer Änderung der Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung des Landes H… die Zuständigkeit vom Finanzamt G… auf den Beklagten übergegangen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Beklagte ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die durch die Klägerin erzielten Zins- und Provisionserträge nicht von der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchstabe d GewStG umfasst sind. Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide für 2009 bis 2011 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-) und waren – da im Übrigen kein positiver Gewerbeertrag verblieb – aufzuheben.

I. Der Beklagte hat unzutreffend angenommen, dass für die Klägerin ein positiver Gewerbeertrag zu erfassen war.

1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin Steuergegenstand der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) und selbst Steuerschuldnerin ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG).

2. Gemäß § 3 Nr. 20 Buchstabe c und d GewStG sind u.a. Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime sowie Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen unter den im Gesetz genannten weiteren Voraussetzungen von der Gewerbesteuer befreit. Zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen darüber, dass die von der Klägerin betriebene Einrichtung diese Voraussetzung grundsätzlich erfüllt.

3. § 3 Nr. 20 GewStG enthält keine unbeschränkte persönliche Steuerbefreiung. Von der Gewerbesteuer wird nicht der Rechtsträger der in § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG genannten Einrichtungen mit seinem gesamten Gewerbeertrag befreit; begünstigt wird vielmehr nur die Einrichtung selbst. Soweit der Träger der Einrichtung außerhalb derselben Erträge erzielt, unterliegen diese der Gewerbesteuer. Eine sachliche Rechtfertigung, auch andere gewerblichen Erträge in die Steuerbefreiung einzubeziehen, ist nicht ersichtlich. Sinn und Zweck des § 3 Nr. 20 GewStG ist es, die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten. Hieraus lässt sich ableiten, dass nur diejenigen Erträge begünstigt sind, die aus dem Betrieb der jeweiligen Einrichtung selbst erzielt werden, denn nur insoweit entstehen für die Sozialversicherungsträger Kosten. Eine wirtschaftliche Betätigung mit anderem Gegenstand ist dagegen steuerpflichtig (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteile vom 22. Juni 2011, I R 43/10, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2011, 892; I R 59/10, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2012, 61).

Die Entscheidungen vom 22. Juni 2011 betrafen Krankenhausträger und deren daneben bestehenden wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe. Mit der Entscheidung I R 59/10 (a.a.O.) hatte der BFH ausdrücklich erklärt, dass die Steuerbefreiung nicht die Erträge aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben i.S. des § 64 AO umfasst. Dies betraf den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb einer Krankenhaus gGmbH (Wahlleistungen Telefon/Fernsehen, Parkgebühren, Apothekenverkauf, Erträge aus Blutkonserven, Laborleistungen, Erträge aus Physiotherapie sowie Erträge aus dem Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften). Die Entscheidung I R 43/10 (a.a.O.) betraf eine Stiftung, die Alten-, Altenpflege- und Altenwohnheime betrieb. Die Steuerbefreiung wurde hier u.a. bereits durch das Finanzgericht für Überschüsse aus Gästeessen und Gästeübernachtung, Werbeüberschüsse, Überschüsse aus der Lieferung von Gas, Strom und Wasser an Dritte, Überschüsse aus einem Bäderbetrieb, Zinsüberschüsse und durch den BFH für Überschüsse aus dem Verkauf von Getränken und die Überlassung von Telefonen an Heimbewohner versagt. Denn auch insoweit handelte es sich um Erträge aus einer Tätigkeit, die vom eigentlichen Betrieb der Einrichtung „geschieden“ werden konnten. Bereits mit Urteil vom 20. September 1966 (I R 34/66, BStBl. III 1967, 90) hielt der BFH die Erträge eines „Kurheims“ aus dem Verkauf von Speisen, Getränken, Obst, Postkarten und Andenken als gewerbesteuerpflichtig. Der Senat hatte ebenfalls mit Urteil vom 21. Januar 2009, 8 K 6250/06 B, EFG 2009, 769, rkr.) die Gewerbesteuerbefreiung bei einem Krankenhausträger für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (Zimmervermietung; Telefonanlage für Patienten, Chefarztabgabe für Privatambulanzen) versagt.

In der Literatur wird vertreten, dass sich die Befreiung auf die Tätigkeit der begünstigten Einrichtung selbst beschränkt (so ausdrücklich Sarrazin in Lenski/Steinberg, 122. Lieferung 03/2018, § 3 GewStG Rn. 522; in die gleiche Richtung [„tätigkeitsbezogene sachliche Steuerbefreiung“] vgl. v. Twickel in Blümich, 08/2018, § 3 GewStG Rn. 100). Vertreten wird zudem, dass nur die Erträge aus Tätigkeiten befreit sind, die für den Betrieb der betreffenden Einrichtung erforderlich sind (ggf. auch aus Abwicklungsmaßnahmen); nicht erfasst seien insbesondere Überschüsse aus Tätigkeiten, die bei einer steuerbefreiten Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellen (so Güroff in Glanegger/Güroff, 9. Aufl. 2017, § 3 GewStG Rn. 438; in die gleiche Richtung [„über die für den Betrieb erforderlichen hinausgehenden Tätigkeiten sind gewerbesteuerpflichtig.“] vgl. Hawlitschek in Winheller/Geibel/Jachmann, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, 1. Aufl. 2017, § 3 GewStG Rn. 30). Teilweise werden zwar Erträge aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ausgeschlossen, aber nur soweit er nicht Zweckbetrieb sei (so Bös in GewStG Stollfuß eKommentar, Stand 1.1.2018, § 3 GewStG Rn. 408).

4. Unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der Befreiungsnorm (bestehende Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten) ist das Gericht nicht der Auffassung, dass – mangels subjektiver Steuerbefreiung – sämtliche Einnahmen- und Aufwandspositionen daraufhin zu untersuchen sind, ob diese im Ergebnis die Sozialversicherungsträger belasten oder nicht. Dies gilt umso mehr, als der Sozialversicherungsträger im Bereich der Pflege nicht die Aufwendungen der Pflegeeinrichtungen ersetzt, sondern gesetzlich vorgesehene Leistungen nach dem Pflegegrad (früher Pflegestufe) der zu pflegenden Person leistet (vgl. insb. § 39 SGB 11). Die Aufwandsstruktur der Pflegeeinrichtung der Klägerin ist für die Kosten des Sozialversicherungsträgers unerheblich. Die Aufwandsstruktur beeinflusst die Kosten der Sozialversicherungsträger nur mittelbar, denn diese gehen in die Bestimmung der gesetzlich bestimmten und typisierten Pauschalen ein.

Den Ausführungen des BFH (Urteil vom 22. Juni 2011, I R 43/10, BStBl. II 2011, 892) ist nach Auffassung des Gerichts zu entnehmen, dass eine gegenständliche Abgrenzung und keine rein tätigkeitsbezogene Abgrenzung erfolgen muss, denn der BFH hat ausgeführt, dass steuerpflichtig nur eine wirtschaftliche Betätigung mit anderem Gegenstand ist. Nur ein solches Verständnis entspricht auch dem Konzept der Objektsteuer. Der Auffassung in der Literatur, dass nur die Erträge aus bestimmten Tätigkeiten befreit sind, ist nicht zu folgen. Dem Gesetz ist eine solche Betrachtungsweise nicht zu entnehmen, denn nach § 3 Nr. 20 GewStG sind „Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen“ von der Gewerbesteuer befreit, nicht jedoch lediglich die Erträge, die die Einrichtung unmittelbar aus einer bestimmten Leistung/Tätigkeit erzielt. Dies würde – worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat – erfordern, dass „erforderliche“ von „nicht erforderlichen“ Tätigkeiten abgegrenzt werden könnten. Dies müsste i.E. auch dazu führen, dass Aufwendungen aus „nicht erforderlichen“ Tätigkeiten nicht den befreiten Ertrag mindern dürften, sondern zu isolieren und ggf. als Gewerbeverlust festzustellen wären. Der BFH hat aber ausgeführt, dass „die aus dem Betrieb der Einrichtung resultierenden Erträge“ befreit sind und nur Erträge, die der Träger außerhalb „der Einrichtung […] erzielt“, der Gewerbesteuer unterliegen. Mit Einrichtung meint der BFH – übertragen auf den Streitfall – die klägerische Einrichtung zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen. Befreit sind deshalb die Erträge die – entsprechend des Objektcharakters der Gewerbesteuer – aus dem Objekt Pflegebetrieb/Pflegeeinrichtung resultieren. Nach Überzeugung des Gerichts ist deshalb danach abzugrenzen, ob Erträge aus dem Pflegebetrieb oder aus einem weiteren Betrieb resultieren oder nicht. Nur wenn die strittigen Erträge aus einem anderen Geschäfts- bzw. Gewerbebetrieb resultieren, wäre die Befreiung insoweit zu versagen.

Auf den Streitfall bezogen hat die Klägerin durch die Erzielung von Zinseinkünften (2009: 2.362,00 €, 2010: 6.626,00 € und 2011: 4.266 €) aber keinen weiteren Geschäfts- bzw. Gewerbebetrieb neben der Pflegeeinrichtung begründet. Die Hingabe eines Darlehens an die Gesellschafterin stellt zwar eine nachhaltige Tätigkeit im Sinne von § 14 Satz 1 AO dar, diese hat aber – ungeachtet des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG – nicht den Rahmen einer Vermögensverwaltung verlassen; denn die Klägerin hat nur Kapitalvermögen verzinslich angelegt (§ 14 Satz 3 AO). Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Klägerin für die „Erzielung“ der Zinseinkünfte besondere organisatorische Vorkehrungen getroffen hatte. Die Hingabe des Darlehens beruhte nur auf der – wenn auch ungewöhnlichen – Finanzierungsstruktur beim Unternehmenserwerb. Damit war die Hingabe des Darlehens (mittelbar) durch die begünstigte Einrichtung veranlasst. Die Erzielung der Zinserträge ist damit – insoweit folgt das Gericht der Klägerin – vergleichbar mit der Erzielung von Veräußerungsgewinnen aus dem Verkauf von Anlagevermögen (bspw. Veräußerung voll abgeschriebener Kfz), denn auch diese Erträge erzielt die Klägerin nicht durch eine „Tätigkeit“ (Pflege), gleichwohl sind diese Erträge (mittelbar) durch den Pflegebetrieb veranlasst.

Die von der Klägerin erzielten Provisionen stehen ebenfalls im Zusammenhang mit dem Pflegebetrieb der Klägerin. Eine gesonderte organisatorische Einheit zur Vermittlung von Verträgen wurde nicht begründet. Die E… GmbH übernimmt – dies ist gerichtsbekannt – den Einbau von sog. Treppenliften, wenn Personen zu Hause eine Treppe nicht mehr alleine bewältigen können. Das Gericht kann dahingestellt lassen, ob die Provision gezahlt wurde, weil die Klägerin einen konkreten Auftrag an die E… GmbH vermittelt hatte oder ob es sich um eine Anreizzahlung handelt, damit die Klägerin ihre Patienten auf die Möglichkeit von Treppenliften hinweist. Entsprechendes gilt für die Provision des F… e.V., denn dieser ist im Bereich Notfallvorsorge und soziale Dienste tätig. Auch hier kann das Gericht offen lassen, ob die Zahlung für eine konkrete Vermittlung (bspw. Vereinsmitgliedschaften) oder als Anreizzahlung erfolgte. In jedem Fall nutzte die Klägerin zur Erzielung dieser Einnahmen ihren Pflegebetrieb (Kontakt mit zu pflegenden Personen).

II. Das Gericht hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.