Gericht | VG Frankfurt (Oder) 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 30.09.2014 | |
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Aktenzeichen | VG 7 L 297/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 6 Abs 1 S 1 BauO BB, § 6 Abs 2 BauO BB, § 6 Abs 10 S 1 BauO BB, § 73 Abs 1 Nr 2 BauO BB, § 80 Abs 5 VwGO |
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.250 Euro festgesetzt.
Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 26. Mai 2014 und seiner Klage vom 28. Juli 2014 – VG 7 K 847/14 - gegen die Baueinstellungsanordnung des Antragsgegners vom 9. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2014 wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg.
I. Die Kammer legt den Antrag dahin aus, dass er sich nicht auch auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Kostenbescheides vom 9. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sowie der Kostenfestsetzung im Widerspruchsbescheid bezieht. Denn insofern wäre der Antrag jedenfalls nach § 80 Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) unzulässig. Bei den betreffenden Kostenbescheiden handelt es sich nämlich um die Anforderung von öffentlichen Kosten im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. In diesem Fall bestimmt § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO – vorbehaltlich des hier nicht einschlägigen Satzes 2 der Vorschrift -, dass ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO nur zulässig ist, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Einen solchen Antrag, der als Zulässigkeitsvoraussetzung in diesem Verfahren auch nicht nachgeholt werden kann, hat der Antragsteller indes nicht gestellt.
II. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt dann, wenn die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der angefochtenen Ordnungsmaßnahme im öffentlichen Interesse anordnet, wobei dieses Interesse nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift schriftlich zu begründen ist. Diesem formalen Begründungserfordernis ist der Antragsgegner in der Baueinstellungsanordnung vom 9. Mai 2014 in hinreichender Weise auf den Einzelfall bezogen nachgekommen, indem er darauf verwiesen hat, dass die Beachtung der baurechtlichen Ordnungsvorschriften zur Gefahrenabwehr im besonderen öffentlichen Interesse liege und das Abwarten der Dauer eines möglicherweise langwierigen Rechtsbehelfsverfahrens bei Schaffung vollendeter Tatsachen zwangsläufig die Ordnungsfunktion der Bauaufsichtsbehörde untergraben würde. Ob die Begründung inhaltlich zutreffend erfolgte, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung.
2. Maßstab der gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist eine umfassende Interessenabwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes. Zu prüfen ist, ob die Behörde das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung zu Recht höher gewichtet hat als das private Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens bzw. des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens dem Verwaltungsakt nicht folgen zu müssen. Dabei ist in erster Linie im Wege einer summarischen Prüfung der voraussichtliche Ausgang des Hauptsacheverfahrens mit in den Blick zu nehmen. Erweist sich die behördliche Verfügung als offensichtlich rechtmäßig, muss der auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtete Antrag - sofern ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug gegeben ist - erfolglos bleiben, denn ein schützenswertes Interesse daran, bei aussichtslosem Rechtsbehelf auch nur vorläufig vom Vollzug verschont zu bleiben, besteht in einem solchen Fall nicht. Umgekehrt muss ein Antrag ohne weiteres erfolgreich sein, wenn der angegriffene Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist.
Daran gemessen überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers, weil die angegriffene Baueinstellungsanordnung offensichtlich rechtmäßig ist (dazu unter a) und auch das besondere Vollziehungsinteresse zu bejahen ist (b).
a) Die Baueinstellungsanordnung ist offensichtlich rechtmäßig ergangen. Rechtsgrundlage ist – jedenfalls - § 73 Abs. 1 Nr. 2 Brandenburgische Bauordnung (BbgBO). Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Bauarbeiten anordnen, wenn bei der Ausführung eines Bauvorhabens von den genehmigten oder angezeigten Bauvorlagen abgewichen oder gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen wird. Letztgenannte Voraussetzung ist gegeben, weil das – vom Antragsgegner wohl zutreffend als genehmigungsfrei im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 4 BbgBO eingestufte - Vorhaben dem bauordnungsrechtlichen Abstandsflächengebot nach § 6 BbgBO nicht entspricht.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BbgBO sind - vorbehaltlich des hier nicht einschlägigen Satzes 2 der Vorschrift - vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Die Abstandsflächen müssen nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift auf dem Grundstück selbst liegen und betragen für ein Nebengebäude ohne Aufenthaltsräume wie im Fall des geplanten Doppelcarports des Antragstellers nach Abs. 5 Satz 2 der Vorschrift 0,4 der Wandhöhe H, mindestens jedoch 3 m. Diese erforderliche Abstandsfläche hält der in Bau befindliche Carport, der nach den Ermittlungen des Antragsgegners einen Abstand von 1,82 m zur nachbarlichen Grenze aufweist, nicht ein. Auch übersteigt die auf einer Länge von 8 m mit über 1 m Tiefe auf das Nachbargrundstück entfallende Abstandsfläche die nach § 6 Abs. 2 Satz 3 BbgBO ausnahmsweise zulässige Erstreckung auf das Nachbargrundstück. Eine damit nach Satz 4 der Vorschrift erforderliche rechtliche Sicherung im Sinne von § 65 BbgBO ist nicht gegeben.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelt es sich auch nicht um eine nach § 6 Abs. 10 BbgBO ohne Abstandsflächen zulässige Grenzbebauung. Denn von dieser Privilegierung werden nach der eindeutigen Regelung in Satz 1 der Vorschrift allein Garagen und Nebengebäude ohne Aufenthaltsräume mit nicht mehr als 3 m Gebäudehöhe erfasst. Von daher kommt es auf die zwischen den Beteiligten strittige Frage, ob die Länge der Grenzbebauung auf dem Grundstück des Antragstellers dem Erfordernis des § 6 Abs. 10 Satz 2 BbgBO entspricht, nicht an. Schon der Wortlaut von § 6 Abs. 10 Satz 1 BbgBO steht einer erweiternden Auslegung in dem Sinne, dass nur die innerhalb des Bereichs von bis zu 3 m Abstand zur Nachbargrenze erreichte Gebäudehöhe maßgeblich sei, entgegen. Auch die systematische und historische Auslegung der Vorschrift führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Gesetzgeber hat mit der Baurechtsnovelle 2008 mit Geltung ab dem 1. August 2008 neben der Erweiterung der Privilegierung auch auf die nicht unmittelbar grenzständige Nebengebäude die Voraussetzung der zulässigen Gebäudehöhe neu und gegenüber der früheren Anknüpfung an die nach Abs. 4 zu bestimmende Wandhöhe vereinfachend geregelt (vgl. Reimus/Semtner/Langer, Die neue Brandenburgische Bauordnung, 3. Aufl., § 6 Rz. 50). Es ist auch in keiner Weise ersichtlich, dass Garagen und Nebengebäude, die erst jenseits von 3 m Abstand zur Nachbargrenze eine – beliebig hohe - Gebäudehöhe von über 3 m erreichen, per se nicht dem Schutzzweck des § 6 BbgBO im Sinne des Nachbarschutzes unterfallen. Vielmehr soll mit dem Tatbestandsmerkmal der zulässigen Gebäudehöhe die Privilegierung erkennbar von vornherein auf insoweit in den Ausmaßen klar begrenzte Nebengebäude beschränkt werden.
Ferner ist die Ermessensausübung des Antragsgegners nicht zu beanstanden. Zutreffend ist dieser in den angefochtenen Bescheiden davon ausgegangen, dass es sich bei dem der Bauaufsichtsbehörde in § 73 Abs. 1 BbgBO eingeräumten Ermessen um ein so genanntes intendiertes Ermessen handelt, wonach bei gegebenem Tatbestand die Bauaufsichtsbehörde einschreiten soll, um dem eingetretenen Baurechtsverstoß Einhalt zu gebieten. Insofern sind Anhaltspunkte dafür, dass ein hiervon abweichender atypischer Sachverhalt gegeben ist, nicht ersichtlich. Insbesondere konnte der Antragsteller auch dem Schreiben der Stadt Erkner vom 8. Oktober 2013 nur entnehmen, dass diese keine bauplanungsrechtlichen Einwände hatte, zumal die Stadt daneben auf das bauordnungsrechtliche Abstandsflächengebot und die Regelung in § 6 Abs. 10 BbgBO hinwies.
b) Schließlich ist auch das besondere öffentliche Vollziehungsinteresse gegeben. Es entspricht der typischen Interessenlage im Fall des Erlasses einer Baueinstellungsanordnung, dass diese auch vollziehbar ist, weil sie anderenfalls durch Fertigstellung des Bauwerks endgültig unterlaufen und der materielle Rechtsverstoß verfestigt würde. Dadurch würde zugleich die Ordnungsfunktion der Bauaufsichtsbehörde durch eine negative Vorbildfunktion beeinträchtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung entspricht der Bedeutung der Sache für den Antragsteller, §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Insofern wird im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der für das Hauptsacheverfahren anzusetzende Wert zur Hälfte angesetzt. Im Hauptsacheverfahren setzt die Kammer mangels anderer Anhaltspunkte den halben Auffangwert an (vgl. 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 18. Juli 2013).