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Entscheidung 26 Sa 1847/18


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer Entscheidungsdatum 16.05.2019
Aktenzeichen 26 Sa 1847/18 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2019:0516.26SA1847.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 2 Nr 4 BFDG, § 17 Abs 2 BFDG, § 11b Abs 2 S 6 SGB 2

Leitsatz

1. Zur Rechtsnatur des Bundesfreiwilligendienstverhältnisses.

2. Kein Zugang einer Kündigung bei Einwurf des Benachrichtigungszettels in den Briefkasten des Empfängers, wenn das Schreiben nicht abgeholt wird.

3. Passivlegitimation der Bundesrepublik (nicht der Einsatzstelle) für den Taschengeldanspruch eines Freiwilligen im Bundesfreiwilligendienst.

4. Auslegung einer Bundesfreiwilligendienstvereinbarung.

5. Kein Übergang von Taschengeldansprüchen auf Sozialleistungsträger, soweit nach § 11b Abs. 2 Satz 6 SGB II vom Taschengeld iSd. § 2 Nr. 4 des BFDG ein Betrag in Höhe von 200 Euro monatlich abzusetzen ist.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. Juli 2018 – 60 Ca 14787/17 - teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit das Arbeitsgericht dem Kläger einen über 1.340 Euro hinaus gehenden Betrag nebst Zinsen und Zinsen im Hinblick auf das Taschengeld für den Monat März 2018 für eine Zeit vor dem 3. April 2018 zugesprochen hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 23 vH. und die Beklagte 77 vH., von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben der Kläger 13 vH. und die Beklagte 87 vH. zu tragen.

3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Für den Kläger wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger über den 9. September 2017 hinaus noch Bundesfreiwilliger war und ob er für die Zeit danach noch Taschengeld von der Beklagten beanspruchen kann.

Die Parteien schlossen im April 2017 eine Vereinbarung über einen Bundesfreiwilligendienst für die Zeit vom 1. August 2017 bis zum 31. Juli 2018.

Als Parteien dieser Vereinbarung sind der Kläger und die Beklagte genannt. Die Vereinbarung wird durch den Satz eingeleitet: „Ein Arbeitsverhältnis wird hierdurch nicht begründet.“

Unter 3.1 der Vereinbarung heißt es ua.:

„Die Einsatzstelle ist aufgrund ihrer Anerkennung als Einsatzstelle (§ 6 BFDG) verpflichtet, im Auftrag des Bundesamtes

...

4. die Arbeitsschutzbestimmungen, das Jungendarbeitsschutzgesetz und das Bundesurlaubsgesetz entsprechend anzuwenden. Weiterhin ist sie verpflichtet, die einsatzspezifischen und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften einzuhalten. Die Einsatzstelle hat die damit verbundenen Kosten zu tragen.“

Unter 3.2 der Vereinbarung heißt es ua.:

„Die Einsatzstelle verpflichtet sich zur Gewährung folgender Leistungen an den Freiwilligen:

„1. Taschengeld (auch für die Zeit der Seminare und des Urlaubs) monatlich in Höhe von 200 Euro …

3. Im Krankheitsfall werden Taschengeld und Sachbezüge für sechs Wochen weitergezahlt; nicht aber über die Dauer des Freiwilligendienstes hinaus. Die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes finden keine Anwendung.“

3.4 der Vereinbarung lautet:

„Bei einem unentschuldigten Fernbleiben vom Bundesfreiwilligendienst besteht kein Anspruch auf Zahlung der Geld- und Sachbezüge sowie der Sozialversicherungsbeiträge.“

Unter 5.3 heißt es ua.:

„Die Kündigung bedarf der Schriftform …

Das Kündigungsschutzgesetz findet keine Anwendung.“

Außerdem enthält die Vereinbarung eine Regelung zu einer Probezeit von sechs Wochen, während der die Vereinbarung von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von zwei Wochen kündbar sein sollte. Für die Zeit danach vereinbarten die Parteien eine Kündigunsfrist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende des Kalendermonats. Die Vereinbarung haben der Kläger und ein Vertreter der Beklagten unterzeichnet. Mit einigem Abstand finden sich darüber hinaus unter „Einverstanden:“ Unterschriften für die Einsatzstelle und für eine Zentralstelle.

Am 12. September 2017 wurde dem Kläger in seiner Einsatzstelle bei Dienstantritt mitgeteilt, dass der Dienst durch eine Kündigung zum 9. September 2017 beendet worden sei.

Mit Schreiben vom 26. September 2017 widersprach der Kläger einer etwaigen Kündigung. Am 29. September 2017 teilte die Beklagte ihm mit, die Kündigung sei ihm zum 9. September 2017 per Einschreiben zugestellt worden. Am 1. Oktober 2017 verhängte die Einsatzstelle gegen den Kläger ein Hausverbot. Für die ersten neun Tage des Monats September 2017 erhielt der Kläger noch einen Betrag in Höhe von 60 Euro.

Die Beklagte teilte dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 6. November 2017 mit, dass eine Kündigung am 23. August 2017 in ein Postfach des Klägers zur Abholung gelegt worden sei. Dem Schreiben der Beklagten an den Prozessbevollmächtigten des Klägers war eine Ablichtung des angeblich an den Kläger geschickten Schreibens beigefügt. Der damalige Rechtsanwalt des Klägers gab die Ablichtung dem Kläger mit Schreiben vom 8. November 2017 zur Kenntnis. Am 30. November 2017 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht, verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage.

Der Kläger bezog jedenfalls ab September 2017 Leistungen nach dem SGB II.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sein Bundesfreiwilligendienst sei nicht vor dem 31. Juli 2018 beendet worden. Er habe niemals ein Postfach unterhalten. Die Beklagte belege ihre Behauptung zudem nicht einmal mit einem Einlieferungsbeleg. Die ihm zur Kenntnis gelangte Kopie der Kündigung erfülle die vereinbarte Schriftform nicht. Das Taschengeld schulde die Beklagte wegen Annahmeverzugs. Als ihr Vertragspartner sei sie insoweit auch die richtige Beklagte. Er hat Taschengeld für die Zeit von August 2017 bis März 2018 beansprucht.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 9. September 2017 hinaus bis zu seinem befristeten Ende zum 31. Juli 2018 ein Rechtsverhältnis gemäß dem Bundesfreiwilligendienstgesetz bestehe,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.540,00 EUR Taschengeld nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. März 2018 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. § 4 KSchG sei entsprechend anzuwenden, die Klage jedenfalls verwirkt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei dem Kläger am 23. August 2017 zugegangen. Dazu hat sie zunächst vorgetragen, die Zustellung des als Einschreiben versandten Schriftstückes sei anscheinend nicht möglich gewesen. Später hat sie behauptet, der Kläger habe damals über ein Postfach verfügt, wo ihr Einschreiben mit der Kündigung zugestellt worden sei. Der Kläger habe es wohl nicht abgeholt. Das Schreiben solle am 6. September 2017 an das Bundesamt zurückgegangen sein, wo es allerdings nicht angekommen sei. Der Brief an den Kläger habe die Kündigung enthalten. Dass der Kläger ein Postfach unterhalten habe, ergebe sich aus dem Sendestatus der Einschreibesendung, in der es heiße, der Empfänger besitze ein Postfach, die Sendung sei zur Abholung bereit gelegt worden. Daraus gehe hervor, dass die Post die Sendung in dieses Postfach eingelegt habe, anstatt sie an der Wohnadresse des Klägers abzuliefern. Der Kläger sei durch den Vorsitzenden der Einsatzstelle und durch andere Mitarbeiter in der zweiten Augusthälfte mehrfach darauf hingewiesen worden, dass ihm gegenüber die Kündigung ausgesprochen worden sei. Es sei auch durch Herrn W. darauf hingewiesen worden, er müsse das Kündigungsschreiben abholen. Daher sei es unschädlich für den Zugang, dass das Schreiben nicht abgeholt worden sei. Außerdem sei das Schreiben dem Kläger am 8. November 2017 erneut zugegangen. Die Übermittlung der Kopie reiche angesichts der nur gewillkürten Schriftformabrede. Sie schulde zudem keine Taschengelder, da es ihr wegen Nr. 3.2 Nr. 1 der Vereinbarung der Parteien iVm. den Bestimmungen des Bundesfreiwilligendienstgesetzes (BFDG) an der Passivlegitimation fehle. Der Kläger hätte die Dienststelle verklagen müssen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und das im Wesentlichen damit begründet, dass dem Kläger eine rechtlich relevante Kündigungserklärung nicht zugegangen sei. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Kläger am 23. August 2017 ein solches Postfach unterhalten habe. Dabei hat es zugunsten der Beklagten unterstellt, dass ein in den Postgang gelangter Umschlag ein Kündigungsschreiben enthalten habe. Dazu passte es auch, dass ein Rücklauf nicht zu verzeichnen sei. Der Kläger habe aber sehr glaubhaft geschildert, dass er nie ein Postfach gehabt habe. Dem Kläger sei die Kündigung auch nicht im November 2017 zugegangen. Die Kopie reiche insoweit nicht. Außerdem habe die Übersendung nach dem Willen der Beklagten nur Informationscharakter gehabt ohne eigenständigen Erklärungswillen. Der Kläger könne auch das Taschengeld von der Beklagten beanspruchen. Die Einsatzstelle erfülle mit der Auszahlung der Taschengelder eine Verbindlichkeit der Beklagten, nicht eine eigene, wie sich aus § 17 Abs. 2 Satz 1 BDFG ergebe. Dem Taschengeldanspruch stehe auch nicht unentschuldigtes Fehlen entgegen. Der Kläger habe den Dienst schon wegen der Nichtentgegennahme seiner Tätigkeit (ua. aufgrund des Hausverbots) nicht antreten können. Spätestens ab dem 26. September 2017 habe sich die Beklagte im Annahmeverzug befunden. Allerdings habe die Kammer dem Kläger versehentlich 200 Euro (für den Monat August) zu viel zugesprochen. Für die Zeit von September 2017 bis März 2018 hätten ihm nur 1.340 Euro zugestanden.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. September 2018 zugestellte Urteil am 16. Oktober Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 3. Dezember 2018 mit einem am 22. November 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Zur Begründung führt sie aus, eine nochmalige Überprüfung habe ergeben, dass das Schriftstück mit der Kündigung vom 17. August 2017 durch die Post „an der Wohnadresse des Klägers zugestellt“ worden, der Kläger aber nicht angetroffen worden und daher ein Benachrichtigungszettel in dessen Briefkasten eingeworfen worden sei. Der Kläger habe sodann – was er nicht bestreitet – das Schreiben nicht abgeholt, woraufhin die Post das Schreiben nach Lagerung an sie zurückgesandt habe, welches bei ihr allerdings wohl verlorengegangen, jedenfalls nicht auffindbar sei. Spätestens durch die Übersendung der Kopie aus den Akten an den Prozessbevollmächtigten des Klägers sei aber eine Zustellung erfolgt. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts fänden § 126a und § 126b BGB sowie § 127 Abs. 2 BGB Anwendung. Die Vorschrift sei weit auszulegen. Sie habe gerade wegen der Nachfrage des Klägers über seinen Prozessbevollmächtigten die Kündigung erneut zugestellt. Sie habe die sich in der Akte befindende im Original unterzeichnete Mehrfertigung des ersten Kündigungsschreibens kopiert und dem Klägervertreter zugesandt. Der Kläger hätte bei Zweifeln bei ihr anrufen oder auch Akteneinsicht beantragen können. Es sei auch nicht erkennbar, wo der Unterschied zwischen einem nicht unterschriebenen Telegramm und einer eigenhändig unterschriebenen Kopie liege. Das Taschengeld schulde nicht sie, sondern die Einsatzstelle, für die der Kläger tätig gewesen sei. Die Auffassung des Arbeitsgerichts lasse sich weder der Dienstvereinbarung der Parteien noch § 17 BFDG entnehmen. Aus Sicht des Freiwilligen wolle die Einsatzstelle eine eigene Schuld ihm gegenüber erfüllen, nicht eine fremde. Das Taschengeld erhalte er von der Einsatzstelle, für die er auch tätig werde. Auch aus Nr. 3.2 der Vereinbarung ergebe sich, dass die Einsatzstelle, nicht die Beklagte sich zur Zahlung des Taschengeldes verpflichtet habe. Dass die Einsatzstelle nicht selbst Vertragspartei werde, sei insoweit unrelevant, zumal viel dafür spreche, dass die Freiwilligen die Einsatzstelle als Vertragspartner wahrnähmen. Sonst würde der Freiwillige Verhandlungen mit der Einsatzstelle führen, durch die die Bundesrepublik verpflichtet würde. Außerdem stehe den Einsatzstellen ja auch kein Anspruch auf Ersatz sämtlicher Auslagen zu.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. Juli 2018 – 60 Ca 14787/17 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Auch er wiederholt im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Der seinem Prozessbevollmächtigten übersandten Kopie des Kündigungsschreibens lasse sich schon nicht entnehmen, ob die handschriftliche Veränderung hinsichtlich des Beendigungsdatums nachträglich erfolgt ist. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 6. November 2017 sei nicht mit dem Willen zum Ausspruch einer Kündigung übersandt worden oder um insoweit nachträglich eine Heilung herbeizuführen.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien vom 21. November 2018 sowie vom 9. Januar 2019 und auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 28. März 2019.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist teilweise begründet, da die Klage teilweise unbegründet ist. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

1) Die Feststellungsklage ist jedenfalls als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.

a) Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann zugleich mit der Hauptklage auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen, Rechtsverhältnisses geklagt werden. Die Zwischenfeststellungsklage trägt dem Umstand Rechnung, dass gemäß § 322 ZPO nur die Entscheidung über den Klageanspruch, nicht aber auch über das ihn bedingende Rechtsverhältnis in Rechtskraft erwächst und demgemäß ein späterer Rechtsstreit derselben Parteien über weitere auf das vorgreifliche Rechtsverhältnis gestützte Ansprüche zu einer abweichenden Beurteilung führen könnte. Mit ihr wird ein Element aus der Gesamtentscheidung, das geeignet ist, über den konkreten Einzelfall hinaus Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen, verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Das für eine solche Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt darum dann vor, wenn das inzidenter ohnehin zu klärende streitige Rechtsverhältnis noch über den gegenwärtigen Prozess hinaus zwischen den Parteien Bedeutung hat oder jedenfalls gewinnen kann. Diese Vorgreiflichkeit macht das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich. Werden mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien mit Rechtskraftwirkung erschöpfend geregelt, ist bzw. wird die Zwischenfeststellungsklage unzulässig. Die Vorgreiflichkeit muss im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (noch) vorliegen (vgl. BAG 7. Februar 2019 – 6 AZR 84/18, Rn. 18).

b) Hier liegen die Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO vor, da aus dem Rechtsverhältnis, dessen Feststellung begehrt wird, für die Zeit von April bis Juli 2018 jedenfalls noch der Anspruch auf ein Taschengeld erwächst.

2) Die Klage ist teilweise begründet.

a) Zwischen den Parteien bestand auch in der Zeit nach dem 9. September 2017 bis zum 31. Juli 2018 ein Bundesfreiwilligendienstverhältnis.

aa) Die Parteien haben in ihrer Vereinbarung vom 13. April 2017 geregelt, dass der Dienst vom 1. August 2017 bis zum 31. Juli 2018 dauern sollte. Bei der Regelung handelt es sich um eine Vereinbarung sui generis. Überwiegend wird im Einklang mit der Gesetzesbegründung vertreten, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung handelt (vgl. Sächsisches LAG 19. Juni 2013 – 2 Sa 171/12, Rn. 66 mwN. zur Gesetzesbegründung; aA. LAG Thüringen 1. März 2016 – 1 Sa 314/14, Rn. 36 - privatrechtliche Vereinbarung). Der Bundesfreiwilligendienst wird nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses durchgeführt, was die Parteien in dem Einleitungssatz zu ihrer Vereinbarung auch klargestellt haben. Die Vereinbarung sieht während der Probezeit eine Kündigung mit einer Kündigungsfrist von zwei und danach mit einer solchen von vier Wochen zur Monatsmitte oder zum Monatsende vor.

bb) Das Bundesfreiwilligendienstverhältnis der Parteien bestand über den 9. September 2017 hinaus ungekündigt bis zum Ablauf der vereinbarten Dauer (31. Juli 2018) fort. Es ist durch die Beklagte nicht wirksam gekündigt worden. Der Wirksamkeit der angeblichen Kündigung vom 17. August 2017 steht bereits entgegen, dass dem Kläger eine solche Erklärung nicht zugegangen ist. Danach hat die Beklagte keine Kündigungserklärung mehr abgegeben.

(1) Der Zugang eines Benachrichtigungsschreibens im August 2017 war insoweit nicht ausreichend. Dieser konnte den Zugang des Einschreibebriefs nicht ersetzen (vgl. BGH 11. Juli 2007 – XII ZR 164/03, Rn. 20).

(a) Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Abwesenden iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Wenn für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Den Empfänger trifft die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, so wird der Zugang durch solche - allein in seiner Person liegenden - Gründe nicht ausgeschlossen (vgl. BAG 26. März 2015 – 2 AZR 483/14, Rn. 37).

Wird nach einem erfolglosen Zustellversuch ein Kündigungsschreiben beim Postamt niedergelegt und ein entsprechender Benachrichtigungsschein über den Eingang des Einschreibens in den Hausbriefkasten geworfen, geht das Einschreiben dem Adressaten gem. § 130 Abs. 1 BGB nicht bereits mit dem Einwurf des Benachrichtigungsscheins in den Briefkasten, sondern erst dann zu, wenn der Brief dem Empfänger oder seinem Bevollmächtigten ausgehändigt wird. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass lediglich der Benachrichtigungsschein, nicht aber das zuzustellende Schriftstück selbst in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Dieser Schein enthält auch keinen Hinweis auf den Absender, sodass der Empfänger über den Gegenstand des Einschreibens im Ungewissen bleibt. Deshalb kann der Benachrichtigungsschein nicht den Einschreibebrief und der Zugang des Benachrichtigungsscheins nicht den Zugang des Einschreibebriefs ersetzen oder vermitteln (vgl. BAG 3. April 1986 – 2 AZR 258/85, Rn. 16). Der Zugang erfolgt erst durch Aushändigung des Schreibens auf der Poststelle (§ 130 Abs. 1 BGB) (vgl. RAG JW 1932, 25, 65; BAG 7. November 2002 – 2 AZR 475/01, Rn. 39).

(b) Unter den Parteien ist in der Berufungsinstanz insoweit nicht streitig, dass ein Kündigungsschreiben selbst nicht in den Hausbriefkasten des Klägers eingelegt worden ist. Während die Beklagte erstinstanzlich noch behauptet hatte, der Kläger habe im August ein Postfach unterhalten, in welches der Brief mit der Kündigung am 23. August 2017 eingelegt worden und ihm damit zugegangen sei, trägt sie in der Berufungsinstanz vor, dem Kläger habe das Einschreiben nicht übergeben werden können. Der Postbedienstete habe daher einen Benachrichtigungszettel in dem Briefkasten des Klägers hinterlassen. Die Sendung sei durch den Kläger nicht abgeholt worden. Nachforschungen hätten ergeben, dass die Post das Schreiben auch an sie (die Beklagte) zurückgesandt habe, wo es dann aber abhandengekommen sei.

(2) Es ist dem Kläger auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf diesen verspäteten Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zu berufen. Dem stünde es insbesondere nicht entgegen, wenn der Postbedienstete dem Kläger einen Benachrichtigungsschein in den Briefkasten gelegt hätte, wie die Beklagte – anders als noch in erster Instanz – nun in der Berufungsinstanz vortragen lässt und der Kläger diesen nicht abgeholt hätte. Die Beklagte hat allerdings erstinstanzlich auch vorgetragen, dass dem Kläger in der Dienststelle in der zweiten Augusthälfte gesagt worden sei, er müsse das Kündigungsschreiben von der Post abholen, nachdem er von einer Kündigung nichts gewusst habe.

Hier ist aber jedenfalls die weitere Voraussetzung für den Einwand der treuwidrigen Berufung auf den verspäteten bzw. unterbliebenen Zugang nicht erfüllt. Die Beklagte hat nicht unverzüglich nach Kenntnis von dem noch nicht erfolgten Zugang erneut eine Zustellung vorgenommen.

(a) Grundsätzlich muss der Erklärende nach Kenntnis des gescheiterten Zugangs unverzüglich einen neuen Versuch unternehmen, die Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers zu bringen, dass diesem ohne weiteres eine Kenntnisnahme des Inhalts möglich ist. Denn zu Lasten des Empfängers ist der Zugang als solcher nur bei schwerwiegenden Treueverstößen wie grundloser Annahmeverweigerung oder arglistiger Zugangsvereitelung zu fingieren. Schlichte Obliegenheitsverletzungen des Erklärungsempfängers werden hingegen nur mit einer Rechtzeitigkeitsfiktion sanktioniert, und auch dies grundsätzlich nur dann, wenn der Erklärende seinerseits den nachträglichen Zugang seiner Erklärung unverzüglich bewirkt (vgl. BGH 11. Juli 2007 – XII ZR 164/03, Rn. 22; BAG 3. April 1986 – 2 AZR 258/85, Rn. 28).

(b) Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt einen erneuten Versuch unternommen, dem Kläger die Kündigung zuzustellen. Die Übersendung einer Ablichtung des Kündigungsschreibens durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 6. November 2017 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers diente dem nicht. Nach dem Inhalt des Schreibens des Beklagtenvertreters ging es diesem nicht um die Abgabe einer Kündigungserklärung, sondern um den Nachweis der Existenz einer solchen Kündigung und des Inhalts. Außerdem wäre die Übersendung nicht unverzüglich erfolgt. Die Beklagte hätte bereits im September 2017 wissen können, dass – ihren Vortrag als richtig unterstellt – der Kündigungsbrief bei der Post zur Abholung bereit gelegt, aber nicht abgeholt worden ist. Dieses Risiko war sie zudem selbst dadurch eingegangen, dass sie das Schreiben als Übergabeeinschreiben an den Kläger versandte und nicht als normales Einschreiben.

(3) Die Übersendung der Kopie eines sich in der Akte der Beklagten befindlichen Kündigungsschreibens konnte der Kläger nicht als neue Kündigung verstehen. Sie war ersichtlich auch nicht als solche gedacht. Es ging deutlich erkennbar nur darum, den Klägervertreter darüber in Kenntnis zu setzen, dass bereits eine Kündigung existiere, nicht aber darum, eine solche auszusprechen. Hätte die Beklagte eine Kündigung aussprechen wollen, hätte es nahe gelegen, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers oder diesem eine solche zu übersenden oder durch den eigenen Prozessbevollmächtigten eine solche aussprechen zu lassen. Bei der Übermittlung der Kopie ging es nur um eine Wissensmitteilung. Anders konnte der Kläger diesen Vorgang jedenfalls nicht verstehen.

b) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Taschengeldes in Höhe von 1.340 Euro für die Monate September 2017 bis März 2018. Die Verurteilung zu weiteren 200 Euro für den Monat August 2017 hält einer Überprüfung nicht stand.

aa) Die Klage ist zunächst zutreffend gegen die Beklagte gerichtet. Die Beklagte ist Vertragspartnerin des Klägers und Schuldnerin des Taschengeldes. Im Bundesfreiwilligendienstgesetz wird keine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Regelung getroffen.

(1) Die Beklagte hat sich in der Bundesfreiwilligendienstvereinbarung zur Zahlung eines Taschengeldes in Höhe von 200 Euro monatlich verpflichtet. Partner der Vereinbarung sind nach dem klaren Wortlaut ausschließlich der Kläger und die Beklagte. Dem steht es nicht entgegen, dass es unter Nr. 3.2 der Vereinbarung heißt, dass die Einsatzstelle sich zur Zahlung eines Taschengeldes verpflichte. Mit dieser Regelung wollten die Parteien ersichtlich der Regelung unter § 17 Abs. 2 BFDG Rechnung tragen, wonach die Einsatzstellen gerade für den Bund den Freiwilligen das Taschengeld zahlen, soweit ein solches vereinbart ist. Diese Konzeption geht davon aus, dass Vertragspartner der Bund ist und die Einsatzstellen für diesen die sich aus dem Vertrag ergebenden Pflichten erfüllen. Die Einsatzstellen übernehmen für ihn die Aufgabe der Beschäftigung, der Betreuung und auch der Auszahlung des Taschengeldes (Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, § 17 Rn. 23). Sie werden dadurch nicht zu Schuldnern (aA. wohl LAG Sachsen-Anhalt 16. August 2017 - 5 Sa 10/16, zu 2.1 der Gründe, wobei es dort in der Präambel allerdings wohl hieß, dass die Leistungen der Einsatzstelle (Taschengeld …) zwischen Freiwilligem und Einsatzstelle vereinbart werden). Auch der Umstand, dass sich auf der letzten Seite der Vereinbarung die Einsatzstelle mit der Regelung einverstanden erklärt, soll erkennbar nicht dazu führen, dass es sich insoweit um eine dreiseitige Vereinbarung handelt. Die Einsatzstelle ist als Vertragspartner nicht erwähnt. Ihr Einverständnis bezieht sich erkennbar auf die Bereitschaft, die Verpflichtungen der Beklagten aus der Vereinbarung zu erfüllen, nicht aber eine eigene zu begründen. Soweit es in der Vereinbarung heißt, dass sich die Einsatzstelle zur Zahlung des Taschengeldes verpflichte, handelt es sich nach der gesetzlichen und vertraglichen Konstruktion in erster Linie um eine eigene Verpflichtung gegenüber der Beklagten.

(2) Einer Passivlegitimation der Beklagten steht auf nicht § 17 Abs. 2 BFDG entgegen. Durch die Vorschrift wird nur festgelegt, wer für den Bund das Taschengeld auszahlt. Die Einsatzstellen erhalten dadurch die Funktion von Zahlstellen. Als solche sind sie aber nicht die richtigen Klagegegner für die Durchsetzung von Taschengeldansprüchen (aA. wohl LAG Sachsen-Anhalt 16. August 2017 – 5 Sa 10/16, zu 2.1 der Gründe).

bb) Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf das Taschengeld in Höhe von 200 Euro monatlich für die Zeit von September 2017 bis März 2018 ergibt sich aus Nr. 3.2 der Vereinbarung der Parteien. Es ist danach ua. auch für Urlaubs- und Krankheitszeiten zu zahlen. Der einzige – unter Nr. 3.4 genannte – Ausnahmetatbestand ist hier nicht erfüllt. Ein Wegfall der Leistung ist danach nur für die Fälle unentschuldigten Fernbleibens vom Bundesfreiwilligendienst beschränkt. Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte. Der Kläger konnte den Bundesfreiwilligendienst nach dem 9. September 2017 nicht mehr ausüben, weil die Beklagte auf Initiative der Einsatzstelle seinen Einsatz abgelehnt hat.

cc) Der Kläger ist auch Inhaber der Forderung. Die Forderung ist nicht teilweise auf die Bundesagentur übergegangen. Der Kläger hat zwar in dem hier relevanten Zeitraum Leistungen nach dem SGB II bezogen. Das Taschengeld stellt hier aber kein anrechenbares Einkommen dar. Nach § 11b Abs. 2 Satz 6 SGB II ist vom Taschengeld iSd. § 2 Nr. 4 des BFDG ein Betrag in Höhe von 200 Euro monatlich abzusetzen.

c) Die Klage ist unbegründet, soweit mit ihr ein über 1.340 Euro hinaus gehender Betrag geltend gemacht wird. Für die Zeit nach dem 9. September 2017 bis März 2018 ergibt sich rechnerisch nur ein Betrag in Höhe von 1.340 Euro, nicht in Höhe von 1.540 Euro, worauf das Arbeitsgericht bereits zutreffend und korrekt hingewiesen hat.

d) Der Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen beruht auf §§ 286, 288, 291 BGB. Die teilweise Klageabweisung resultiert insoweit daraus, dass die Taschengeldforderung für den Monat März 2018 mangels anderweitiger Vereinbarungen entsprechend § 614 BGB erst am 2. April 2018 fällig war.

III. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs.1 ZPO.

IV. Die Kammer hat die Revision für die Beklagte wegen grundsätzlicher Bedeutung der insoweit relevanten Rechtsfragen zugelassen.