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Ingenieur; Büroleiter


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat Entscheidungsdatum 19.04.2011
Aktenzeichen L 27 R 537/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 AAÜG

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte den Zeitraum vom 3. September 1962 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technische Intelligenz (gemäß der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen oder ihnen gleichgestellten Betrieben – AVItech-VO – vom 17. August 1950 [DDR-GBl. I S. 844]; Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes [AAÜG]) und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellen muss.

Der 1939 geborene Kläger erlangte die Berechtigung, die Berufsbezeichnungen „Ingenieur“ (1962) und „Transportingenieur“ (1970) zu führen. 1986 wurde ihm die Ehrenbezeichnung „Oberingenieur“ zuerkannt. In der DDR war der Kläger zuletzt bis zum 30. Juni 1990 als Leiter des Büros des Generaldirektors im VEB Kombinat Sch Berlin beschäftigt.

Den Antrag des Klägers auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 3. September 1962 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 18. Dezember 2002 lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2004 mit der Begründung ab, der Kläger habe am 30. Juni 1990 keine ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt.

Mit der bei dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er hat neben Aufstellungen über seine Tätigkeiten von 1962 bis 1990 schriftliche Stellungnahmen des ehemaligen Generaldirektors des Kombinats G vom 15. November 2004 und des ehemaligen Betriebsdirektors im Kombinat M vom 27. Mai 2005 eingereicht.

Mit Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keine Versorgungsanwartschaft erlangt, weil die sachlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Der Kläger habe als Leiter des Büros des Generaldirektors keine ingenieurstechnisch geprägte Tätigkeit ausgeübt. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers sowie der von ihm vorgelegten Stellungnahmen sei die Funktion des Klägers im Kombinat als überwiegend organisatorische Betätigung zu qualifizieren.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Hierzu hat er Stellungnahmen des ehemaligen Chefkonstrukteurs und Direktors für Wissenschaft und Technik des Kombinats K vom 21. Juni 2007 und des ehemaligen Werkleiters des VEB W H vom 30. November 2007 eingereicht.

Der Kläger macht insbesondere geltend, er habe vorrangig Aufgaben zur produktionstechnischen Optimierung der Herstellungsprozesse von Ausrüstungen und kompletten Schienenfahrzeugen ausgeübt und sei demzufolge aktiv in den Produktionsprozess eingegliedert gewesen. Als Leiter des Büros des Generaldirektors seien ihm insgesamt fünf Mitarbeiter, nämlich zwei Ökonomen, zwei Sachbearbeiterinnen und ein ausgebildeter Physiker unterstellt gewesen. Er habe aber auch wichtige Funktionen außerhalb des Büros zu erfüllen gehabt, denn er sei oft wochenlang in den Betrieben vor Ort gewesen, um die prozesstechnischen Voraussetzungen, insbesondere in der Anpassung der Produktion an die neuen Erfordernisse sicher zu stellen. In dieser Zeit sei er in seiner Funktion als Büroleiter durch einen der beiden Ökonomen vertreten worden. Er sei ganz bewusst als Leiter des Büros eingesetzt worden, um seine ingenieurstechnische Kompetenz durchsetzen zu können. Es ging um Beschaffungsfragen, um Prozessoptimierung und um die termingerechte Durchführung von Exporten. Zusammenfassend führt er aus, dass er überwiegend mit prozesstechnischen Aufgaben vor Ort in den Produktionsstätten befasst gewesen sei und dort die prozesstechnische Abwicklung habe durchsetzen müssen. Er habe überwiegend diese ingenieursbezogene Funktion ausgeübt und nicht die Funktion eines Büroleiters.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Februar 2007 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Dezember 2003 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2004 zu verurteilen, die Zeit vom 3. September 1962 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit seiner Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Zum Tätigkeitsprofil des Klägers hätten jedenfalls überwiegend ökonomisch-verwaltende Aufgabenstellungen gehört, die keine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem rechtfertigten.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin eine Verpflichtung der Beklagten abgelehnt, die Beschäftigungszeit des Klägers als Zeit der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, denn der Kläger hat keinen dahingehenden Anspruch; der angegriffene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG) hat die Beklagte die Daten festzustellen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind, und sie dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilen. Zu diesen Daten gehören sowohl die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem (§ 5 AAÜG) als auch die hierbei tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben, so dass auch ein Anspruch auf einen solchen Verwaltungsakt besteht, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall.

Die in § 1 Abs. 1 AAÜG ausdrücklich genannten Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht, denn er war weder bei Inkrafttreten der Norm am 1. August 1991 Inhaber einer Versorgungsberechtigung noch in ein Versorgungssystem einbezogen und vor dem 1. Juli 1990 daraus ausgeschieden. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit.

Ein Anspruch des Klägers ergibt sich jedoch auch nicht aus der vom Bundessozialgericht (BSG) vorgenommenen erweiternden Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG. Danach ist anspruchsberechtigt, wer am 1. August 1991 aufgrund der bei Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen Umstände einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage erlangt hatte (BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 41/05 R, bei Juris). Dieser Anspruch hängt im Bereich der zusätzlichen Altersversorgung der technische Intelligenz gemäß § 1 AVItech-VO und § 1 Abs. 1 der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) zur AVItech-VO vom 24. Mai 1951 (GBl. S. 487) von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab (vgl. BSG, Urteile vom 9. April 2002, B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6, und vom 10. April 2002, B 4 RA 10/02 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 5): Generell war dieses System eingerichtet für

(1) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und

(2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar

(3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens.

Vorliegend stehen nur die sachlichen Voraussetzungen im Streit: Der Kläger darf die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ führen. Auch handelt es sich bei dem VEB Kombinat Sch Berlin um einen volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie. Die ihm angegliederten Kombinate waren laut der von der Beklagten geführten Betriebsliste „Vorhandene Unterlagen“ dem Industrieministerium der DDR unterstellt. Nachdem das Bundessozialgericht seine Rechtsprechung zur „leeren Hülle“ aufgegeben hat (Urteile vom 19. Oktober 2010, B 5 RS 4/90 R, B 5 RS 2/08 R, B 5 RS 5/09 R, B 5 RS 3/09 R) besteht auch kein Anlass mehr, davon auszugehen, dass der Betrieb vor dem 1. Juli 1990 seine Fähigkeit verloren hat, sich weiterhin als Wirtschaftssubjekt zu betätigen und seine Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.

Wie sich aus der "Präambel" der AVItech-VO ergibt, sollten in das Versorgungssystem grundsätzlich nur solche Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer "technischen" Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion, förderten (so BSG, Urteil vom 31. März 2004, B 4 RA 31/03 R, bei Juris).

Das Sozialgericht hat überzeugend herausgearbeitet, dass der Kläger am Stichtag eine überwiegend organisatorisch geprägte Tätigkeit verrichtete. Denn nach seinen Angaben war er dafür verantwortlich, dass die Produktion durch Optimierung ihrer Prozesse, durch Sicherung von Zulieferungen, Sicherung des Transports und Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen gewährleistet war. Dies wird durch die Stellungnahme des ehemaligen Generaldirektors G vom 15. November 2004 bestätigt, wonach der Kläger eingesetzt wurde, um mit der Autorität seiner Funktion und seinen ingenieurtechnischen und produktionsspezifischen Kompetenzen in Zusammenarbeit mit den zuständigen Werkdirektoren Engpässe für den Stammbetrieb und die anderen Kombinatsbetriebe zu beseitigen. Auch der ehemalige Betriebsdirektor M hat in seiner Stellungnahme vom 27. Mai 2005 betont, dass der Kläger in der seinerzeit sehr schwierigen Situation der Produktionsabwicklung mit der Sicherstellung der Zulieferung, Qualitätssicherung und Terminsicherung befasst war.

Andere Aspekte haben sich auch im Berufungsverfahren nicht ergeben. Nach der Stellungnahme des Direktors für Wissenschaft und Technik K vom 21. Juni 2007 war der Kläger zum Leiter des Büros des Generaldirektors mit der Maßgabe berufen worden, die Produktionsvorhaben zu steuern. Ihm kam die Aufgabe der Analyse der Produktionsprozesse mit den dazu gehörenden Einflussfaktoren wie technischer Vorbereitung, Materialversorgung mit operativer Beseitigung von fehlenden Zulieferungen und durchgängiger Qualitätssicherung zu. Hiermit übereinstimmend hat der ehemalige Werkleiter des VEB W H in seiner Stellungnahme vom 30. November 2007 ausgeführt, dass mit der Berufung des Klägers zum Leiter des Büros des Generaldirektors das Ziel verfolgt wurde, dessen allseitig anerkannte Autorität sowie dessen detaillierten Kenntnisse zur Prozesssicherung und Produktivitätssteigerung zu nutzen. Insbesondere sollten die notwendigen Zulieferungen durch Sachverstand und operativen Einsatz vor Ort erhalten und immer wieder neu gesichert werden. Ferner leitete der Kläger die kombinatsübergreifende Arbeitsgruppe Transportrationalisierung/Logistik. Auch der Kläger hat betont, dass es bei seiner Tätigkeit um Beschaffungsfragen, Prozessoptimierung und die termingerechte Durchführung von Exporten gegangen sei. Insgesamt bieten nach der Überzeugung des Senats diese Beschreibungen das Bild einer mehr ökonomisch-verwaltenden als ingenieurstechnischen Tätigkeit des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.