Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 12 O 231/12


Metadaten

Gericht LG Frankfurt (Oder) 2. Zivilkammer Entscheidungsdatum 09.04.2013
Aktenzeichen 12 O 231/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger aus dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsscheinnummer: xxx wegen der aus dem Schadensereignis vom 17.06.2011 (Schadensnummer der Beklagten: 92-AH xxxx) entstandenen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche vollumfänglich Versicherungsschutz zu gewähren hat.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 546,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. September 2012 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Einstandspflicht der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Klägers aus einem Ereignis vom 17. Juni 2011.

Zwischen den Parteien besteht unter dem Versicherungsschein Nr. xxx eine Allgemeine Haftpflichtversicherung, der die allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen der Beklagten AHB 2008 zugrunde liegen. Über seinen Versicherungsmakler zeigte der Kläger mit Schreiben vom 23. Juni 2011 gegenüber der Beklagten das Schadensereignis an. In der anliegenden Ereignisschilderung schrieb der Kläger, er habe sich eine Kettensäge geholt, um eine Baumkrone abzusägen. Als sich diese zu ihm gedreht habe, habe er „Vorsicht“ gerufen und versucht, der Krone auszuweichen. Er habe bemerkt, dass eine Hand in Richtung der Baumkrone gegangen sei und habe gesehen, wie sich der Zeuge Mxxx den Arm gehalten und geblutet habe. Wegen des genauen Wortlauts der Schilderung wird auf Blatt 24 d. A. verwiesen. Gegenüber der Beklagten gab der Zeuge Mxxx auf einem Fragebogen vom 27. Juni 2011 an, er habe sich während der Verabschiedung beim Besuch der Schwiegereltern eine Schaufel genommen. Der Kläger habe eine Baumkrone absägen wollen. Der Baum sei schräg gewachsen, so dass nicht damit zu rechnen gewesen sei, die Krone werde ihm und dem Kläger beim Abschneiden entgegenkommen. Der Zeuge vermutet, durch den Schnitt sei die Krone kurz abgesackt, was den Kläger zum reflexartigen Zurückziehen der Kette veranlasst habe. Der Zeuge habe seinen Arm hochgerissen, mehr habe er nicht gesehen, alles sei so schnell gegangen. Mit weiterem Schreiben vom 9. Januar 2012 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, er habe die Baumkrone absägen wollen, wobei sie entgegengesetzt der eigentlichen Fallrichtung gefallen sei. Der Zeuge Mxxx habe sich zu diesem Zeitpunkt links hinter ihm aufgehalten und Sand in einen Container geschüppt. Wegen des genauen Wortlautes des vom Zeugen Mxxx ausgefüllten Fragebogens sowie des klägerischen Schreibens vom 9. Januar 2012 wird auf Blatt 84 bis 86 d. A. verwiesen.

Mit Schreiben vom 9. Februar 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, für den Haftpflichtschaden vom 17. Juni 2011 keinen Versicherungsschutz zu gewähren, weil der Kläger vorsätzlich nicht den richtigen Schadenshergang mitgeteilt habe. Mit Schreiben vom 27. Juni 2012 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Beklagte und wies auf deren Einstandspflicht hin. Mit Kostennote vom 23. Juli 2012 berechnete er dem Kläger gegenüber vom einem Gegenstandswert von 6.000,00 € ausgehend seine vorprozessuale Tätigkeit in Höhe von 546,69 €. Er legte hierbei eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV zugrunde. Der Zeuge Mxxx bezifferte Schadensersatzansprüche oder Schmerzensgeldansprüche gegenüber dem Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch nicht, konsultierte indes bereits einen Anwalt.

Der Kläger behauptet, der Schaden habe sich ereignet, nachdem er begonnen habe, mit der Kettensäge eine Baumkrone abzusägen. Diese sei ihm beim Sägevorgang entgegengekommen. Beim Ausweichmanöver habe er bemerkt, dass der Zeuge Mxxx die Baumkrone mit der Hand habe abfangen wollen. Hierbei sei die Hand gegen die laufende Kettensäge gekommen. Es seien Adern, Hauptschlagadern sowie die Sehnen um das linke Handgelenk des Zeugen durchtrennt worden.

Mit der am 28. September 2012 zugestellten Klage beantragt der Kläger:

wie zuerkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, mangels Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Zeugen gegenüber dem Kläger läge bereits ein Versicherungsfall nicht vor.

Das Gericht hat zum klägerseits behaupteten Schadensereignis Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Mxxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung. Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf deren zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere liegt das gemäß § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse vor. Die Parteien streiten um die versicherungsrechtliche Einstandspflicht der Beklagten. Die Beklagte hat ihre Leistungsverpflichtung endgültig abgelehnt. Eine Bezifferung seines vertraglichen Anspruches ist dem Kläger mangels Inanspruchnahme durch den Zeugen auf einen bestimmten Schadensersatzbetrag gegenwärtig noch nicht möglich.

Der Feststellungsantrag ist aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag begründet. Ein Versicherungsfall liegt vor, ohne dass hierzu die konkrete Inanspruchnahme des Klägers durch den Zeugen Mxxx auf Zahlung eines bestimmten Betrages erforderlich ist. Gemäß Nr. 1.1 AHB 2008 ist hierzu u.a. ein eingetretenes Schadensereignis sowie die Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers durch einen Dritten Voraussetzung. Der Versicherungsfall als solcher wird seitens der Beklagten nicht bestritten. Sie beruft sich zu ihrer Leistungsfreiheit allein auf eine Obliegenheitsverletzung des Klägers bei der ihr gegenüber erfolgten Schadensanzeige.

Darüber hinaus liegen die Voraussetzungen der Anspruchserhebung durch den Zeugen Mxxx gegenüber dem Kläger im Sinne der Nr. 1.1 AHB 2008 vor. Hierzu genügt jede ernstliche Erklärung des Dritten gegenüber dem ´Versicherungsnehmer, aus der sich ergibt, dass der Dritte Ansprüche zu haben glaubt und diese verfolgen wird. Dies ist insbesondere im Falle ernsthaften Inaussichtstellens von Ersatzansprüchen gegeben (vgl. Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl. Nr. 1 AHB 2008, Rnr. 46; § 100 VVG, Rn. 14; OLG Hamm, VersR 78, 809). Hiervon ist das Gericht nach der Beweisaufnahme überzeugt. Der Zeuge Mxxx hat glaubhaft bekundet, bereits einen Rechtsanwalt zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Kläger eingeschaltet zu haben. Nachdem die letzte ärztliche Stellungnahme zum Grad seiner bleibenden Erwerbsminderung vorliegen werde, werde durch anwaltliches Schreiben der Anspruch konkret geltend gemacht. Hinweise, die das Gericht an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zweifeln ließen, sind nicht gegeben.

Darüber hinaus hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 09. Februar 2012 gegenüber dem Kläger endgültig erklärt, Versicherungsschutz nicht zu gewähren, weil dieser vorsätzlich nicht den richtigen Schadenshergang mitgeteilt habe. Wenn aber die Beklagte ihre Entscheidung bereits getroffen hat, so ist der Kläger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht gehalten, zur Klärung der Einstandspflicht der Beklagten die konkrete Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Zeugen Mxxx im Klagewege abzuwarten.

Eine Leistungsbefreiung der Beklagten gemäß Nr. 26. 2 AHB 2008 i. V. m. § 28 Abs. 2 VVG ist nicht eingetreten. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten wahrheitsgemäße Schadensberichte (Nr. 25.2 AHB 2008) mitgeteilt. Der Beklagten ist allein zuzugeben, dass die Berichte des Klägers vom 23. Juni 2011 und vom 09. Januar 2012 sowie die Schadensschilderung des Zeugen Mxxx mit Fragebogen vom 27. Juni 2011 nicht in jeder Einzelheit übereinstimmen.

Auch insofern deckte sich indes der Kernbereich der Schilderungen, wonach beim Absägen einer Baumkrone mit Hilfe einer Kettensäge der Arm des Zeugen Mxxx infolge des Absackens der Krone verletzt wurde. Inhaltliche Widersprüche zwischen den drei Stellungnahmen sind nicht zu erkennen. Es handelt sich vielmehr um zusätzliche Ergänzungen. Der Zeuge Mxxx hat darüber hinaus im Rahmen seiner gerichtlichen Vernehmung glaubhaft bekundet, dass sich das Schadensereignis, so wie bereits schriftlich angezeigt, ereignet hat. Der Zeuge habe Kies in den Container geschippt und sich dann während des Abschneidens der Baumkrone durch den Kläger zum Baum gestellt. Als der Schnitt mit der Säge geführt worden sei, sei die Baumkrone wahrscheinlich schon vor der erfolgten Durchtrennung des Stammes abgesackt. Der Zeuge geht davon aus, der Kläger habe die Säge reflexartig zurückgezogen und hierbei den linken, nach vorne gestreckten Arm des Zeugen am Handgelenk verletzt. Die Bekundungen des Zeugen sind plausibel, in sich verständlich und nachvollziehbar. Ob und in welchem Umfang der Baum eine Neigung aufwies und in welcher Richtung der Schnitt der Säge geführt wurde, ist für die Überzeugungsbildung des Gerichts nicht von entscheidender Bedeutung. Unabhängig von Baumneigung und Schnittführung entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich Baumkronen beim Sägevorgang bereits zu einem Zeitpunkt bewegen, zu dem das vollständige Durchtrennen des Stammes noch nicht erfolgt ist. Ebenso entspricht es der Lebenserfahrung, dass im Zuge einer solchen Bewegung die Kontrolle über das Sagewerkzeug verlorengehen kann. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu ist nicht erforderlicher. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen sind nicht veranlasst. Nach alledem besteht kein Anlass, die mündliche Verhandlung auf den Schriftsatz der Beklagtenseite vom 7. Februar 2013 wiederzueröffnen.

Gemäß §§ 286 Abs. 1, 2 Nr. 3; 280 Abs. 1, 2 BGB hat der Kläger gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung seiner vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten. Ohne dass es einer Mahnung bedurfte, befand sich die Beklagte mit endgültiger und ersthafter Ablehnung ihrer Einstandspflicht mit Schreiben vom 9. Februar 2012 in Verzug. Ausgehend von sachgerecht ermittelten Gegenstandswert in Höhe von 6.000,00 € ist die Anspruchshöhe mit einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2003 VV sowie der Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 2007 VV auf brutto 546,69 € zutreffend berechnet. Selbst wenn der Kläger gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten diese Rechnung noch nicht ausgeglichen haben sollte, wäre sein ursprünglich auf Freistellung gerichteter Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten gemäß § 250 Satz 2 BGB zwischenzeitlich in einen Zahlungsanspruch übergegangen, ohne dass es einer vorherigen Fristsetzung bedurfte. Noch in der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte einen solchen Ersatzanspruch in Form des Freistellungsanspruches ernsthaft abgelehnt.

Die vorprozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 1, 711 ZPO.

Der Gebührenstreitwert für die I. Instanz wird auf 6.000,00 € festgesetzt.