Gericht | FG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 04.12.2014 | |
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Aktenzeichen | 10 K 10242/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 10. September 2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 4. November 2013 zu Gunsten der Klägerin für das Beitragsjahr 2008 Altersvorsorgezulage in Höhe von 539 € festzusetzen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin im Streitzeitraum, dem Beitragsjahr 2008, Anspruch auf Altersvorsorgezulage hat.
Die Klägerin schloss vor dem Streitzeitraum einen nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) zertifizierten Altersvorsorgevertrag bei der B… GmbH – Anbieter –.
Die Klägerin wurde mit Wirkung ab dem 1. Februar 2007 im Rahmen des Vorbereitungsdienstes für das Lehramt in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen. Dieses Beamtenverhältnis endete am 19. Dezember 2008 mit der Aushändigung des Prüfungszeugnisses. In der Zeit nach Aushändigung des Prüfungszeugnisses bis zum 31. Dezember 2008 ging die Klägerin keiner Beschäftigung nach. Für das gesamte Jahr 2008 wurde sie beim zuständigen Rentenversicherungsträger nachversichert.
Das Landesamt Baden-Württemberg - Besoldungsstelle - stellte am 6. Februar 2009 der Klägerin eine Nachversicherungsbescheinigung gemäß § 8 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) aus. Die Durchführung der Nachversicherung wurde der Klägerin zudem von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg unter dem 4. März 2009 mitgeteilt.
Die Beklagte zahlte an die Klägerin zwar zunächst antragsgemäß für das Beitragsjahr 2008 Altersvorsorgezulage in Höhe von 539 € (354 € Grundzulage und 185 € Kinderzulage) auf deren Altersvorsorgevertrag aus, forderte sie jedoch später wieder zurück. Mit Bescheid vom 10. September 2012 lehnte sie die Festsetzung einer Altersvorsorgezulage für das Streitjahr ab, weil die Klägerin als Beamtin gegenüber der zuständigen Besoldungsstelle nicht fristgemäß eine Einwilligung zur Übermittlung der erforderlichen Daten gemäß § 10a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) – Einwilligungserklärung – gegenüber ihrer Besoldungsstelle abgegeben habe.
Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, sie habe schon langjährig seit 2010 im Kontakt mit der Beklagten gestanden. In 2010 sei eine Überprüfung durch die Beklagte erfolgt. Diese habe bereits seinerzeit das Fehlen von Erklärungen bemerken und ihr, der Klägerin, mitteilen müssen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 4. November 2013 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe am 8. März 2009 die Gewährung von Altersvorsorgezulage für das Beitragsjahr 2008 beantragt gehabt. In dem vom Anbieter per Datensatz übermittelten Antrag sei nicht angegeben gewesen, dass die Klägerin zum Personenkreis der Beamten gehört habe. Vielmehr sei mitgeteilt worden, dass eine unmittelbare Zulageberechtigung wegen Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe. Dies habe sich als unzutreffend herausgestellt. Als Beamtin habe die Klägerin eine Einwilligungserklärung für das Beitragsjahr 2008 bis zum 31. Dezember 2010 gegenüber ihrer Besoldungsstelle abgeben müssen, was sie nicht getan habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden sei. Bei der Beurteilung der Zulageberechtigung sei eine veranlagungsbezogene Betrachtungsweise vorzunehmen. Die persönlichen Voraussetzungen müssten wenigstens während eines Teils des Beitragsjahres auch tatsächlich vorliegen. Dies gelte jedenfalls im Streitfall, wo die Klägerin während des Nachversicherungszeitraumes in Wirklichkeit Besoldungsbezüge erhalten habe. Diese Besoldungsbezüge seien gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG auch für die Berechnung des Mindesteigenbeitrages herangezogen worden.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Festsetzung der Altersvorsorgezulage im Umfang der vormaligen Auszahlung.
Sie sei auch 2008 als in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherte Person zulageberechtigt gewesen. Nach Beendigung ihres Vorbereitungsdienstes mit Bestehen der Abschlussprüfung am 19. Dezember 2008 sei sie danach bis zum 31. Dezember 2008 arbeitsuchend gewesen. Die Nachversicherung sei erfolgt, weil sie als Beamtin auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versicherungsfrei gewesen sei. Als Nachversicherte stehe sie einer versicherungspflichtigen Person gleich. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – werde durch die Nachversicherung ein neues Versicherungsverhältnis eigener Art begründet, und zwar nachträglich nach dem Ende der versicherungsfreien Tätigkeit. Als Folge der Nachversicherung habe sie, die Klägerin, zum Ende des Beitragsjahres 2008 am 31. Dezember 2008 ebenfalls zum Kreis der Begünstigten gemäß § 10a Abs. 1 EStG gehört. Für die Zulageberechtigung sei es ausreichend, wenn die persönlichen Voraussetzungen während eines Teiles des Beitragsjahres vorgelegen hätten. Im sozialrechtlichen Sinne liege ein Ausscheiden bei tatsächlicher Beendigung des die Versicherungsfreiheit begründenden Beschäftigungsverhältnisses vor. Da das Nachversicherungsverhältnis bereits mit dem Vorliegen der für die Nachversicherung maßgeblichen Voraussetzungen entstehe, sei es hier unerheblich, dass die am 19. Dezember 2008 eingetretene Arbeitslosigkeit der Klägerin formal erst auf den 2. Januar 2009 bescheinigt worden sei.
Daneben habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die Einwilligung gemäß § 10a Abs. 1 EStG nur bei denjenigen Personen erforderlich sei, die das gesamte Kalenderjahr ausschließlich Besoldungsempfänger gewesen seien. Außerdem gelte das Erfordernis der schriftlichen Einwilligung des Steuerpflichtigen in den elektronischen Datenaustausch erst ab 2010 und nur für den Sonderausgabenabzug der zusätzlichen Altersvorsorgeleistungen.
Unerfindlich sei es, weshalb sich die Beklagte trotz häufigen Schriftverkehrs nicht veranlasst gesehen habe, auf die fehlende Einwilligungserklärung hinzuweisen. Im Rahmen eines persönlichen Besprechungstermins bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg Außenstelle D…, in dem die persönliche Lebenssituation der Klägerin umfassend erörtert worden sei, habe sie vielmehr bestätigt, dass alles in Ordnung sei.
Soweit ihr, der Klägerin, Arbeitslosigkeit erst ab dem 2. Januar 2009 bescheinigt worden sei, hänge dies damit zusammen, dass sie am Freitag, dem 19. Dezember 2008, die zuständige Arbeitsagentur in E… nicht mehr rechtzeitig vor deren Schließung erreicht gehabt habe, um sich arbeitslos zu melden. Zwischen Weihnachten und Neujahr sei ihr, der Klägerin, dann kein weiterer Besuch mehr möglich gewesen.
Die Klägerin beantragt:
1. Der ablehnende Bescheid für das Beitragsjahr 2008 vom 10. September 2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 8. November 2013 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die beantragte Altersvorsorgezulage für das Beitragsjahr 2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Nachversicherungszeitraum zeige, dass bis einschließlich 31. Dezember 2008 Versicherungsfreiheit für eine an sich versicherungspflichtige Beschäftigung vorgelegen habe. Das Nachversicherungsverhältnis habe erst nachträglich nach dem Ende der Beschäftigung entstehen können. Maßgeblich für die Beklagte sei zudem gemäß § 14 Altersvorsorge-Durchführungsverordnung – AltvDV – die Angabe des zuständigen Sozialversicherungsträgers zur Rentenversicherungspflicht, um die Zulageberechtigung festzustellen. Die Beurteilung der Frage, ob die Nachversicherung rechtmäßig durchgeführt worden und ob insbesondere das Ende des Nachversicherungszeitraumes zutreffend sei, obliege ihr nicht.
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung in ihren Rechten verletzt, da dieser rechtswidrig ist, § 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Festsetzung von Altersvorsorgezulagen für das Beitragsjahr 2008, da sie jedenfalls infolge ihrer Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Streitjahr 2008 den Status einer in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten hatte und dies genügt, um zum für eine Altersvorsorgezulage anspruchsberechtigten Personenkreis zu gehören.
Gemäß § 79 Satz 1 EStG haben die in § 10a Abs. 1 EStG genannten Personen einen unmittelbaren Anspruch auf Altersvorsorgezulage. Nach § 10a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG gehören zur diesem Personenkreis u.a. die in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten. Dies war auch die Klägerin angesichts ihrer für das Streitjahr erfolgten Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, wie sich aus den bei den Akten befindlichen Bestätigungen und Versicherungsverläufen ergibt.
Der Auffassung der Beklagten, auf die Nachversicherung könne nicht abgestellt werden, weil die tatsächlichen Verhältnisse im maßgeblichen Beitragsjahr maßgebend seien, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Eine solche Einschränkung enthält die Vorschrift des § 10a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG nicht.
In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass diejenigen Umstände, auf die es für die Entscheidung der Frage ankommt, ob die Klägerin zum begünstigten Personenkreis der Zulageberechtigten gehörte, nicht die des Jahres 2007, sondern die des Jahres 2008 sind. Soweit in § 86 Abs. 1 EStG auf die im dem Zulagejahr vorangegangenen Kalenderjahr bezogenen Einnahmen etc. abgestellt wird, gilt dies lediglich für die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Mindesteigenbeitrages, den ein Zulagenberechtigter zu leisten hat, um die maximale Zulage beziehen zu können. Gerade dass der Gesetzgeber den Rückgriff auf das vorangegangene Kalenderjahr in einem konkreten Falle ausdrücklich angeordnet hat, zeigt nach Auffassung des Senates, dass dies allein für diesen Fall gilt und es im Übrigen bei den zugrunde zu legenden Umständen im jeweiligen Beitragsjahr bleibt, die maßgeblich u.a. der Beurteilung der Frage zugrunde zu legen sind, ob eine Zugehörigkeit zum zulageberechtigten Personenkreis besteht.
Dass auch Nachversicherte zum zulageberechtigten Personenkreis im Sinne von § 10a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG gehören, ergibt sich bereits aus dessen Wortlaut. Die Formulierung „in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte“ lässt sich zwanglos so verstehen, dass alle diejenigen Altersvorsorgesparer erfasst werden, welche nach sozialrechtlichen Vorschriften rentenversicherungspflichtig sind. Dazu gehören auch Nachversicherte, denn § 8 Abs. 1 SGB VI regelt nicht nur, dass auch nachversicherte Personen im Sinne in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, sondern auch, dass diese den Personen gleich stehen, die versicherungspflichtig sind, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Im Sechsten Titel des SGB VI unter der Überschrift „Nachversicherung“ wird die Gleichstellung der Nachversicherten mit gemäß den §§ 1-4 SGB VI Pflichtversicherten nochmals herausgestellt, indem § 185 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bestimmt, dass die im Rahmen der Nachversicherung gezahlten Beiträge als rechtzeitig gezahlte Pflichtbeiträge gelten.
Dass § 10a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG eine von den Sozialversicherungsgesetzen abweichende Regelung hinsichtlich des Personenkreises enthält, wer im Rahmen der Altersvorsorgezulage zu den anspruchsberechtigten Personen gehören soll, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass die Zulageförderung ausdrücklich geschaffen wurde, um die Bildung von Vermögen zur Vorsorge im Alter im Hinblick auf Einschränkungen durch Kürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung abzufedern (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/4595, S. 62 Zu Nummer 4 Allgemeines; BFH, Urteil vom 21. Juli 2009 X R 33/07, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2009, 995), geradezu dafür, Versicherungspflicht in § 10a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG im Sinne der rentenrechtlichen Regelungen zu verstehen, da die Nachversicherung dazu dient, aus einer versicherungsfreien Tätigkeit ohne Anspruch auf Altersversorgung Ausscheidenden einen Anspruch auf eine Rentenanwartschaft zu geben, § 8 Abs. 2 SGB VI, und die so Versicherten ebenfalls von der künftigen Kürzung in der Rentenversicherung betroffen sein werden.
Gegen die vom Senat vorgenommene Auslegung des § 10a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG spricht nicht das im Einkommensteuerrecht bestehende Prinzip der Abschnittsbesteuerung, indem §§ 2 Abs. 7 Satz 1, 36 Abs. 1 EStG bestimmt, dass die Einkommensteuer eine Jahressteuer ist. Dies steht der Berücksichtigung von Umständen, die außerhalb des Veranlagungsjahres/Beitragsjahres liegen, nicht entgegen, wie beispielhaft bei der Gewinnerzielungsabsicht zu sehen ist, die häufig nur bei Heranziehung von tatsächlichen Umständen hinreichend zuverlässig beurteilt werden kann, die außerhalb des eigentlichen Veranlagungszeitraumes liegen.
Gegen die Einbeziehung von Nachversicherten in den begünstigten Personenkreis des § 10a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG kann weiterhin nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass dann unter Umständen im Hinblick auf Aufschubtatbestände, § 184 SGB VI, erst weit nach Ablauf des Beitragsjahres, für welches die Zulage gezahlt werden soll, festgestellt werden kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulageberechtigung erfüllt werden. Derartige Schwebezustände nimmt der Gesetzgeber bei der Feststellung, ob ein Altersvorsorgesparer nun zum zulageberechtigten Personenkreis gehört oder nicht, an anderer Stelle selbst in Kauf. So kann die Einwilligung nach § 10a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz EStG bis zu zwei Jahre nach Ablauf des Beitragsjahres erteilt werden, sodass im Extremfall erst nach mehr als zwei Jahren feststeht, ob ein Sparer im Sinne der § 10a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz EStG zulageberechtigt ist oder nicht. Darin wird gleichfalls deutlich, dass die Berücksichtigung von Umständen außerhalb des Beitragsjahres nach der gesetzlichen Konzeption nicht ausgeschlossen ist.
Die vom Senat angenommene Gesetzesauslegung ist zudem massenverfahrenstauglich. Die Nachversicherung wird, wie auch im Streitfall, vom zuständigen Rentenversicherungsträger vorgenommen, mit dem die Beklagte ohnehin (elektronisch) kommuniziert, vgl. § 14 Abs. 1 AltvDV. Von dort können ebenfalls die erforderlichen Daten für die Zulageberechnung /-festsetzung erlangt werden, wie dies auch bei den sonstigen nach § 10a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG Begünstigten vorgesehen ist, § 14 Abs. 1 AltvDV.
Nicht entgegen steht dem Altersvorsorgezulage-Anspruch der Klägerin der Umstand, dass sie im Beitragsjahr 2008 auch die Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Nr. 1 EStG erfüllte, weil sie im gesamten Jahr 2008 Besoldungsempfängerin war. Soweit das Beamtenverhältnis bestand, also bis zum 19. Dezember 2008, ist dies offensichtlich und bedarf keiner weiteren Ausführung. Für den restlichen Monat Dezember 2008 ergibt sich dies aus § 60 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG), der solange auch für baden-württembergische Landesbeamte galt, bis er ab dem 1. Januar 2011 vom Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg (LBesGBW) (verkündet als Artikel 2 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Dienstrechtsreformgesetz – DRG –)) vom 9. November 2010, Gesetzblatt – GBl. – 2010, 793) abgelöst wurde, § 86 BBesG in der für das Streitjahr 2008 geltenden Fassung. § 60 BBesG bestimmte, ebenso wie inzwischen § 80 LBesGBW, dass im Falle der Beendigung des Beamtenverhältnisses eines Anwärters mit Bestehen einer für eine Laufbahn vorgeschriebenen Prüfung dem Anwärter, hier also der Klägerin, für die Zeit nach Ablegung der Prüfung bis zum Ende des laufenden Monats die Bezüge weitergewährt werden.
Dass die Klägerin demnach im gesamten Beitragsjahr 2008 Besoldungsempfängerin im Sinne des § 10a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Nr. 1 EStG war und dennoch nicht die nach der genannten Vorschrift erforderliche Einwilligungserklärung gegenüber der seinerzeit für sie zuständigen Besoldungsstelle erteilt hat, führt nun nicht dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum zulageberechtigten Personenkreis im Sinne von § 10a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG gehörte oder zumindest der danach bestehende Zulageanspruch verdrängt wurde.
Einer solchen Annahme steht jedenfalls die Systematik des Gesetzes entgegen, unabhängig davon, dass nach allgemeinen Regeln es im Normalfall genügt, dass ein Steuerpflichtiger/Altersvorsorgesparer für den Erhalt der von ihm angestrebten Vergünstigung bei mehreren alternativ bestehenden Anspruchsvoraussetzungen, z.B. für den Kindergeldbezug, § 32 Abs. 4 EStG, nur eine einzige erfüllen muss, um das Begehrte zu erhalten. Denn schon aus dem Wortlaut des § 10a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Nr. 1 EStG wird hinreichend deutlich, dass mit dieser Regelung der Kreis der Zulageberechtigten erweitert und nicht eingeschränkt werden sollte, heißt es doch eingangs des § 10a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Nr. 1 EStG „das Gleiche gilt für …“. In Verbindung mit § 79 Satz 1 EStG lässt sich daraus nur die Schlussfolgerung ziehen, dass nicht nur der von § 10a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG erfasste Personenkreis einen Zulageanspruch haben sollte, sondern zusätzlich die regelmäßig nicht die Voraussetzung des § 10a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG erfüllenden Altersvorsorgesparer, die aber dann den in § 10a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Nr. 1 EStG aufgestellten weiteren gesetzlichen Merkmale genügen mussten. Zudem war der Gesetzgeber mit der Einführung der Begünstigung des in § 10a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Nr. 1 EStG genannten Personenkreises mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (Bundesgesetzblatt – BGBl. – 2001, 3926) bestrebt, insbesondere auch den Beamten die gesetzliche Förderung einer privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge angedeihen zu lassen, nachdem für diesen Personenkreis eine entsprechende wirkungsgleiche Absenkung der Versorgung, wie in der gesetzlichen Rentenversicherung, vorgesehen war (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/7223, Buchstabe A und B).
Schließlich steht der vom erkennenden Gericht vorgenommenen Auslegung nicht entgegen, dass in § 14 AltvDV für die Beklagte in bestimmten Fällen vorgesehen ist, dass sie auf Angaben des zuständigen Sozialversicherungsträgers zurückzugreifen hat. Dies gilt nach dem Verordnungswortlaut für den Nachweis der Rentenversicherungspflicht oder für die Berechnung des Mindesteigenbeitrages. Dies schließt es nach Auffassung des Senates nicht aus, Mitteilungen des zuständigen Rentenversicherungsträgers über eine Nachversicherung zu berücksichtigen, einmal abgesehen davon, dass selbst in § 14 Abs. 1 AltvDV vorgesehen ist, im Festsetzungsverfahren dem Zulageberechtigten Gelegenheit zur Klärung beim Sozialversicherungsträger zu geben.
Ist nach alledem die Klage bereits begründet, kommt es auf die Frage, ob etwa Wiedereinsetzung zu gewähren ist und auf die übrigen, von der Klägerin und der Beklagten vorgetragen Erwägungen nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO), 151 FGO.
Die Zulassung der Revision beruht auf dem Umstand, dass der Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommt.