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Entscheidung 4 U 40/09


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Zivilsenat Entscheidungsdatum 19.01.2011
Aktenzeichen 4 U 40/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 03.03.2010 wird teilweise aufgehoben und unter Aufrechterhaltung im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 19.02.2009 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin 18.914,34 € nebst 4 % Zinsen aus 9.900,95 € sowie weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 901,92 € jeweils seit dem 24.03.2007 zu zahlen.

2. die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.520,82 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz im Zusammenhang mit der Vermittlung zweier Kapitalanlagen in Anspruch.

Wegen des Sachverhalts wird auf das Urteil des Senats vom 03.03.2010 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 03.03.2010 hat der Senat den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 19.02.2009 verurteilt, an die Klägerin 18.914,34 € nebst 4 % Zinsen aus 9.900,95 € sowie weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 901,92 € jeweils seit dem 24.03.2007 zu zahlen, allerdings nur Zug um Zug gegen Übertragung der beiden mit Erklärungen vom 16.08./29.08.1994 vereinbarten Beteiligungen der Klägerin an der S… AG (vormals G… AG) auf den Beklagten. Der Senat hat darüber hinaus dem Antrag der Klägerin auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen, sowie die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen unter Ziff. II. des Urteils vom 03.03.2010 Bezug genommen.

Gegen dieses, ihr am 25.03.2010 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 08.04.2010 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Gehörsrüge, die sie darauf stützt, der Senat habe weder mündlich, noch schriftlich einen Hinweis darauf erteilt, dass eine Zug-um-Zug-Verurteilung in Betracht komme. In der Sache sei die Zug-um-Zug-Verurteilung auch zu Unrecht erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

auf ihre Anhörungsrüge,

das Urteil vom 03.03.2010 dahin zu fassen, dass der in Ziffer 1 des Tenors enthaltene Zusatz von " Zug um Zug gegen Übertragung" bis "auf den Beklagten" entfällt,

hilfsweise

a) das Urteil vom 03.03.2010 dahin zu fassen, dass der in Ziffer 1 des Tenors enthaltene Zusatz von " Zug um Zug gegen Übertragung" bis "auf den Beklagten" ersetzt wird durch die Worte, "Zug um Zug gegen die schriftliche Erklärung der Klägerin, die Ansprüche aus den beiden mit Erklärungen vom 16.08./29.08.1994 vereinbarten Beteiligungen der Klägerin an der S… AG (vormals G… AG), Vertragsnummer Nr. 129264, auf den Beklagten zu übertragen"

b) sowie den Tenor des Urteils vom 03.03.2010 durch die Ziffer 3. zu ergänzen wie folgt:

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte sich mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung im Verzug befindet.

Sie nimmt im Übrigen auf die unter Ziff. I. des Urteils vom 03.03.2010 (dort S. 8/9) wiedergegebenen Anträge Bezug.

Der Beklagte beantragt,

den Antrag der Klägerin vom 08. April 2010 sowie die Berufung der Klägerin gegen zurückzuweisen.

Er meint, die Gehörsrüge sei nicht rechtzeitig erhoben worden, da die Klägerin – wie der Beklagte – den Tenor des Urteils bereits mit Telefax vom 03.03.2010 erhalten habe.

Es sei auch unzutreffend, dass der Beklagte eine Zug-um-Zug-Verurteilung nicht geltend gemacht habe. Er habe immer wieder darauf gedrungen, dass die beiden Policen in die Vorteilsausgleichung fließen müssten. Im Übrigen ergebe sich das Zurückbehaltungsrecht hier aus § 255 BGB. Die Klägerin sei ausweislich ihres Schreibens vom 29.12.2004 auch selbst von einer Verpflichtung ausgegangen, die Beteiligung Zug um Zug zu übertragen. Eine Klageerweiterung auf die Feststellung des Annahmeverzuges sei im Verfahren der Gehörsrüge nicht möglich.

II.

Durch die gemäß § 321 a Abs. 1 und Abs. 2 ZPO zulässige und begründete Gehörsrüge der Klägerin ist der Rechtsstreit gemäß § 321 a Abs. 5 S. 2 ZPO in die Lage zurückversetzt worden, in der er sich vor Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. im vorliegenden Fall dem Ablauf der im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO gesetzten Schriftsatzfristen befand. In der Sache hat dies allerdings eine Aufhebung des Urteils vom 03.03.2010 nur insoweit zur Folge, wie danach die Zahlungsverpflichtung des Beklagten von einer Zug um Zug zu erfolgenden Übertragung der Beteiligungen der Klägerin an der S… AG (im Folgenden: S… AG) auf den Beklagten abhängig sein sollte.

1. Die Gehörsrüge der Klägerin ist zulässig.

Das Urteil des Senats vom 03.03.2010 war mit Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen nicht anfechtbar. Es handelte sich um ein Urteil im Berufungsverfahren, bei dem der Senat die Revision nicht zugelassen hatte und bei dem gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig war.

Die Klägerin war, soweit der Senat ihrem Antrag auf unbedingte Verurteilung nicht stattgegeben hatte, durch das Urteil auch beschwert.

Die Rüge ist schließlich fristgerecht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 321 a Abs. 2 S. 1 ZPO erhoben worden. Maßgeblich ist die Zustellung des Urteils in vollständiger Form an die Klägerin. Diese ist am 25.03.2010 erfolgt; der Schriftsatz vom 08.04.2010 ist per Telefax am selben Tag beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen.

2. Die Gehörsrüge ist auch begründet.

Die Klägerin macht zu Recht geltend, sie sei in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden.

Da sich etwas anderes weder aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2009, noch aus dem Urteil vom 03.03.2010 ergibt, ist davon auszugehen, dass der Senat die Klägerin nicht auf seine Auffassung hingewiesen hat, ihr stehe der (unbedingt) geltend gemachte Zahlungsanspruch nur Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Beteiligungen an der S… AG zu.

Eines solchen Hinweises hätte es jedoch gemäß § 139 Abs. 2 ZPO bedurft, wonach das Gericht auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat oder den es anders beurteilt als beide Parteien, seine Entscheidung nur stützen darf, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat.

Die mögliche Abhängigkeit des klägerseits geltend gemachten Zahlungsanspruchs von einer Zug-um-Zug-Leistung der Klägerin ist in der ersten Instanz weder von den Parteien, noch vom Landgericht (das dazu aufgrund seiner Auffassung, es fehle bereits an einer Pflichtverletzung, auch keinen Anlass hatte) ausdrücklich angesprochen worden. Im Berufungsverfahren findet sich ein Hinweis auf eine mögliche Zug-um-Zug-Leistung der Klägerin lediglich in dem vom Beklagten als Anlage B 24 zum Schriftsatz vom 09.12.2009 vorgelegten Antrag der Klägerin auf Einleitung des Güteverfahrens vom 20.12.2004 gerichtet an die Ö…. In diesem Antrag, d.h. vorgerichtlich und vor allem auch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Unternehmen der G… Gruppe im Jahr 2007, hatte die Klägerin eine Übertragung der Beteiligungen Zug um Zug gegen die Erstattung der Einlagen angeboten. Im Übrigen hat der Beklagte in der Berufungserwiderung lediglich geltend gemacht, dass die aus der Beteiligung nach dem Vortrag der Klägerin noch vorhandenen 23 % des Grundkapitals in die gesetzliche Vorteilsausgleichung einfließen müssten. Dieser Auffassung ist die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.11.2009 unter Hinweis auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaften der G… Gruppe und die völlige Ungewissheit einer Auszahlung auf die Insolvenzquote entgegen getreten. Angesichts dieses Vortrages der Parteien konnte die Klägerin – mit der Situation des § 139 Abs. 2 S. 2 ZPO jedenfalls vergleichbar - ohne einen gerichtsseitigen Hinweis davon ausgehen, dass der Senat gegen den Erfolg ihres unbedingten Zahlungsantrages keine Bedenken hätte.

Die danach festzustellende Gehörsverletzung war auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Senat im Falle einer Hinweiserteilung zu einer anderen, der Klägerin günstigeren, Entscheidung gekommen wäre, sei es dass die Klägerin auf einen Hinweis – wie nunmehr geschehen – die rechtlichen Grundlagen ihrer Rechtsauffassung verdeutlicht hätte oder sei es dass sie jedenfalls hilfsweise einen Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges gestellt hätte.

3. In der Sache verbleibt es – mit Abänderung in Bezug auf die Abhängigkeit der Zahlungsverpflichtung des Beklagten von einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung der Klägerin - bei der am 03.03.2010 getroffenen Entscheidung des Senats. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter II. des Urteils vom 03.03.2010 Bezug genommen.

a) Der Vortrag des Beklagten in dem - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 27.12.2010 gibt dem Senat weder in Bezug auf den konkludenten Abschluss eines Auskunftsvertrages zwischen den Parteien, noch in Bezug auf ein Mitverschulden der Klägerin Veranlassung, seine im Urteil vom 03.03.2010 dargelegte Sichtweise zu ändern. Insbesondere geht der Senat für das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages von denselben Voraussetzungen aus wie der BGH in der beklagtenseits in Bezug genommenen Entscheidung vom 13.06.2002 – Az.: III ZR 166/01. Die Möglichkeit eines Mitverschuldens der Klägerin – mehr als die Notwendigkeit, ein solches zu prüfen, ergibt sich aus dem Urteil des BGH vom 13.06.2002 nicht – hat der Senat in Betracht gezogen, aus den auf S. 20 des Urteils vom 03.03.2010 ausgeführten Gründen, auf die Bezug genommen wird, jedoch verneint.

b) Die Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz des der Klägerin entstandenen Schadens in Höhe von insgesamt 18.914,34 € nebst Zinsen ist allerdings – entgegen der in dem Urteil vom 03.03.2010 vertretenen Auffassung – nicht von einer Zug um Zug zu erfüllenden Pflicht der Klägerin zur Abtretung ihrer Beteiligungen an der S… AG abhängig.

Zwar kann ein Anleger, der einen Anspruch auf Schadensersatz gerichtet auf Rückabwicklung des Anlagegeschäfts gegen einen Prospekt- oder Vertriebsverantwortlichen geltend macht, grundsätzlich den Ersatz seines in dem angelegten Kapital liegenden Schadens nur geltend machen, wenn er im Gegenzug seine im Rahmen der Anlage erworbenen Beteiligungen an einer Gesellschaft (oder auch erworbenes Immobilieneigentum) an den Schädiger abtritt. Dies beruht auf dem dem allgemeinen Schadensersatzrecht innewohnenden Prinzip der Vorteilsausgleichung, welches bewirkt, dass die Schadensersatzpflicht des Schädigers nur gegen die Herausgabe derjenigen Vorteile erfüllt zu werden braucht, die mit dem schädigenden Ereignis in adäquatem Zusammenhang stehen. Der Schadensersatzanspruch ist von vornherein nur mit der Einschränkung begründet, dass gleichzeitig die Vorteile herausgegeben werden (vgl. nur: Brandenburgisches Oberlandesgericht Urteil vom 08.09.2010 – 4 U 64/10 - S. 9 unter 3.).

Ein von der Klägerin im Gegenzug zur Rückzahlung ihres Anlagekapitals herauszugebender Vorteil in Form von aus ihrer Beteiligung folgenden Rechten oder Ansprüchen besteht jedoch nicht mehr.

Die stillen Beteiligungen der Klägerin – dies gilt bei der atypisch stillen Beteiligung ebenso wie bei der "normalen" stillen Beteiligung – sind gemäß § 236 HGB (früher § 341 HGB) mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S… AG im Jahr 2007 beendet (vgl. dazu nur: BGHZ 51, 350, 352; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 7. Zivilsenat, Urteil vom 09.06.2004 – 7 U 212/03 – Rn. 17). Nach Beendigung der stillen Beteiligung steht dem stillen Gesellschafter aber allenfalls noch ein Anspruch auf Zahlung seines Auseinandersetzungsguthabens zu.

Auch dieser Anspruch besteht jedoch nicht mehr. Ein stiller Gesellschafter, der aufgrund eines Schadensersatzanspruches seine Einlage zurückfordert, kann einen Anspruch auf Zahlung eines (möglicherweise seine Einlage übersteigenden) Auseinandersetzungsguthabens nicht mehr geltend machen. Wenn er im Wege des Schadensersatzes so gestellt werden will, wie er stünde, wenn er den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen hätte, kann er nicht gleichzeitig den Vertrag als wirksam behandeln und sich die Möglichkeit offen halten, Vorteile aus dem Vertrag zu ziehen (BGH Urteil vom 21.03.2005 – II ZR 149/03 – Rn. 22). Nichts anderes gilt, wenn der stille Gesellschafter nicht das Unternehmen, an dem er sich als stiller Gesellschafter beteiligt hat, sondern einen Prospekt- oder (wie hier) Vertriebsverantwortlichen auf Rückzahlung seiner Einlage in Anspruch nimmt. Bestünde der Anspruch auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens nach einer entsprechenden Abtretung in der Person des Prospekt- oder Vertriebsverantwortlichen weiter, hätte dies zur Folge, dass es zu einer stärkeren Belastung des Unternehmens käme, als wenn es unmittelbar von dem stillen Gesellschafter in Anspruch genommen würde. Deshalb besteht nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH, der der Senat folgt, der Anspruch auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens auch dann nicht mehr, wenn der stille Gesellschafter seinen Anspruch auf Erstattung der Einlage gegenüber einem Prospekt – oder Vertriebsverantwortlichen geltend macht (BGH Beschlüsse vom 24.10.2005 und 19.12.2005 – II ZR 234/04; ebenso OLG Hamm Urteil vom 25.02.2010 – I-28 U 78/09, 28 U 78/09 – Rn. 72). Eine auf Abtretung der Rechte des stillen Gesellschafters gerichtete Zug-um-Zug-Verurteilung ginge deshalb ins Leere (BGH Beschluss vom 24.1.2005 – II ZR 234/03 – Rn. 4).

Dem Beklagten als Vermittler bleibt nur die Möglichkeit, sich im Wege eines Rückgriffs als Gesamtschuldner mit der Anlagegesellschaft auseinander zu setzen (BGH Beschluss vom 19.12.2005 – II ZR 234/04; OLG Bamberg Urteil vom 28.07.2009 – 5 U 9/08; Götte, DStR 2006, 244).

Die Nebenentscheidungen beruhen – entsprechend dem Urteil vom 03.03.2010 – auf §§ 91, Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Insbesondere liegt aus den unter 3. a) ausgeführten Gründen keine Abweichung von der Entscheidung des BGH vom 13.06.2002 – III ZR 166/01 – vor.