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Entscheidung 1 O 321/11


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 1. Zivilkammer Entscheidungsdatum 25.05.2012
Aktenzeichen 1 O 321/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 494,06 € nebst Zinsen in Höhe von. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2011 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von. 8.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2011 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 50 % zu ersetzen, die im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall stehen, den Frau xxx am 30. Dezember 2009 auf dem Gehweg vor dem Grundstück des Beklagten xxx erlitten hat, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus abgetretenem Recht ihrer Mutter, Frau xxx, Schadensersatz und Schmerzensgeld auf Grund eines Glatteisunfalls vom 30.12.2009. An diesem Tag hatte es laut dem meteorologischen Gutachten der Firma EWC (Anlage K2) in der Zeit von 05.00 Uhr bis 14.00 Uhr anhaltenden Schneefall gegeben. Die Bedingungen für Glätte waren durch die gefrorene Altschneedecke und durch den Neuschnee auf die gefrorene Altschneedecke bzw. auf den gefrorenen Boden gegeben.

Die Klägerin verlangt auf Grund eines Sturzes von dem Beklagten die Zahlung von Schadensersatz für Krankenbehandlungen, Selbstbeteiligungen, Fahrtkosten und Hilfeleistungen sowie die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 20.000,00 € und die Feststellung, dass der Beklagte auch zum Ersatz der weiteren materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet ist.

Die Klägerin behauptet: Ihre Mutter sei am 30.12.2009 in Folge Glätte auf dem Gehweg auf dem Grundstück des Beklagten xxx gestürzt und habe sich dabei beide Arme gebrochen. Es habe an dem Morgen Schneefall mit längeren Unterbrechungen zwischen 07.00 Uhr und 08.00 Uhr und zwischen 09.00 Uhr 09.30 Uhr gegeben. Während dieser Unterbrechungen seien sowohl ihr Ehemann als auch die Nachbarn in der Lage gewesen, den Schnee auf dem Gehweg vor ihrem Grundstück zu entfernen. Ihre Mutter sei gegen 09.30 Uhr aus dem Haus gegangen, um einzukaufen. Dabei habe sie feste Winterstiefel mit rutschfester Sohle getragen. Der Gehweg vor ihrem Haus und dem Nachbarhaus xxx sei gefegt und völlig frei von Schnee und Eis gewesen. Der Gehweg vor dem Grundstück des Beklagten xxx sei nicht geräumt gewesen, und zwar seit Tagen nicht. Es habe dort auch älterer Schnee zirka 6 cm dick gelegen. Es sei nicht mit abstumpfenden Mitteln gestreut gewesen. Auch auf der Straße sei der Schnee zu einer spiegelglatten Fläche festgefahren gewesen.

Im Bereich des Grundstücks des Beklagten sei ihre Mutter auf einer unter dem Neuschnee verborgenen Glatteisstelle ausgerutscht. Dabei seien ihr die Fersen weggerutscht und sie sei hingefallen. Durch den Sturz habe sie Brüche im Bereich des linken Ellenbogens sowie Brüche beider Unterarme erlitten.

Der Gehweg vor dem Grundstück des Beklagten sei seit Tagen nicht geräumt gewesen. Abstumpfende Mittel seien nicht zu sehen gewesen.

Nach dem Sturz wurde die Mutter der Klägerin in der Klinik Oranienburg stationär behandelt. Die Klägerin behauptet, ihre Mutter habe auf Grund des Unfalls eine distale dislozierte Unterarmfraktur rechts sowie eine distale dislozierte Humerusfraktur rechts erlitten. Sie sei deswegen bis zum 25.01.2010 stationär behandelt worden und habe sich mehrfachen Folgeoperationen unterziehen müssen. Wegen der Unfallfolgen im Einzelnen wird auf die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste (Anlagen K3 bis K8) verwiesen. Ihre Mutter leide auf Grund der Verletzungen weiterhin an Schmerzen und erheblichen Bewegungseinschränkungen.

Auf Grund der Verletzungen habe ihre Mutter für Zuzahlungen im Krankenhaus, Physiotherapie, Fahrten zu Behandlungen, ergotherapeutische Behandlungen und Hilfe bei der Fensterreinigung sowie Hausbesuch einer Frisörin insgesamt 1.248,11 € zahlen müssen. Im Hinblick auf die erheblichen Verletzungen hält die Klägerin die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 20.000,00 € für angemessen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.248,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

2. den Beklagten ferner zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung;

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall stehen, den Frau ... am 30. Dezember 2009 auf dem Gehweg vor dem Grundstück des Beklagten A.straße ... in .... B... erlitten hat, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergehen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte stellt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Abrede und behauptet, er habe den Winterdienst sowohl am 29.12.2009 gegen 17.00 Uhr als auch ein weiteres Mal am 30.12.2009 gegen 07.00 Uhr verrichtet. Dazu habe er den Schnee, der sich jeweils angesammelt hatte, zur Seite geschoben, eine Gasse mit einer Breite von 1,5 m geschaffen, die er anschließend mit hellem Sand bestreut habe. Er meint, angesichts ununterbrochener Schneefälle sei er auch zu einer weiteren Schneeräumung nicht verpflichtet gewesen. Im Übrigen sei auch der Verletzten ein Mitverschulden anzulasten.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst der Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat zu dem Vorfall vom 30.12.2009 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen U und H ... sowie B. und J. .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 04.04.2012, Bl. 124 bis 128 d.A., verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem sich aus dem Urteilstenor ergebenden Umfang begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten aus abgetretenem Recht auf Grund des Glatteisunfalls vom 30.12.2009 die Zahlung der Hälfte des ihr entstandenen ersatzfähigen Schadens und eines Schmerzensgeldes in Höhe von. 8.000,00 € nebst Zinsen verlangen. Zugleich ist der Feststellungsantrag auf Feststellung der hälftigen Ersatzpflicht des Beklagten hinsichtlich sämtlicher weiterer materiellen und immateriellen Schäden, die im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall der Frau xxx vom 30.12.2009 stehen, in Höhe des ausgeurteilten hälftigen Umfangs begründet, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergehen (§§ 823 Abs. 1, 253, 254 Abs. 1 BGB, § 256 ZPO). Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

I. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, da der Beklagte nicht den Beweis geführt hat, dass er seiner Verkehrssicherungspflicht gem. § 823 Abs. 1 BGB nachgekommen ist. Die Geschädigte trifft allerdings ein 50%iges Mitverschulden.

1.

a) Die Klägerin hat den Beweis geführt, dass im Bereich des Grundstücks des Beklagten auf dem Bürgersteiges Schnee und Glätte nicht in der Weise beseitigt waren, wie es nach den Bestimmungen der Straßenreinigungssatzung der Stadt Hohen Neuendorf, die auch in xxx gilt, erforderlich war. Gem. § 3 der Straßenreinigungssatzung der Stadt Hohen Neuendorf sind die Gehwege in einer für den Fußgängerverkehr erforderlichen Breite von Schnee freizuhalten und bei Glätte abzustumpfen. In der Zeit von 07.00 Uhr bis 20.00 Uhr gefallener Schnee und entsprechende Glätte sind unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls bzw. nach entstandener Glätte zu beseitigen. Eine solche Beseitigung war hier nicht erfolgt.

Das haben die vom Gericht vernommenen Zeugen xxx und xxxeindrücklich, glaubhaft und nachvollziehbar bestätigt. Die Zeugen haben übereinstimmend angegeben, dass der Schnee im Bereich des dortigen Gehweges zwischen 5 und 10 cm hoch gelegen hat. Nach den Angaben der Zeugin xxx handelte es sich um eine geschlossene Schneedecke. Auch nach der Aussage der Zeugin xxx bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gehweg von dem Beklagten kurze Zeit vorher geräumt und gestreut worden war. Die Zeugin hat nämlich bestätigt, dass es Spuren durch den Schnee gab und auf dem Stück des Beklagten nicht gestreut war.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Beklagte – wie er angegeben hat, noch gegen 07.00 Uhr Schnee gefegt hat. Der Zeuge xxx hat hierzu nachvollziehbar angegeben, dass es zwischen 07.00 Uhr und etwa 08.00 Uhr am 30.12.2009 nicht geschneit habe. Er hat diese Angabe nachvollziehbar damit begründet, dass er in dieser Zeit ohne Probleme in der Lage war, den vorher gefallenen Schnee im Bereich seines Grundstücks zu fegen und anschließend zum Bäcker zu gehen und auch die Zeitung zu holen. Diese Tätigkeiten hätten zirka eine knappe Stunde in Anspruch genommen. Erst danach habe es wieder angefangen zu schneien.

Das Gericht hat nach dem Eindruck des zeugen in der mündlichen Verhandlung keine Bedenken, dieser Aussage zu folgen. Der Zeuge hat die Vorgänge insgesamt widerspruchsfrei geschildert. Das Gericht hat trotz seiner familiären Nähe zu der Geschädigten auch keine Tendenz erkennen können, unbedingt zu Gunsten seiner Ehefrau aussagen zu wollen.

Dagegen bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass – wie der Beklagte angegeben hat – er noch gegen 07.00 Uhr die Gehwegfläche gefegt haben will. Wenn das der Fall wäre, ist nicht erklärlich, dass dort nur kurze Zeit später eine Schneehöhe von 5 bis 10 cm festgestellt worden sein sollte.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass er wegen des fortdauernden Schneefalls zur Schneeräumung nicht verpflichtet gewesen sei. Nach der Straßenreinigungssatzung sind gefallener Schnee und entsprechende Glätte unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, nach Beendigung des Schneefalls zu beseitigen. Ausgehend davon, dass etwa gegen 07.00 Uhr der Schneefall aufgehört hatte, war dem Beklagten innerhalb angemessener Frist zumutbar, mit der Beseitigung zu beginnen. Als angemessen hält das Gericht dabei den Zeitraum zwischen 07.30 Uhr und 08.00 Uhr. Nach den Angaben der vernommenen Zeugen bestanden in diesem Zeitraum keine Hinderungsgründe, die einem Schneeräumen entgegenstanden. Selbst nach 08.00 Uhr wäre eine Beseitigung möglich gewesen. Selbst wenn der Zeuge xxx hierzu angegeben hat, es habe wieder angefangen zu schneien, so stand dieser Schneefall offensichtlich einer Schneeräumung nicht nachhaltig entgegen. Die Zeugin xxx hat hierzu ausgesagt, es habe „nur ein wenig geschneit“. Die Zeugen xxx haben jedenfalls auch in der Zeit zwischen 08.00 Uhr und 09.30 Uhr etwa eine Dreiviertelstunde Zeit gefunden, um den gefallenen Schnee zu entfernen. Auch in dieser Zeit waren die Arbeiten offenbar in zumutbarer Weise auszuführen.

b) Die Klägerin hat darüber hinaus den Beweis geführt, dass ihre Mutter, die Geschädigte, im Bereich des Grundstücks des Beklagten gestürzt ist. Das ergibt sich nicht nur aus der Aussage der Zeugin xxx. Auch die Zeugen xxx haben die Stelle nachvollzogen, die im Zusammenhang mit den Angaben der Zeugin xxxauf Grund des Abdrucks im Schnee den Rückschluss zuließ, dass dort jemand gefallen war und sich mit den Händen abgestützt hatte.

c) Schließlich hat die Klägerin bewiesen, dass ihre Mutter in Folge der Streupflichtverletzung des Beklagten gestürzt ist.

Bei Glatteisunfällen spricht der Anschein dafür, dass die Unfallverletzungen bei Beachtung der Streupflicht vermieden worden wären, wenn der Unfall – wie im vorliegenden Fall – innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht stattgefunden hat (BGH VersR 1984, 40). Voraussetzung des Anscheinsbeweises ist allerdings, dass die Geschädigte die tatsächlichen Voraussetzungen bewiesen hat, aus denen nach den Grundsätzen über die Verkehrssicherungspflicht eine Streupflicht erwächst. Diesen Nachweis hat die Klägerin nach den vorstehenden Ausführungen erbracht. Dagegen steht nicht fest, dass der Beklagte durch hinreichende Maßnahmen seine Streupflicht erfüllt hat und den Glättezustand beseitigt hat.

d) Die Klägerin muss sich allerdings gem. § 254 Abs. 1 BGB ein hälftiges Mitverschulden der Verletzten anspruchsmindernd entgegenhalten lassen. Bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht kommt ein Mitverschulden immer dann in Betracht, wenn ein sorgfältiger Mensch Anhaltspunkte für eine Verkehrssicherungspflichtverletzung hätte rechtzeitig erkennen können und er die Möglichkeit besaß, sich auf die Gefahr einzustellen (OLG Stuttgart 3 U 239/07, zitiert nach Juris; OLG Saarbrücken, OLGR 2004, 623). Das war auch hier der Fall. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist bei einem schnee- und eisbedeckten Gehweg mit einer Sturzgefahr zu rechnen. Diese Gefahr war auch der Verletzten, der Zeugin xxx, bewusst. Sie hat den Schneebelag auf dem Gehweg erkannt. Sie hat nach eigenen Angaben vorher noch überlegt, ob sie lieber die Straße nehmen sollte. Sie konnte zwar auf Grund des Schneebelages keine Unebenheiten sehen. Es ist hier jedoch davon auszugehen, dass ihr der Zustand des Weges als Anliegerin bekannt war. Dementsprechend wusste sie auch, dass die Platten des Weges zum Teil uneben und etwas schief waren, wie der Beklagte und bestätigend hierzu die Zeugin xxx angegeben haben. Dadurch ergab sich bei Schneeglätte eine erhöhte Gefährdung. Unter diesen Umständen hatte es die Klägerin in der Hand, ob sie sich der konkreten Gefahr aussetzte oder sich in besonderer Weise darauf einrichtete. Durch ihr Verhalten traf sie eine Entscheidung für die Möglichkeit des Schadenseintritts. Wenn sie in dieser Situation gleichwohl keine ausreichenden Vorkehrungen zur Beherrschung der Gefahr traf oder ggf. den beabsichtigten Einkauf auf einem anderen, weniger gefahrvollen Weg realisierte, führt eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge dazu, dass der Verletzten ein hälftiges Mitverschulden anzurechnen ist (vgl. hierzu auch OLG München, OLGR 2000, 49).

2. Die verletzte Zeugin xxx hat sich durch den Sturz auf dem Gehweg die Verletzungen zugezogen, die in der ärztlichen Stellungnahme der Oberhavelkliniken im Einzelnen ausgeführt sind. Daran besteht auf Grund des weiteren Ablaufs nach dem Glätteunfall für das Gericht kein Zweifel. Die Zeugin xxx hat hierzu angegeben, dass sie unverzüglich zu ihrem Wohnhaus zurückgegangen ist. Die Zeugin xxx und der Zeuge xxx haben darüber hinaus angegeben, dass die Verletzte unmittelbar danach mit einem Krankentransport ins Krankenhaus gebracht wurde, wo die beschriebenen Verletzungen festgestellt wurden. Auch die unfallbedingte Verletzung des linken Handgelenkes hält das Gericht für erwiesen. Diese Verletzung ist zwar erst einige Tage nach dem Unfall festgestellt worden. Die Verletzung steht allerdings nachvollziehbar im Einklang mit dem Unfallgeschehen, wie es die Zeugin xxx geschildert hat. Danach habe sie sich im Fallen nach rechts gedreht und anschließend mit der linken Hand abgestützt.

Dass diese Verletzung erst später festgestellt wurde, ist nachvollziehbar daraus herzuleiten, dass zu Anfang noch keine Beschwerden bestanden, zu dieser Zeit Schmerzmittel verabreicht wurden und sich erst nach und nach eine Schwellung und damit eine Veranlassung zur Untersuchung ergaben.

Nach alledem hat der Beklagte der Klägerin wegen des Glatteisunfalls den entstandenen Schaden zu 50 % zu ersetzen.

II. Die Höhe des materiellen Schadens hat die Klägerin bis auf die Kosten für Taxifahrten in Höhe von 100,00 € durch Vorlage der jeweiligen Belege nachgewiesen. Die damit bestätigten Kosten stehen nachvollziehbar im Zusammenhang mit der unfallbedingten Verletzung. Die ersatzfähigen Kosten belaufen sich auf insgesamt 988,11 €. Das Gericht hält insoweit auch die im Einzelnen dargelegten Taxikosten für nachvollziehbar. Die dargestellten Behandlungen stehen im Zusammenhang mit der Verletzung und müssen entsprechend den vorgelegten Attesten als erforderlich angesehen werden. Sie sind auch der Höhe nach als angemessen zu schätzen.

Nicht ersatzfähig sind dagegen die Kosten der Selbstbeteiligung für die Zeitdauer der Krankenhausbehandlung in Höhe von 260,00 €. Es handelt sich zwar auch um Aufwendungen, die der Verletzten aufgrund der unfallbedingten Verletzungen entstanden sind. Sie muss sich allerdings in gleicher Höhe ersparte Eigenaufwendungen im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen, die sie aufgrund des Essens und der Versorgung im Krankenhaus im häuslichen Bereich nicht gehabt hat. Diese schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO ebenfalls auf 10,00 € pro Tag.

Die Hälfte des danach verbleibenden Betrages von 988,11 € beläuft sich auf 494,06 €.

III. Auf Grund der unfallbedingten Verletzung und der Folgen steht der Verletzten ein Schmerzensgeld in Höhe von. 8.000,00 € zu.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu berücksichtigen. Dabei kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychische Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum, der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden. Dabei muss die Entschädigung zu Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene Beziehung gesetzt werden. Zu Berücksichtigen ist auch ein mitwirkendes Verschuldens des Verletzten, wobei dieses bei der Festsetzung des Schmerzensgeldbetrages einen Bemessungsfaktor darstellt und von vornherein derjenige Schmerzensgeldbetrag zuzubilligen ist, der unter Berücksichtigung des Mitverschuldensanteils angemessen erscheint.

Nach diesen Maßstäben hält das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von. 8.000,00 € für ausreichend und angemessen. Dabei ist berücksichtigt worden, dass die 65jährige Klägerin durch die Unterarm- und Humerusfrakturen rechts sowie durch die Radiusfraktur links an beiden Armen erheblich und schmerzhaft beeinträchtigt wurde. Die operative Versorgung dieser Frakturen erforderte einen zirka 4wöchigen stationären Krankenhausaufenthalt, verbunden mit drei Operationen. Zur Entfernung der Kirschner-Drähte waren eine vierte und eine fünfte Operation am 20.02.2010 und 15.04.2010 notwendig. Ein weiterer Krankenhausaufenthalt mit Operation war für eine Plattenentfernung vom 14.10. bis 22.10.2010 erforderlich. Darüber hinaus bringt die Art der Verletzung nachvollziehbar Nachteile im täglichen Fortkommen durch Schmerzen und Bewegungseinschränkungen mit sich. Beides wurde im Nachhinein durch die behandelnden Ärzte bestätigt. Eine weitere fortbestehende Einschränkung ergibt sich durch die Metallteile im Körper der Verletzten, die zur Stabilisierung der Verletzung an den Knochen dort verbleiben müssen. Unter Berücksichtigung des ablehnenden Verhaltens des Beklagten im Hinblick auf einen Schadensausgleich einerseits, aber auch des Mitverschuldens der Klägerin andererseits hält das Gericht ein Schmerzensgeld von 8.000,00 € für ausreichend und angemessen, um die Lebensbeeinträchtigung der Verletzten zu kompensieren.

Einen höherer Anspruch ergibt sich nicht aus einem Vergleich mit den von der Klägerin zitierten Entscheidungen anderer Gerichte. Die haben entweder gravierendere Verletzungen zum Gegenstand, oder ihnen liegen andere Sachverhalte, insbesondere ohne Berücksichtigung eines Mitverschuldens, zu Grunde.

IV. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist in dem tenorierten Umfang ebenfalls begründet.

Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung ist gegeben. Ein solches Feststellungsinteresse für den Ersatz des weiteren, künftig befürchteten Schadens setzt die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts voraus, der nur zu verneinen ist, wenn aus der Sicht des Verletzten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen. Ein Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht besteht dagegen, wenn sich eine Aussage darüber, ob in der Zukunft noch Spätfolgen der Unfallverletzungen auftreten können, nicht treffen lassen und der Eintritt derartiger Schäden nicht ausgeschlossen werden kann (BGH NJW 2001, 3414, 3415). Eine solche Möglichkeit des Eintritts von Spätfolgen ist nach der Aussage der Verletzten nicht auszuschließen. Auf Grund der unfallbedingten Verletzungen, verbunden mit Schmerzen und gelegentlichen Taubheitserscheinungen erscheint es zumindest als möglich, dass auch in Zukunft weitere ärztliche Behandlungen erforderlich werden und der Verletzten dadurch ein materieller Schaden entstehen kann. Künftige immaterielle Schäden sind ebenfalls nicht auszuschließen.

Bei der Haftung für diese Schäden ist allerdings das hälftige Mitverschulden der Verletzten zu berücksichtigen.

V. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 22.248,11 €