Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 09.12.2011 | |
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Aktenzeichen | L 2 SF 319/11 B | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 5 JVEG |
1. § 5 Abs 3 JVEG normiert bei einer Verteuerung der Anreise keine Mitteilungspflicht/Anzeigepflicht des Berechtigten. Eine solche Anzeigepflicht ist nur bei einer Anreise vom anderen Ort in § 5 Abs 5 JVEG vorgesehen. Teilt der Berechtigte die besonderen Umstände, die die Anreise verteuern, nicht mit, trägt er das Risiko, dass das Gericht später bei der Entschädigung solche Umstände nicht anerkennt und er die Kosten endgültig selbst trägt.
2. Eine Anzeigepflicht, selbst wenn sie bestünde, ist nicht Selbstzweck, sondern soll das Gericht in die Lage versetzen, seine ursprüngliche Entscheidung wegen anfallender höherer Kosten abzuändern. Wäre das Gericht auch in Kenntnis der anfallenden höheren Kosten bei seiner ursprünglichen Entscheidung geblieben, besteht kein sachlicher Grund, eine Verletzung der Anzeigepflicht zu sanktionieren.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 30. Mai 2011 abgeändert.
Die Entschädigung des Antragstellers anlässlich der Begutachtung vom 17. März 2010 wird auf 350,00 € festgesetzt.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet, da ihm neben der – unstreitigen – Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG in Höhe von 18,00 € die angefallenen Taxikosten in Höhe von 332,00 € als Fahrtkostenersatz nach § 5 Abs. 3 JVEG zustehen.
Nach § 5 Abs. 3 JVEG können höhere Kosten als die in Abs. 1 (öffentliche Verkehrsmittel) und Abs. 2 (Kfz-Pauschale) bezeichneten ersetzt werden, wenn die Fahrtkosten wegen besonderer Umstände notwendig waren. Derartige Umstände liegen hier vor. Nach der Bescheinigung des Gutachters Dr. B war der Antragsteller zum Zeitpunkt seiner Untersuchung nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Einen Pkw konnte er mangels Fahrerlaubnis nicht selbst führen. Ein eigenes KFZ besaß er nicht.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts scheitert die Erstattung der Taxikosten auch nicht daran, dass der Antragsteller die Benutzung des Taxis dem Gericht nicht vorab angezeigt und Nachricht abgewartet hat. Zwar ist der Antragsteller in der Ladung so belehrt worden, diese Belehrung findet im Gesetz aber keine Stütze. Eine unverzügliche Anzeige bei erheblicher Verteuerung der Anreise infolge besonderer Umstände sieht das Gesetz in § 5 Abs. 3 JVEG im Gegensatz zu § 5 Abs. 5 JVEG (Anreise vom anderen Ort) nicht vor. Zwar wird die Anzeige in der Kommentarliteratur (Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., § 5 Rn. 20) empfohlen, allein schon deshalb, damit der Berechtigte vorab die Haltung des Gerichts zu seiner Einschätzung der „besonderen Umstände“ erfährt und so spätere Streitigkeiten bei der Abrechnung vermeiden kann. Sanktionen an eine „Verletzung“ werden aber nicht geknüpft. Zeigt der Berechtigte „besondere Umstände“ nicht an, hat er das Risiko zu tragen, dass das Gericht diese bei der Entschädigung nicht anerkennt. Eine Pflicht zur Anzeige besonderer Umstände, um in den Genuss der Entschädigung bei deren tatsächlichem Vorliegen zu kommen, besteht aber nicht.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass eine Anzeigepflicht, wie sie z. B. in § 5 Abs. 5 JVEG normiert ist, kein Selbstzweck ist. Auch im Rahmen des § 5 Abs. 5 JVEG bleibt das Unterlassen der unverzüglichen Mitteilung folgenlos, wenn feststeht, dass das Gericht auch in Kenntnis der neuen Umstände an der Ladung festgehalten hätte (Hartmann, a. a. O. § 5 Rn. 24 am Ende). Sinn der Anzeigepflicht ist es, dem Gericht die Abladung zu ermöglichen. Kann diese nicht mehr rechtzeitig erfolgen, trägt der Berechtigte das Risiko einer geringeren Fahrtkostenerstattung für den Fall, dass das Gericht abgeladen hätte. Entsprechendes müsste im vorliegenden Fall gelten, wenn eine Anzeigepflicht in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 5 Abs. 5 JVEG auch hier anzunehmen wäre. Eine Absetzung des Termins beim Gerichtsgutachter war vorliegend faktisch ausgeschlossen, da der Antragsteller bereits seit Jahren weder über eine Fahrerlaubnis noch einen PKW verfügte und seine Unfähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, auch aus anderen Verfahren bekannt war.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 4, 8 JVEG).