Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 15.12.2016 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 204/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Ein Verstoß gegen Art 103 Abs. 1 GG kommt erst in Betracht, wenn das Gericht ohne vorheri-gen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (BVerfGE 86, 133).
Die Rüge des Antragsgegners gegen den Beschluss vom 29.09.2016 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten seines Rechtsbehelfs.
Die Gehörsrüge (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 321a ZPO) des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg.
Mit seinem Vorbringen, er hätte im Falle einer mündlichen Verhandlung weiteren Vortrag gehalten, hat der Antragsgegner eine Gehörsverletzung nicht dargetan. Der Antragsgegner hat schon nicht ausgeführt, wieso der Senat entgegen seinem Hinweis ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, eine mündliche Verhandlung hätte anberaumen sollen. Die Beteiligten mussten sich durch den Hinweis des Senats vielmehr veranlasst sehen, tatsächliche Behauptungen und Rechtsansichten, die sie bei der Entscheidung berücksichtigt wissen wollten, so früh wie möglich vollständig (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 138 Abs. 1 ZPO) vorzutragen, statt sie so lange wie möglich zurückzuhalten – etwa um einen geordneten schriftsätzlichen Vortrag durch eher freies und unstrukturiertes mündliches Plädieren zu ersetzen. Die Folgen von Versäumnissen bei der Verfahrensführung hat ein Beteiligter hinzunehmen, ohne sie im Verfahren der Gehörsrüge nachträglich beheben zu können.
Desgleichen begründet es keine Gehörsverletzung, wenn der Senat die mit der Rüge zur Überprüfung gestellten Unterhaltspflichten des Antragsgegners ab 2016 auf der Grundlage der ihm unterbreiteten Einkommensverhältnisse aus den vergangenen Jahren beurteilt und deren Aktualisierung den beibringungspflichtigen Beteiligten überlässt, zumal diese nach § 138 Abs. 1 ZPO ohnedies vollständig vorzutragen haben. Abgesehen davon, dass die Gehörsrüge kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung darstellt (vgl. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 321a ZPO, Rn. 8), rechnet der Antragsgegner in der Sache für 2016 im Übrigen widersprüchlich mit einem Nettoeinkommen, das auf ein deutlich niedrigeres Bruttoeinkommen zurückzuführen ist, als dasjenige, das er – erstmals mit der Gehörsrüge – bereits ab 2015 im Rahmen der für ihn maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wissen will.
Soweit der Antragsgegner sich in Ansehung absetzbarer Mietkosten auf eine fehlende Erörterung der Sach- und Rechtslage in einer mündlichen Verhandlung zu stützen versucht, ist ein Gehörsverstoß damit ebenfalls nicht ausgeführt. Er verkennt die Reichweite des durch die Verfassung gesicherten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Da das Gericht grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet ist, muss ein Verfahrensbeteiligter, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen. § 321a ZPO geht nicht über den verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutz hinaus. Die Vorschrift beschränkt sich auf Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG (BGH NJW 2008, 2126 m.w.N.). Ein Verstoß gegen Art 103 Abs. 1 GG kommt erst in Betracht, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (BVerfGE 86, 133).
Dergleichen ist nicht dargetan. Das Vorbringen des Antragsgegners zu aus seiner Sicht berücksichtigungsfähigen Mietkosten hat der Senat zur Kenntnis genommen und bedacht. Er hat es – unter Heranziehung höchstrichterlicher Rechtsprechung und in Würdigung des Sach- und Streitstandes – anders als der Antragsgegner bewertet. Soweit der Antragsgegner meint, der Senat habe seiner Kinderbetreuung bei der zwischen den Beteiligten explizit umstrittenen Einstufung in die Düsseldorfer Tabelle eine andere Bedeutung beimessen müssen, versucht er unzulässig, seine Wertung an die Stelle der Wertung des Senates zu setzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§§113 Abs. 1 FamFG, 321a Abs. 4 S 4 ZPO).