Gericht | OLG Brandenburg 1. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 19.09.2019 | |
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Aktenzeichen | 1 Ws (Vollz) 100/19 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2019:0919.1WS.VOLLZ100.19.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die sofortige Beschwerde der Justizvollzugsanstalt … wird die in dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 10. Mai 2019 getroffene Kosten- und Auslagenentscheidung aufgehoben. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtlichen Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren auf 800,00 Euro und für das zweitinstanzliche Verfahren auf 300,00 Euro festgesetzt.
I.
Der Antragsteller, der bis zu seiner Entlassung am ... Januar 2019 in der Justizvollzugsanstalt … (Antragsgegnerin) in Strafhaft war, hatte am 26. Februar 2018 beim Landgericht Potsdam beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, entgegen der bisherigen Ankündigung mit Einführung des „Multimediasystems“ nicht die Besitzgenehmigung der bisher von ihm genutzten eigenen Elektrogeräte zu widerrufen. Diesen Antrag hatte er nach Entfernung der Geräte aus dem Haftraum mit Schriftsatz vom 12. Juli 2018 dahin umgestellt, die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Besitzgenehmigung für TV-Geräte,
Radios und CD-Player zu widerrufen, aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der Folgenbeseitigung zur Rückgabe der Geräte zu verpflichten, hilfsweise nach § 115 Abs. 3 StVollzG festzustellen, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Besitzgenehmigung der bisher genutzten Elektrogeräte zu widerrufen, rechtswidrig war und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt hat. Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2019 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass mit seiner Entlassung aus der Haft zwischenzeitlich Erledigung eingetreten sei.
Unter dem 29. April 2019 hat er den im Schriftsatz vom 12. Juli 2018 gestellten Hilfsantrag zurückgenommen, sollte die Strafvollstreckungskammer nicht von einer bereits erfolgten Erledigung ausgehen. Mit Beschluss vom 10. Mai 2019 hat die Strafvollstreckungskammer gemäß § 121 Abs. 1 Satz 2 StVollzG der Landeskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers auferlegt mit der Begründung, im Falle einer Entscheidung hätte die Kammer zugunsten des Antragstellers entschieden. Der Streitwert wurde auf 800,- Euro festgesetzt. Gegen den ihr am 6. Juni 2019 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, die am 12. Juni 2019 beim Landgericht Potsdam eingegangen und zugleich begründet worden ist. Die Antragsgegnerin beantragt, die Kostenentscheidung aufzuheben und dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. In der Begründung führt die Antragsgegnerin unter anderem aus, für das Landgericht sei offensichtlich maßgebend gewesen, dass sie in dem Verfahren unterlegen gewesen wäre, wenn sich die Sache nicht erledigt hätte; ihrer Ansicht nach hätte sie jedoch obsiegen müssen.
II.
Die Kostenbeschwerde hat Erfolg.
1. Die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß § 121 Abs. 4 StVollzG, §§ 464 Abs. 3 Satz1, 304, 311 StPO zulässig. Dem steht auch § 464 Abs. 3 S. 1 StPO nicht entgegen, nach dessen Halbsatz 2 die isolierte Kostenbeschwerde dann unzulässig ist, wenn eine Anfechtung der Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist, das Gesetz also die Hauptentscheidung ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder die Unanfechtbarkeit sich aus dem systematischen Gesamtzusammenhang ergibt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 464 Rn 17). Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Eine Anfechtung der Hauptentscheidung mit der Rechtsbeschwerde wäre statthaft. Bevor die Strafvollstreckungskammer nach § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG über die Kosten und Auslagen befindet, hat sie zu prüfen, ob sich die mit dem Antrag nach § 109 StVollzG angestrebte Vollzugsmaßnahme in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt hat. Die Entscheidung der Kammer, dass diese Voraussetzung für einen Kostenbeschluss erfüllt ist, stellt – ungeachtet dessen, ob sie in die Beschlussformel aufgenommen wird oder stillschweigend ergeht – eine das Verfahren abschließende Prozessentscheidung dar, gegen die die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG eröffnet ist (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 25. Juni 2001 – 5 Ws 296/01 Vollz; zit. nach juris; Senat, Beschluss vom 2. September 2019, 1 Ws (Vollz) 107/19).
Darüber hinaus überschreitet der Beschwerdewert die in § 304 Abs. 3 StPO festgesetzte Wertgrenze von 200 Euro.
2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
Ausschlaggebend für die nach § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG zu treffende Kosten- und Auslagenentscheidung ist, welche Aussicht auf Erfolg der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehabt hätte, wenn keine Erledigung eingetreten wäre.
Der Antragsteller wäre mit seinem Begehren, die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Besitzgenehmigung für TV-Geräte, Radios und CD-Player zu widerrufen, aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der Folgenbeseitigung zur Rückgabe der Geräte zu verpflichten, unterlegen. Wie der Senat in drei Parallelsachen bereits entschieden hat (Beschlüsse vom 19., 21. und 26. August 2019 in den Rechtsbeschwerdeverfahren 1 Ws (Vollz) 91/19, 1 Ws (Vollz) 97/19 und 1 Ws (Vollz) 104/19), war die angefochtene Maßnahme nicht rechtswidrig, vielmehr gemäß den §§ 104 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 61 Abs. 2 Satz 3 Bbg JVollzG gerechtfertigt. Dem Antragsteller ist – wie allen von der Maßnahme ebenfalls betroffenen Mithäftlingen – durch Allgemeinverfügung (vgl. § 35 Satz 2 Bbg VwVfG) der zuvor genehmigte Besitz der genannten Geräte entzogen worden. Nach § 104 Abs. 3 Nr. 1 Bbg JVollzG können rechtmäßige Maßnahmen ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft unter anderem widerrufen werden, wenn aufgrund nachträglich eingetretener Umstände die Maßnahmen hätten unterbleiben können. Diese Voraussetzung war hier erfüllt. Durch den Abbau der Satellitenantennenanlage und die Einführung eines Haftraummediensystems sind die Voraussetzungen des § 61 Abs. 2 Satz 3 Bbg JVollzG nachträglich eingetreten. Nach dieser Vorschrift können Gefangene – statt der Zulassung eigener Hörfunk- und Fernsehgeräte sowie anderer Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik – auf Mietgeräte oder auf ein Haftraummediensystem verwiesen werden. Damit ist nachträglich ein Versagungsgrund eingetreten, den die Antragsgegnerin zulässigerweise im Wege der Allgemeinverfügung geltend gemacht hat. Zwar dürfen begünstigende Maßnahmen nach § 104 Abs. 3 Nr. 1 Bbg JVollzG nur aufgehoben werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen (§ 104 Abs. 4 Bbg JVollzG). Hiervon ist indes auszugehen. Denn mit der Abschaltung der Satellitenanlage und der Einführung eines Haftraummediensystems sind die von den Gefangenen vorgehaltenen TV- und Radio-Geräte weitgehend funktionslos geworden. Auch wird die Überwachung der Hafträume durch die Entfernung der eigenen elektronischen Geräte der Gefangenen erheblich erleichtert. Da wesentlicher Grund für den Widerruf der Zulassungen die alle Gefangenen gleichermaßen betreffende flächendeckende Einführung eines Haftraummediensystems war und einzelfallbezogene Gründe für die Entscheidung ersichtlich keine Rolle spielten, war es nicht ermessensfehlerhaft, die Entscheidung durch Allgemeinverfügung zu treffen. Dies gilt umso mehr, als die nicht an weitere Voraussetzungen geknüpfte gesetzliche Verweisungsbefugnis der Justizvollzugsanstalt nach § 61 Abs. 3 Satz 3 Bbg JVollzG ein Vertrauen der Strafgefangenen auf einen unbefristeten Bestand der Zulassung privateigener Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik von vornherein als nicht schutzwürdig erscheinen lässt. Nach allem war die jedenfalls inzident getroffene Wertung der Antragsgegnerin, dass vollzugliche Interessen an der Aufhebung der Besitzerlaubnis das schutzwürdige Vertrauen der Betroffenen, also auch des Antragstellers, auf den Bestand der Maßnahme überwiegen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
4. Soweit der Antragsteller seinen Hilfsantrag zurückgenommen hat, hat er gemäß § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen. Insoweit hat der Senat keinen Ermessensspielraum (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 2 Ws 682/10 –, juris).
5. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG ist anzuordnen, dass Kosten für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 60, 52 Abs. 1 GKG.