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Entscheidung 26 Sa 1400/11


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer Entscheidungsdatum 13.10.2011
Aktenzeichen 26 Sa 1400/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 4 ArbGG, § 101 ArbGG, § 102 ArbGG, § 103 ArbGG, § 104 ArbGG, § 105 ArbGG, § 106 ArbGG, § 107 ArbGG, § 108 ArbGG, § 109 ArbGG, § 110 ArbGG

Leitsatz

1) Für Rechtsstreitigkeiten über eine Leistungszulage kann eine Schiedsgerichtsabrede nicht vereinbart werden (vgl. BAG 22. Januar 1997 - 10 AZR 468/96 - AP Nr. 146 zu § 1 TVG Tarifverträge Metallindustrie = NZA 1997, 837 = EzA § 4 TVG Schiedsgutachten Nr. 1, zu III 2 d der Gründe).

2) Die streitgegenständliche Betriebsvereinbarung regelt auch keine prozesshindernde Einrede, nach der zunächst ein Gutachten der paritätischen Kommission einzuholen wäre. Zwar sind Schiedsgutachtenverträge auch im Arbeitsrecht zulässig. Bei diesen handelt es sich um Vereinbarungen, mit denen einem Dritten die Aufgabe übertragen wird zu beurteilen, ob ein Tatbestandsmerkmal oder eine tatsächliche Anspruchsvoraussetzung gegeben ist oder nicht (vgl. BAG 14. Dezember 1999 - 1 AZR 175/99, zu II 2 d der Gründe). In der Betriebsvereinbarung fehlt aber jeder Hinweis dafür, dass durch das Verfahren nach Nr. 9 der gerichtliche Rechtsschutz eingeschränkt werden soll (vgl. zu dieser Voraussetzung: BAG 14. Dezember 1999 - 1 AZR 175/99, zu II 2 d der Gründe).

3) Zu den Voraussetzungen, unter denen nach der Betriebsvereinbarung B. Entgelt - Persönliche Zulage (nach der 3. Protokollnotiz zur Betriebsvereinbarung "Einführung eines gemeinsamen Entgeltsystems für Arbeiter und Angestellte (ERA) im Tarifbereich" vom 11.05.2007 fortbestehend) eine Reduzierung der persönlichen Zulage seitens der Arbeitgeberin möglich ist.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Juni 2011 - 36 Ca 14808/10 – abgeändert und

1. festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch für die Zeit ab Juli 2010 eine monatliche persönliche Zulage in Höhe der Sollstufe iSd. 3. Protokollnotiz zur Betriebsvereinbarung „Einführung eines gemeinsamen Entgeltsystems für Arbeiter und Angestellte (ERA) im Tarifbereich“ vom 11. Mai 2007 zu zahlen,

2. die Beklagte verurteilt, an den Kläger 748,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 204,00 Euro seit dem 7. Oktober 2010 sowie aus jeweils 272,00 Euro seit dem 26. Januar und dem 7. Mai 2011 zu zahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine persönliche Zulage in einer bestimmten Höhe zu zahlen.

Die Voraussetzungen einer persönlichen Zulage und ihrer Höhe sind bei der Beklagten in einer Betriebsvereinbarung (BV PZ) geregelt. Es werden vier Stufen unterschieden, ua. Grundstufe und Sollstufe. Die Höhe der Zulage richtet sich nach der erreichten Stufe. Die seitens des Klägers begehrte Zulage nach der Sollstufe setzt das Erreichen von sieben Punkten voraus. Ermittelt werden diese anhand des Beitrags der einzelnen Mitarbeiter am Gruppenergebnis. Dazu sind zwölf Kriterien in drei Gruppen zusammengefasst (Zusammenwirken in der Gruppe, ganzheitliche Qualitätsanforderungen und Flexibilität/Initiative). Für jedes der zwölf Einzelmerkmale sind die Ausprägungen „- = 0 Punkte“, „Soll = 1 Punkt“ und „+ = 2 Punkte“ vorgesehen.

Null Punkte erhält das Belegschaftsmitglied, das sich in der Einführungsphase befindet bzw. das die Leistungserwartungen nicht erfüllt. Ein Punkt wird vergeben, wenn die Leistungserwartungen erfüllt werden. Zwei Punkte bekommt das Belegschaftsmitglied, welches die Leistungserwartungen übertrifft.

Der Vorspann der Betriebsvereinbarung – soweit sie die persönliche Zulage betrifft – ist wie folgt formuliert:

„B. stellt an Zusammenwirken, Qualitätsbewusstsein, Flexibilität und Initiative seiner Mitarbeiter besondere Erwartungen. Diese Erwartungen werden zwischen dem Vorgesetzten und der Gruppe vereinbart, auf Wunsch auch schriftlich. Die ‚Sollstufe’ und die ‚B. Aufbaustufe’ entlohnen den Beitrag der einzelnen Gruppenmitglieder zum Gruppenergebnis.“

Unter Nr. 5 der Betriebsvereinbarung heißt es:

„Ein regelmäßiges Mitarbeitergespräch findet einmal jährlich mit Wirkung zum 1. Juli statt. Über die Einstufung der Mitarbeiter wird der Betriebsrat in geeigneter Form informiert. Bei Veränderungen des persönlichen Beitrags zum Gruppenergebnis kann das Mitarbeitergespräch auch zu einem anderen Termin stattfinden.

Die Gruppe kann für das Mitarbeitergespräch Vorschläge zur Einstufung machen.“

Nr. 8 – Rückstufungen – lautet:

„Eine Rückstufung der persönlichen Zulage ist dem Mitarbeiter und dem Betriebsrat unverzüglich mitzuteilen. Er erhält die Zulage seiner bisherigen Stufe während der darauf folgenden drei Kalendermonate weiter vergütet. Vor Ablauf dieser 3 Monate findet ein neues Mitarbeitergespräch statt, das ab dem vierten Monat für die persönliche Zulage maßgebend ist.“

Nr. 9 – Einsprüche - sieht folgendes Verfahren vor:

„Unter Angabe von Gründen kann der Betriebsrat gegen jede, der Mitarbeiter gegen die Festlegung seiner persönlichen Zulage innerhalb von 4 Wochen Einspruch einlegen. Der Vorgesetzte hat seine Entscheidung zu begründen. Bei Nichteinigung ist das Personalwesen hinzuzuziehen. Ist auch hierbei keine Einigung zu erzielen, entscheidet eine paritätische Kommission, bestehend aus zwei Arbeitgebervertretern und zwei Arbeitnehmervertretern.“

Nr. 10 – Absicherung bei Leistungsminderung – lautet:

„Mitarbeiter mit mindestens 15jähriger Betriebszugehörigkeit, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und aus gesundheitlichen Gründen die Anforderungen für eine persönliche Zulage nicht mehr erfüllen, erhalten ihre Stufe abgesichert.“

Der 1958 geborene Kläger ist seit 1977 bei der Beklagten beschäftigt. Ab Februar 2008 war er erkrankt. Zum 31. Mai 2009 kündigte die Beklagte dem Kläger deswegen, wogegen sich dieser durch zwei Instanzen erfolgreich zur Wehr setzte. Ab Februar 2009 nahm der Kläger seine Arbeit wieder im normalen Umfang auf. Mit Schreiben vom 27. April 2009 teilte die Beklagte dem Kläger eine Leistungsbeurteilung per 1. Juli 2008 anlässlich einer Tariferhöhung mit neun Punkten mit. Per 1. Juli 2009 bewertete die Beklagte den Beitrag des Klägers zum Gruppenergebnis nur noch mit sechs Punkten. Die in der Betriebsvereinbarung an sich vorgesehenen Konsequenzen wurden nicht gezogen. Innerhalb der folgenden drei Monate fand kein Mitarbeitergespräch statt. Der Kläger erhielt weiter die Zulage. Am 1. April 2010 erstellte die Beklagte sodann eine neue Bewertung. Diese endete ebenfalls mit sechs Punkten, die allerdings zT. in anderen Kategorien erzielt wurden. Für die Zeit ab April 2010 stellte die Beklagte die Zahlung der persönlichen Zulage in Höhe eines Betrages von 68 Euro ein. Per 1. Juli 2010 wurde der Beitrag des Klägers zum Gruppenergebnis erneut auf sechs Punkte festgesetzt. Für das Kriterium „Ordnung/Sauberkeit/Sicherheit im Arbeitsbereich“ erhielt er nun keinen Punkt mehr. Insoweit ist unter den Parteien unstreitig, dass er jedenfalls einmal Plastikteile zwischen Bremssätteln nicht entfernt hatte. Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 14. Juli 2010 gegen seine Bewertung. Unter den Parteien ist streitig, wann das Schreiben der Beklagten zugegangen ist, am 14. Juli, so der Kläger, oder am 16. Juli 2010, so die Beklagte. Einverstanden war er bereits mit der vorangegangenen Einstufung nicht. Eine Zielvereinbarung hatten die Parteien nicht getroffen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe das Verfahren für die Reduzierung der Zulage nicht eingehalten. Der Vorgesetzte habe seine Entscheidung nicht begründet. Eine paritätische Kommission sei nicht eingerichtet. Mitarbeitergespräche seien nicht durchgeführt, Erwartungen nicht formuliert worden, was die Beklagte nicht bestreitet. Außerdem habe er die Voraussetzungen für die Sollstufe erfüllt. So habe er zB. den Meister ua. darauf hingewiesen, dass die Schrauben für die Gestelle/Wagen fehlerhaft seien, was zur Beschädigung der Blinker geführt habe. Das ist insoweit unter den Parteien nicht streitig. Streitig ist unter den Parteien auch nicht, dass er auch Sonderaufgaben termin- und funktionsgerecht erledigt und die Jahresinventur durchgeführt hat. Wenn er die Voraussetzungen der Sollstufe dennoch nicht erreicht haben sollte – so der Kläger -, sei das auf gesundheitliche Beeinträchtigungen zurückzuführen.

Der Kläger hat beantragt,

1.festzustellen, dass seine persönliche Zulage 68 Euro brutto monatlich beträgt,
2.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 204 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,
3.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 272 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung dieser Klageerweiterung zu zahlen,
4.die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 272 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung dieser Klageerweiterung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klage sei unzulässig, weil der Kläger nicht innerhalb von vier Wochen Einspruch eingelegt und weil er auch nicht ernsthaft versucht habe, die paritätische Kommission anzurufen. Die Beklagte hat behauptet, die Bewertung zum 1. Juli 2010 sei dem Kläger bereits am 17. Juni 2010 ausgehändigt worden. Er hätte ohnehin bereits gegen die Beurteilung vom 1. April 2010 Einspruch einlegen müssen. Die Leistungsbeurteilung liege in ihrem Ermessen, das durch den Vorgesetzten beanstandungsfrei ausgeübt worden sei. Wo dem Kläger die Punkte nicht erteilt worden seien, hätten sie ihm auch nicht zugestanden. Er habe seinen Arbeitsplatz wiederholt verschmutzt hinterlassen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das damit begründet, der Kläger habe die Voraussetzungen für eine höhere Bewertung seines Beitrags zum Gruppenergebnis nicht dargelegt. Nach der Betriebsvereinbarung stehe ihm, wenn er die bei der Beklagten maßgeblichen Qualitätsanforderungen erfülle, nur eine Vergütung nach der Grundstufe zu. Überobligatorische Leistungen habe er nicht dargelegt. Sein Vortrag zu den beruflichen Auswirkungen der Einnahme von Antidepressiva sei zu allgemein gehalten. Formale Mängel seien nicht ersichtlich, da eine Verpflichtung zum Abschluss von Zielvereinbarungen nicht bestehe.

Der Kläger hat gegen das ihm am 22. Juni 2011 zugestellte Urteil mit einem am 7. Juli 2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen Bezug auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und führt aus, er müsse zur Erreichung der Sollstufe die Leistungserwartungen nicht übertreffen, sondern lediglich erfüllen. Dies sei geschehen. Die darlegungspflichtige Beklagte habe nichts dazu vorgetragen, warum er die Kriterien nicht erfüllt habe. Das Verfahren zur Reduzierung der Zulage sei schon mangels der Durchführung eines Mitarbeitergesprächs - auch zu der Beurteilung vom 1. April 2010 - nicht eingehalten worden. Es hätte einer Zielvereinbarung bedurft. Schon die Beurteilung vom 1. April 2010 habe er nicht akzeptiert und auch nicht unterschrieben, was nicht streitig ist. Eines Einspruchs habe es insoweit nicht bedurft. Die gesundheitlichen Einschränkungen hätten sich jedenfalls bei den Kriterien „Kostenbewusstsein im Rahmen des Verbesserungsprozesses“ und „Ideen-Management“ ausgewirkt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Juni 2011 – 36 Ca 14808/10 – abzuändern und

1.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch für die Zeit ab Juli 2010 eine monatliche persönliche Zulage in Höhe der Sollstufe iSd. 3. Protokollnotiz zur Betriebsvereinbarung „Einführung eines gemeinsamen Entgeltsystems für Arbeiter und Angestellte (ERA) im Tarifbereich“ vom 11. Mai 2007 zu zahlen,
2.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 748,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 204,00 Euro seit dem 7. Oktober 2010 und aus jeweils 272,00 Euro seit dem 26. Januar und dem 7. Mai 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Auch sie wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien vom 6. Juli, 24. August und 13. September 2011 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2011.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die geltend gemachte Zulage nach der hierfür bei der Beklagten geltenden Betriebsvereinbarung.

1) Die Klage ist zulässig. Ihr steht nicht entgegen, dass die BV PZ für den Kläger unter Nr. 9 die Möglichkeit vorsieht, innerhalb von vier Wochen ein betriebsinternes Verfahren mit dem Ziel einer Entscheidung durch eine paritätische Kommission anzustrengen.

a) Nr. 9 BV PZ sieht einen Ausschluss des Klagerechts auf die persönliche Zulage nicht vor. Die Betriebspartner können auch gar nicht wirksam vereinbaren, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern aus der Anwendung der Betriebsvereinbarung abschließend durch einen verbindlichen Spruch der paritätischen Kommission zu entscheiden sind. Das stellte eine unzulässige Schiedsabrede dar (vgl. BAG 14. Dezember 1999 - 1 AZR 175/99, zu II 1 der Gründe).

Die Überprüfung, ob ein Rechtsbegriff zutreffend angewandt worden ist, ist den staatlichen Gerichten vorbehalten. Sie kann ihnen nicht durch Schiedsvertrag entzogen werden. Nach § 4 ArbGG kann der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nur nach Maßgabe der §§ 101 - 110 ArbGG ausgeschlossen werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind hier nicht gegeben. Eine unzulässige Schiedsgerichtsvereinbarung liegt vor, wenn einer dritten Stelle nicht nur die Feststellung von Tatsachen, sondern darüber hinaus auch deren verbindliche Subsumtion unter einzelne Tatbestandsmerkmale, etwa im Bereich der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe, übertragen wird (vgl. BAG 20. Januar 2004 - 9 AZR 393/03 - AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen = NZA 2004, 994 = EzA § 87 BetrVG 2001 Schiedsgutachten Nr. 1, zu B I 2 der Gründe). Das wäre hier der Fall, wenn der paritätischen Kommission abschließend die Entscheidung darüber übertragen worden wäre, ob den Belegschaftsmitgliedern ein Anspruch auf eine persönliche Zulage zusteht. Dagegen sind Schiedsgutachtenverträge aber auch im Arbeitsrecht zulässig. Bei diesen handelt es sich um Vereinbarungen, mit denen einem Dritten die Aufgabe übertragen wird zu beurteilen, ob ein Tatbestandsmerkmal oder eine tatsächliche Anspruchsvoraussetzung gegeben ist oder nicht (vgl. BAG 14. Dezember 1999 - 1 AZR 175/99, zu II 2 d der Gründe). Derartige Schiedsgutachtenvereinbarungen verstoßen grundsätzlich nicht gegen das im Arbeitsrecht mit wenigen Ausnahmen geltende Verbot der Schiedsgerichtsbarkeit (§ 101 ArbGG). Die für das arbeitsgerichtliche Verfahren aus der Gutachtenabrede folgende Bindung ist aber allein materiell-rechtlicher Natur. Sie führt zur entsprechenden Anwendung der §§ 317 ff. BGB.

b) Mit der Regelung unter Nr. 9 BV PZ wird auch keine prozesshindernde Einrede der Beklagten begründet. Dem steht bereits entgegen, dass hier ein Schiedsgutachtenvertrag nicht vorliegt. In der BV PZ fehlt jeder Hinweis dafür, dass durch das Verfahren nach Nr. 9 der gerichtliche Rechtsschutz eingeschränkt werden soll (vgl. zu dieser Voraussetzung: BAG 14. Dezember 1999 - 1 AZR 175/99, zu II 2 d der Gründe).

aa) Nr. 9 BV PZ legt nicht fest, dass eine Klage unzulässig ist, wenn die klagende Partei die Schlichtungsstelle nicht vor Klageerhebung anruft. Etwas anderes ergibt auch nicht eine Auslegung, für die die hinsichtlich der Auslegung von Betriebsvereinbarungen allgemein geltenden Grundsätze Anwendung finden.

Der Wortlaut der Bestimmung bietet keinen Anhalt für die Annahme, die staatliche Gerichtsbarkeit sei vorläufig ausgeschlossen. Er sieht nur eine - zusätzliche - Möglichkeit („kann“) vor, die Schlichtungsstelle anzurufen. Eine Verpflichtung ist gerade nicht festgelegt. Es ist dort auch nicht ausgeschlossen, parallel zum gerichtlichen Verfahren das Verfahren vor einer paritätischen Kommission durchzuführen. Die Betriebsvereinbarung sieht auch keine Regelung für den Fall der Nichtdurchführung eines Schlichtungsverfahrens vor. Hätten die Betriebspartner eine derartige Beschränkung des Klagerechts vereinbaren wollen, hätte dies ausdrücklich bestimmt werden müssen.

bb) Im übrigen geht es hier auch gar nicht in erster Linie um die Frage, ob eine inhaltlich richtige Beurteilung vorliegt, sondern darum, ob seit der Beurteilung, nach der dem Kläger die begehrte Zulage zusteht, überhaupt eine wirksame Beurteilung erstellt worden ist, die geeignet ist, den Zulagenanspruch zu Fall zu bringen. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die nur unter den Voraussetzungen der §§ 101 bis 110 ArbGG Gegenstand einer Schiedsabrede sein könnte (vgl. dazu BAG 27. Oktober 1987 – 1 AZR 80/86 - zu II 2 der Gründe; BAG 20. Januar 2004 - 9 AZR 393/03 - AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen = NZA 2004, 994 = EzA § 87 BetrVG 2001 Schiedsgutachten Nr. 1, zu B I 2 der Gründe). Wäre die Regelung unter Nr. 9 BV ZV also – wie die Beklagte wohl meint - so zu verstehen, dass auch solche Fragen der paritätischen Kommission übertragen werden sollten, wäre sie schon aus diesem Grunde unwirksam. Für Rechtsstreitigkeiten über eine Leistungszulage kann eine Schiedsgerichtsabrede nicht vereinbart werden (vgl. BAG 22. Januar 1997 - 10 AZR 468/96 - AP Nr. 146 zu § 1 TVG Tarifverträge Metallindustrie = NZA 1997, 837 = EzA § 4 TVG Schiedsgutachten Nr. 1, zu III 2 d der Gründe).

2) Die Klage ist auch hinsichtlich beider Anträge begründet. Der Kläger kann die geltend gemachte Zulage beanspruchen.

a) Die vom Kläger begehrte Zulage beruht auf der letzten unter den Parteien unstreitigen Leistungsbeurteilung. Die aufgrund einer Leistungsbeurteilung zu zahlende Zulage ist dem Belegschaftsmitglied solange zu zahlen, bis eine erneute wirksame Beurteilung erfolgt ist. Maßgeblich ist insoweit für eine Rückstufung nach Nr. 8 BV ZV – auch nach der Erläuterung durch den Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung - die Beurteilung, die dem Belegschaftsmitglied nach einer etwa dreimonatigen „Bewährungszeit“ erstellt wird. Nach der Formulierung in der Betriebsvereinbarung findet vor Ablauf von drei Monaten ein erneutes Mitarbeitergespräch statt, das ab dem vierten Monat für die persönliche Zulage maßgebend ist. Nach übereinstimmender Darstellung der Parteien in der Berufungsverhandlung wird in diesem Zusammenhang erneut eine Leistungsbeurteilung erstellt, die dann für die Zahlung einer Zulage ab dem vierten Monat nach der Beurteilung zum 1. Juli maßgeblich ist und dementsprechend auch Gegenstand einer etwaigen Überprüfung sein soll.

b) Bei Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte ist die Grundlage für die Zahlung der Zulage nicht in Wegfall geraten. Maßgeblich ist weiterhin das Ergebnis der Beurteilung aus dem Jahr 2008. Eine wirksame neue Beurteilung hat die Beklagte für den Kläger nicht erstellt.

aa) Nach dem unter a) Ausgeführten hätte im Jahr 2009 innerhalb von drei Monaten nach der Beurteilung zum 1. Juli 2009 eine erneute Beurteilung durchgeführt werden müssen. Das ist nicht geschehen. Erst am 1. April 2010 ist dem Kläger sodann eine neue Beurteilung ausgehändigt worden, die die Beklagte zum Anlass genommen hat, den Kläger unmittelbar herabzustufen. Nach Nr. 8 Satz 3 BV PZ wäre ein Mitarbeitergespräch, welches dann zu einer zeitnahen Herabstufung berechtigt hätte, nur innerhalb von drei Monaten möglich gewesen. Zwar kann nach Nr. 5 Satz 3 BV PZ bei Veränderungen des persönlichen Beitrags zum Gruppenergebnis das Mitarbeitergespräch auch zu einem anderen Termin stattfinden. Dann hätte aber wiederum zunächst das Verfahren nach Nr. 8 BV PZ durchgeführt werden müssen, ggf. mit der Möglichkeit einer Rückstufung ab dem vierten Monat danach. Unabhängig davon sind – dem Einleitungssatzes der BV PZ widersprechend - auch zu keinem Zeitpunkt konkrete Leistungserwartungen artikuliert worden. Mitarbeitergespräche, in denen entsprechende Erwartungen formuliert worden wären, haben nicht stattgefunden. Eine wirksame Beurteilung hätte hier aber zwingend vorausgesetzt, dass dem Kläger überhaupt bekannt gewesen wäre, woran er gemessen wird. Dementsprechend verlangt die Betriebsvereinbarung auch entsprechende Gespräche.

bb) Unabhängig davon hat die Beklagte auch die Voraussetzungen für eine Rückstufung unter die Sollstufe nicht vorgetragen. Bei der Beurteilung handelt es sich um eine Leistungsbestimmung. Da die Beklagte unter Gewichtung der Bewertungsmerkmale die Leistung des Klägers einem bestimmten Ergebnis zugeordnet hat, folgt ihre Darlegungslast daraus, dass der die Leistung Bestimmende vortragen und erforderlichenfalls beweisen muss, dass die von ihm getroffene Bestimmung dem vereinbarten Maßstab und der Billigkeit entspricht (vgl. BAG 1. August 1991 – 6 AZR 398/86, zu II 3 der Gründe). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen. Es ist zB. nicht erkennbar, durch welches konkrete Verhalten der Kläger die Sollstufe bei dem Merkmal „Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit im Arbeitsbereich“ nicht erfüllt haben soll. Ein einmaliges Unterlassen der Entfernung von Plastikteilen rechtfertigt diese Einschätzung sicher nicht. Für weitere Nachlässigkeiten in diesem Bereich fehlt konkreter, auch zeitlich einzuordnender Vortrag der Beklagten. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, welche Erwartungen insoweit zwischen dem Vorgesetzten und der Gruppe vereinbart worden bzw. in Mitarbeitergesprächen vermittelt worden sind. Das wäre aber zwingende Voraussetzung gewesen, um dem Kläger vorhalten zu können, er habe diese nicht erfüllt.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten stände es dem Anspruch des Klägers auch nicht entgegen, wenn er nicht innerhalb von vier Wochen Einspruch gegen die Festlegung vorgenommen hätte, was allerdings unter den Parteien streitig ist. Die Frist der Nr. 9 Satz 1 BV PZ ist maßgeblich für die Einleitung des internen Schlichtungsverfahrens. Hiervon hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Wie dargestellt, war er hierzu auch nicht verpflichtet. Eine weitergehende Bedeutung kommt der Frist nicht zu. Insbesondere handelt es sich nicht um eine von der tariflichen Regelung abweichende - diese verkürzende - Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen auf die persönliche Zulage. Die tariflichen Ausschlussfristen hat der Kläger gewahrt. Das ist unter den Parteien unstreitig.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang nach § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. So ist der Kostenausspruch im Tenor zu verstehen.

IV. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.