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Entscheidung 11 Wx 8/11


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 08.05.2014
Aktenzeichen 11 Wx 8/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Mai 2011 – 19 T 307/10 – abgeändert und die Beschwerde des Betroffenen gegen die Durchsuchungsanordnung aus dem Beschluss des Amtsgerichts Eberwalde vom 17. Februar 2010 – 12 Gs 42/10 – zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens über die weitere Beschwerde trägt der Betroffene. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Streitwert: 3.000 €

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer zur Gefahrenabwehr erfolgten gerichtlichen Durchsuchungsanordnung.

Der Antragsteller beantragte am 15.2.2010 beim Amtsgericht Eberswalde, die Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen gemäß §§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 2, 24 Abs. 1, 25 Nr. 1 BbgPolG anzuordnen.

Zur Begründung führte der Antragsteller aus, der Betroffene sei Mitglied („Member“) des Motorradclubs “H…“. Als solcher habe sich der Betroffene einem vereinsinternen „Ehrenkodex“ unterworfen, weshalb der Betroffene mutmaßlich an Planungen, Vorbereitungen und Durchführungen von Aktionen seines Clubs beteiligt sei. Gegen den Betroffenen seien bisher insgesamt 19 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, darunter zweimal wegen Freiheitsberaubung und zweimal wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz.

In den Jahren 2009 und 2010 sei es in der Rockerszene aufgrund verschärfter Auseinandersetzungen rivalisierender Motorradclubs um die Vorherrschaft in bestimmten Betätigungsfeldern zu schweren Verstößen gegen die Rechtsordnung gekommen. Die Motorradclubs konkurrierten in verschiedenen Bereichen miteinander, etwa in der Türsteherszene, im Rotlichtmilieu, beim Handel mit Betäubungsmitteln und Anabolika, beim Menschenhandel, bei Schutzgelderpressungen, bei der Hehlerei von hochwertigen Motorrädern und Motorradteilen sowie beim Waffenhandel. Bei polizeilichen Kontrollen seien bei den Angehörigen der Szene vielfach und wiederholt Waffen und gefährliche Gegenstände aufgefunden worden. Seit dem Jahr 2005 seien im Rahmen von Auseinandersetzungen zwischen den „H…“ und den „B…“ Mitglieder und Unterstützer durch Straftaten unter Einsatz von Waffen sowie gefährlichen Gegenständen schwer verletzt und in die Gefahr des Todes gebracht bzw. getötet worden.

Beispielhaft zählte der Antragsteller insgesamt elf Vorfälle aus dem Jahr 2009 in … auf, in denen es zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern verschiedener Motorradclubs unter Einsatz von diversen Waffen gekommen sei. Dabei seien wiederholt verschiedene Mitglieder der jeweiligen Motorradclubs körperlich schwer geschädigt worden, so dass diese teilweise stationär hätten behandelt werden müssen. Es sei zu lebensgefährlichen Messerstichen und Machetenhieben gekommen. In einem Fall sei ein Mord mittels einer Granate versucht worden. In einem anderen Fall hätten Mitglieder eines Motorradclubs Schussverletzungen erlitten. In einem weiteren Fall sei einem Geschädigten ein geladener Revolver vorgehalten worden.

Anlässlich der zeitgleichen Durchsuchung von Wohnungen und Objekten von führenden Mitgliedern verschiedener Motorradclubs am 17. September 2009 seien insgesamt 81 Gegenstände sichergestellt worden, darunter eine Pistole, ein geladener Revolver, eine Übungsgranate, eine Gasdruckwaffe, eine Duellpistole, eine Armbrust, Baseballschläger, Schlagringe, Totschläger, Teleskopschlagstöcke, Schwerter, eine Machete, Äxte, Dolche, Lanzen, Wurfsterne, diverse Arten von Messern, Axtstiele, ein abgesägter Billardstock und ein Paar Quarzsandhandschuhe.

Bei einer weiteren Durchsuchungsaktion eine Woche später seien weitere 91 Gegenstände sichergestellt worden, darunter vier Schusswaffen, Baseballschläger, Schlagringe, Teleskopschlagstöcke, Schwerter und Macheten, Äxte, diverse Messer, Axtstiele, Quarzsandhandschuhe, Schlagstöcke, Reizgassprühgeräte sowie ein Elektroschocker.

Bei insgesamt neun anlassbezogenen Kontrollen in der Zeit von September 2009 bis Januar 2010 sei im Kontext von Veranstaltungen von Motorradclubs ebenfalls eine Vielzahl von Waffen sichergestellt worden, darunter Messer, Teleskopschlagstöcke, Quarzsandhandschuhe, Baseballschläger, Axtstiele, Reizgassprühdosen, ein Würgeholz, Patronen, Beile, Totschläger sowie ein Stahlkabel mit einer Handschlaufe.

Bei der Verhaftung eines ehemaligen Mitglieds eines verbotenen Motorradclubs seien in den anschließend eingeleiteten Durchsuchungen unter anderem 12 kg Marihuana, 4 kg Haschisch, 166 g Amphetamin, 67 g Kokain und 19.000 € Dealgeld sichergestellt worden.

Auch bei einer am 27. Oktober 2009 durchgeführten Durchsuchung eines Mitglieds eines Motorradclubs seien Waffen sichergestellt worden, insbesondere eine Schreckschusswaffe mit eingeführtem Magazin, mehrere Pfefferpatronen und Kartuschen für Schreckschusswaffen, zwei Anscheinswaffen, ein Schlagring, ein Nothammer, drei Wurfmesser sowie erhebliche Mengen an schmerzstillenden Medikamenten, eine Feinwaage sowie mehrere Plastiktüten mit unbekannten Substanzen.

Trotz dieser polizeilichen Aktionen sei es im dritten Quartal 2009 in … in mindestens acht Fällen zu Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern verfeindeter Motorradclubs mit erheblichen Körperverletzungen gekommen. Auch in anderen Bundesländern habe es vergleichbare Auseinandersetzungen gegeben, am 8. Oktober 2009 in D… sogar ein Tötungsdelikt. Wegen der Verflechtungen der verschiedenen Clubs untereinander sei auch die Rockerszene in B… und … tangiert.

Anlass für die Erwartung weiterer erheblicher Auseinandersetzungen gebe insbesondere der am 2. Februar 2010 erfolgte Übertritt von insgesamt 70 Mitgliedern der B… und sogenannten Supporterclubs aus B… und … zu den H…. Ein Teil der übergetretenen Mitglieder stamme aus dem Ba…. Ein solcher Übertritt verstoße gegen die Regeln und Ehrbegriffe der Rockerszene und stelle für die B… einen massiven Ansehensverlust da. Daher seien weitere gewalttätige Auseinandersetzung gerade auch unter Beteiligung von im Land … lebenden Mitgliedern der militanten Motorradclubs zu besorgen. Zur wirksamen Gefahrenabwehr gegen solche Auseinandersetzungen seien zeitgleiche polizeiliche Maßnahmen geplant.

Mit der Mitgliedschaft des Betroffenen bei den H… lägen vor dem geschilderten Hintergrund hinreichende Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Betroffene gegenwärtig im Besitz von Waffen, verbotenen Gegenständen und/oder anderen Schutzwaffen sei, die bei Straftaten eingesetzt werden könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsschrift vom 15. Februar 2010 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 17.2.2010 ordnete das Amtsgericht Eberswalde die Durchsuchung der Person des Betroffenen, der in seinem Besitz befindlichen Sachen einschließlich Kraftfahrzeugen und seiner Wohnung nebst gegebenenfalls vorhandener Geschäftsräume, Stallungen, Garagen und sonstigen Räumlichkeiten einschließlich aller Nebenräume gemäß §§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 Nr. 3, 23 Abs. 1 Nr. 2 BbgPolG an. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass zu erwarten sei, dass im Rahmen der Durchsuchung Gegenstände aufgefunden würden, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellten. Es bestehe der begründete Verdacht, dass der Betroffene sich im Besitz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen befinde und diese in möglicherweise stattfindenden Auseinandersetzungen mit anderen Rockergruppen auch selbst verwenden werde. Der Verdacht ergebe sich aus der Mitgliedschaft des Betroffenen bei den H…. Diese seien in jüngster Vergangenheit mit zunehmender Tendenz in gewalttätige Auseinandersetzungen mit anderen Rockergruppierungen verwickelt worden, die mit äußerster Brutalität und teilweise unter Verwendung von Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen geführt worden seien. Es bestehe nicht nur die Gefahr der Verletzung der bei der Auseinandersetzung Beteiligten, sondern auch die Gefahr der Verletzung zufällig vor Ort befindlicher Dritter. Zudem bestehe innerhalb von Rockergruppierungen eine erheblich höhere Gewaltbereitschaft als im Durchschnitt der Bevölkerung, da diese Gruppierungen von dem Bewusstsein geprägt seien, das staatliche Gewaltmonopol nicht anzuerkennen und Konflikte mit konkurrierenden Gruppierungen mit eigener Gewaltanwendung begegnen.

Am 3. März 2010 wurde die Wohnung des Betroffenen durchsucht. Dabei wurde ein Dolch sichergestellt.

Mit Schriftsatz vom 17. März 2010 legte der Betroffene Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts ein und beantragte festzustellen, dass der angegriffene Beschluss und seine Vollziehung rechtswidrig seien. Zur Begründung führte der Betroffene aus, dass die von dem Antragsteller dargelegten Tatsachen die gerichtliche Anordnung nicht rechtfertigten. Die einzelnen von dem Antragsteller dargelegten Vorfälle beträfen allesamt nicht ihn. Er sei auch vor Erlass des Beschlusses nicht angehört worden. Der Antragsteller sei gehalten, das vollständige Lagebild „Rocker“ des LKA … vorzulegen, so dass auch er – der Betroffene – insoweit Einsicht nehmen könne. Die Kenntnis dieser Lagebilder sei für die nachträgliche richterliche Rechtmäßigkeitskontrolle unverzichtbar, insbesondere auch vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung des Grundrechtsschutzes nach Art. 13 GG.

Mit Beschluss vom 19.5.2011 stellte das Landgericht Frankfurt (Oder) fest, dass die Anordnung der Durchsuchung durch den Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde rechtswidrig gewesen sei. Die Beschwerde sei gemäß § 24 Abs. 1 S. 3 BbgPolG i.V.m. §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 FGG statthaft und zulässig. Anwendbar seien die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 24 Abs. 1 S. 3 BbgPolG. Aufgrund des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs des angegriffenen Hoheitsaktes bestehe ein Rechtsschutzinteresse für eine Sachentscheidung zum Zwecke der Überprüfung der beanstandeten Anordnung. Die Beschwerde sei begründet, weil die von dem Antragsteller angegebenen Tatsachen lediglich eine vage Vermutung dazu zuließen, dass sich in der Wohnung des Betroffenen sicherzustellende Gegenstände befänden. Die Annahme, bei dem Betroffenen als Mitglied eines kriminell und gewaltbereit eingestuften Motorradclubs Waffen bzw. verbotene Gegenstände aufzufinden, gründe nicht auf einer substantiellen Verdachtsprognose. Es fehle an Anhaltspunkten, die hätten belegen können, dass der Beschwerdeführer in zeitlich relevantem Zusammenhang zum Durchsuchungsantrag durch Begebenheiten aufgefallen sei, welche einen Rückschluss darauf zuließen, dass er in seiner Wohnung sicherzustellende Gegenstände lagere. Dass bei der Durchsuchung von anderen Mitgliedern von Motorradclubs in der Vergangenheit verbotene Gegenstände gefunden worden seien, begründe keinen aktuellen Verdacht gegen den Betroffenen. Würde allein die Mitgliedschaft in einem solchen Motorradclub tatsächlich als hinreichende Verdachtsprognose ausreichen, könnte prinzipiell weiterhin jederzeit eine Durchsuchung der einzelnen Mitglieder ohne eine individuelle Betrachtung der Person gerichtlich angeordnet werden. Es könnten nicht sämtliche Mitglieder rivalisierender Motorradclubs in eine Art nachhaltige „Sippenhaft“ genommen werden, so dass die Betrachtung der tatsächlichen Involvierung des einzelnen entbehrlich werden könne.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 8. Juni 2011, mit der dieser sein früheres Vorbringen insbesondere unter Hinweis auf andere Entscheidungen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vertieft.

Der Betroffene verteidigt den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) und vertritt die Auffassung, dass das brandenburgische Landesrecht in Hinblick auf das in Art. 13 GG geschützte Grundrecht restriktiv auszulegen sei. Auch eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit habe nicht vorgelegen, da allein die bloße Clubmitgliedschaft die Durchsuchungsanordnung nicht rechtfertige. Selbst wenn das Oberlandesgericht die Durchsuchungsanordnung für rechtmäßig hielte, wäre die Sache an das Landgericht zur weiteren Aufklärung zurückzuverweisen. Denn der Betroffene habe schon in früheren Schriftsätzen die Beibringung weiterer polizeilicher Erkenntnisse beantragt.

II.

1.

Die weitere Beschwerde ist zulässig.

Es finden insoweit wegen der Verweisung in § 24 Abs. 1 S. 3 BbgPolG a.F. die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) auch nach Inkrafttreten des FamFG Anwendung (BGH, Beschluss vom 1. März 2011, StB 28/10; vgl. BGH NJW 2011, 690). Gemäß § 27 Abs. 1 FGG findet gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde statt, wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Mit der form- und fristgerecht eingereichten weiteren Beschwerde rügt der Antragsteller die unrichtige Anwendung materiellen Rechts. Die erst nach Einlegung der weiteren Beschwerde ohne Übergangsregelung eingeführte Änderung der landesrechtlichen Verweisung in § 24 Abs. 1 S. 3 BbgPolG auf die Vorschriften des FamFG (Achtes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes vom 19. Dezember 2011, GVBl. I/11 Nr. 31) führt wegen des Grundsatzes der perpetuatio fori nicht zum Wegfall der bereits begründeten Zuständigkeit des Beschwerdegerichts (vgl. BGH NJW 1978, 889).

Der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde steht nicht entgegen, dass die Durchsuchung bereits abgeschlossen ist. Denn das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen besteht weiterhin im Hinblick auf den Eingriff in Grundrechtspositionen mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts (vgl. BGH NJW 2002, 1801; BVerfG NJW 2003, 1513). Eine Erledigung im prozessualen Sinne ist daher nicht eingetreten, so dass der Antrag stellenden Behörde die Möglichkeit verbleibt, gegen die Feststellung der Rechtswidrigkeit durch das Landgericht mit der weiteren Beschwerde gemäß § 27 Abs. 1 FGG vorzugehen.

2.

Die weitere Beschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts und zur Zurückweisung der Beschwerde des Betroffenen gegen die amtsgerichtliche Durchsuchungsanordnung.

Nach dem für die Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt lagen die Voraussetzungen für eine Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen zum Zwecke der Sicherstellung von Waffen sowie anderen gefährlichen Gegenständen im Rahmen der Gefahrenabwehr gemäß §§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 25 Nr. 1 BbgPolG vor. Danach kann die Polizei eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Sache befindet, die sichergestellt werden darf. Eine Sicherstellung ist insbesondere dann möglich, wenn dies dazu dient, eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall im Hinblick auf Waffen und andere gefährliche Gegenstände, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit oder erkennbaren Widmung geeignet sind, die Auswirkungen einer Gewalteinwirkung auf Menschen zu erhöhen, erfüllt. Die Maßnahme war geeignet und verhältnismäßig, insbesondere auch in Hinblick auf die Person des hier Betroffenen.

a)

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer bereits vollzogenen Durchsuchungsanordnung kommt es vorliegend auf den Sachverhalt an, der dem zuständigen Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung – gegebenenfalls nach Durchführung der möglichen und im Einzelfall erforderlichen Ermittlungen – erkennbar war. Danach hat der Richter, bevor er die Durchsuchung anordnet, unter Zugrundelegung des vorgetragenen und nach etwaigen weiteren Ermittlungen festgestellten Sachverhalts in eigener Verantwortung zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung dieser Maßnahme vorliegen und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist (vgl. OLG Hamm NVwZ-RR 2010, 921 m.w.N.; OLG Frankfurt FGPrax 2007, 42). Danach ist zu prüfen, ob die gerichtliche Durchsuchungsanordnung auf der Grundlage der von dem Antragsteller in der Antragsschrift vorgebrachten tatsächlichen Umstände gerechtfertigt war. Nicht maßgeblich für die Rechtsmäßigkeitsprüfung ist insofern der Inhalt anderer, nicht vorgelegter Dokumente, etwa der polizeilichen Lagebeurteilung. Es bedarf daher keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung in dieser Sache, so dass auch eine Zurückweisung nicht in Betracht kommt.

b)

Eine Gefahr im Sinne des § 25 BbgPolG ist schlechthin jede konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Ausreichend in diesem Zusammenhang ist auch die sogenannte Anscheinsgefahr. Eine solche liegt vor, wenn objektiv zwar keine Gefahr gegeben ist, aber die Polizei bei verständiger Würdigung der Umstände im Zeitpunkt ihres Einschreitens das Vorliegen einer Gefahr annehmen konnte. Die Anscheinsgefahr steht einer tatsächlich vorhandenen Gefahr gleich und genügt als Anlass zum Einschreiten (Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 20. Auflage, Art. 25 Rn. 3; Art. 2 Rn. 39).

Die von dem Antragsteller angenommene Gefahr von tätlichen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Motorradclubs stellt eine solche Gefahr dar, da diese mit gegenseitigen Körperverletzung und damit Straftaten einhergehen. Sofern solche Auseinandersetzung mit Waffen oder anderen gefährlichen Gegenständen geführt werden, verstärkt dies diese Gefahr, da dadurch die Intensität der Auseinandersetzung und das Risiko erheblicher Verletzungen deutlich erhöht wird, vgl. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Der Antragsteller konnte bei verständiger Würdigung der Umstände auch davon ausgehen, dass eine entsprechende Gefahr für solche Auseinandersetzungen gegeben war. Dass sich die Mitglieder verfeindeter Motorradclubs verschiedentlich in der Vergangenheit tätliche Auseinandersetzungen mit erheblichen, teils tödlichen Verletzungen geliefert haben, hat der Antragsteller in der Antragsschrift hinreichend unter Aufzählung einer Vielzahl von konkreten Beispielen dargelegt. Die von dem Antragsteller benannten Ereignisse fanden zu einem großen Teil in den Monaten vor der hier in Rede stehenden Durchsuchung statt, so dass in zeitlicher Hinsicht die Gefahr weiterhin bestand. Darüber hinaus hat der Antragsteller dargelegt, dass durch das kurz zuvor erfolgte Überlaufen von 70 Mitgliedern eines anderen Motorradclubs mit weiteren heftigen Auseinandersetzungen konkret zu rechnen war.

c)

Diese Gefahr war auch hinreichend gegenwärtig. Der Begriff der „gegenwärtigen Gefahr“ ist in seinem polizeirechtlichen Kontext so auszulegen, dass das schädigende Ereignis bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorstehen muss (Berner/Köhler/Käß, a.a.O. Art. 25 Rn. 3; vgl. Niehörster, Brandenburgisches Polizeigesetz, 2. Aufl., S. 39). Aus der Gesetzesbegründung zum Brandenburgischen Polizeigesetz lässt sich entnehmen, dass der Landesgesetzgeber hier nicht von der höchsten Gefahrstufe ausgegangen ist (vgl. Beschluss d. Senats vom 21.1.2010, 11 Wx 91/09). Dabei sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden und je ranghöher das bedrohte Schutzgut ist. Der Wahrscheinlichkeitsgrad und die Tatsachenbasis der Prognose müssen dabei in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung stehen.

Angesichts des zwei Wochen vor der Antragstellung erfolgten Übertritts von insgesamt 70 Mitgliedern eines konkurrierenden Motorradclubs zu den H… war mit Auseinandersetzungen rivalisierender Motorradclubs unter Beteiligung der H… mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Zutreffend ist der Antragsteller davon ausgegangen, dass ein solcher Übertritt einen massiven Ansehensverlust der B… darstellte. Dieser hätte sowohl aus der Sicht der B… Anlass zu „Racheaktionen“ geben können, als auch aus Sicht anderer rivalisierender Motorradclubs Anlass sein können, die Stärke der nunmehr personell geschwächten B… im Rahmen von weiteren Auseinandersetzungen zu testen und gegebenenfalls aus konkurrierenden Tätigkeitsfeldern gänzlich zu verdrängen.

Es liegt auch auf der Hand, dass für nicht fernliegende Racheaktionen der B… eine entsprechende Vorbereitungszeit der stets organisiert operierenden Gruppen berücksichtigt werden muss. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der richterlichen Durchsuchungsanordnung eine Gefahr nicht mehr gegenwärtig gewesen wäre.

Nach den konkreten Darlegungen des Antragstellers waren bereits vor dem Übertritt tätliche Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Motorradgruppen in B… und … im Abstand von ein bis zwei Wochen zu verzeichnen. Es war daher mit einer weiteren Intensivierung der Auseinandersetzungen zu rechnen. Nach den Angaben des Antragstellers lebte ein nicht unerheblicher Teil der übergelaufenen Mitglieder im Ba…, weshalb in örtlicher Hinsicht mit einem Schwerpunkt von Auseinandersetzungen in der Nähe zum Durchsuchungsort zu rechnen war.

d)

Die in Rede stehende Durchsuchung war auch geeignet und erforderlich, um die gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden bzw. erheblich zu verringern. Denn die Sicherstellung von Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen entzieht den bei einer späteren Auseinandersetzung beteiligten Kontrahenten diese Gegenstände, so dass sie für Tätlichkeiten nicht mehr eingesetzt werden können.

e)

Schließlich war die angeordnete Durchsuchung in Ansehung der Umstände des Einzelfalls auch im Hinblick auf die in Art. 13 Abs. 1 GG garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung verhältnismäßig im engeren Sinne.

Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung, womit dem Einzelnen ein elementarer Lebensraum zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gewährleistet wird. In den Wohnräumen hat jeder das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein. Dem erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demgemäß muss die Durchsuchung für den gesetzlichen Zweck erforderlich sein; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Daneben muss die Durchsuchung im Blick auf den verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein und hierzu in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl. BVerfG StraFo 2014, 67; stRspr.).

aa)

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Durchsuchung nicht ausschließlich den Zweck verfolgte, verbotene Waffen sicherzustellen, um den Vorschriften des Waffengesetzes Geltung zu verschaffen. Vielmehr erfolgte die Durchsuchung nach den ausdrücklichen Angaben des Antragstellers auch zur Verhinderung bzw. Entschärfung bevorstehender erheblicher tätlicher Auseinandersetzungen rivalisierender Motorradgangs. Die Durchsuchung erfolgte daher zu dem Zweck, rechtswidrige Eingriffe in die nach Art. 2 Abs. 2 GG geschützte körperliche Unversehrtheit und in das Recht auf Leben zu verhindern. Dabei geht es um die körperliche Unversehrtheit sowohl der an einer Auseinandersetzung beteiligten Personen als auch unbeteiligter Dritter.

bb)

Zu beachten ist auch, dass es sich hier bei den in Rede stehenden Waffen und gefährlichen Gegenständen um solche handelt, die weder besonders groß noch besonders schwer und damit sehr leicht zu transportieren und zu verstecken sind. Es ist daher sehr leicht möglich, solche Waffen innerhalb kürzester Zeit zwischen Mitgliedern des Motorradclubs zu verteilen und weiterzugeben, um sie dem Zugriff der Polizeibehörden zu entziehen. Um einer solchen Gefährdung wirksam zu begegnen, bleibt den Polizeibehörden in einer akuten Gefahrsituation nur die Möglichkeit, zeitgleich bei allen in Betracht kommenden Mitgliedern solcher Motorradclubs Durchsuchungen durchzuführen. Zeitlich nacheinander vollzogene Durchsuchungen wären weitgehend wirkungslos. Dies belegen auch die Angaben des Antragstellers zu den bisherigen Waffenfunden. Substantielle Funde, bei denen etwa Schusswaffen aufgefunden wurden konnten, waren bislang nur bei gleichzeitig durchgeführten Durchsuchungsaktionen an verschiedenen Orten erfolgreich. Demgegenüber konnten bei einzelnen Durchsuchungen und anlassbezogenen Kontrollen regelmäßig nur gefährliche Gegenstände aufgefunden werden, deren Beschaffung bzw. Wiederbeschaffung sehr leicht möglich ist. Es liegt auf der Hand, dass die Mitglieder des Motorradclubs besonders gefährliche Waffen, wie etwa Schusswaffen, die auch nur schwer wieder zu beschaffen wären, in besonderer Weise vor einer Entdeckung zu schützen versuchen.

cc)

Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass die Mitglieder des Motorradclubs entsprechende Waffen offen mit sich herumtragen oder sonst gegenüber den Polizeibehörden zu erkennen geben, dass sie im Besitz solcher Waffen sind. Es ist daher für einen Außenstehenden kaum möglich, eine sichere Prognose darüber anzustellen, ob bei einem bestimmten Mitglied des Motorradclubs bestimmte Waffen mit Sicherheit aufzufinden wären. Es begegnet vor diesem Hintergrund keinen Bedenken, wenn die Polizeibehörde die Mitgliedschaft in dem in Rede stehenden Motorradclub bei einer zeitlich und örtlich konkretisierten Gefährdungssituation wie vorliegend zum Anlass für eine Durchsuchung im Rahmen einer koordinierten Aktion nimmt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Mitgliedschaft in einem solchen Motorradclub nicht durch schlichten Beitritt zu erlangen ist, sondern dass eine streng hierarchische Organisation besteht und Anwärter (“Prospects“) zunächst ihre „Eignung“ und „Loyalität“ gegenüber dem Motorradclub unter Beweis stellen müssen. Bei einem Mitglied (“Member“) der H… muss davon ausgegangen werden, dass er die erforderlichen „Prüfungen“ bereits „erfolgreich“ absolviert hat. Bei ihm kann daher eine erhöhte Bereitschaft und eine erhöhte Identifikation mit den Zielen und Maßnahmen des Motorradclubs ohne Weiteres unterstellt werden. Es kann daher auch davon ausgegangen werden, dass ein solches Mitglied jederzeit bereit ist, bei Bedarf Waffen für den Motorradclub in der Wohnung zu verstecken. Dass der Betroffene ein Mitglied („Member“) der „H…“ ist, hat dieser nicht in Abrede gestellt.

Ob allein die Mitgliedschaft in einem Motorradclub einen hinreichenden Anlass für eine Durchsuchungsanordnung bietet, muss hier nicht entschieden werden. Unzutreffend ist jedenfalls die Auffassung des Landgerichts, das Amtsgericht und der Antragsteller hätten im vorliegenden Fall allein die Mitgliedschaft in einem Motorradclub zum Anlass für eine Durchsuchung genommen. Vielmehr lagen hier weitere beachtliche Gesichtspunkte vor, da angesichts der eskalierenden Auseinandersetzungen im Jahr 2009 und angesichts des kurz zuvor erfolgten Übertritts von 70 Mitgliedern der B… zu den H… eine akute Gefährdungssituation vorgelegen hat, die eine Vielzahl heftiger und gefährlicher Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Motorradclubs sicher erwarten ließ. Auch fand die Durchsuchung nicht isoliert, sondern im Rahmen einer koordinierten Aktion statt, die – wie oben dargestellt – nur dann sinnvoll ist, wenn die möglichen Fundorte systematisch und insbesondere vollständig abgedeckt werden können. Dass nicht an allen Orten Funde sicher zu erwarten sind, liegt dann in der Natur der Sache.

dd)

Weniger einschneidende Möglichkeiten, die in vergleichbarer Weise geeignet gewesen wären, die Folgen der zu erwartenden tätlichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Motorradclubs zu mildern bzw. zu verhindern, sind nicht ersichtlich. Dabei ist insbesondere bedeutsam, dass die Auseinandersetzungen weder vorher angekündigt werden, noch im Nachhinein von den Betroffenen bei der Polizei angezeigt werden, so dass die Täter auch mit einer Strafverfolgung kaum rechnen müssen.

ee)

Die Verhältnismäßigkeit ist auch im Hinblick auf den anzulegenden Maßstab für die Sachverhaltsaufklärung gewahrt. Das Gewicht des Eingriffs, der in angemessenem Verhältnis zum Grad der Gefährdung und der Stärke des Tatverdachts stehen muss, verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende, plausible Gründe für die begehrte Maßnahme nicht mehr finden lassen, so dass ihr Ergebnis bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich ist (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2006, 110; OLG Hamm FGPrax 2008, 90). Als Rechtfertigung eines schweren Grundrechtseingriffs muss gewährleistet bleiben, dass Annahmen und Schlussfolgerungen einen konkret umrissenen Ausgangspunkt im Tatsächlichen besitzen (vgl. BVerfGE 113, 348).

Der Antragsteller hat mit der Antragsschrift eine Vielzahl von konkreten tätlichen Auseinandersetzungen mit erheblichen Körperverletzung bis zur Todesfolge zwischen rivalisierenden Motorradgangs im Raum B… und … im Einzelnen dargestellt, bei denen jeweils Waffen und andere gefährliche Gegenstände zum Einsatz gekommen waren. Darüber hinaus hat der Antragsteller vielfältige Waffenfunde bis hin zu Schusswaffenfunden in Einzelnen dargestellt und schließlich dargelegt, warum in zeitlicher und örtlicher Hinsicht auch für die beantragte Durchsuchung ein besonderer Handlungsbedarf bestand. Vor diesem Hintergrund kann von vagen Anhaltspunkten oder bloßen Vermutungen nicht mehr die Rede sein.

ff)

Eine vorherige Anhörung des Betroffenen war nicht erforderlich. Denn die Sicherung gefährdeter Interessen kann in besonderen Verfahrenslagen einen sofortigen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt. In diesen Fällen ist eine Verweisung des Betroffenen auf eine nachträgliche Anhörung zulässig (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl., Art. 13 Rn. 24).

Es liegt hier auf der Hand, dass eine vorherige Anhörung des Betroffenen das Ziel der Durchsuchung vereitelt hätte, so dass eine Anhörung nicht geboten war. Weiter ist es nicht zweifelhaft, dass der Betroffene als Mitglied der H… nicht bereit gewesen wäre, etwaig vorhandene oder versteckte Waffen ohne Durchsuchung herauszugeben.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a Abs. 1 S. 1 FGG.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 S. 1 KostO.

Eine Entscheidung über die Sicherstellungsanordnung des Amtsgerichts war im Rahmen der Entscheidung über die weitere Beschwerde nicht veranlasst.