Gericht | FG Berlin-Brandenburg 13. Senat | Entscheidungsdatum | 03.03.2011 | |
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Aktenzeichen | 13 K 13010/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 181 Abs 5 AO, § 171 Abs 3 AO, § 171 Abs 3a AO, § 10d Abs 3 S 1 EStG 1994, § 17 Abs 4 EStG 1994 |
Ob eine gesonderte Verlustfeststellung nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO für eine Festsetzung (oder Feststellung) von Bedeutung ist, für die die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist, richtet sich nach dem sog. Soll-Verlustabzug. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs durch das Finanzamt bzw. bei einer Verpflichtungsklage zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Die Vorschriften über die Ablaufhemmung der Festsetzungsfristen, insbesondere § 171 Abs. 3 oder 3a AO, können nicht dazu führen, dass auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden kann.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten um eine erstmalige gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1994.
Der Kläger war im Jahr 1994 zu 40 % am Stammkapital der im November 1990 gegründeten X-GmbH beteiligt. Gleichzeitig war er bis zum 5. Juli 1994 Geschäftsführer dieser GmbH.
Die X-GmbH nahm zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit in den Jahren 1991 und 1992 Darlehen auf, für die der Kläger Sicherheiten leistete. Dabei handelte es sich um Grundschulden und selbstschuldnerische Bürgschaften für Darlehen der Bank A / Bank B sowie der Bank C. Am 8. Dezember 1994 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH mangels Masse eingestellt.
Die Darlehensgeber nahmen den Kläger aus den ihnen gewährten Sicherheiten in Anspruch. Im Jahr 1998 nutzte der Kläger den Erlös aus der Veräußerung des belasteten Grundstücks, um durch eine Vergleichszahlung in Höhe von DM … seine Verpflichtungen gegenüber der Bank C (nunmehr Bank D) abzulösen. Weitere DM … dieses Erlöses leistete der Kläger auf die Bürgschaftsverpflichtungen gegenüber der Bank A / Bank B, für die er bereits am 3. Mai 1996 zwei notarielle Schuldanerkenntnisse über DM … bzw. DM … zuzüglich Zinsen abgegeben hatte. Hierfür sollte der Kläger nach einem Schreiben der Bank A vom 21. Juni 1996 monatliche Raten in Höhe von DM … zahlen. Der Kläger löste seine Verpflichtungen gegenüber der Bank A / Bank B (nunmehr Bank E) letztlich im Mai 2007 durch zwei Vergleichszahlungen in Höhe von EUR … bzw. EUR … ab, die er durch ein Darlehen der Bank F in Höhe von EUR … finanzierte. Die nach dem Darlehensvertrag mit der Bank F zu zahlenden Nebenleistungen in Höhe von EUR … (DM …) setzen sich aus EUR … Zinsen, EUR … Bearbeitungsgebühr und EUR … Restschuldversicherung zusammen.
Mit der am 27. Dezember 1996 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 1994 machten die Kläger einen Verlust des Klägers aus Gewerbebetrieb nach § 17 Einkommensteuergesetz -EStG- in Höhe von DM … geltend. Die Steuererklärung enthielt hierzu keine weitere Angaben oder Nachweise. Der Beklagte berücksichtigte diesen Verlust im Änderungsbescheid vom 29. April 1997 nicht und setzte die Einkommensteuer bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von DM … auf DM 0 fest.
Am 15. August 2000 beantragten die Kläger eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung -AO- wegen nachträglicher Anschaffungskosten für die Beteiligung des Klägers an der X-GmbH. Der Kläger sei von den Gläubigern der GmbH für nicht ausgeglichene Verbindlichkeiten in Anspruch genommen worden. In einer Anlage führten die Kläger Zahlungen an Krankenkassen und Kreditinstitute in Höhe von DM … auf.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31. Januar 2001 ab, da mangels eines eigenkapitalersetzenden Charakters der Bürgschaften keine nachträglichen Anschaffungskosten vorlägen. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens forderte der Beklagte mit den Schreiben vom 24. Juli und 28. November 2001 vom Bevollmächtigten der Kläger weitere Unterlagen an. Der Bevollmächtigte kam dieser Aufforderung nicht nach. Daraufhin teilte der Beklagte dem Bevollmächtigten mit Schreiben vom 25. Juni 2002 mit, dass die Kläger aufgrund der Festsetzung der Einkommensteuer in Höhe von EUR 0 nicht beschwert seien. Der Beklagte wies den Einspruch der Kläger deshalb mit der Einspruchsentscheidung vom 4. September 2003 als unzulässig zurück.
Am 3. Juli 2002 beantragten die Kläger die gesonderte Feststellung eines zum 31. Dezember 1994 verbleibenden Verlustabzugs für das Jahr 1994. Der Beklagte lehnte auch diesen Antrag mit Bescheid vom 1. September 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. September 2004 ab. Der Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids setze die Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids voraus. Daran fehle es im Streitfall. Zum einen liege kein rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor, da die Höhe der Inanspruchnahme schon zum Zeitpunkt der Schuldanerkenntnisse vom 3. Mai 1996 und damit vor Erlass des Bescheides vom 29. April 1997 festgestanden habe. Zum andere bestehe keine Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, da den Klägern hinsichtlich der fehlenden Angaben über die nachträglichen Anschaffungskosten in der Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung 1996 ein grobes Verschulden des Bevollmächtigten zuzurechnen sei. Bei dieser Konstellation gewähre auch § 10d Abs. 3 Satz 5 EStG keine Änderungsbefugnis.
Die dagegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht Brandenburg in erster Instanz abgewiesen, da eine Verlustfeststellung aufgrund der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids nicht mehr in Betracht komme. Auf die Revision der Kläger hat der BFH das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Ein verbleibender Verlustabzug sei entgegen der Auffassung des Finanzgerichts auch dann erstmals nach § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG in der Fassung des Streitjahres festzustellen, wenn der Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr bestandskräftig sei und darin kein nicht ausgeglichener Verlust berücksichtigt werde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Urteil des Finanzgerichts Brandenburg vom 27. April 2006 (Az. 5 K 2257/04) und des BFH vom 17. September 2008 (Az. IX R 92/07) Bezug genommen.
…
Die Kläger machen im zweiten Rechtszug geltend, der Beklagte sei ab der Antragstellung im Jahr 2000 gemäß § 88 AO verpflichtet gewesen, auf eine ordnungsmäßige Verlustfeststellungserklärung hinzuwirken. Da der Beklagte dies nicht getan habe, sei die Feststellungsverjährung durchbrochen. Dies werde durch den ab 2007 geltenden § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG bestätigt. Außerdem habe der Bevollmächtigte der Kläger seit dem Jahr 2000 zahlreiche Telefonate mit dem Beklagten zu der Problematik der Verlustverrechnung geführt.
Selbst wenn man von einem Ablauf der Feststellungsfrist ausginge, lägen die Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO vor. Hierfür sei nicht erst auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht bzw. dem BFH abzustellen. Sie, die Kläger, könnten nicht darauf verwiesen werden, dass es ihnen möglich gewesen sei, die Folgejahre durch Rechtsbehelfsverfahren offen zu halten. Im Übrigen könne die Feststellungsverjährung nicht von einem Handeln des Beklagten abhängig gemacht werden.
Hinsichtlich der Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten nach § 17 EStG wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- auf die Aufstellung der Kläger vom 11. Oktober 2010 (Bl. 60 der Streitakten) über insgesamt TDM … für die Jahre 1994 bis 2014 sowie auf die als Anlage zum Schreiben vom 6. Juli 2010 beigefügte Einzelaufstellung des Postens „Diverse Rechnungen“ Bezug genommen. Zu den einzelnen Posten erklärte der Bevollmächtigte der Kläger Folgendes:
Auf die selbstschuldnerische Bürgschaften gegenüber der Bank A / Bank B und die Schuldanerkenntnisse vom Mai 1996 seien letztlich TDM … gezahlt worden. Der Kredit der Bank F über EUR … (DM …) sei in Höhe von EUR … für die Abschlusszahlungen auf die Verpflichtungen gegenüber der Bank A / Bank E verwendet worden. Die restlichen EUR … habe der Kläger zum Ausgleich des durch die hohen Tilgungsraten entstandenen Kontokorrentsaldos genutzt. Die Zahlungen für die Bank G in Höhe von DM … beträfen Schadenersatz und Gebühren wegen der Nichtabnahme eines Darlehens, das zur Ablösung der Schulden gegenüber der Bank D gedacht gewesen sei. Die Zahlungen an die Krankenkassen seien Schadenersatzleistungen nach § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB- i. V. m. §§ 266a Abs. 1 und 14 Strafgesetzbuch -StGB-. Auch diese Zahlungen seien durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, zumal der Kläger zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei. Die in Höhe von DM … ausgewiesenen diversen Rechnungen entfielen auf Rechtsanwalts- und Notarkosten sowie Kosten zur Veräußerung des Grundstücks, d. h. auf Kosten, die zur Befriedung der Gläubiger angefallen seien.
Hinsichtlich der Finanzierungskosten für die Bürgschaftszahlungen folge aus den BFH-Entscheidungen vom 25. Februar 2009 (IX R 62/07) und vom 16. März 2010 (Az. VIII R 20/08), die auch für Veranlagungszeiträume vor 1999 Wirkung hätten, dass der Abzug nachträglicher Schuldzinsen wie bei den Gewinneinkünften zugelassen werden müsse und dem entsprechend eine Rückstellung zu bilden sei. Die entsprechenden Zahlungen seien durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und damit als nachträgliche Anschaffungskosten zu qualifizieren.
Nach den Erläuterungen des Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung sind allerdings die Tilgungsleistungen an die Bank F in Höhe von DM … von den nachträglichen Anschaffungskosten abzuziehen, um eine Doppelberücksichtigung zu vermeiden. Nach Hinzurechnung des Verlustes des Stammkapitals in Höhe von DM … ergebe sich deshalb ein Veräußerungsverlust in Höhe von TDM …. Nach Abzug des Gesamtbetrags der Einkünfte im Jahr 1994 in Höhe von DM … errechne sich daraus ein verbleibender Verlustabzug in Höhe von TDM …. Ein Verlustrücktrag solle nicht durchgeführt werden.
Für die Feststellung dieses Verlustabzugs spreche im Übrigen auch ein Umkehrschluss aus der Neufassung des § 10d Abs. 4 EStG durch das Jahressteuergesetz 2010. Alternativ lägen nachträgliche Aufwendungen im Sinne von § 24 Nr. 2 EStG vor.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 01. September 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. September 2004 den Beklagten zu verpflichten, unter Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes des Klägers nach § 17 EStG in Höhe von DM … einen verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1994 in Höhe von DM … gesondert festzustellen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, dass der verbleibende Verlustabzug nach der Rechtsprechung des BFH so zu berechnen sei, wie er sich bei zutreffender Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und des Verlustrück- und -vortrags nach § 10d Abs. 1 und 2 EStG ergeben hätte (sog. Soll-Verlustabzug). Im Streitfall würden die positiven Einkünfte der festsetzungsverjährten Jahre 1995 bis 2003 den beantragten verbleibenden Verlustabzug aufbrauchen, so dass eine gesonderte Verlustfeststellung nicht mehr möglich sei. Für § 181 Abs. 5 Satz 1 AO sei der Ablauf der Festsetzungsverjährung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich.
Hinsichtlich der Höhe des Auflösungsverlustes nach § 17 EStG erkennt der Beklagte zuletzt einen Betrag in Höhe von TDM … an. Darin seien DM … Stammkapital, die Zahlung in Höhe von TDM … an die Bank D aus dem Grundstücksverkauf sowie Zahlungen an die Bank A in Höhe von insgesamt TDM … enthalten. Dagegen seien Finanzierungskosten nicht als nachträgliche Anschaffungskosten, sondern allenfalls als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Jahr der Zahlung zu berücksichtigen. Dies betreffe die Zahlungen in Höhe von DM … für eine fehlgeschlagene Refinanzierung bei der Bank G, die Zinszahlungen an die Bank F in Höhe von DM … sowie die Anwalts- und Gerichtskosten in Höhe von DM …. Schließlich stellten auch die Zahlungen an die Krankenkassen in Höhe von DM … keine nachträglichen Anschaffungskosten des Klägers für seine GmbH-Beteiligung dar. Vielmehr seien diese Zahlungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Jahr der Zahlung zu berücksichtigen, da ihnen eine Pflichtverletzung des Klägers als Geschäftsführer zugrunde liege.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags nimmt das Gericht auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze einschließlich sämtlicher Anlagen sowie auf die beigezogenen Steuerakten Bezug. Dem Gericht haben ein Band und zwei Heftungen Einkommensteuerakten sowie eine Heftung Rechtsbehelfsverfahren vorgelegen. Darüber hinaus haben dem Gericht die Streitakten des Finanzgerichts Brandenburg (Az. 5 K 2257/04) und des BFH (Az. IX R 92/07) vorgelegen.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Ablehnung des Antrags auf Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1994 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§§ 100 Abs. 1 Satz 1, 101 Finanzgerichtsordnung –FGO-). Entgegen der Auffassung der Kläger ist zum 31. Dezember 1994 kein verbleibender Verlustabzug nach § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung gesondert festzustellen. Die Feststellungsfrist ist abgelaufen und die Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO liegen nicht (mehr) vor.
1. Der Kläger hat aus seiner Beteiligung an der X-GmbH im Jahr 1994 einen Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 und 2 EStG erlitten, da das Konkursverfahren am 8. Dezember 1994 mangels Masse eingestellt wurde.
Bei der Berechnung des Auflösungsverlustes sind neben dem Verlust des Stammkapitals auch nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Dazu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, unter anderem der Ausfall von Regressansprüchen des Gesellschafters für die Inanspruchnahme aus Finanzierungshilfen (z. B. Bürgschaften oder Grundschulden), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Die gesellschaftsrechtliche Veranlassung ist durch eine entsprechende Anwendung der Grundsätze über den eigenkapitalersetzenden Charakter von Gesellschafterdarlehen zu bestimmen (BFH-Urteil vom 22.4.2008 IX R 75/06, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2008, 1994 und BFH-Beschluss vom 15. Mai 2006 VIII B 186/04, BFH/NV 2006, 1472, jeweils m. w. N.).
Im Streitfall waren die vom Kläger gewährten Sicherheiten nach den schlüssigen und vom Beklagten nicht widersprochenen Ausführungen des Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zwingender Bestandteil der Finanzplanung in der Gründungsphase der GmbH. Ob die entsprechende Fallgruppe der sog. Finanzplandarlehen trotz einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs -BGH- weiterhin für einen eigenkapitalersetzenden Charakter ausreicht (vgl. Eilers / R. Schmidt in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Rz 201a m. w. N.), kann ebenso wie die konkrete Ermittlung des Umfangs der nachträglichen Anschaffungskosten - insbesondere die Einbeziehung der Haftungsinanspruchnahme durch die Krankenkassen, die Einbeziehung der Refinanzierungszinsen und sonstiger mit der Refinanzierung zusammenhängender Kosten sowie eine etwaige Abzinsung der auf die Bürgschaftsverpflichtungen gezahlten Raten - dahingestellt bleiben. Denn die Ablehnung einer gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1994 ist selbst dann rechtmäßig, wenn man von dem durch die Kläger nunmehr abschließend geltend gemachten Veräußerungsverlust in Höhe von TDM … und einem verbleibenden Verlustabzug in Höhe von TDM … ausgeht.
2. Zwar hat der BFH im ersten Rechtszug ausgeführt, dass ein verbleibender Verlustabzug nach seiner geänderten Rechtsprechung auch dann erstmals gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG a. F. gesondert festzustellen ist, wenn – wie im Streitfall - der Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr bestandskräftig ist und darin kein nicht ausgeglichener Verlust berücksichtigt wurde. Im Streitfall ist aber die nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. §§ 169 ff. AO geltende Feststellungsfrist bereits zum Ende des Jahres 2001 abgelaufen. Auch der Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheids im Jahr 2000 hat nicht zu einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO geführt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des BFH vom 17. September 2008 (Az. IX R 92/07) Bezug genommen.
Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von diesen Feststellungen des BFH abzuweichen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des für den Beklagten nach § 88 AO geltenden Untersuchungsgrundsatzes und seiner Beratungspflicht nach § 89 Abs. 1 Satz 1 AO. Zum einen haben die sachkundig beratenen Kläger bis Ende 2001 nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, aufgrund der Verluste des Klägers nach § 17 EStG eine Feststellungserklärung einzureichen. Stattdessen haben die Kläger ein Rechtsbehelfsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid geführt und sich damit auch nach alter BFH-Rechtsprechung im falschen Verfahren befunden. Zum anderen hat der Beklagte zunächst die Auffassung vertreten, dass keine nachträglichen Anschaffungskosten vorliegen. Die Aufforderungen vom 25. Juli und 28. November 2001, weitere Unterlagen einzureichen, blieb bis zum Jahr 2002 unbeantwortet, so dass dem Beklagten nicht vorgeworfen werden kann, eine abschließende Prüfung erst im Jahr 2002 durchgeführt und dem entsprechend den Hinweis auf das falsche Verfahren erst mit Schreiben vom 25. Juni 2002 gegeben zu haben. Daran ändern auch die vom Bevollmächtigten der Kläger angeführten Telefonate nichts. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlungspflicht des Finanzamts durch die Erfüllung der den Steuerpflichtigen auferlegten Mitwirkungspflichten (§§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1, 97 AO) begrenzt wird (BFH-Urteil vom 24. November 1993 X R 12/89, BFH/NV 1994, 766). Dies ist Ausfluss eines allgemeinen Prinzips, demzufolge sich die Verantwortung für die Sachaufklärung im Abgabenrecht maßgeblich nach den Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Gestaltung und Ermittlung des Sachverhalts bestimmt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1989, 462).
3. Eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs kommt im Streitfall auch nicht nach § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG a. F. i. V. m. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO in Betracht.
a. Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann auch nach Ablauf der Feststellungsfrist insoweit eine gesonderte Feststellung erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Dabei wird die Anwendung von § 171 Abs. 10 AO durch § 181 Abs. 5 AO ausdrücklich ausgeschlossen, d. h. der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzungen ist ohne Berücksichtigung von § 171 Abs. 10 AO zu bestimmen. Die Einschränkungen des § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2007 sind im Streitfall noch nicht anwendbar (vgl. § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2007 sowie die entsprechenden Ausführungen im BFH-Urteil vom 17. September 2008 IX R 92/07).
Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gilt § 181 Abs. 5 Satz 1 AO entsprechend, wenn die gesonderte Feststellung für eine weitere gesonderte Feststellung von Bedeutung ist. Im Übrigen ist keine unmittelbare Bedeutung für den Einkommensteuer- oder Verlustfeststellungsbescheid des nächsten Veranlagungszeitraums erforderlich, sondern es reicht eine mittelbare Bedeutung für die darauf folgenden Veranlagungszeiträume (BFH-Urteil vom 11. Mai 2010 IX R 48/09, BFH/NV 2010, 1788 m. w. N.). Dabei bestimmt sich der Verbrauch des verbleibenden Verlustabzugs in den festsetzungsverjährten Jahren danach, wie er sich bei zutreffender Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und des Verlustrücktrags und
-vortrags nach § 10d Abs. 1 und 2 EStG ergeben hätte (sog. Soll-Verlustabzug, vgl. BFH-Urteil vom 22. Februar 2005 VIII R 89/00, BStBl II 2005, 624).
b. Bei der Prüfung der „Bedeutung“ i. S. v. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO ist weder der Zeitpunkt des Antrags auf gesonderte Verlustfeststellung (so Finanzgericht –FG- Düsseldorf, Urteil vom 22. Mai 2007 3 K 1200/04 F, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG- 2007, 1692 – Rev. BFH IX R 81/07 durch Urteil vom 17. September 2008, BFH/NV 2009, 386 abgeschlossen, ohne hierzu eine Aussage zu treffen) noch der Zeitpunkt des Ablehnungsbescheids (so FG München, Urteil vom 20. Juli 2010 2 K 2868/08, EFG 2010, 1889 – Rev. BFH IX R 38/10) oder des hiergegen gerichteten Einspruchs abzustellen. Vielmehr ist nach Auffassung des erkennenden Senats auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs durch den Beklagten bzw. bei einer Verpflichtungsklage zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Februar 2009 I R 15/08, BFH/NV 2009, 1585 unter 3c und Ettlich, DB 2009, 18, 24; gl. A. wohl Ratschow in: Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl. 2009, § 181 AO Rz. 26).
Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, der auf den Ablauf der Festsetzungsfristen „im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung“ abstellt. Dass hierfür die Ablehnung einer gesonderten Feststellung nicht ausreicht, wird durch eine systematische Auslegung des § 181 Abs. 5 AO bestätigt. Da der nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO erforderliche Hinweis erst im Fall einer tatsächlichen gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs relevant wird, muss die Verlustfeststellung noch zu diesem Zeitpunkt für einen der folgenden Veranlagungszeiträume von Bedeutung sein. Darüber hinaus entspricht die hier vertretene Auslegung dem Sinn und Zweck des § 181 Abs. 5 AO. Denn die Regelung des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO ist Ausdruck der dienenden Funktion des Feststellungsverfahrens gegenüber dem Festsetzungsverfahren und soll lediglich verhindern, dass die rechtliche Verselbständigung der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zu materiell unrichtigen Steuerfestsetzungen führt, obwohl die entsprechenden Steuern noch nicht verjährt sind (BFH-Urteil vom 23. September 1999 IV R 56/98, BFH/NV 2000, 2498). Daraus wird der Ausnahmecharakter des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO deutlich, d. h. eine Feststellung trotz Ablaufs der Feststellungsverjährung soll nur unter engen Voraussetzungen zulässig sein. Wenn – aus welchen Gründen auch immer – für die relevanten Steuern oder Feststellungen der folgenden Veranlagungszeiträume Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung eingetreten ist, liegt eine solche Ausnahme nicht (mehr) vor.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Kläger den Eintritt der Festsetzungsverjährung für die relevanten Steuern der folgenden Veranlagungszeiträume selbst hätten verhindern können, indem sie die entsprechenden Verfahren durch Einsprüche bzw. Klagen offen halten. Es lag gerade nicht allein in der Hand des Beklagten bzw. des Gerichts, ob bzw. inwieweit im Laufe des die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1994 betreffenden Rechtsbehelfs- bzw. Klageverfahrens für die Folgejahre Festsetzungsverjährung eintritt. Vielmehr hätten die für die Folgejahre eingelegten Einspruchsverfahren bis zur Entscheidung des hiesigen Rechtsstreits ruhen können. Etwaige Schwierigkeiten beim Antrag auf Ruhen dieser Verfahren können den Klägern zugemutet werden, da sie bzw. ihr Bevollmächtigter den Ablauf der Feststellungsfrist für den Bescheid über eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1994 zumindest mit verursacht haben.
c. Ein anderer Zeitpunkt lässt sich auch nicht mit den Vorschriften über die Ablaufhemmung der Festsetzungsfristen, insbesondere § 171 Abs. 3 oder 3a AO, begründen (Ettlich DB 2009, 18, 24; vgl. auch Söhn in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 181 AO Rz. 135 zu § 171 Abs. 3a AO m. w. N.).
Eine direkte Anwendung dieser Vorschriften kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil § 181 Abs. 5 AO erst nach Ablauf der Feststellungsfrist eingreift. Dem entsprechend bliebe nur eine analoge Anwendung dieser Vorschriften, die vom FG Düsseldorf für § 171 Abs. 3 AO befürwortet wird (Urteil vom 22. Mai 2007 3 K 1200/04 F, EFG 2007, 1692). Nach Auffassung des erkennenden Senats fehlt aber bereits die erforderliche planwidrige Regelungslücke (Ettlich, DB 2009, S. 18, 24). Dies wird durch eine systematische Auslegung des § 181 Abs. 5 AO bestätigt, der in Satz 3 ausdrücklich eine entsprechende Anwendung des § 169 Abs. 1 Satz 3 AO anordnet. Damit zeigt der Gesetzgeber, dass ihm die fehlende Anwendbarkeit der §§ 169 ff. AO bzw. die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Anordnung für die entsprechende Anwendung der §§ 169 ff. AO bewusst waren. Im Übrigen geht auch die Kurzinformation der Oberfinanzdirektion -OFD- Münster vom 20. Mai 2010, auf die sich der Bevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung bezogen hat, am Ende davon aus, dass § 171 Abs. 3a AO auf Einsprüche außerhalb der Feststellungsfrist nicht anwendbar ist.
d. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die von den Klägern begehrte gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1994 nicht mehr für einen Einkommensteuerbescheid oder eine gesonderte Verlustfeststellung von Bedeutung, für die die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Denn die Beteiligten gehen übereinstimmend und nachvollziehbar davon aus, dass für die Einkommensteuer der Jahre 1995 bis 2003 Festsetzungsverjährung eingetreten ist, wenn man § 171 Abs. 10 AO - wie von § 181 Abs. 5 Satz 1 AO gefordert – außer Betracht lässt. Entsprechendes gilt für eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs in diesen Jahren. Selbst wenn man mit den Klägern von einem verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1994 in Höhe von TDM … ausgeht, wäre dieser Verlust unter Berücksichtigung der Grundsätze des sog. Soll-Verlustabzugs zum Ablauf des Jahres 1999 und damit in dem bereits festsetzungsverjährten Zeitraum durch Verrechnung mit den in den Einkommensteuerbescheiden 1995 bis 1999 ausgewiesenen Gesamtbeträgen der Einkünfte verbraucht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 2 FGO. Die Revision war zuzulassen, weil der erkennende Senat von den Entscheidungen des FG Düsseldorf vom 22. Mai 2007 (3 K 1200/04 F, EFG 2007, 1692) und des FG München vom 20. Juli 2010 (2 K 2868/08, EFG 2010, 1889) abweicht und zur Entscheidung des FG München ein Revisionsverfahren (Az. IX R 38/10) anhängig ist.