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Entscheidung 3 UF 64/12


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 22.03.2013
Aktenzeichen 3 UF 64/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 7 VersAusglG, § 8 VersAusglG, Art 111 Abs 4 FGG-RG , § 50 FamGKG

Leitsatz

1. Haben die Eheleute vor dem Beschwerdegericht eine gemäß § 7 Abs. 1 VersAusglG formwirksame Vereinbarung über den Versorgungsausgleich geschlossen, so fallen bei der materiellen Prüfung gemäß § 8 Abs. 1 VersAusglG Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle zusammen.

2. Gemäß Art. 111 Abs 4 FGG-RG sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1.9.2009 vom Verbund abgetrennt waren (oder nach dem 1.9.2009 abgetrennt wurden) die nach Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden. Für die Verfahren auf Durchführung des Versorgungsausgleiches hat dies zur Folge, dass sich nunmehr auch das Kostenrecht (und damit verbunden die Entscheidung über die Festsetzung des Verfahrenswertes) nach neuem Recht richtet. Die Festsetzung eines Wertes von 1.000 DM scheidet danach aus.

3. Hat ein Ehegatte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowohl Entgeltpunkte als auch Entgeltpunkte Ost erworben, handelt es sich für die Wertbemessung nach § 50 FamGKG nur um ein Anrecht.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Luckenwalde vom 2.4.2012 abgeändert.

Ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der Zentralen Bezügestelle …, Personalnummer …, und der Anrechte der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung … zu der Versicherungsnummer … sowie bei der D… LebensversicherungsAG zu der Versicherungsnummer … findet nicht statt.

Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden den beteiligten Ehegatten je zur Hälfte auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 1000 € festgesetzt. In Abänderung der Wertfestsetzung in dem angefochtenen Beschluss wird der Wert für das erstinstanzliche Verfahren ebenfalls auf 1000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Auf den am 16.10.2001 zugestellten Scheidungsantrag hin hat das Amtsgericht die am 6.8.1993 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute durch Urteil vom 15.12.2005 geschieden und zugleich den Versorgungsausgleich nach § 2 VAÜG abgetrennt. Durch Verfügung vom 16.10.2010 hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich im Hinblick auf § 50 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG wieder aufgenommen. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht das Anrecht der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege der internen Teilung und das Anrecht des Antragstellers auf eine Beamtenversorgung im Wege der externen Teilung ausgeglichen, ferner ausgesprochen, dass ein Ausgleich des zugunsten der Antragsgegnerin bei der weiteren Beteiligten zu 4. begründeten Anrechts unterbleibe. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er begehrt den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, weil gegen ihn als insoweit (seit 1993/1999) Mithaftenden nach Ende der Ehezeit (2004-2009) erfolgreich die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen wegen Darlehensverbindlichkeiten der Ehefrau in Höhe von insgesamt 26.714,94 € betrieben worden ist, und er die Darlehensverbindlichkeit in Höhe weiterer 29.834,35 € unmittelbar getilgt hat.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.2.2013 haben die Ehegatten den Ausschluss des Versorgungsausgleichs vereinbart. Zugleich hat der Antragsteller auf jegliche Ansprüche auf Ausgleich wegen der Inanspruchnahme für Zahlungsverpflichtungen der Antragsgegnerin gegenüber der … Sparkasse und auf die Geltendmachung von Rechten aus Vollstreckungstiteln, die die … Sparkasse gegenüber der Antragsgegnerin erwirkt hat, dieser gegenüber verzichtet.

II.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Mit Rücksicht auf die von den Ehegatten vor dem Senat am 18.2.2013 getroffene Vereinbarung ist der Versorgungsausgleich hinsichtlich sämtlicher in der Ehezeit erworbenen Anrechte auszuschließen.

1.

Durch die Vereinbarung vom 18.2.2013 haben die Ehegatten den Versorgungsausgleich insgesamt ausgeschlossen. An diese Vereinbarung ist der Senat gemäß § 6 Abs. 2 VersAusglG gebunden. Denn Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse bestehen insoweit nicht. Daher ist im Tenor des Beschlusses gemäß § 224 Abs. 3 FamFG festzustellen, dass ein Wertausgleich hinsichtlich der von den Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Anrechte nicht stattfindet.

a)

Die Vereinbarung erfüllt die gesetzlich bestimmten formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen.

Gemäß § 7 Abs. 1 VersAusglG bedarf eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, die vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung geschlossen wird, der notariellen Beurkundung. Die Vorschrift des § 127 a BGB gilt entsprechend, § 7 Abs. 2 VersAusglG. Demnach wird die notarielle Beurkundung bei der Vereinbarung durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll ersetzt. Dies ist vorliegend geschehen, indem die Eheleute im Verfahren eine Vereinbarung geschlossen haben, die vom Senat protokolliert worden ist. In zeitlicher Hinsicht war die Vereinbarung auch nach rechtskräftig vorab durchgeführter Scheidung und vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich noch möglich (vgl. hierzu Johannsen/Henrich/Hahne, Familienrecht, 5. Aufl., § 6 VersAusglG Rn. 2).

b)

Die Vereinbarung erfüllt ferner die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen.

Gemäß § 8 Abs. 1 VersAusglG muss die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten. Gemäß § 8 Abs. 2 VersAusglG können durch die Vereinbarung Anrechte nur übertragen oder begründet werden, wenn die maßgeblichen Regelungen dies zulassen und die betroffenen Versorgungsträger zustimmen. Diese Vorschriften stehen dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht entgegen.

aa)

Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 VersAusglG stellt vorliegend schon deshalb kein Wirksamkeitshindernis dar, weil mit ihr nur verhindert werden soll, dass ein Vertrag zulasten der Versorgungsträger geschlossen wird (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 8 VersAusglG Rn. 12). Durch einen vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs aber werden die Rechte der Versorgungsträger nicht berührt.

bb)

Die Vereinbarung vom 18.2.2013 hält einer Inhalts- und Ausübungskontrolle im Sinne von § 8 Abs. 1 VersAusglG stand.

Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten, § 138 Abs. 1 BGB. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Abschluss der Vereinbarung abstellt (BGH, FamRZ 2008, 2011 Rn. 10). Auch wenn der Versorgungsausgleich zum Kernbereich der Scheidungsfolgen zählt, wird seinem Ausschluss – für sich genommen – unter dem Gesichtspunkt des § 138 Abs. 1 BGB zumeist schon deshalb keinen Bedenken begegnen, weil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses regelmäßig noch nicht absehbar ist, ob, wann und unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten der Versorgungsfall eintritt (BGH, FamRZ 2013, 195 Rn. 20 f.). Insoweit reicht auch eine etwaige Unausgewogenheit des Vertragsinhalts für die Annahme der Sittenwidrigkeit nicht aus (BGH, FamRZ 2013, 195 Rn. 24). Sittenwidrig ist die Vereinbarung erst dann, wenn sie erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (BGH, FamRZ 2013, 195 Rn. 22).

Soweit ein Vertrag der Wirksamkeitskontrolle standhält, hat sodann grundsätzlich eine Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu erfolgen. Dafür sind nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung bzw. des Vertrages maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob sich nunmehr – im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft – aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten unzumutbar ist (BGH, FamRZ 2008, 2011 Rn. 11).

Vorliegend fallen Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle zusammen, da die Vereinbarung gerade erst geschlossen worden ist. Die Vereinbarung hält der danach allein erforderlichen Wirksamkeitskontrolle stand.

Allerdings ergibt sich aus den von den Versorgungsträgern in ihren Auskünften mitgeteilten korrespondierenden Kapitalwerten, dass der Antragsteller insgesamt die deutlich höheren Anrechte erworben hat. Somit führt der Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu einem Nachteil eher auf Seiten der Antragsgegnerin. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass der Antragsteller im Rahmen der vor dem Senat geschlossenen Vereinbarung auch auf die Geltendmachung interner Ausgleichsansprüche wegen der Erfüllung von der Antragsgegnerin während der Ehezeit eingegangener Darlehensverbindlichkeiten verzichtet hat, für die er mithaftete. Mithin ist der Ausschluss des Versorgungsausgleichs zwischen den Parteien nicht entschädigungslos vereinbart worden. Vielmehr ist der Antragsgegnerin ein ungefähr adäquater Vorteil eingeräumt worden.

Vor diesem Hintergrund kann vorliegend auch nicht angenommen werden, der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei etwa deshalb sittenwidrig, weil er in Kenntnis des Umstands vereinbart worden ist, der andere Teil werde nicht in der Lage sein, eine eigene Altersversorgung aufzubauen, und demgemäß Gefahr besteht, dass er später zum Sozialfall wird (vgl. dazu BGH, NJW 1997, 126, 127). Aufgrund des relativ jungen Alters der Antragsgegnerin von heute 49 Jahren sowie des Umstandes, dass die von den Parteien geschlossene Vereinbarung einen Zeitraum von lediglich 12 Jahren (1993-2005) betrifft, kann angenommen werden, dass die derzeit selbständig tätige Antragsgegnerin noch genügend Zeit haben wird, ihre Rentenanwartschaften weiter auszubauen.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Wertfestsetzung – ausgehend von einem gemeinsamen Nettomonatseinkommen der Eheleute von 3.000 €, wie im Scheidungsverfahren angegeben - auf § 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG.

Der Wert für das erstinstanzliche Verfahren ist gemäß § 55 Abs. 3 FamGKG entsprechend abzuändern. Denn die Wertfestsetzung richtet sich, anders als vom Amtsgericht angenommen, nach neuem Recht. Der Senat schließt sich der – im übrigen ganz herrschenden - Rechtsauffassung an, dass der Wert des Verfahrensgegenstandes in Fällen wie dem vorliegenden entsprechend den Vorgaben des FamGKG zu bestimmen ist. Gemäß Art. 111 Abs 4 FGG-RG sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1.9.2009 vom Verbund abgetrennt waren (oder nach dem 1.9.2009 abgetrennt wurden) die nach Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden. Für die Verfahren auf Durchführung des Versorgungsausgleiches hat dies zur Folge, dass sich nunmehr auch das Kostenrecht (und damit verbunden die Entscheidung über die Festsetzung des Verfahrenswertes) nach neuem Recht richtet (Meyer, Komm. zum GKG und FamGKG, 13. A., § 63 Rz. 2; Schneider/Wolf/Volpert, FamGKG, § 63 Rz. 39; Schulte-Bunert/ Weinreich, Komm. des FamFG, 3.Aufl. 2012, Art. 111 FGG-RG Rz. 22, 26 m.w.N.; vgl. auch BGH FamRZ 2011, 635 ff, 637 - Rz. 26; ferner Senatsbeschluss vom 13.1.2013 - 3 WF 132/12 = 32 F 68/10 AG Luckenwalde -). Dies entspricht bereits der erklärten Absicht des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 359) und dient zudem der Rechtsklarheit bzw. Einheitlichkeit der Rechtsordnung, richtet sich doch in den genannten Fällen das Versorgungsausgleichsverfahren selbst ebenfalls nach neuem Recht.

3.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.