Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung
Aufgrund von Wartungsarbeiten konnten seit Januar 2024 keine neuen Entscheidungen veröffentlicht werden. Alle Entscheidungen mit Stand vom 31. Dezember 2023 sind jedoch abrufbar. Zurzeit werden die noch ausstehenden Entscheidungen nachgepflegt.

Entscheidung 5 T 63/11


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 5. Zivilkammer Entscheidungsdatum 19.07.2011
Aktenzeichen 5 T 63/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Versagungsantragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 08.03.2011 – Az. 15 IN 529/04 – wird zurückgewiesen.

Die Versagungsantragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird 506.354,32 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenem Beschluss hat das Amtsgericht zugleich den Antrag der Versagungsantragstellerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Antragstellung auf Versagung der Restschuldbefreiung verworfen und ihren Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen. Das Amtsgericht hat das damit begründet, dass die Fristversäumung seitens der Versagungsantragstellerin schon bei Zugrundelegung ihres eigenen Vorbringens nicht unverschuldet gewesen sei, weil diese nämlich bei ihrer Internetrecherche zur Überprüfung einer Veröffentlichung gemäß § 9 InsO in schuldhafter Weise fehlerhaft vorgegangen sei.

Gegen diese, ihren Verfahrensbevollmächtigten am 14.03.2011 zugestellte, Entscheidung wendet sich Versagungsantragstellerin mit ihrer am 28.03.2011 beim Amtsgericht eingegangen sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist statthaft und zulässig, letztlich aber unbegründet. Das Amtsgericht hat sowohl den Wiedereinsetzungsantrag, als auch den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

1.

Dieses Ergebnis folgt allerdings aus Sicht der Kammer durchaus nicht daraus, dass die ursprüngliche Fristversäumnis der Versagungsantragstellerin bei der Anbringung ihres Antrages auf Versagung der Restschuldbefreiung selbstverschuldet gewesen wäre.

Denn entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann nicht davon die Rede sein, dass die nach § 9 InsO vorgenommene öffentliche Bekanntmachung über das Internet vorliegend in jeder Hinsicht ordnungsgemäß erfolgt wäre. Insbesondere sind nämlich die Regelungen zu Datensicherheit und Schutz vor Missbrauch in § 2 der Insolvenz-Internet-Bekanntmachungsverordnung (InsIntBekV) nicht vollständig eingehalten worden. Hiernach sind nämlich Suchkriterien für das Internet nur der Familienname, die Firma, der Sitz oder Wohnsitz des Schuldners, das Aktenzeichen des Insolvenzgerichts oder die Registriernummer und Sitz des Registergerichts. Der Vorname ist demgegenüber ausdrücklich kein solches Suchkriterium. Dabei schreibt § 2 Abs. 2 InsIntBekV ausdrücklich vor, dass als Ergebnis der Abfrage zunächst nur eine Übersicht über die ermittelten Datensätze angezeigt werden darf, die nur die vollständigen Daten zu den vorgenannten Suchkriterien enthalten darf, also nicht den Vornamen des Schuldners. Eben das war aber bei den vier hier interessierenden Bekanntmachungen doch der Fall; hier wurde der Schuldner zweimal mit „xxx“ und zweimal mit „xxx, Wilhelm“ bezeichnet und mit diesen Kombinationen aus Vor- und Familiennamen auch Ergebnis in der Übersicht als Ergebnis der Abfrage angezeigt.

Zwar entfalten die Regeln in § 2 InsIntBekV im Grundsatz keine Schutzwirkung zugunsten recherchierender Gläubiger. Der erklärte Sinn und Zweck dieser Regeln liegt vielmehr im Schutz der personenbezogenen Daten der von den Veröffentlichungen betroffenen Schuldner vor einem Missbrauch durch Dritte, nicht aber in der Erleichterung der Internetrecherche für Gläubiger oder sonstige Interessierte.

Das ändert aber nichts daran, dass der rechtsuchende Bürger im Grundsatz darauf vertrauen darf, dass derartige Ordnungsvorschriften von Gerichten und Behörden beachtet werden. Und vorliegend konnte es nur durch den aufgezeigten (und für die Antragstellerin nicht nachvollziehbaren) Regelverstoß dazu kommen, dass eine Verwirrung bei den Suchergebnissen dergestalt entstand, dass die Antragstellerin mit ihrer (eigentlich insgesamt fehlerhaften) Suche nach der Kombination aus Vornamen und Namen des Schuldners überhaupt irgendeinen Sucherfolg erzielte. Hätte sie einen solchen Sucherfolg aber von Anfang an gar nicht erzielt, so hätte sie – weil die Existenz des Eröffnungsbeschlusses ihr ja positiv bekannt war – sofort erkannt, dass ihre Suchemethode fehlerhaft war. Sie hätte dann diese Methode geändert und letztlich, sei es unter Verwendung des ihr bekannten gerichtlichen Aktenzeichens oder unter Suche nur nach dem Familiennamen des Schuldners, auch die hier in Rede stehende Veröffentlichung gefunden.

Damit war die Unkenntnis der Antragstellerin von der am 06.12.2010 bekanntgemachten Verfügung des Amtsgerichts vom 03.12.2011 bis zum 25.01.2011 unverschuldet und hinderte sie im Sinne von § 233 ZPO an der Einhaltung der darin gesetzten Frist.

2.

Der hiernach ursprünglich begründet gewesene Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin ist allerdings mit Ablauf des 18.02.2011 gegenstandslos geworden.

Denn seither gibt es ohnehin keine Grundlage mehr für die Antragstellerin oder andere Gläubiger und kein rechtliches Interesse mehr daran, noch eine Versagung der Restschuldbefreiung für den Schuldner zu verlangen.

a)

Mit Ablauf des 18.02.2011 ist nämlich der Beschluss des Amtsgerichts vom 20.01.2011, durch den dem Schuldner diese Restschuldbefreiung bereits erteilt worden ist, rechtskräftig geworden. Dieser Beschluss ist am 02.02.2011 gemäß § 9 InsO im Internet veröffentlicht worden. Mit Verstreichen von zwei Tagen nach dem Tag dieser Veröffentlichung, also mit Ablauf des 04.02.2011, gilt seine Bekanntmachung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO als bewirkt. Mit diesem Zeitpunkt ist zugleich gemäß § 9 Abs. 3 InsO seine Zustellung an alle Beteiligten – und damit an auch an die Antragstellerin – nachgewiesen, und zwar ausdrücklich unabhängig von der Frage, ob eine gesonderte Zustellung an sie angezeigt gewesen wäre und ob diese erfolgt ist. Dieser Beschluss über die Gewährung der Restschuldbefreiung war nur mit der sofortigen Beschwerde binnen einer Frist von zwei Wochen anfechtbar, und eine solche sofortige Beschwerde ist bis heute nicht erhoben worden.

Die von der Antragstellerin vorliegend angestrebte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte aber nicht zur Folge, dass sämtliche weiteren Verfahrenshandlungen des Gerichts, zu denen es bei ursprünglicher Einhaltung der versäumten Frist seitens der Antragstellerin vermutlich nicht gekommen wäre, automatisch gegenstandlos würden. Die Folgen der Wiedereinsetzung beschränken sich vielmehr auf den Wegfall der Ausschlusswirkung nach § 230 ZPO in Bezug auf die ursprünglich versäumte Handlung. Die Antragstellerin wäre also nach erfolgter Wiedereinsetzung nicht mehr durch Fristablauf daran gehindert, noch einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung anzubringen.

Auch bei rechtzeitiger Anbringung eines solchen Antrages und selbst bei dessen offenkundiger Begründetheit wäre das Amtsgericht aber rechtlich und tatsächlich nicht daran gehindert gewesen, gleichwohl einen Beschluss wie den vom 20.01.2011 zu erlassen und öffentlich bekannt zu machen. Ein solcher Beschluss wäre dann zwar rechtlich falsch und deshalb erfolgreich angreifbar, nicht aber nichtig gewesen, und er hätte deshalb bei Unterbleiben einer fristgerechten Beschwerde Rechtskraft erlangt. An dieser Möglichkeit ändert sich nicht dadurch etwas, dass vorliegend die Versagungsantragstellerin zunächst nicht einmal den Versagungsantrag angebracht hatte und dass das Amtsgericht deshalb bei seiner Beschlussfassung am 20.01.2011 annehmen musste, es wolle kein Verfahrensbeteiligter Einwände gegen die Restschuldbefreiung erheben.

b)

Der Antrag der Versagungsantragstellerin auf Versagung der Restschuldgewährung kann auch, selbst bei weitester Auslegung, nicht als Beschwerde gegen den Beschluss vom 20.01.2011 zur Restschuldbefreiung aufgefasst werden. Denn das gesamte Vorbringen der Antragstellerin setzt sich in keiner Weise mit dem Faktum auseinander, dass eine Restschuldbefreiung bereits gewährt worden ist. Die Antragstellerin hat den Beschluss vom 20.01.2011 vielmehr offenbar, soweit aus ihrem Vorbringen ersichtlich, bis zur Entscheidung des Amtsgericht über ihren Wiedereinsetzungsantrag und ihren Versagungsantrag (und auch noch im Beschwerdeverfahren) gar nicht zur Kenntnis genommen.

Der bloße Umstand, dass die Versagungsantragstellerin zur Erreichung des von ihr letztlich angestrebten Rechtsschutzziels ganz offensichtlich gehalten wäre, ein bestimmtes Rechtsmittel gegen eine bestimmte Entscheidung einzulegen, kann aber nicht dazu führen, dass eine Erklärung von ihrer Seite dahin, dass diese Entscheidung tatsächlich angegriffen und ihrem Inhalt nach nicht hingenommen werden solle, als komplett entbehrlich zu behandeln wäre. Nur eine solche Erklärung, sei sie auch auslegungsbedürftig, kann vielmehr nach den allgemeinen Regeln des Prozessrechts ein Rechtsmittel darstellen.

c)

Nunmehr kann aber (und auch schon bei ergehen des angefochtenen Beschlusses vom 08.03.2011 konnte) ein Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 20.01.2011 zur Restschuldbefreiung nicht mehr eingelegt werden.

Insbesondere kommt insoweit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugunsten der Versagungsantragstellerin ersichtlich nicht in Betracht. Denn die Antragstellerin kann sich keinesfalls noch mit Erfolg darauf berufen, auch von jenem Beschluss keine Kenntnis gehabt zu haben. Auch dieser Beschluss ist nämlich gemäß § 9 InsO im Internet veröffentlich worden und sie hatte die tatsächliche Gelegenheit, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Das galt in ihrem besonderen Fall völlig unabhängig von den auch insoweit wieder aufgetretenen bereits angesprochenen Regelabweichungen bei der Veröffentlichung. Denn sie, die Antragstellerin, wusste nach eigenen Angaben schon seit dem 25.01.2011 positiv, dass sie ein zuverlässiges Suchergebnis bei der Internetrecherche zum vorliegenden Verfahren nicht mit der von ihr bis dahin benutzen Namenskombination, wohl aber mit dem Aktenzeichen des Verfahrens erhalten konnte.

Der angesprochene Verstoß gegen die Datenschutzregelungen hat im Übrigen keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Veröffentlichung an sich. Denn der Sinn und Zweck dieser Regelungen liegt, wie schon ausgeführt, ausschließlich im Schutz der personenbezogenen Daten der betroffenen Schuldner vor Missbrauch durch Dritte, nicht aber in der Erleichterung oder Effektivierung der Internetrecherche für die Gläubiger. Irgendeine Form von Drittschutz-Wirkung geht hiervon nicht aus.

Vorliegend wusste die Antragstellerin außerdem positiv, dass am 10.01.2011 die vom Amtsgericht gesetzte Frist für den Eingang von Schriftsätzen zu dem Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung abgelaufen war und dass das Amtsgericht angekündigt hatte, nach Fristablauf eine Entscheidung zu dieser Frage zu treffen. Sie musste deshalb konkret damit rechnen, dass eine solche Entscheidung bereits ergangen sein und unmittelbar zur öffentlichen Bekanntmachung anstehen konnte. Sie hatte deshalb allen Anlass sich laufend zu vergewissern, ob in der Sache nicht noch weitere Bekanntmachungen erfolgten, die zur Vermeidung einer Restschuldbefreiung ein weitergehendes Tätigwerden verlangten.

Wenn die Antragstellerin demgemäß bei der Anbringung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs und ihres Versagungsantrages noch nicht wusste und auch später bis zum Ablauf der Beschwerdefrist gegen den Beschluss vom 20.01.2011 nicht bemerkte, dass die von ihr abgelehnte Restschuldbefreiung bereits ausgesprochen worden war, so war diese Unkenntnis keine unverschuldete.

3.

Die Beschwerdeführerin und Versagungsantragstellerin hat hiernach keine Chance mehr, die dem Schuldner bereits rechtskräftig gewährte Restschuldbefreiung noch rückwirkend wieder zu beseitigen. Damit hat sie aber zugleich kein rechtliches Interesse mehr an der Durchführung eines Verfahrens, in dessen Ergebnis ihm eine solche Restschuldbefreiung versagt werden soll. Und ebenso wenig hat sie noch ein Interesse an der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zum Zweck der Durchführung eines darauf gerichteten Verfahrens.

Damit bleibt es im Ergebnis bei der Richtigkeit der vom Amtsgericht getroffenen Entscheidung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 97 ZPO.

Der festgesetzte Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens entspricht der Summe der zugunsten der Beschwerdeführerin unter Nr. 17 bis 49 zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen, deren endgültiger Verlust im Wege der Restschuldbefreiung mit der Beschwerde vermieden werden sollte.