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Charité-Universitätsmedizin Berlin; Humanmedizin; WS 2011/12; Modellstudiengang; Kapazitätsermittlung, - anhand des patientenbezogenen Engpasses; tagesbelegte Betten; Mitternachtszählung; normativ festgelegte Eingabegrößen; aggregierte Parameter; Veränderungen im Gesundheitswesen; teilstationäre Krankenhausbehandlung; Einbeziehung von Tageskliniken und ambulanten Operationen (verneint); Beurteilungsvorrang des Normgebers; Notkompetenz der Verwaltungsgerichte bei Untätigkeit des Normgebers (verneint); Schwundquote; keine - bei neuem Studiengang; Überbuchung; vorweggenommener Schwundausgleich; ausgeschlossene Auffüllung von durch Studienabbruch frei gewordenen Studienplätzen; Hochrechnung des Schwundfaktors im vorklinischen Studienabschnitt des früheren Regelstudiengangs (verneint); Zurückweisung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 14.12.2012
Aktenzeichen OVG 5 NC 63.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 12 Abs 1 GG, § 41 Abs 2 ÄApprO 2002, §§ 7ff KapVO BE, § 9 Abs 3 S 2 KapVO BE, § 14 Abs 3 Nr 3 KapVO BE, § 16 KapVO BE, § 17 Abs 1 S 2 Nr 1 KapVO BE

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers/der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde hat der Antragsteller/die Antragstellerin zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller/die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung seine/ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester außerhalb der durch die festgesetzte Zulassungszahl bestimmten Ausbildungskapazität vom Wintersemester 2011/12 an. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch den angefochtenen Beschluss abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

In dem von der Antragsgegnerin zum Wintersemester 2010/11 mit Zustimmung der Senatswissenschaftsverwaltung eingeführten Modellstudiengang stünden über die in der Zulassungszahlensatzung für Studienanfänger festgesetzte Zulassungszahl (300) bzw. über die Zahl der tatsächlichen vergebenen Studienplätze (337) hinaus keine weiteren Studienplätze zur Verfügung. Der Modellstudiengang sei ein zur Erprobung eingerichteter neuer Studiengang im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vom 5. Juni 2008 - StV 2008 - (früher: Art. 7 Abs. 2 Satz 2 StV 2006), für den Satz 2 eine abweichende Festsetzung von Zulassungszahlen nach Maßgabe der in einer Studienordnung zu regelnden Besonderheiten erlaube. Die Frage, ob der Verordnungsgeber die von § 7 Abs. 3 der Kapazitätsverordnung (KapVO) abweichende Struktur des Modellstudiengangs zum Anlass für eine Anpassung der Vorschriften zur Kapazitätsberechnung hätte nehmen müssen, könne vor dem Hintergrund, dass das Curriculum des Studiums der Humanmedizin durch die Ärztliche Approbationsordnung (ÄAppO) determiniert werde und der Modellstudiengang den in der Anlage 2 zur Kapazitätsverordnung festgelegten Wert von 8,2 ausfülle, ebenso offen bleiben wie die weitere Frage, ob es der Festsetzung eines Curricularnormwerts für den Modellstudiengang bedurft hätte.

Da die Ausbildungskapazität wegen des das Studium bereits vom ersten Fachsemester an prägenden Unterrichts am Krankenbett durch die Zahl geeigneter Patienten begrenzt werde, biete sich als sachgerechte Methode zur Ermittlung der Ausbildungskapazität der Rückgriff auf die patientenbezogene Kapazität gemäß § 17 KapVO an. Danach und unter Zugrundelegung der von der Antragsgegnerin anhand der sog. Mitternachtszählung ermittelten Zahl der in den letzten drei Jahren durchschnittlich tagesbelegten Betten (2.481) sowie der Zahl der poliklinischen Neuzugänge (453.270) - Lehrveranstaltungen in außeruniversitären Krankenanstalten führe die Antragsgegnerin nicht durch - belaufe sich die jährliche Ausbildungskapazität auf gerundet 577 Studienplätze, d.h. auf 288,5 Plätze im Bewerbungssemester. Der Ansatz einer Schwundquote komme nicht in Betracht, weil sich nach zwei Semestern eines neu eingeführten (Modell-)Studiengangs das Studierverhalten naturgemäß nicht prognostizieren lasse. Die von der Antragsgegnerin über die festgesetzte Zulassungszahl hinaus vergebenen 37 Studienplätze seien kapazitätsdeckend zu berücksichtigen. Ihre Vergabe beruhe nach deren Angaben nicht allein auf einer rechtstechnischen Überbuchung, sondern auf der Annahme, dass es auch im Modellstudiengang durch Studienabbrüche frei werdende Plätze geben werde, die nicht durch Ortswechsler oder Quereinsteiger aufgefüllt werden könnten. Ein solcher antizipierter Schwundausgleich gewährleiste ebenso wie der Ansatz einer Schwundquote im Rahmen der Kapazitätsberechnung oder die Überbuchung, dass durch die Zugrundelegung einheitlicher und sachgerechter Kriterien eine möglichst gerechte Auswahl unter den prinzipiell gleichberechtigten Bewerbern vorgenommen werde. Die Rechte von Bewerbern um einen Studienplatz außerhalb der festgesetzten Kapazität würden dadurch nicht verletzt.

Mit der Beschwerde macht der Antragsteller/die Antragstellerin geltend:

Es erschließe sich nicht, aus welchen Gründen Patienten der Tageskliniken und ambulante Operationen nicht in die Berechnung der patientenbezogenen Ausbildungskapazität nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO einbezogen würden. Die Struktur der Universitätskliniken habe sich in den letzten Jahren verändert. Die ambulanten Operationen nähmen im heutigen Krankenhausbetrieb einen breiten Raum ein. Die darauf bezogene, erst 1993 in Kraft getretene Regelung des § 115b SGB V habe der Normgeber der Kapazitätsverordnung von 1976 beim Krankenversorgungsabzug nach § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KapVO noch nicht berücksichtigen können. Die betreffenden ärztlichen Leistungen blieben mithin bei § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KapVO ebenso unberücksichtigt wie die ärztliche Versorgung in Tageskliniken im Falles des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO. Wenn aber nach der Bundespflegesatzverordnung sowohl die vollstationären als auch die teilstationären Leistungen der Plankrankenhäuser vergütet würden, so sei es „zwingend“, dass Tageskliniken zum Bereich der stationären Versorgung gehörten und damit im Rahmen der §§ 9 und 17 KapVO zu berücksichtigen seien. Patienten, die heute in Tageskliniken behandelt würden, seien früher vollstationär im Universitätsklinikum untergebracht gewesen, weshalb davon auszugehen sei, dass sie in dem im Jahre 1987 festgelegten Parameter von 20 % der tagesbelegten Betten bereits enthalten gewesen wären, wenn nicht zugleich die - heutzutage durch eine moderne Patientenerfassung überholte - Mitternachtszählung als Maßstab gewählt worden wäre. Da der Verordnungsgeber weiter untätig bleibe und auf offenkundige Veränderungen in der Patientenversorgung nicht reagiere, sei es Aufgabe der Verwaltungsgerichte - ggf. im Wege richterlicher Notkompetenz - insoweit korrigierend einzugreifen. Zur Frage der Eignungswahrscheinlichkeit von bei ihnen untergebrachten Patienten sowie „zu dem Problem, dass diese Patienten vor ca. 30 Jahren vollstationär untergebracht worden“ wären, seien daher zunächst Auskünfte der Direktoren der sieben Tageskliniken der Charité einzuholen. Ferner seien sie zu befragen, an wie vielen Tagen pro Quartal im Durchschnitt ein Patient die Tagesklinik aufsuche.

Der Senat vertrete in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Schwundausgleich im Sinne von §§ 14 Abs. 3 Nr. 3, 16 KapVO nicht vorzunehmen sei. Insoweit habe er für die ständige verordnungswidrige Zulassung von Studierenden über die festgesetzte Zulassungszahl hinaus den Begriff des „antizipierten Schwundausgleichs“ erfunden. Da die Antragsgegnerin mangels Vergleichbarkeit der bisher erbrachten Studienleistungen keine Studierenden in die höheren Fachsemester aufnehme, stehe außer Frage, dass sich die Zahl der im Modellstudiengang immatrikulierten Studenten von Semester zu Semester erheblich vermindern werde. Deshalb sei es zwar dem Grunde nach zutreffend und „zwingend“ geboten, den zu erwartenden Schwund bei der Festsetzung der Zulassungszahlen zu berücksichtigen. Ein „Schwundaufschlag“ von 20 Studienplätzen jedoch, wie ihn die Antragsgegnerin bei der Festsetzung der Zulassungszahl für das Folgesemester, das Sommersemester 2012, vorgenommen habe, sei unzureichend. Er entspreche einer Schwundquote von 0,94, was für den früheren viersemestrigen vorklinischen Studienabschnitt, an dem sich die Antragsgegnerin offenbar orientiert habe, vielleicht hinnehmbar sei, nicht aber für den Modellstudiengang ohne Auffüllmöglichkeit. Es biete sich daher - zumindest - an, den auf vier Semester prognostizierten Schwund von 20 Studierenden auf die Studiendauer von zehn Semestern hochzurechnen, was zu einem zu berücksichtigenden Schwund von 50 Studierenden führe. Selbst wenn man auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats unterstellte, dass die Überbuchung um 37 Studienplätze nicht zu beanstanden sei, verblieben alsdann weitere 13 Studienplätze, die zur Verteilung anstünden.

II.

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen des Antragstellers/der Antragstellerin befindet, hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist bei Zugrundelegung dieses Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.

1. Die gegen die Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität im stationären Bereich erhobenen Rügen entbehren der Substanz. Mit dem Vorbringen, Patienten, die heute in Tageskliniken behandelt würden, seien früher vollstationär im Universitätsklinikum untergebracht gewesen, weshalb davon auszugehen sei, dass sie in dem im Jahre 1987 festgelegten Parameter von 20 % der tagesbelegten Betten bereits enthalten gewesen wären, wenn nicht zugleich die - heutzutage durch eine moderne Patientenerfassung überholte - Mitternachtszählung als Maßstab gewählt worden wäre, lassen sich die normativ festgelegten Eingabegrößen des § 17 KapVO nicht ernstlich in Frage stellen.

Wie der Senat in seinen dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers/der Antragstellerin bekannten Beschlüssen vom 25. November 2011 - OVG 5 NC 136.11 u.a. [Wintersemester 2010/11] -, BA S. 10 ff., und vom 19. März 2012 - OVG 5 NC 311.11 u.a. [Sommersemester 2011] -, BA S. 10 ff., ausgeführt hat, sind - wie nahezu alle Parameter des Kapazitätsrechts - auch die Eingabegrößen, die den patientenbezogenen Engpass bestimmen, in ihrer Höhe nicht im naturwissenschaftlichen Sinne beweisbar. Zwar soll das System der Kapazitätsermittlung die realen Gegebenheiten soweit wie möglich zutreffend widerspiegeln. Einzelfallgerechtigkeit kann es aber nicht leisten, weil dies ein Verfahren mit einer nahezu unbeschränkten Anzahl von Eingabegrößen voraussetzen würde und damit intransparent und kaum noch handhabbar würde. Die Kapazitätsverordnung arbeitet deshalb mit einem System aufeinander abgestimmter, hochaggregierter Parameter, die ihrerseits eine Fülle von Einzeltatbeständen berücksichtigen (so die ZVS in ihrer Vorlage für den Unterausschuss Kapazitätsverordnung vom 23. November 1978, auf die sich der Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers/der Antragstellerin in den die beiden Vorsemester betreffenden Beschwerdeverfahren noch gestützt hat; vgl. hierzu auch die Aussage im Vortrag von Dr. Dr. Peter Lohfert zum Thema „Spielt die Patientenverfügbarkeit für die Kapazitätsberechnung eine große Rolle“, Tagungsbericht des ordentlichen Medizinischen Fakultätentages 2010, Hannover [www.mft-online.de/info-center/fakultaetentage]: „Damit wird deutlich, wie detailliert vorgegangen werden muss, um die einzelnen Faktoren der Formel für den stationären Bereich so zu analysieren, dass sie in der länderseitig durchzuführenden Verordnung der KapVO-Formel Berücksichtigung finden können.“). Auf diese vielfältigen Interdependenzen unter den kapazitätsrelevanten Einzelgrößen, die einen rechtlichen Zusammenhang bilden, muss die richterliche Kontrolle einzelner Parameter Rücksicht nehmen.

Die Festlegungen sowohl für den Personalbedarf im Bereich der stationären Krankenversorgung (§ 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1Buchst. b KapVO) als auch für die patientenbezogene Ausbildungskapazität im stationären Bereich (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO) beruhten, wie sich aus den Erläuterungen der ZVS in der bereits erwähnten Vorlage ergibt, auf einer Auswertung der an 26 Universitätskliniken und tausenden von Patienten erhobenen Daten. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen führten unter Einbeziehung der Empfehlungen verschiedener Fachgremien zu der Entschließung, ein den Erfordernissen der Lehre angepasstes mittleres Bettenmodell eines Universitätsklinikums bei 85%-iger Auslastung zum Ausgangspunkt für die Bemessung der patientenbezogenen Kapazität im stationären Bereich zu nehmen und in einem weiteren Schritt die Einzelkapazitäten für jedes klinische Fach zu ermitteln. Nach Bildung eines arithmetischen Mittels über alle Fachgebiete ergab sich daraus eine patientenbezogene Gesamtkapazität, die an sich rechnerisch einem Ansatz von 18 % der tagesbelegten Betten eines Klinikums entsprochen hätte. Dieser Prozentsatz ist vom Verordnungsgeber seinerzeit mit Rücksicht auf die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte Überlast unter partieller Einbeziehung der vorlesungsfreien Zeiten auf 20 % der tagesbelegten Betten angehoben und als Richt- bzw. Sockelwert festgesetzt worden. Veranlassung, diesen Wert an veränderte Umstände anzupassen, haben dem Berliner Verordnungsgeber wie auch den Normgebern der anderen Bundesländer bis heute allein die Reformen der medizinischen Ausbildung, zuletzt durch Anpassung an die Approbationsordnung von 2002 gegeben, nicht aber die von der Beschwerde angeführten Veränderungen in den medizinischen Behandlungsabläufen. Einzige Ausnahme bildet das Land Niedersachsen, das nach den Erkenntnissen, die sich aus dem von der Medizinische Hochschule Hannover für den dort seit dem Wintersemester 2005/2006 eingerichteten Modellstudiengang HannibaL in Auftrag gegebenen Gutachten u.a. zur patientenbezogenen stationären Kapazität in den Jahren 2009 bis 2011 sukzessive ergeben haben, an dem herkömmlichen Parameter „tagesbelegte Betten des Klinikums“ festgehalten und zunächst nur den ursprünglichen Prozentsatz von 15,5 auf 12,4 vom Hundert gesenkt hat (vgl. § 17 Abs. 2 Nr. 1 KapVO in der Fassung der Verordnung vom 23. Juni 2009, Nds. GVBl. Nr. 15/2009 S. 288), um dann im Jahre 2012 nach Vorliegen sämtlicher Studienergebnisse eine eigenständige Berechnungsmethode für den Modellstudiengang in der Kapazitätsverordnung zu verankern (vgl. Verordnung vom 4. Juli 2012, Nds. GVBl. Nr. 14/2012 S. 220). Danach sind bei Umstellung der Berechnung auf die dokumentierte Zahl der nach dem Krankenhausentgeltgesetz abgerechneten Belegungstage nunmehr auch Privatpatienten, Patienten mit Anspruch auf Wahlleistungen und Selbstzahler im stationären Bereich in die Berechnung einzubeziehen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 und 2), nicht aber Patienten mit einer Verweildauer von weniger als einem Tag sowie Patienten, für die Leistungen im Rahmen einer teilstationären Behandlung erbracht wurden (Satz 3). Offensichtlich gibt es also - wie der Senat bereits in seinen vorerwähnten und insoweit vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers/der Antragstellerin kritisierten Entscheidungen angeführt hatte - tatsächlich vielfältige Gründe, in Tageskliniken behandelte und/oder ambulant operierte Patienten nicht in die Berechnung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO einzubeziehen.

Die zum gegenteiligen Ergebnis führenden und jeweils als „zwingend“ bezeichneten Schlussfolgerungen der Beschwerde aus dem Vergütungssystem der gesetzlichen Krankenkassen sind nicht geeignet, die normativ festgelegten Eingabegrößen des § 17 Abs. 1 Satz 2 KapVO ernstlich in Frage zu stellen. Sie gehen am Regelungsgehalt der in Rede stehenden Norm vorbei. Der beantragten Aufklärungsmaßnahmen bedarf es daher nicht.

§ 17 KapVO unterscheidet nur zwischen zwei Kategorien von Patienten, nämlich denen, die vollstationär in das jeweilige Krankenhaus aufgenommen sind (Absatz 1 Satz 2 Nr. 1), und denen, die zwar in einem Krankenhaus behandelt werden, sich dort aber unabhängig von der Art der Behandlung (z.B. Diagnostik, Operation, psychiatrische Behandlung etwa in der Form von Gesprächs- oder Verhaltenstherapien) nur bis zu 24 Std. aufhalten (in Absatz 2 Satz 2 Nr. 2 zusammengefasst als poliklinische Neuzugänge [PNZ]). Dementsprechend sind die in Tageskliniken behandelten Patienten der zweiten Kategorie zuzurechnen, denn Tageskliniken sind definitionsgemäß Einrichtungen der ambulanten/teilstationären Patientenbetreuung, deren Ressourcen es gestatten, Patienten bis zu 24 Std. zu behandeln und zu betreuen. Vor dem Hintergrund, dass nur stundenweise in den Krankenhausbetrieb eingegliederte Patienten aus organisatorischen Gründen seltener für die Ausbildung verfügbar sind und ihrer Eignungswahrscheinlichkeit und Belastbarkeit ebenfalls Grenzen gesetzt sind, macht die Abgrenzung von tagesbelegten Betten einerseits und PNZ andererseits aus kapazitätsrechtlicher Sicht Sinn. Diese Sinnhaftigkeit wird durch die sozialrechtliche und für das Abrechnungssystem bedeutsame Bezeichnung als „teilstationäre“ Leistung in keiner Weise in Frage gestellt. Welche Konsequenzen sich aus der nach Auffassung der Beschwerde in Zeiten moderner Patientenerfassung längst überholten Mitternachtszählung für die Bemessung der Ausbildungskapazität ergeben sollen, erschließt sich auch auf der Grundlage der Ausführungen von Fischer in dessen Aufsatz zur „Einbindung von Patienten in die medizinische Ausbildung“ nicht.

Davon, dass die Verwaltungsgerichte im Hinblick auf die von der Beschwerde in den Raum gestellte „Untätigkeit“ des Normgebers trotz der erkennbaren Zunahme teilstationärer Krankenhausbehandlungen die Verpflichtung treffe, die Parameter des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO dieser Entwicklung anzupassen und ggf. zu ersetzen, kann unter diesen Umständen keine Rede sein.

Vielmehr hält der Senat daran fest, dass es Sache des Normgebers ist zu entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang er welche Konsequenzen in Bezug auf die Ausbildungskapazität aus einer - vermeintlichen - Wandlung der stationären medizinischen Behandlung zieht und in welcher Weise er die Eingabegrößen, die zugleich die Belange der Wissenschaft in Forschung und Lehre, der Ausbildung und der Gesundheitspflege zum Ausgleich zu bringen bestimmt sind, ggf. anpasst (vgl. allgemein zum Kontrollmaßstab der verwaltungsgerichtlichen Norminzidenzkontrolle bei der Überprüfung kapazitätsrechtlicher Parameterregelungen und zu den Grenzen richterlicher „Richtigkeitskontrolle“: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 1986 - BVerwG 7 C 41.84 u.a. -, juris; zum Krankenversorgungsabzug nach § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c KapVO: Beschlüsse des Senats vom 9. Oktober 2004 - OVG 5 NC 423.04 - [Zahnmedizin, Sommersemester 2004] und vom 24. August 2009 - OVG 5 NC 10.09 - [Zahnmedizin, Wintersemester 2008/09] n.v.; vgl. ferner zum klinischen Studienabschnitt BayVGH München, Beschluss vom 10. April 1987 - 7 CE 86.12013 -, KMK-HSchR 1987, 883; OVG Münster, Beschluss vom 1. Oktober 2009 - 13 B 1186.09 -, juris Rn. 7).

Soweit die Beschwerde schließlich darauf hinweist, dass es für andere Verwaltungsgerichte wie etwa das Verwaltungsgericht Würzburg (Beschluss vom 7. Juli 2011 - W 7 E 11.20066 u.a. -, juris) inzwischen nahezu selbstverständlich sei, tagesklinisch behandelte Patienten in die Kapazitätsberechnung einzubeziehen, erweist sich dieses Vorbingen als zumindest irreführend. Denn das Verwaltungsgericht hat keineswegs ausgesprochen, dass Tageskliniken in die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO einzubeziehen seien. Vielmehr war es die Universität Würzburg selbst, die sich dazu entschlossen hatte, neben den vollstationären Pflegetagen auch die teilstationären Pflegetage kapazitätsrelevant anzusetzen, um den Rückgang ihrer Aufnahmekapazität im klinischen Studienabschnitt des Regelstudiengangs zu begegnen. Falls mit dem Hinweis auf die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Freiburg am 6. Februar 2012 der Eindruck vermittelt werden soll, dass (auch oder jedenfalls) dieses Gericht Patienten der Tageskliniken in die Berechnung einbezieht, dann geht auch dieser Hinweis fehl. Denn in dem Urteil vom gleichen Tage - NC 6 K 2436.08 - hat das Verwaltungsgericht Freiburg ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen es nicht geboten ist, teilstationäre Behandlungen/Tageskliniken gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO zu erfassen, weshalb die Mitternachtszählung kapazitätsrechtlich nicht zu beanstanden ist (juris Rn. 39 ff.).

2. Die Angriffe der Beschwerde gegen den von der Antragsgegnerin angesetzten antizipierten Schwundausgleich bleiben ebenfalls ohne Erfolg.

Die Darstellung der Beschwerde, der Senat habe zur Rechtfertigung der „ständige(n) verordnungswidrige(n) Zulassung von Studierenden über die festgesetzte Zulassungszahl hinaus“ den Begriff des antizipierten Schwundausgleichs „erfunden“, die Antragsgegnerin habe dieses „Rechtsinstitut“ nunmehr übernommen und damit „nunmehr eingeräumt“, dass es im Modellstudiengang einen nicht unerheblichen Schwund gebe, ist unzutreffend. Der Senat hat nichts erfunden, die Antragsgegnerin hat nichts eingeräumt, wovon sie nicht bereits vor der Einrichtung des Modellstudiengangs ausgegangen ist, und die Beschwerde hat ihre Auffassung zur angeblich „freischaffenden“ und damit verordnungswidrigen Vergabe von Studienplätze jenseits der festgesetzten Kapazität bislang nicht erfolgreich zu verteidigen vermocht. Richtig ist vielmehr, dass sich - wie der Senat in Übereinstimmung mit der Kommentierung von Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rn. 302, in seinen Beschlüssen vom 25. November 2011 - OVG 5 NC 136.11 u.a. -, BA S. 15 ff., und vom 19. März 2012 - OVG 5 NC 311.11 u.a. -, BA S. 14 ff., ausgeführt hat - für einen neu eingerichteten und in der Anfangsphase seiner Erprobung befindlichen Studiengang nicht prognostizieren lässt, wie sich die Studierendenzahlen künftig entwickeln werden, weil zum Studierverhalten aus der Vergangenheit noch keine Erfahrungswerte existieren, weshalb jede Festlegung einer Quote etwa anhand von Erfahrungen aus dem Regel- oder dem Reformstudiengang oder auch nur aus dem klinischen Studienabschnitt reine Spekulation wäre.

Da andererseits davon auszugehen war und weiterhin auszugehen sein wird, dass die Antragsgegnerin mit Blick auf § 9 Abs. 3 des Gesetzes über die Zulassung zu den Hochschulen des Landes Berlin in zulassungsbeschränkten Studiengängen (Berliner Hochschulzulassungsgesetz - BerlHZG - vom 29. Mai 2000 [GVBl. S. 327] in der Fassung vom 18. Juni 2005 [GVBl. S. 393]) gehindert ist, freiwerdende Studienplätze durch Quereinsteiger oder Studienortswechsler aufzufüllen, hat sie den zu erwartenden Schwund mangels hinreichender Erfahrungswerte geschätzt und - kapazitätsfreundlich - durch die Vergabe zusätzlicher Studienplätze auszugleichen gesucht. Der Sache nach handelt es dabei also um nichts anderes als einen vorgezogenen oder „antizipierten“ Schwundausgleich. Dem hat die Beschwerde im Grundsatz auch nichts entgegenzusetzen. Vielmehr beanstandet sie unter dem Gesichtspunkt des Erfordernisses einer „soliden“ Prognose-entscheidung die Höhe des vorgezogenen Schwundausgleichs, die anhand der aktuellen Bestandszahlen des 1. bis 4. Fachsemesters unschwer ermittelt werden könne.

Diese Argumentation ist widersprüchlich. Vordergründig erkennt die Beschwerde nunmehr zwar an, dass sich für einen neu eingerichteten und in der Anfangsphase seiner Erprobung befindlichen Studiengang nicht prognostizieren lässt, wie sich die Studierendenzahlen künftig entwickeln werden. Zugleich aber fordert sie eine „solide Prognose“, will heißen eine anhand der bisherigen Bestandszahlen (bis einschließlich Sommersemester 2012) nach dem Hamburger Modell errechnete Schwundquote ein. Dabei übersieht die Beschwerde, dass die Antragsgegnerin eine auf das Bewerbungssemester bezogene Prognose bereits vor dessen Beginn treffen musste. Zu diesem Zeitpunkt aber lagen lediglich die Bestandszahlen des ersten Studienjahrs nach Einführung des Modellstudiengangs vor. Unter diesen Umständen versteht es sich von selbst, dass sie die Höhe des zu erwartenden Schwundes nur schätzen konnte. Die Antragsgegnerin hat für das Bewerbungssemester - kapazitätsfreundlich - über die festgesetzte Zulassungszahl hinaus 37 weitere Studienbewerber zugelassen. Das entspricht einem Schwundausgleichsfaktor von 0,89, den zu beanstanden das Beschwerdevorbringen nicht den geringsten Anlass bietet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 47 Abs. 1, GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).