I.
Der Antragsteller stellt Software für medizinische Labore und für Krankenhäuser her. Die Auftraggeberin betreibt Krankenhäuser in A… und P…. Alleingesellschafterin der Auftraggeberin ist die G… Gesellschaft … mbH (im Folgenden: G… mbH). Die G… mbH ist als Alleingesellschafterin auch an der Klinikum … GmbH beteiligt, die das …-Krankenhaus in E… betreibt. Gesellschafter der G… mbH sind der Landkreis … der Landkreis … und die Stadt E….
Der Antragsteller schloss mit der Klinikum … GmbH einen Vertrag, auf dessen Grundlage ab 1998 in dem von der Klinikum … GmbH geführten … Krankenhaus in E… die Labor-Software „L…-COM“ sowie das System „LE…-COM“ eingesetzt wurden.
Die Auftraggeberin schloss im Jahr 2002 für die Krankenhäuser in A… und P… mit der T… GmbH & Co KG ebenfalls Verträge über die Ausstattung mit Laborsoftware. Die T… GmbH & Co KG firmiert heute unter i… GmbH.
Im Februar 2009 erwog die G… mbH, die vorhandenen unterschiedlichen Laborinformationssysteme in den verschiedenen Krankenhäusern ihrer Tochtergesellschaften zu vereinheitlichen und zu zentralisieren. Nach Einholung einer internen Stellungnahme der Abteilung Technik/EDV der G… mbH vom 3. Februar 2009 (Bl. 184 ff. der beigezogenen Verfahrensakte VK 50/09) beauftragte die Auftraggeberin am 30. März 2009 ein Ingenieurbüro, die M… & Partner GbR, mit der Einführung eines einheitlichen Laborsystems. Die M… & Partner GbR erstellte ein Leistungsverzeichnis und forderte die i… GmbH zur Angebotsabgabe auf.
Am 23. April 2009 erklärte die Auftraggeberin schriftlich, dass sie auf der Grundlage eines Angebotes vom 15. April 2009 entschieden habe, mit der i… GmbH einen Generalunternehmervertrag betreffend die Lieferung, Installation, Schulung und Einführung eines Laborinformationssystems einschließlich zugehöriger Hardware mit einem Gesamtvolumen von 387.126,50 € brutto abzuschließen. Die Vertragsbedingungen im Einzelnen wurden in einem E…-IT Systemvertrag geregelt, der am 22. Juni 2009 unterzeichnet wurde (Akte VK 50/09, Bl. 257 ff.).
Im Juli 2009 erfuhr der Antragsteller, dass ab dem 1. Juli 2009 Software der Firma i… GmbH nicht nur bei den von der Auftraggeberin betriebenen Krankenhäusern P… und A…, sondern auch bei der Klinikum … GmbH eingesetzt wurde. Er rügte dies gegenüber der G… mbH und der Klinikum … GmbH mit Schreiben vom 16. Juli 2009 (Bl. 23 der Akte VK 50/09). Gleichzeitig wies er auf die von ihm angebotenen Updates und sein Programm „L…-CONTROL“ hin, das er ebenfalls angeboten hatte und das erhebliche Einsparungen im Laborbereich ermöglichen sollte. Das Programm bietet bei Durchführung der Laborarbeiten eine zusätzliche Funktion, mit der die Kosten für einzelne Laboruntersuchungen und auch die Erstattungsfähigkeit durch die Krankenversicherung dargestellt werden. Die Kliniken hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht an dem Programm interessiert gezeigt, obwohl der Antragsteller Vertragsbedingungen vorgeschlagen hatte, nach denen er das wirtschaftliche Risiko der Einführung des Programms überwiegend tragen wollte. Unter Hinweis auf die vergaberechtswidrige Auftragsvergabe an die i… GmbH bat er um einen Gesprächstermin und bekundete in diesem Zusammenhang Interesse, sein Produkt L…-CONTROL anzubieten. Er führte in der Folgezeit mit der Klinikum … GmbH und der G… mbH Verhandlungen, die im Ergebnis scheiterten.
Im Dezember 2009 wurden die mit dem Antragsteller bestehenden Verträge durch die Klinikum … GmbH gekündigt.
Am 1. Dezember 2009 hat der Antragsteller bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg einen Nachprüfungsantrag gegenüber der G… mbH und gegenüber der Klinikum … GmbH gestellt. Am 17. Dezember 2009 hat nach einem Hinweis der Vergabekammer auf die Vertragspartnerin der i… GmbH den Antrag auf die Auftraggeberin erweitert.
Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, dass die Vergabe des Auftrages an die i… GmbH ohne Ausschreibung vergaberechtswidrig und die geschlossenen Verträge daher nichtig seien. Er habe durch seine Angebote zu Updates und zum Produkt L…-Control bekundet, dass er an einer Auftragserteilung interessiert sei. Die G… mbH und die Klinikum … GmbH seien tatsächlich auch als Auftraggeberinnen anzusehen, da sie die Verhandlungen geführt hätten; die Auftragserteilung durch die Auftraggeberin habe nur den Zweck, eine Erweiterung des Auftrages zu konstruieren und ein Vergabeverfahren zu umgehen. Die Leistungen würden nicht nur gegenüber der Auftraggeberin, sondern auch gegenüber einer weiteren nicht von ihr betriebenen Klinik erbracht und stellten daher nicht lediglich zusätzliche Lieferungen zu dem mit der Auftraggeberin bestehenden Vertrag dar. Die von der Auftraggeberin betriebenen Kliniken A… und P… hätten jeweils nur etwa 100 Betten, während die jetzt zusätzlich von i… GmbH betreute Klinik in E… aber 450 Betten habe. Bei dem E..-IT-System handele es sich auch um ein neues, von der bisherigen Leistung abweichendes System. Die Verhandlung nur mit i… GmbH sei technisch auch nicht geboten gewesen, die Programme des Antragstellers seien mit den Programmen der i… GmbH kompatibel. Die Auftraggeberin habe sich treuwidrig verhalten, weil sie Verhandlungen mit ihm geführt habe, obwohl der Auftrag an die Konkurrentin bereits vergeben und umgesetzt worden sei.
Der Antragsteller hat beantragt,
1. festzustellen, dass der zur Beschaffung und Wartung der Laborsoftware „i…“ geschlossene Vertrag nichtig und der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist;
2. die Auftraggeberin zu verpflichten, die Vergabe zur Beschaffung und Wartung von Laborsoftware unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu durchzuführen;
3. ihm gegenüber die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für notwendig zu erklären;
4. der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen.
Die Auftraggeberin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Auftraggeberin hat die Auffassung vertreten, dass die Auftragserteilung nicht ausschreibungspflichtig gewesen sei, weil es sich lediglich um eine Erweiterung des Bestandes der Laborsoftware gehandelt habe. Die Entscheidung sei auf der Grundlage der jahrelangen Erfahrungen mit der Software des Antragstellers im Vergleich zu der Software der i… GmbH getroffen worden. Es sei treuwidrig, dass der Antragsteller mit einem Nachprüfungsantrag gedroht habe, um Verhandlungen über seine neue Software zu erreichen. Die Auftraggeberin habe ein beschränktes Verhandlungsverfahren wegen zusätzlicher Lieferungen zu einem bereits vorhandenen Vertrag geführt. Hierzu sei sie gezwungen gewesen, weil andere Lösungen zu einer technischen Unvereinbarkeit geführt hätten.
Die Vergabekammer des Landes Brandenburg hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. Januar 2010 den Antrag als unzulässig verworfen, weil der Vertragsabschluss mit der i… GmbH wirksam sei. Der Antragsteller habe nicht mit der Auftraggeberin verhandelt. Das sich aus dem bisher bestehenden Softwarevertrag ergebende Interesse genüge nicht, um den Antragsteller einem Bieter in einem Auswahlverfahren gleichzustellen. Ein kollusives Zusammenwirken der Auftraggeberin mit der i… GmbH sei nicht ausreichend dargelegt. Im Einzelnen wird auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Gegen den ihm am 28. Januar 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 9. Februar 2010 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er aus, er sei als Bieter zu behandeln, weil er durch den zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe bestehenden Vertrag sein Interesse bekundet habe und durch die Auswahl der Auftraggeberin aufgrund eines Vergleichs zwischen ihm und der i… GmbH auch wie ein Bieter behandelt worden sei. Es sei ausreichend, dass der Auftraggeberin sein Interesse an der Auftragserteilung bekannt gewesen sei. Die Richtlinie 1989/665/EWG (Rechtsmittelrichtlinie) und die Richtlinie 2007/66 EG, mit der die Rechtsmittelrichtlinie geändert worden sei, sähen vor, dass das Nachprüfungsverfahren bei freihändigen Vergaben für jeden Interessenten an einem bestimmten Auftrag zur Verfügung stehen müsste. Dieser Vorgabe sei der Gesetzgeber zwischenzeitlich mit der Vorschrift des § 101 b GWB gefolgt, der ein Nachprüfungsverfahren für jeden Interessenten vorsehe. § 13 S. 6 VgV a.F. müsse daher in einer weiten Analogie auch Anwendung finden, wenn ein Interessent sich nicht als Bieter um einen Auftrag beworben habe, als Interessent aber bekannt sei. Er habe Angebote für Softwareupdates und Ergänzungspakete unterbreitet, unter anderem im Jahr 2007 zur Anbindung der Schnittstelle zum Labor B…, außerdem zur Installation von Clients in den Krankenhäusern P… und A…. Der jetzt geschlossene Vertrag sei jedenfalls keine Erweiterung, sondern eine neue zusätzliche Lieferung, wie sich aus dem Umfang des Vertrages und aus der Tatsache ergebe, dass ein zusätzlicher, größerer Standort mit neuer Software ausgestattet werden sollte.
Der Antragsteller beantragt,
1. den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 26. Januar 2010 (Az.: VK 50/09) aufzuheben und
a. festzustellen, dass der zur Beschaffung und Wartung der Laborsoftware i… geschlossene Vertrag nichtig und er in seinen Rechten verletzt ist;
b. die Auftraggeberin zu verpflichten, die Vergabe zur Beschaffung und Wartung von Laborsoftware unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts neu durchzuführen;
c. die Hinzuziehung seines Verfahrensbevollmächtigten in den Verfahren vor der Vergabekammer gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;
d. der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers aufzuerlegen.
Die Auftraggeberin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Auftraggeberin ist der Ansicht, der Antragsteller sei nicht antragsbefugt, weil er nicht Bieter sei. Er habe schon nicht zur Auftragserteilung verhandelt, weil er lediglich ein neues Produkt angeboten und zudem nicht mit ihr, sondern nur mit der G… mbH und der Klinikum … GmbH Kontakt aufgenommen habe. Ein förmliches Vergabeverfahren habe nach Einschätzung des beauftragten Ingenieurbüros überdies nicht durchgeführt werden müssen, weil die unterschiedliche Software nicht miteinander kompatibel sei, wie eine interne Prüfung ergeben habe. Der Antragsteller habe bisher nicht einmal dargelegt, dass er überhaupt den umfangreichen Auftrag erfüllen, insbesondere die Verwaltung eines Zentrallabors einrichten könne. Im Übrigen verweist sie auf ihre bereits im Verfahren vor der Vergabekammer dargelegten Ausführungen.
Wegen der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Antragsteller ist mit Beschuss vom 18. März 2010 Akteneinsicht gewährt worden; auf den Beschluss wird hinsichtlich des Umfangs der Akteneinsicht Bezug genommen. Die Nachprüfungsanträge gegen die G… mbH (Verg W 3/10) und die Klinikum … GmbH (Verg W 4/10) hat der Antragsteller mit Schriftsätzen vom 12. April 2010 zurückgenommen.
II .
Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist zulässig, sie ist fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 117 Abs. 1, 2 GWB).
Die §§ 97ff. GWB finden Anwendung. Die Auftraggeberin ist öffentliche Auftraggeberin i. S. d. § 98 GWB, weil sie als Trägerin von Krankenhäusern im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art erfüllt (vgl. 2. VK Bremen, Beschluss vom 15. November 2006, VK 2/06; OLG Naumburg, Beschluss vom 17. Februar 2004, 1 Verg 15/03) und öffentliche Körperschaften die G… mbH und damit diejenige juristische Person beherrschen, die ihrerseits die Auftraggeberin und die Klinikum … GmbH beherrscht, § 98 Nr. 2 S. 2 GWB.
Der Auftragswert liegt oberhalb des zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe gültigen Schwellenwertes für Lieferungen und Dienstleistungen von 206.000,- € (§§ 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 2 VO (EG) NR. 1422/2007). Der Gesamtauftragswert brutto beträgt 387.126,50 €. Der Auftrag gilt als Dienstleistungsauftrag (§ 99 Abs. 7 GWB). Er umfasst die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen (Anschaffung von Soft- und Hardware, Schulungen der Mitarbeiter, Wartung der Software und Systemservice für die Dauer von 5 Jahren); die Leistungen im Bereich Systemservice, Weiterentwicklung und Anpassung des Gesamtsystems sowie Schulungen, die nicht die Lieferung von Waren betreffen, übersteigen 50 % des Gesamtauftragswertes. Er hätte deswegen europaweit ausgeschrieben werden müssen.
Gleichwohl hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen.
Der Antragsteller ist zwar antragsbefugt (§ 107 Abs. 2 GWB), weil er mit dem Nachprüfungsantrag ein Interesse am Auftrag zum Ausdruck gebracht und sich schlüssig auf eine Verletzung der im Vergabeverfahren zu beachtenden Gebote der Gleichbehandlung und Transparenz berufen hat. Ihm droht infolge der behaupteten Rechtsverletzungen auch ein Schaden, der darin besteht, dass er aufgrund der behaupteten De-facto-Vergabe kein für einen Zuschlag in Frage kommendes, chancenreiches Angebot abgeben konnte. Zur Darlegung der Antragsbefugnis war der Antragsteller nicht gehalten im Nachprüfungsverfahren vorzubringen, welches eventuell aussichtsreiche Angebot er im Fall seiner Beteiligung am Vergabeverfahrenabgegeben hätte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.02.2008, VII – Verg 37/07).
Der Antragsteller war auch nicht verpflichtet, den streitigen Vergaberechtsverstoß gegenüber der Auftraggeberin zu rügen, § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Die Rügeobliegenheit gilt nicht im Fall einer De-facto-Vergabe. Durch eine Rüge des Antragstellers soll dem öffentlichen Auftraggeber zur Vermeidung eines kosten- und zeitaufwändigen Nachprüfungsverfahrens Gelegenheit gegeben werden, einen Vergaberechtsverstoß zu beheben. Auf der Grundlage, dass durch Anforderung der Teilnahme- oder Ausschreibungsunterlagen zwischen dem Auftraggeber und den Bewerbern oder Bietern ein vorvertragliches Schuldverhältnis auf den Prinzipien von Treu und Glauben entsteht, folgt die Rügeobliegenheit letztlich aus dem Gebot der Rücksichtnahme und Loyalität. Vergibt der öffentliche Auftraggeber den Auftrag hingegen de facto, d.h. ohne ein geregeltes Vergabeverfahren, verhindert gerade diese Vorgehensweise des Auftraggebers, dass ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstehen und der Antragsteller vorvertraglich zur Rücksichtnahme und Loyalität, und damit zur Anbringung einer Rüge, verpflichtet sein kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.02.2008, VII – Verg 37/07).
Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages setzt aber voraus, dass er nicht gegen ein bereits durch einen wirksamen Zuschlag beendetes Vergabeverfahren gerichtet ist (BGHZ 146, 202 ff.; OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, 216). Der mit der i… GmbH geschlossene Vertrag ist indes wirksam.
Auf die Beurteilung der Wirksamkeit des Vertragsabschlusses finden die vor dem 24. April 2009 geltenden vergaberechtlichen Vorschriften Anwendung, weil das Verfahren über die Auftragsvergabe vor dem 24. April 2009 begonnen hat (§ 131 Abs. 8 GWB n.F.). Zur Abgrenzung der lediglich vorbereitenden internen Prüfungen durch die Vergabestelle vom Beginn der Durchführung des Vergabeverfahrens ist maßgeblich, ob Maßnahmen ergriffen werden, die nach außen wirken und die auf die Herbeiführung eines Vertragsabschlusses gerichtet sind (OLG Naumburg, Beschluss vom 8. Oktober 2009, 1 Verg 9/09). Eine solche Maßnahme ist in der Beauftragung der M… & Partner GbR mit der Erstellung des Leistungsverzeichnisses und in der Aufforderung an die i… GmbH zu sehen, ein Angebot abzugeben. Die Aufforderung zur Angebotsabgabe erfolgte jedenfalls vor der Abgabe des Angebotes am 15. April 2009.
Die Nichtigkeit des Vertrages ergibt sich nicht aufgrund der analogen Anwendung des § 13 S. 6 VgV a.F.. § 13 S. 6 VgV a.F. findet bei einer de-facto-Vergabe nur dann entsprechende Anwendung, wenn die Beschaffung einer Dienstleistung zu Angeboten verschiedener Bieter geführt und eine Auswahl unter diesen stattgefunden hat, so dass ein dem unmittelbaren Anwendungsbereich des § 13 S. 6 VgV a.F., dem Verfahren zur Auftragsvergabe, vergleichbarer Fall gegeben ist (BGH, Beschluss vom 01. Februar 2005, X ZB 27/04, BGHZ 162, 116; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18. März 2008, 17 Verg 8/07, VergabeR 2008, 985; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2005, VII-Verg 88/04, zitiert nach juris, Tz. 22; Willenbruch/Bischoff- Scharen , 13. Los, § 126 GWB Rz. 85; Müller-Wrede- Kriener , GWB Vergaberecht, § 101 b Rz. 8). Ist ein Auswahlverfahren unter mehreren Bietern gegeben, ist nur derjenige Interessent durch § 13 S. 6 VgV a.F. geschützt, der „Bieter“ in diesem Auswahlverfahren war und daher entsprechend § 13 S. 6 VgV a.F. über die Auftragsvergabe hätte informiert werden müssen (OLG Karlsruhe, aaO; Thüringisches OLG, Beschluss vom 14. Oktober 2003, 6 Verg 5/03).
Die Auslegung der Vorschrift findet ihre Grenzen im Wortlaut. Der Wortlaut des § 13 S. 1 VgV a.F. erwähnt „die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen“ als Adressaten der Information und „den Bieter, dessen Angebot angenommen werden soll“ als denjenigen, über den informiert werden muss. Sie setzt danach voraus, dass mehrere Bieter sich um denselben Auftrag beworben haben und dass einem dieser Bieter der Auftrag erteilt werden soll, worüber die übrigen Bieter zu informieren sind. Die am Wortlaut orientierte Auslegung des § 13 S. 6 VgV a.F. ist geboten, weil die Vorschrift eine Ausnahmeregelung zu dem in § 114 Abs. 2 S. 1 GWB geregelten Grundsatz darstellt, dass auch der unter Verletzung des Vergaberechts geschlossene Vertrag rechtsgültig ist, und damit als Ausnahmeregelung eng auszulegen ist. Die entsprechende Anwendung der Vorschrift auf Verfahren mit nur einem Bieter oder auf „bekannte Interessenten“ unabhängig vom Vorliegen mehrerer Angebote führte zu einer erheblichen, unter Umständen für einen längeren Zeitraum bestehenden Rechtsunsicherheit bei der Durchführung des ohne Vergabeverfahren geschlossenen Vertrages, da § 13 S. 6 VgV a.F. keine Frist für die Geltendmachung der Nichtigkeit vorsieht. Es würde sich die Frage stellen, wie der Kreis der antragsbefugten Interessenten einzugrenzen sein sollte. In Betracht kämen etwa auch ehemalige Vertragspartner des Auftraggebers, die in einem zurückliegenden, bereits abgeschlossenen Zeitraum die zu vergebende Leistung erbracht haben, oder, etwa bei einem sehr kleinen Markt von Anbietern einer Leistung, sämtliche, dem Auftraggeber bekannte Anbieter. Die dadurch entstehende Rechtsunsicherheit ist umso weniger hinnehmbar, als der Auftraggeber, der unter Missachtung des Vergaberechts einen Auftrag vergibt, nicht stets vorsätzlich handelt, anders als der bei der direkten Anwendung des § 13 S. 6 VgV a.F. betroffene Auftraggeber, der im Vergabeverfahren eine Mitteilung an andere Bieter unterlässt.
Ein Verfahren, das zu mehreren Geboten geführt hat, lag hier nicht vor. Die Auftraggeberin hat aufgrund einer internen Bewertung der G… mbH über die Erfahrungen mit Leistungen der Antragstellerin und der i… GmbH in der Vergangenheit vielmehr die Entscheidung getroffen, überhaupt nur mit einem Unternehmen, der i… GmbH, zu verhandeln. Die Bewertung der G… mbH ist vorgenommen worden, bevor ein Leistungsverzeichnis erstellt wurde. Ein konkretes Angebot für den Auftrag zur Einführung einer einheitlichen Laborsoftware für drei Klinikstandorte, die Anbindung an ein Zentrallabor und die Schulung der betreffenden Mitarbeiter hat der Antragsteller dementsprechend nicht abgegeben. Er hat ebenso wenig wie andere Unternehmen sich mit einem Angebot um den konkreten Auftrag beworben.
Das Fehlen eines Kreises von Bietern, die Angebote abgegeben haben oder mit denen vor Auftragserteilung verhandelt worden ist, unterscheidet den Streitfall von den Sachverhalten, die den vom Antragsteller zu seinen Gunsten ins Feld geführten Entscheidungen zugrunde lagen. So handelt es sich bei den zitierten Entscheidungen etwa um Fälle, in denen ein Offenes Verfahren vorausgegangen ist und der zunächst geschlossene Vertrag später aufgehoben und mit einem anderen Bieter neu geschlossen worden ist (OLG Naumburg, Beschluss vom 15. März 2007, 1 Verg 14 /06), in denen mehrere Angebote eingeholt wurden (OLG München Beschluss vom 07.06.2005, Verg 4/05), Tests der angebotenen Leistungen stattgefunden haben und eine Einladung mehrerer Anbieter zu Besprechungen erfolgt ist (OLG Celle, Beschluss vom 14.09.2006, 13 Verg 3/06), eine konkrete aktive Interessenbekundung in Bezug auf künftige Dienstleistungsaufträge bei Angeboten anderer Bieter vorlag (OLG Hamburg, Beschluss vom 25. Januar 2007, 1 Verg 5/06 und vom 7. Dezember 2007, 1 Verg 4/07), ein Ausschreibungsverfahren aufgehoben und anschließend mit nur einem von mehreren Bietern verhandelt wurde (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2005, VII Verg 88/04) oder ein Architektenwettbewerb der Auftragserteilung vorausgegangen und der nicht informierte Antragsteller Preisträger war (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Dezember 2009, VII-Verg 39/09). Der Streitfall ist vielmehr dem der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 3. Dezember 2003 ( Az.: Verg 37/03) zugrunde liegenden Sachverhalt angenähert, in dem der Sonderfall vorlag, dass der Auftraggeber überhaupt nur mit einem Bieter verhandelt hatte. Das OLG Düsseldorf hat in diesem Fall eine analoge Anwendung des § 13 S. 6 VgV a.F. abgelehnt.
Die entsprechende Anwendung des § 13 S. 6 VgV a.F. ist schließlich auch nicht unter Berücksichtigung der Regelungen der Richtlinie 1989/665 EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 (ABl. L 395 vom 30.12.1989) geboten. Eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie kommt nicht in Betracht. Sie würde voraussetzen, dass die Vorgaben der Richtlinie in Art. 1 Abs. 1 und 3 so bestimmt formuliert sind, dass sie geeignet sind, unmittelbare Wirkungen zu entfalten, ohne dass es zur Ausführung weiterer Rechtsvorschriften bedarf (EuGHE 1986, 723, Rs. 152/84, „Marshall“). Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie sieht aber vor, dass die Bedingungen für die Eröffnung eines Nachprüfungsverfahrens von den Mitgliedstaaten erst festzulegen sind. Außerdem ist der Kreis der von der Vorschrift begünstigten Personen nicht hinreichend eindeutig bestimmt, da die Bezeichnung desjenigen, „der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Liefer- oder Bauauftrag hat oder hatte“ einerseits im Hinblick auf das „Interesse“ weit formuliert ist, andererseits eine Eingrenzung auf den „bestimmten“ Lieferauftrag gefordert wird.
Eine direkte Anwendung der Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. L 335/31 vom 20.12.2007) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt sich zeitlich vor Ablauf der Umsetzungsfrist ereignete, die erst am 20. Dezember 2009 endete (Artikel 3 der Richtlinie).
Auch eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts dahin, dass § 13 S. 6 VgV a.F. entsprechend für das De-facto-Vergabeverfahren Anwendung findet, wenn der Auftraggeber mit nur einem Bieter verhandelt hat, ist nicht möglich. Die richtlinienkonforme Auslegung muss den Beurteilungsspielraum, den das nationale Recht einräumt, ausschöpfen (EuGH, Rs. 14/83, „von Colson und Kamann“, Slg. 1984, 1921), aber auch berücksichtigen. Grenze der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift (Streinz- Schroeder , EUV/EGV,Art. 249 Rz. 128 mwN.). Der Wortlaut des § 13 S. 6 VgV a.F. wäre bei einer entsprechenden Anwendung auf Fälle der De-facto-Vergabe, in denen nur ein Angebot vorlag, aus den oben dargestellten Gründen überschritten.
Schließlich lässt sich auch aus dem Umstand, dass mit der am 24. April 2009 in Kraft getretenen Vorschrift des § 101 b GWB eine Regelung getroffen worden ist, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Nachprüfung einer Auftragsvergabe ohne Beteiligung anderer Unternehmen am Vergabeverfahren für jeden Interessenten ermöglicht, die Analogie zu § 13 S. 6 VgV a.F. im Streitfall nicht begründen. Der nationale Gesetzgeber hat das Problem der De-facto-Vergabe grundsätzlich auch vor Inkrafttreten des § 101 b GWB gesehen, wie sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 117 GWB ergibt (BT-Drucksache 13/9340 S. 17), eine Regelung insoweit jedoch nicht getroffen. § 101 b GWB sieht abweichend von § 13 S. 6 VgV a.F. die schwebende Unwirksamkeit der ohne Ausschreibung geschlossenen Verträge vor, die zudem nach § 101 b Abs. 2 GWB auf einen Zeitraum von längstens sechs Monaten ab Vertragsschluss beschränkt ist. Die jetzt getroffene Regelung stellt eine vollständig neue Regelung dar, deren rückwirkende Anwendung wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit nicht in Betracht kommt.
Die Unwirksamkeit des Vertrages ergibt sich auch nicht aus § 138 BGB. Voraussetzung wäre, dass ein Auftraggeber mit einem Auftragnehmer zusammenwirkt, um bewusst die Vergabevorschriften zu Lasten anderer Interessenten zu umgehen. Beide Vertragspartner müssen sich also bewusst sein, dass der Vertragsabschluss unter Verstoß gegen Vergaberecht erfolgt (KG Berlin, Beschluss vom 11. November 2004, 2 Verg 16/04; OLG Naumburg, Beschluss vom 25. September 2006, 1 Verg 10/06; OLG Celle, Beschluss vom 25. August 2005, 13 Verg 8/05).
Konkrete Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken fehlen hier. Es kann dahinstehen, ob der Einwand der Auftraggeberin, bei Verwendung der Programme des Antragstellers wären zusätzliche technische Schwierigkeiten aufgetreten, zutrifft. Denn jedenfalls fehlt es an Umständen, die darauf hindeuteten, dass die Vertragspartnerin, die i… GmbH, Kenntnis von der Ausschreibungspflicht hatte und bewusst mit der Auftraggeberin das Vergaberecht umgehen wollte.
Die Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 124 Abs. 2 GWB ist nicht geboten, da der Bundesgerichtshof bereits zu den Voraussetzungen der entsprechenden Anwendung des § 13 VgV a.F. Stellung genommen hat und der Senat von den Grundsätzen dieser Entscheidung nicht abweicht; soweit verschiedene Oberlandesgerichte den „Interessenten“ an einem konkreten Auftrag dem Bieter gleichgestellt haben, wichen die den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte, wie oben dargestellt, wesentlich vom Streitfall ab.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß den §§ 131 Abs. 8 GWB n.F., § 97 Abs. 1 ZPO.