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Entscheidung 9 WF 160/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 31.08.2010
Aktenzeichen 9 WF 160/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors … wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 13. November 2009 – Az. 20 F 185/08 – teilweise dahin abgeändert, dass die der Verfahrenspflegerin aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung auf insgesamt 481,58 EUR festgesetzt wird.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

1. Die am 26. November 2009 eingegangene sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors … als Vertreter der Landeskasse gegen den ihm am 23. November 2009 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 13. November 2009 ist gemäß §§ 50 Abs. 5, 67a Abs. 5 FGG statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden. Insbesondere übersteigt der hier 289,09 EUR betragende Beschwerdewert die nach § 56g Abs. 5 Satz 1 FGG erforderliche Beschwer von mehr als 150,00 EUR.

Das Amtsgericht hat die mit 764,02 EUR endende Rechnung der Verfahrenspflegerin vom 18. Juni 2009 (Bl. 85 f. GA) – unter Herabsetzung des geltend gemachten Aufwandes für das Aktenstudium von abgerechneten 50 auf anerkannte 30 Minuten – auf 750,74 EUR gekürzt und dabei den Zeit- und Kostenaufwand für einen Besuch des Kindes im Haushalt der Kindesmutter und auch die angegebene Dauer des dort mit A… geführten Gesprächs von 140 Minuten für berechtigt erachtet.

Hiergegen richtet sich das Rechtmittel des Vertreters der Landeskasse, der die Notwendigkeit des Hausbesuchs in Zweifel zieht und ferner den Zeitaufwand für das Gespräch mit dem Kind mit 90 Minuten für angemessen hält.

Die Rechtspflegerin beim Amtsgericht Bad Liebenwerda hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 10. Mai 2010 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdesenat zur Entscheidung vorgelegt.

Die Verfahrenspflegerin ist mit Übersendung des Nichtabhilfebeschlusses über das Rechtsmittel des Vertreters der Landeskasse in Kenntnis gesetzt worden, hat sich im Beschwerdeverfahren allerdings nicht mehr geäußert.

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg.

Dem Verfahrenspfleger steht für seine Tätigkeit in dem hiesigen Sorgerechtsverfahren ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen sowie auf Vergütung aus der Staatskasse entsprechend §§ 1835 Abs. 1, 1836 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 67a Abs. 1 und 2 FGG und §§ 1 und 4 VBVG zu. Dieser Ersatzanspruch bezieht sich auf diejenigen Zeiten und Aufwendungen, die Tätigkeiten betreffen, die der Erfüllung der vom Gesetz dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Aufgaben dienen (BVerfG FuR 2004, 622/624; OLG Oldenburg FamRZ 2005, 391). Jeder Arbeitsaufwand, den der Verfahrenspfleger außerhalb des ihm übertragenen Aufgabenbereiches entfaltet, hat bei der Festsetzung der Vergütung außer Ansatz zu bleiben, mag dieser Aufwand auch objektiv nützlich gewesen sein oder zu einer Konfliktlösung beigetragen haben (OLG Schleswig, OLGR 2000,177; Kammergericht, KGR 2000, 277; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 2. Familiensenat, Beschluss vom 16. Januar 2007, Az. 10 WF 1/07). Vergütet wird der für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Zeitaufwand, gemessen daran, was ein sorgfältig arbeitender, gewissenhafter Verfahrenspfleger zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als erforderlich ansehen würde. Hierfür reicht es nicht aus, dass der Verfahrenspfleger allein aus subjektiver Sicht bestimmte eigene Maßnahmen für geboten hält. Vergütungs- und ersatzfähig sind vielmehr nur Tätigkeiten, die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgabe notwendig waren. Nach diesen Maßstäben ist der geltend gemachte Aufwand einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senates, vgl. nur FamRZ 2006, 1777; FG Prax 2004, 73/74; ZfJ 2002, 233; FamRZ 2001, 692; Beschlüsse vom 6. März 2008, Az. 9 WF 57/08, und vom 9. Juni 2008, Az. 9 WF 81/08; OLG Oldenburg a.a.O.; OLG Köln Beschluss vom 20. August 2008, Az. 4 WF 39/08 – zitiert nach juris).

Nach § 50 Abs. 1 FGG hat das Gericht dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren zu bestellen, sobald dies zur Wahrnehmung der Kindesinteressen erforderlich ist. Schon daraus ist zu erkennen, dass der Verfahrenspfleger für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens an die Stelle des gesetzlichen Vertreters des Kindes tritt und an dessen Stelle die Kindesinteressen in das Verfahren einzubeziehen hat. Der Verfahrenspfleger hat nur das eigene Interesse des Kindes zu erkennen und zu formulieren (so ausdrücklich: BVerfG FamRZ 1999, 85/87); er hat darauf hinzuwirken, dass das Verfahren – soweit dies möglich ist – kindgerecht gestaltet wird und dem Kind in dem Verfahren bei Bedarf zur Seite zu stehen. All dies charakterisiert den Verfahrenspfleger als subjektiven Interessenvertreter des Kindes. Seine Aufgabenstellung im Verfahren ist derjenigen eines Rechtsanwaltes als Verfahrensbevollmächtigtem vergleichbar. Es ist dagegen nicht seine Aufgabe, sich an der Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung zu beteiligen. Insbesondere hat er keine über die bloße Ermittlung des Kindeswillens hinausgehenden Ermittlungen anzustellen (vgl. dazu insgesamt: erkennender Senat in FamRZ 2001, 692).

Zur Beurteilung der Frage, wie der Kindeswille im konkreten Fall zu ermitteln ist, steht ihm im Rahmen der Aufgabenstellung ein Ermessensspielraum zu. Von mehreren gleichwertigen Alternativen zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben hat der Verfahrenspfleger allerdings diejenige zu wählen, welche die Parteien bzw. die Allgemeinheit in finanzieller Hinsicht am wenigsten belastet.

Gemessen an diesen Grundsätzen hält der hier abgerechnete Zeit- und Kostenaufwand einer Plausibilitätsprüfung nur teilweise stand. Im Einzelnen:

a) Auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen der Verfahrenspflegerin in ihrem Schreiben vom 10. August 2009 (Bl. 103 GA) vermag der Senat die Notwendigkeit des Hausbesuchs bei dem seinerzeit knapp 7-jährigen Kind nicht zu erkennen. Keineswegs bedarf es grundsätzlich erst eines Besuchs/Gesprächs mit dem Kind in der ihm vertrauten Umgebung des häuslichen Umfeldes, um zuverlässig beurteilen zu können, ob ein oder mehrere weitere Gespräche im Büro der Verfahrenspflegerin geführt werden können. Mit dieser Verfahrensweise würde der – der Verfahrenspflegerin aus einer Vielzahl von Verfahren bekannte – Grundsatz, dass eine Gesprächsführung nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Gründe in vertrauter Umgebung des Kindes notwendig erscheint, ausgehebelt, ohne dass dafür tragfähige Gründe vorlägen. Vielmehr ist jedenfalls bei Kindern, die dem Klein(st)kindalter entwachsen sind und sich ohne Weiteres artikulieren können, grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Anhörung an einem neutralen Ort im Büro der Verfahrenspflegerin durchgeführt werden kann. Nur wenn sich aus der Akte greifbare Anhaltspunkte dafür ergeben, dass auch bei entsprechend einfühlsamer Gesprächsführung hinreichend authentische Erkenntnisse über die Wünsche und Vorstellungen des Kindes nicht gewonnen werden können, kann im Einzelfall ein Hausbesuch gerechtfertigt sein.

Im Streitfall bestand nach Aktenlage überhaupt kein Anlass zu der Vermutung, dass eine gelöste und unbefangene Gesprächssituation mit A… in der für sie fremden Umgebung (im Büro des Verfahrenspflegerin) mit einem ihr bislang unbekannten Erwachsenen nicht würde geschaffen werden können. A… war zum Zeitpunkt des hier in Rede stehenden Gesprächs knapp 7 Jahre alt. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sie einem Gespräch mit der Verfahrenspflegerin an deren Dienstsitz nicht gewachsen sein könnte, waren nicht vorhanden. Solche Anknüpfungspunkte lassen sich insbesondere auch nicht im Nachhinein aus der Stellungnahme der Verfahrenspflegerin vom 8. Mai 2009 (Bl. 62 f. GA) ableiten. Die darin geschilderte anfängliche Zurückhaltung ist eine zu erwartende Reaktion und konnte offensichtlich von der Verfahrenspflegerin im Zuge der Gesprächsführung aufgelöst werden. Dass dies nicht auch außerhalb der vertrauten Umgebung des Kindes möglich gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Letztlich zeigt auch das auf die im Festsetzungsverfahren erster Instanz bereits erhobenen Bedenken des Bezirksrevisors gegen die Berücksichtigungsfähigkeit eines Hausbesuchs eingegangene Schreiben der Verfahrenspflegerin vom 10. August 2009 keine Gründe auf, die die Anhörung im mütterlichen Haushalt zumindest im Nachhinein als erforderlich rechtfertigen könnten.

Die für die Hin- und Rückreise zum Haushalt der Kindesmutter entstandene Zeit- und Kostenaufwand war deshalb vorliegend nicht zu vergüten bzw. zu erstatten.

b) Für die Gesprächsführung mit A… erachtet der Senat eine Dauer von 120 Minuten für gleichermaßen erforderlich wie ausreichend. Der Ansatz des im Streitfall abgerechneten Aufwands von 140 Minuten für die Gesprächsführung erscheint auch und gerade mit Blick auf die anschließende Stellungnahme vom 8. Mai 2009 für nicht hinreichend plausibel. Sicherlich dürfte allein die Vorstellung der Verfahrenspflegerin und die - für die betroffenen Kinder nicht ohne Weiteres einzusehende - Darstellung ihrer Aufgabe einigen zeitlichen Aufwand erfordert haben, wie es im Streitfall offenbar geraume Zeit gedauert hat, bis A… ihre Zurückhaltung abgelegt und sich zu ihren Wünschen und Vorstellungen erklärt hat. Die Notwendigkeit eines deutlich mehr als 2-stündigen Gesprächs erschließt sich aus der in Bezug auf das Verhalten und die Äußerungen des Kindes ausgesprochen übersichtlichen Darstellung vom 8. Mai 2009 allerdings nicht.

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass sich die der Ermittlung des Kindeswillens dienende Gesprächsführung an einem neutralen Ort, wie sie im Streitfall für sachgerecht erachtet wird, in aller Regel etwas (zeit-)aufwändiger gestaltet, weil an einem für Kinder fremden Ort eine vertrauliche Atmosphäre zu einer bisher fremden Person ungleich schwieriger geschaffen werden kann und deshalb auch mehr Zeit in Anspruch nimmt. Es ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass sich Kinder in der vertrauten Umgebung ihres Zuhauses eher öffnen, als an einem neutralen Ort, zumal während der Anreise sicherlich eine – vielleicht von Ängsten begleitete - (An-)Spannung aufgebaut wird, die es zunächst zu lösen gilt.

Unter Berücksichtigung aller hier zutage getretenen Umstände erachtet der Senat deshalb einen Zeitaufwand von zwei Stunden für die Gesprächsführung mit A… für angemessen, aber auch ausreichend.

Insgesamt ergibt sich danach folgende Neuberechnung der Verfahrenspflegervergütung:

Aktenstudium

 30

Anschreiben Eltern

 20

Gespräch mit A… am 5. April 2009

120

Stellungnahme

 50

Anhörungstermin am 18. Juni 2009

455

2 Telefonate zur Terminsvereinbarung

 7

Zeitaufwand insgesamt:

682

à 11 Std. und 22 Min. bei 33,50 EUR/Std. =

380,78 EUR

 zzgl. 19 % Mehrwertsteuer

 72,35 EUR

Fahrtkosten für Anhörungstermin

 21,40 EUR

Telefonkosten

 0,70 EUR

Portokosten

 6,35 EUR

 

 481,58 EUR .