Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 19.07.2010 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 NC 1.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 146 Abs 4 VwGO, Art 12 Abs 1 GG, § 9 KapVO BE, § 14 KapVO BE, § 16 KapVO BE |
Kampagne WS 2009/10
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
I.
II.
„Nach den 1985 im Auftrag der ZVS an den seinerzeit noch vier Ausbildungsstätten Berlin, Gießen, Hannover und München durchgeführten Erhebungen, die dem Bericht des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst zugrunde liegen, ergab sich auf der Grundlage der ermittelten hochschulspezifischen Werte ein Stellenabzug von im Durchschnitt 45,46 %. Angesichts einer „Sicherheitsmarge“ von deutlich mehr als 10 % über dem normierten Pauschalabzug hat der Senat in dem erwähnten Beschluss aus dem Jahre 2000 mit dem OVG Bautzen (Beschluss vom 18. Juni 2001 - NC 2 C 32.00 -, juris) und mit dem Bayerischen VGH (Beschluss vom 10. Mai 2000 - 7 CE 00.10046 -, juris; vgl. zuletzt Beschluss vom 31. Mai 2006 - 7 CE 06.10197 -, juris) angenommen, dass nichts dafür spreche, dass eine Berücksichtigung der Überschneidung von Krankenversorgung und Fortbildung zu einem niedrigeren als dem normierten Pauschalabzug führen müsse, eine Korrektur in richterlicher Notkompetenz durch Senkung des Prozentsatzes oder durch Erhöhung des Lehrdeputats für die betreffenden Stellengruppen folglich nicht geboten sei. Anhaltspunkte dafür, dass diese „Sicherheitsmarge“ nicht bzw. nicht mehr geeignet wäre, die Ungenauigkeit der damaligen Erhebung und/oder deren mangelnde Aktualität aufzufangen, bietet das Beschwerdevorbringen nicht. Die Expansion des Wissens und der Wissenschaft mag zwar auch im Bereich der Tiermedizin den Zwang zu einer weiteren Spezialisierung zur Folge gehabt haben (vgl. hierzu Beschluss des 23. Deutschen Tierärztetages vom 11. April 2003). Dass sich dadurch der Anteil der Krankenversorgungsleistungen, die zugleich Weiterbildungsfunktion haben, maßgeblich verändert hätte, zeigt die Beschwerde mit dem Hinweis auf einen Beschluss der Herbst-Delegiertenversammlung der Bundestierärztekammer vom November 1999 jedoch nicht auf. Denn dass nach diesem Beschluss zahlreiche Gebietsbezeichnungen für Fachtierärzte vergeben werden sollen, ist insofern nichtssagend, als bereits die Anfang der 80-er Jahre erlassenen Weiterbildungsordnungen der Tierärztekammern 27 Weiterbildungsgebiete und 29 Fachtierarztbezeichnungen vorsahen (vgl. etwa §§ 2 Abs. 1 und 4 Abs. 1 der Weiterbildungsordnung der Tierärztekammer Berlin vom 21. Oktober 1981 [ABl. 1982, S. 393]). Diese Kataloge sind seitdem lediglich um 6 Weiterbildungsgebiete und 3 Facharztbezeichnungen erweitert worden. Andere Hinweise, die trotz der aufgezeigten Sicherheitsmarge den Gedanken an eine Reduzierung des Krankenversorgungsabzugs nahe legen könnten, gibt die Beschwerde nicht.
Im Übrigen hatte der Senat seinerzeit darauf hingewiesen, dass die für den Pauschalabzug relevanten Tätigkeiten durch die Fusion der tiermedizinischen Ausbildungsstätten der Freien Universität und der Humboldt-Universität zu Berlin im Jahre 1992 eher noch zugenommen haben dürften, da mit dem aufgrund der allgemeinen Sparzwänge seit dem Wintersemester 1996/97 stufenweise reduzierten wissenschaftlichen Personal (von 162 Planstellen im Jahr 1996 auf 126 im Jahr 2001) nunmehr auch das Berliner Umland zu versorgen war und ist. Im Hinblick auf den in § 9 Abs. 3 KapVO vorgegebenen Grundsatz der bundesweiten Einheitlichkeit des Pauschalabzugs aber bliebe eine solche Zunahme, auch wenn sie nur eine der tierärztlichen Ausbildungsstätten betreffen sollte, nicht ohne Einfluss auf die Frage, ob sich der in § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO normierte pauschale Krankenversorgungsabzug - trotz zweifellos vorhandener Überschneidungen - (noch) innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers hält.“
„Schließlich überzeugen auch die grundsätzlichen Überlegungen der Beschwerde zum Ansatz einer Schwundquote in der Zahnmedizin nicht. Sie zielen darauf, getrennte Schwundberechnungen für den vorklinischen und den klinischen Ausbildungsabschnitt zu erstellen und im klinischen Ausbildungsabschnitt nur diejenigen Studierenden zu berücksichtigen, die die zahnärztliche Vorprüfung bestanden haben. Die Beschwerdebegründung gibt auch nach erneuter Prüfung dieser Forderung keine Veranlassung, von der (mittlerweile) ständigen Rechtsprechung des Senats, der auch die Rechtsprechung anderer Obergerichte aus jüngerer Zeit entspricht (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 27. August 2008 - 3 Nc 141.07 -, Juris Rn. 168; OVG Saarlouis, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 B 194.07.NC -, Juris Rn. 31 ff.; VGH München, Beschluss vom 29. August 2006 - 7 CE 06.10430 -, Juris Rn. 14 ff.) und nach der das Bestehen der zahnärztlichen Vorprüfung für den Ansatz einer Schwundquote nicht erheblich ist, abzuweichen.
Die Argumentation der Beschwerde stellt im Ergebnis nichts anderes dar als das Verlangen nach einer Semesterzuordnung der Studierenden insbesondere für den klinischen Abschnitt, die sich nicht an deren verwaltungsmäßiger fachsemesterlicher Zuordnung, sondern an dem tatsächlichen Studienfortschritt orientiert (vgl. entsprechend OVG Saarlouis, a.a.O., Rn. 36). Der damit verbundene Versuch, das sog. „Hamburger Modell“ des linearen Schwundes durch ein Alternativmodell des sog. gewichteten Schwundes zu ersetzen (vgl. entsprechend OVG Hamburg, a.a.O., Rn. 168), ist bereits in den achtziger Jahren vom Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 13. Dezember 1984 - BVerwG 7 C 66.83 -, Juris Rn. 8 ff. und vom 20. November 1987 - BVerwG 7 C 103.86 u.a. -, Juris Rn. 10 ff.) für verfassungsrechtlich und auch einfachrechtlich nicht geboten erachtet worden. Eine von der Beschwerde angenommene verfassungsrechtliche Pflicht (Art. 12 Abs. 1 GG), die Schwundquote in der Zahnmedizin getrennt nach „Vorklinik“ und „Klinik“ zu berechnen, besteht daher nicht (vgl. OVG Saarlouis, a.a.O., Rn. 36; OVG Hamburg, a.a.O., Rn. 168). Bereits die essentiellen Faktoren des Kapazitätsermittlungsrechts wie Lehrdeputate und Curricularnormwerte sind in ihrem Umfang nicht vollständig durch das Kapazitätserschöpfungsgebot determiniert. Für die Bestimmung des Schwundfaktors, der ein rechentechnisches Mittel im Zusammenhang mit der Prognose künftiger Ausbildungslasten ist, gilt nichts anderes. Dem Kapazitätserschöpfungsgebot ist insofern ein bestimmtes Modell zur rechnerischen Erfassung des Schwundverhaltens nicht zu entnehmen. Auch bei dem in der Rechtsprechung allgemein akzeptierten Hamburger Verfahren handelt es sich lediglich um ein Modell, das - um überhaupt handhabbar zu sein - auf Annahmen beruht, die nicht in jedem Einzelfall zutreffen. So wird z.B. unterstellt, dass der Studierende das gesamte Lehrangebot während der Regelstudienzeit nachfragt. Außer Betracht bleiben hierbei auch - kapazitätsfreundlich - die Studierenden, die nach Ende der Regelstudienzeit immatrikuliert sind und nach wie vor Lehrleistungen nachfragen. Grundsätzlich kapazitätsfreundlich ist ferner die Annahme, dass die Lehrmengen innerhalb eines Studiengangs beliebig umverteilbar sind. Erst diese Fiktion rechtfertigt überhaupt die der Schwundquote zugrunde liegende Erwartung, dass der durch die Verringerung der Studentenzahlen in höheren Semestern ersparte Lehraufwand für die Anfangssemester genutzt werden kann (so auch OVG Saarlouis, a.a.O., Rn. 40).
Verkennt die Beschwerde nach alledem mit ihrer Forderung schon im Ansatz die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Erfassung des Schwundverhaltens, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem beigebrachten Zahlenmaterial, mit dessen Hilfe sie zu prognostizieren versucht, wie viel Studienanfänger die zahnärztliche Vorprüfung nicht bestehen werden. Ferner geht die weitere Rüge, der Senat habe mit seinem Beschluss vom 18. Juli 2008 (- OVG 5 NC 86.07 - [Zahnmedizin Sommersemester 2007]) das rechtliche Gehör der damaligen Antragsteller verletzt, ins Leere. Zu der Argumentation der Beschwerde, die im Wesentlichen bereits Gegenstand u.a. der Beschlüsse des Senats vom 15. Februar 2008 (- OVG 5 NC 89.07 u.a. - [Zahnmedizin Sommersemester 2007] und 18. Juli 2008 (- OVG 5 NC 86.07 - [Zahnmedizin Sommersemester 2007]) war, sei zudem angemerkt:
Die Bezugnahme des Senats in seinem Beschluss vom 29. Januar 2007 (- OVG 5 NC 128.06 -, [Zahnmedizin Sommersemester 2006], BA S. 4) auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 1987 (- BVerwG 7 C 103.86 -, Juris) ist entgegen der Beschwerde nicht zu beanstanden. Die insoweit zitierte dortige Erkenntnis, dass der Schwundausgleich auf der Fiktion der Austauschbarkeit aller im Studienverlauf nachgefragten Lehre beruhe (BVerwG, a.a.O., Rn. 12), gilt unabhängig vom jeweiligen Studiengang. Eine Einschränkung ist auch nicht geboten, soweit der Senat in den Beschlüssen vom 18. Juli 2008 (- OVG 5 NC 86.07 - [Zahnmedizin Sommersemester 2007], BA S. 5) bzw. 15. Februar 2008 (- OVG 5 NC 89.07 - [Zahnmedizin Sommersemester 2007], BA S. 5 f.) unter Bezugnahme auf weitere Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 20. November 1987 (a.a.O., Rn. 14) darauf hingewiesen hat, dass das geltende Recht der Hochschulzulassung vom Grundsatz pauschalierender und abstrahierender Ermittlung der Ausbildungskapazitäten beherrscht wird.
Der (erneute) Einwand, im Studiengang Zahnmedizin seien die Lehrleistungen ebenso wie im Studiengang Medizin nicht beliebig umverteilbar, trägt weiterhin nicht. Die insoweit gezogene Parallele verbietet sich. Die Untergliederung der medizinischen Lehreinheiten nach § 7 Abs. 3 KapVO ist vorrangig der Gliederung der ärztlichen Ausbildung nach § 1 der Ärztlichen Approbationsordnung und nicht der prüfungsrechtlichen Hürde des Physikums geschuldet (Beschluss des Senats vom 15. Februar 2008 - OVG 5 NC 89.07 - [Zahnmedizin Sommersemester 2007], BA S. 7 f.). Vor diesem Hintergrund trägt auch die von der Beschwerde aufgezeigte Parallele zwischen § 1 Abs. 3 ÄAppo und § 36 Abs. 1 S. 1 ZÄppO (gemeint wahrscheinlich § 34 Abs. 1 Satz 1 ZÄppO), die für die Fortsetzung des klinischen Studiums das Bestehen der jeweiligen Vorprüfung voraussetzen, nicht (vgl. dazu auch OVG Saarlouis, a.a.O., Rn. 42). In diesem Zusammenhang ist erneut (vgl. Beschluss des Senats vom 15. Februar 2008 - OVG 5 NC 89.07 - [Zahnmedizin Sommersemester 2007], BA S. 8 f. und auch OVG Saarlouis, a.a.O., Rn. 44 ff.) darauf hinzuweisen, dass es keine Besonderheit der Studiengänge Medizin und Zahnmedizin ist, dass der Erwerb von Leistungsnachweisen des „Hauptstudiums“ ohne vorherige Ablegung einer vorgesehenen „Vor- oder Zwischenprüfung“ nicht oder allenfalls sehr eingeschränkt möglich ist.
Auf die von der Beschwerde geltend gemachte faktische Entlastung der „zahnmedizinischen klinischen Lehreinheit“ und den Hinweis, dass diese ohne großen Aufwand zu ermitteln sei, kann es mit Blick darauf, dass nach dem soeben Gesagten die Belastung der gesamten Lehreinheit Zahnmedizin maßgebend ist, nicht ankommen. Auch von daher ist eine Auseinandersetzung mit dem von der Beschwerde eingebrachten Zahlenmaterial nicht geboten und eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch den Senat im Beschluss vom 18. Juli 2008 (- OVG 5 NC 86.07 - [Zahnmedizin Sommersemester 2007]) nicht gegeben. Für die Berechnung bzw. Prognose einer Entlastung der gesamten Lehreinheit Zahnmedizin durch die Studierenden, die die zahnärztliche Prüfung nicht bestehen oder sie nicht absolvieren, bestehen im Übrigen keine tragfähigen Anhaltspunkte (Beschluss des Senats vom 15. Februar 2008 - OVG 5 NC 89.07 - [Zahnmedizin Sommersemester 2007], BA S. 6 f.). Insoweit ist auch der von der Beschwerde betonte Hinweis, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 1982 (- BVerwG 7 C 99.81 u.a. -, Juris) zwinge zu der Schlussfolgerung, bzgl. der Studenten, die die zahnärztliche Vorprüfung endgültig nicht bestanden hätten, sei auf die Ausbildungswirklichkeit abzustellen, verfehlt. Die dortige Berücksichtigung der Nachfrageentlastung durch Doppelstudenten betrifft den Dienstleistungsexport und beruht darauf, dass sich eine Vernachlässigung der entsprechenden Lehrangebotsersparnis aus der abstrahierenden - pauschalierenden Betrachtungsweise der Kapazitätsverordnung nicht begründen lässt, da es insofern schon im Ansatz am Bedürfnis nach abstrahierend/pauschalierender Normierung des Kapazitätsrechts fehlt. Eine vergleichbare Situation ist für die Schwundquote in Bezug auf die Frage der Berücksichtigung der Studierenden, die die zahnärztliche Vorprüfung nicht bestehen oder zu ihr nicht antreten, nicht gegeben (Beschluss des Senats vom 15. Februar 2008 - OVG 5 NC 89.07 - [Zahnmedizin Sommersemester 2007], BA S. 6).“
- aus : Beschluss vom 3. April 2009 - OVG 5 NC 157.08 u.a. - [Zahnmedizin Sommersemester 2008], juris Rn. 17 ff. -