Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 09.03.2010 | |
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Aktenzeichen | 6 U 17/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. Januar 2009 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam - 52 O 47/08 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
I.
Die Klägerin verlangt die Bezahlung von Betonstahllieferungen auf der Grundlage des Globalauftrages vom 30.11.2007. Die Beklagte hat gegen die unstreitige Klageforderung mit dem erststelligen Teilbetrag einer Schadensersatzforderung gegen die Klägerin in Höhe von insgesamt 363.171,94 € wegen Deckungskäufen nach einer ihrer Auffassung nach unbegründeten Leistungsverweigerung und zu Unrecht verweigerten Vertragstreueerklärung der Klägerin erklärt.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts vom 19.1.2009 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Beklagte dem Klageantrag entsprechend zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die unstreitige Klageforderung sei nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen, weil der Beklagten eine aufrechenbare Forderung gegen die Klägerin nicht zustehe.
Die zentrale Annahme der Beklagten zur Begründung vertragswidrigen und für die Differenzen der Parteien ursächlichen Verhaltens der Klägerin, die Klägerin sei zur Lieferung nach den Konditionen des Globalauftrags vom 30.11.2007 auch noch über den Januar 2008 hinaus verpflichtet gewesen, sei unzutreffend.
Ebenfalls nicht zu einem Schadensersatzanspruch der Beklagten führe der Umstand, dass die Klägerin keine Stahllieferungen nach Maßgabe der auf den 4.1.2008 datierten Abforderung – innerhalb der vereinbarten Lieferzeit – veranlasst habe. Dabei könne dahinstehen, ob die Abforderung der Klägerin zugegangen sei, weil die von der Beklagten vorgelegte Unterlage bereits inhaltlich nicht geeignet gewesen sei, die nach dem Globalauftrag erforderliche Konkretisierung der Lieferverpflichtung herbeizuführen. Lieferort und Liefertermin seien nicht angegeben worden.
Unabhängig davon wäre die Klägerin auch dazu berechtigt gewesen, die weiteren Lieferungen bis zum Ausgleich der fälligen Zahlungen für die früher erbrachten Leistungen zurückzuhalten. Zum maßgeblichen Zeitpunkt, und zwar nicht dem der Abforderung am 4.1.2008, sondern dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte mit Schreiben vom 31.1.2008 gefordert habe, die Klägerin möge ihre Pflicht zur Lieferung der „abgeforderten“ Mengen zu den Bedingungen des Vertrages vom 30.11.2007 eingestehen, habe die Klägerin begründet eingewendet, der Beklagten zu dieser Zeit nichts schuldig zu sein, solange diese die offenen Rechnungen nicht beglichen habe.
Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Landgerichts vom 26.10.2007 Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie die Klageabweisung erreichen will.
Die Beklagte rügt die Verletzung von Hinweispflichten durch das Landgericht.
In der Sache stehe ihr, der Beklagten, eine aufrechenbare Forderung gegen die Klägerin zu. Die Klägerin habe innerhalb der Leistungszeit des Globalauftrages und der im Globalauftrag beinhalteten Zeitspanne Dezember 2007 / Januar 2008 die Leistung verweigert und erklärt, den Globalauftrag zu verletzen und nicht erfüllen zu wollen. Das Landgericht habe den Globalauftrag falsch ausgelegt.
Die Abforderung der Beklagten vom 4.1.2008 entspreche dem langjährig im Geschäftsverkehr der Parteien unbeanstandet verwendeten Muster, auf frühere Abrufe nach diesem Muster sei ohne Nachfragen oder ähnliches problemlos geliefert worden. Die Klägerin habe auch nie gerügt, dass der Abruf vom 4.1.2008 nicht vertragskonform sei.
Unerheblich sei, ob die Klägerin Anfang Januar 2008 berechtigt gewesen sei, Lieferungen zurückzuhalten. Jedenfalls sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen, Erklärungen dahin abzugeben, dass aus dem streitgegenständlichen Globalauftrag nicht mehr geliefert werde, die Konditionen des Globalauftrages nicht mehr gültig seien, insbesondere die Preisvereinbarungen, dass zu den vertraglichen Konditionen ohnehin nicht mehr geliefert werde und die Warenkreditversicherung dahin zu unterrichten, dass an die Beklagte nicht mehr geliefert werde.
Nachdem die Klägerin prinzipiell unstreitig bereits im Januar 2008 eine endgültige Leistungsverweigerung unabhängig von Zahlungen der Beklagten ausgesprochen habe, habe sie, die Beklagte, einen Anspruch auf eine Erklärung der Klägerin zur Vertragstreue gehabt. Das Schreiben vom 31.1.2008 sei Folge der Erklärungen der Klägerin, nicht die Ursache der Auseinandersetzung. Sie, die Beklagte, habe in Anbetracht der vertragsverletzenden Erklärungen der Klägerin nicht sehenden Auges einen erheblichen Schaden erleiden wollen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Potsdam, Aktenzeichen 52 O 47/08, verkündet am 19.1.2009, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie verweist hinsichtlich des Vertragsinhaltes auf den eindeutigen Wortlaut des Globalauftrages sowie inhaltlich identische telefonische Vorabsprachen zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Geschäftsführer der F… GmbH, der Handelsagentur der Klägerin.
Sowohl bei der behaupteten Einteilung der Restmengen angeblich am 4.1.2008, als auch bei der nachgeholten Einteilung am 31.1.2008 habe sich die Beklagte unstreitig bereits im Zahlungsverzug befunden, am 4.1.2008 mit 176.030,48 €, am 31.1.2008 mit 320.450,90 €. Danach sei sie, die Klägerin, ohne weiteres berechtigt gewesen, bis zur Bewirkung der Gegenleistung weitere Leistungen zu verweigern. Unabhängig davon sei die Einteilung vom 4.1.2008 erst am 31.1.2008 eingegangen.
Sie, die Klägerin, habe zu keinem Zeitpunkt erklärt oder erklären lassen, sie würde Lieferungen nach dem 31.1.2008 nicht mehr ausführen und sie werde die Beklagte nicht mehr beliefern. Sie habe auch nicht erklärt, sie werde die Einteilung vom 4.1.2008 nicht mehr bearbeiten, die sie nicht vor dem 31.1.2008 erhalten habe.
Mit ihrem Hinweis an den Kreditversicherer A… habe sie ebenfalls nicht den Vertrag der Parteien verletzt. Die Unterrichtung des Kreditversicherers über ausbleibende fällige Zahlungen gehöre zu ihren Obliegenheiten.
Der Beklagten sei ein Schaden nicht entstanden, jedenfalls nicht annähernd in der behaupteten Höhe. Die Beklagte bestreitet die behaupteten Deckungskäufe.
Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin steht die zuerkannte Kaufpreisforderung aus § 433 Abs. 2 BGB zu. Diese dem Grund und der Höhe nach unstreitige Forderung ist nicht durch die Aufrechnungserklärung der Beklagten erloschen. Der Beklagten steht die zur Aufrechnung gestellte Forderung gegen die Klägerin nicht zu. Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch wegen der von der Beklagten geforderten, jedoch von der Klägerin nicht abgegebenen Vertragstreueerklärung. Der Beklagten stand ein Anspruch auf die Abgabe einer solchen Vertragstreueerklärung gegen die Klägerin nicht zu.
1. Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Abgabe einer Vertragstreueerklärung, aus dessen Nichterfüllung sie einen Schadensersatzanspruch herleiten könnte. Dies gilt schon deshalb, weil es an dem nach Treu und Glauben dafür erforderlichen vertragskonformen Verhalten der Beklagten selbst fehlt.
Unstreitig befand sich nämlich die Beklagte zu jedem der denkbaren maßgeblichen Zeitpunkte, am 4.1.2008, am 17.1.2008 und am 31.1.2008 mit der Erfüllung von Zahlungsverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin in Verzug.
Am 4.1.2008, dem Tag des von der Beklagten behaupteten zweiten Abrufs, war die Beklagte unstreitig mit der Erfüllung von Lieferverbindlichkeiten in Höhe von 176.030,48 € in Verzug (Aufstellung der Klägerin Bl. 149 f. d.A.). Die Klägerin war deshalb zur vorläufigen Leistungsverweigerung berechtigt (§ 273 Abs. 1 BGB), die sie nach der Behauptung der Beklagten erklärt hat.
Am 17.1.2008 hat die Beklagte zwar unstreitig diese Forderungen erfüllt. Am 15.1.2008 sind jedoch wiederum Forderungen der Klägerin aus Lieferungen im Dezember 2007 fällig geworden. Deshalb befand sich die Beklagte nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin per 31.1.2008 mit der Begleichung offener Forderungen in einer Höhe von insgesamt 320.450,90 € (incl. zwei Zinsberechnungen per 31.12.2007 und per 29.1.2008) in Verzug. Unter Abzug der Zinsberechnung per 29.1.2008 (1.761,95 €) befand sich die Beklagte mithin ab dem 15.1.2008 mit der Erfüllung von Forderungen in Höhe von insgesamt 318.688,95 € in Verzug.
2. Die Beklagte hatte auch deshalb keinen Anspruch auf die von ihr geforderte Vertragstreueerklärung der Klägerin, weil die Klägerin die Erfüllung des Globalauftrages nicht so schuldete, wie es die Beklagte meinte.
Aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils, auf die verwiesen wird, hatte die Beklagte einen Anspruch auf die Gewährung der im Globalauftrag festgehaltenen Preise nur dann, wenn die Bestellungen/Lieferungen der vorgesehenen Mengen (1.500 t/Monat) in den jeweiligen Monaten (12/07 und 1/08) erfolgten. Die Beklagte hatte jedenfalls keinen Anspruch darauf, nicht (rechtzeitig) abgerufene Mengen später noch zu dem im Globalauftrag vereinbarten Preis zu bekommen.
a) Der Wortlaut des Globalauftrages kann nur in diesem Sinne verstanden werden. Das gilt umso mehr, als nicht nur die Mengen abgerufen werden mussten. Die Beklagte musste auch die Dimensionierungen vorgeben.
b) Die Interessenlage der Parteien spricht ebenfalls für dieses Ergebnis. Auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil dazu wird verwiesen. Es entsprach nicht dem wohlverstandenen Interesse der Parteien und hier insbesondere der Klägerin, diese auf die Bevorratung von Schrott etc. in dem für die Herstellung der Gesamtbestellmenge erforderlichen Umfang zu verweisen, um das Preisschwankungsrisiko auszugleichen. Dem Ausgleich des Preisschwankungsrisikos dienten gerade die Regelungen des zeitlich befristeten Vertrages, insbesondere über die Abrufbarkeit bestimmter Mengen bis zu bestimmten Zeiträumen und die zeitlich begrenzte Gebundenheit an die vereinbarten Preise.
c) Eine abweichende Handhabung bei früheren abgearbeiteten Globalaufträgen spricht nicht dagegen; im Gegenteil: Wenn solches nunmehr gewollt gewesen wäre, hätte es nahe gelegen, dieses im Vertrag auch zu regeln. Wurde trotz abweichender praktischer Handhabung im Einzelfall in der Vergangenheit trotzdem der Vertrag so abgeschlossen, wie er abgeschlossen worden ist, so kann nur der Schluss daraus gezogen werden, dass er so auch durchgeführt werden sollte. Er hätte dann nur einvernehmlich abgeändert werden können.
d) Danach konnte vor dem objektiven Empfängerhorizont eine verständige Vertragspartei den Globalauftrag auch vor dem Hintergrund der bisherigen Abwicklung von Globalaufträgen im Einzelfall nicht anders verstehen.
3. Ein in der Sache geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen der Nichterfüllung des von ihr geltend gemachten Anspruchs auf Abgabe einer Vertragstreueerklärung ist zudem aus der Natur des Schuldverhältnisses ausgeschlossen.
Die Beklagte macht in der Sache ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der bereits fälligen Kaufpreisforderungen geltend, mit deren Erfüllung sie sich in Verzug befindet. Der Verzug mit der Erfüllung von Forderungen, der der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht gibt, berechtigt nicht gleichzeitig die Beklagte, ihrerseits hinsichtlich eines weiteren geltend gemachten Anspruchs auf Abgabe einer Vertragstreueerklärung, ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben. Verzug ist die pflichtwidrige Verzögerung der Leistung aus einem vom Schuldner zu vertretenden Grund. Eine rechtswidrig verzögerte Leistung kann der Natur der Sache nach keine rechtmäßig zurückhaltbare Leistung sein.
4. Den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 3.3.2010 hat der Senat berücksichtigt. Die in diesem Schriftsatz zusammengefassten rechtlichen Erwägungen der Beklagten konnten aus den genannten Gründen keine andere Entscheidung rechtfertigen.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.