Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 30.04.2014 | |
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Aktenzeichen | L 7 KA 140/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 87b SGB 5 |
1. Der Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 bietet keine ausreichende Grundlage, um ohne Regelung durch die Gesamtvertragspartner über RLV-relevante Praxisbesonderheiten zu entscheiden.
2. Weil das RLV vor Beginn eines Quartals zugewiesen werden muss, darf bei der Prüfung auf RLV-relevante Praxisbesonderheiten nicht auf die Abrechnungsdaten ebendieses Quartals zurückgegriffen werden.
3. Dass nach dem Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 im Quartal I/09 die Anerkennung einer RLV-relevanten Praxisbesonderheit davon abhing, dass der Fallwert einer Vertragsarztpraxis denjenigen der Arztgruppe um 30 % überschritt, ist unbedenklich.
4. Überschreitet der praxisindividuelle Fallwert denjenigen der Arztgruppe um den durch den (erweiterten) Bewertungsausschuss oder den Honorarverteilungsmaßstab vorgegebenen Prozentsatz, darf eine Praxisbesonderheit nicht allein unter Hinweis auf einen Fallzahlrückgang in den letzten 6 Jahren abgelehnt werden.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2009 geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 16. Dezember 2008 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu drei Fünftel und der Kläger zu zwei Fünftel. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt ein höheres Regelleistungsvolumen (RLV) für das Quartal I/09 unter dem Aspekt von Praxisbesonderheiten.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Neurochirurgie seit Mai 1999 im B Bezirk W an der vertragsärztlichen Versorgung teil, bis zum Quartal IV/05 im Rahmen einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis mit zwei weiteren Vertragsärzten. Seit dem 4. März 2009 ist er berechtigt, schmerztherapeutische Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) 99301 und 99303 des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) abzurechnen. Der Anteil der vom Kläger erbrachten schmerztherapeutischen Leistungen nach den GOP 30724, 30731 und 30760 betrug in den Quartalen I/08 bis IV/08 zwischen 30,22 % und 34,62 %.
Die Beklagte wies dem Kläger das RLV für das Quartal I/2009 nach folgender Berechnung zu (Bescheid vom 11. Dezember 2008; das Widerspruchsverfahren ruht):
I/2009 | |
arztindividuelle Fallzahl | 251 |
Fallwert der Arztgruppe in € | 43,95 |
durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe | 567 |
Morbiditätsfaktor | 1,0039 |
arztindividuelles RLV in € | 11.074,47 |
Am 16. Dezember 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten ein erhöhtes RLV, weil er eine hoch spezialisierte Facharztpraxis betreibe, die ausschließlich hochwertige, nichtoperative Leistungen, besonders im Bereich intensiver Beratung, komplexer diagnostischer Abklärung und Beurteilung, sowie individuell angepasster minimal-invasiver Behandlung umfasse. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten sei entweder polymorbide und/der teilweise mehrfach voroperiert, weise komplexe Veränderungen an mehreren Wirbelsäulenabschnitten auf und/oder sei chronischer Schmerzpatient, was einen hohen diagnostischen und auch verlaufsdiagnostischen Aufwand sowie intensive Beratungsleistungen mit zahlreichen Arzt-Patienten-Kontakten erfordere und zu einer hochspezialisierten differenzierten Schmerztherapie führe. Es erfolgten keine abrechenbaren Leistungen außerhalb des RLV, insbesondere auch keine ambulanten oder belegärztlichen Operationen. Daher beantrage er, einen Fallwert von mindestens 85,- € zu generieren.
Diesem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2009 teilweise statt. Der arztindividuelle RLV-relevante Fallwert des Klägers aus dem Quartal I/08 überschreite den RLV-Fallwert der Arztgruppe der Neurochirurgen 74,81 %. Es habe aber auch die Fallzahlentwicklung seiner Praxis des Quartals I/08 im Vergleich zu den letzten vier Quartalen vor Einführung der Individualbudgetierung (III/02 bis II/03) betrachtet werden müssen. Wegen des hier zu verzeichnenden Fallzahlrückgangs von 14,55 % reduziere sich die Fallwert-Differenz auf 30,26 %. Im diesem Umfang werde der Fallwert auf 57,25 € erhöht.
Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2009 zurück und führte zur Begründung aus: Nach dem Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28. August 2008 seien Praxisbesonderheiten – soweit es das Quartal I/09 betreffe – erst ab einem Umfang von 30 % Fallwertüberschreitung anerkennungsfähig. Die vorgenommene Berechnung zur Anhebung des RLV des Klägers sei nicht zu beanstanden. Der im angefochtenen Bescheid vorgenommene Fallzahlvergleich diene dem Ziel zu überprüfen, ob die geltend gemachte Praxisbesonderheit auch kausal für eine eventuelle Erhöhung des Fallwerts gegenüber der Fachgruppe sei. Fallwertveränderungen könnten verschiedene Ursachen haben, u.a. eine gezielte Fallzahlsteuerung im Zusammenhang mit der Einführung der Individualbudgets (IB). Schmerztherapeutische Leistungen nach den GOP 99301 und 99303 würden extrabudgetär vergütet.
Für das Quartal I/09 wurde dem Kläger Honorar i.H.v. 16.732,27 € gutgeschrieben, davon 16.546,50 € für RLV-relevante Leistungen. Auch das diesbezügliche Widerspruchsverfahren ruht.
Mit Urteil vom 19. Oktober 2011 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 14. April 2009 und 15. Dezember 2009 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten für das Quartal I/09 unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Es bestünden keine Bedenken, dass sich der Grenzwert zur Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe, ab dem Praxisbesonderheiten festgestellt werden könnten, im Quartal I/09 auf 30 % – und nicht wie in den Folgequartalen auf 15 % – belaufen habe. Die Beklagte habe aber die vom Kläger vorgetragenen Praxisbesonderheiten nicht bzw. auf unzutreffende Art und Weise ermittelt. Als Praxisbesonderheit komme im Falle des Klägers nur eine besondere, für die Versorgung bedeutsame fachliche Spezialisierung in Betracht. Ob eine solche vorliege, könne nur durch eine Prüfung der Abrechnung des betroffenen Vertragsarztes im Vergleich zur Arztgruppe festgestellt werden. Seinen Mitwirkungspflichten sei der Kläger in diesem Zusammenhang nachgekommen. Die Beurteilung, ob Praxisbesonderheiten vorlägen, unterliege der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Als Praxisbesonderheit komme die Betreuung von Patienten mit Störungen und Erkrankungen des Bewegungs- und Halteapparats und von Schmerzpatienten in Betracht. Die nach der Ermittlung des Praxisbesonderheiten erforderliche weitere Prüfung, ob zusätzlich eine aus ihnen resultierende Überschreitung des durchschnittlichen RLV-Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % vorliege, habe die Beklagte bereits bejaht. Für die Frage der Kausalität zwischen Praxisbesonderheiten und Fallwertüberschreitung seien die Fallzahlen der vergangenen Jahre grundsätzlich irrelevant, da ein Fallzahlrückgang verschiedenste Gründe haben könne. Anhand der Abrechnung des einzelnen Arztes in den streitgegenständlichen Quartalen sei zu prüfen, welche Leistungen aufgrund der Spezialisierung im Vergleich zur Arztgruppe überdurchschnittlich oft erbracht worden seien und wie sich sie sich auf den Fallwert auswirkten. In zeitlicher Hinsicht sei bei der Prüfung der Fallwertüberschreitung mangels ausdrücklicher Regelung im Honorarvertrag (HV) und im Beschluss des (erweiterten) Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 auf das jeweilige Vorjahresquartal abzustellen. Die Kammer könne den erforderlichen Fallwertvergleich nicht selbst vornehmen, weil nur der Beklagten die entsprechenden Daten vorlägen. Falls die Beklagte zum Ergebnis gelange, dass anzuerkennende Praxisbesonderheiten bestünden und hieraus eine Überschreitung des durchschnittlichen Fallwerts der Arztgruppe von mindestens 30 % resultiere, komme ihr hinsichtlich der Anerkennung der Praxisbesonderheiten sowohl bezüglich des „Ob“ als auch bezüglich des Umfangs der Anerkennung ein Ermessen zu, das sie unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung pflichtgemäß auszuüben habe. In diesem Rahmen sei es auch vertretbar, wenn die Beklagte aus Gründen der Gleichbehandlung grundsätzlich nur die den Grenzwert von 30 % überschreitende Fallwertüberschreitung anerkenne. Ein höheres RLV lasse sich für das Quartal I/09 nicht daraus herleiten, das die Beklagte die Zuweisung des RLV entgegen § 87b Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erst mit Bescheid vom 11. Dezember 2008 vorgenommen habe.
Gegen dieses am 25. Oktober 2011 (Beklagte) bzw. am 28. Oktober 2011 (Kläger) zugestellte Urteil richten sich die Berufungen der Beklagten und des Klägers, jeweils vom 24. November 2011.
Die Beklagte begründet ihre Berufung wie folgt:
Sie habe entsprechend Teil II Nr. 4 des Beschlusses des Landesschiedsamtes einen Vorschlag zu Praxisbesonderheiten erarbeitet und den Vertragsparteien per E-Mail am 9. Dezember 2008 übersandt. Als Reaktion hierauf hätten die Krankenkassen(-verbände) einen Gegenvorschlag übermittelt, welchen sie mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 akzeptiert habe.
Ein Vergleich mit den Fallzahlen vor Einführung des IB, d.h. den Quartalen III/02 bis II/03, sei zulässig, weil ein Fallwert durch eine gezielte Fallzahlverringerung erhöht werden könne.
Im Hinblick auf die vom Kläger als Praxisbesonderheit deklarierten diagnostischen und therapeutischen Leistungen der GOP 16230, 16232 und 16233 liege keine besondere, für die Versorgung bedeutsame Spezialisierung vor, weil es sich hierbei nicht um arztgruppenübergreifende spezielle Leistungen – wie vom BSG gefordert – handele.
Entgegen der Darstellung des Klägers sei seine Praxis nicht existenzgefährdet. Das von ihm behauptete RLV i.H.v. 19.284.- € übertreffe seine im Jahre 2008 erzielten Quartalshonorare (zwischen 15.578,47 € und 19.141,12 €).
Die Einwände gegen den rechtzeitigen Zugang des RLV-Zuweisungsbescheids hätten in jenem Verfahren vorgebracht werden müssen. Weil das Verfahren zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten als Antragsverfahren ausgestaltet sei, lasse die Beklagte dem im streitigen Quartal I/09 nicht die (eventuelle) Bestandskraft von RLV-Zuweisungsbescheiden entgegenstehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 2011 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen
hilfsweise,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2009 zu ändern, die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats einen neuen Bescheid zu erteilen, und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er trägt vor: Zu Unrecht habe es das Sozialgericht für zulässig gehalten, dass die Beklagte von der unstrittigen Fallwertüberschreitung von knapp 75 % einen Abschlag i.H.v. 30 % vornimmt. Dies verstoße gegen den Grundsatz der leistungsproportionalen Bezahlung und gegen das Gleichheitsprinzip gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Auch im Rahmen einer Anfangserprobung dürfe hochspezialisierten Arztgruppen kein Verzicht auf 30 % des Honorars zugemutet werden. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen seien von vornherein ohne größeren Aufwand absehbar gewesen, zumal der KV sämtliche Abrechnungsdaten teilweise schon lange vor Beginn des Quartal I/09 vorgelegen hätten.
Auch enthalte der HV keine Härteklausel. Die vom BSG geforderten Kriterien zur Anwendung einer Härtefallregelung – wirtschaftliche Existenzgefährdung und spezifischer Sicherstellungsbedarf – lägen bei ihm vor. Denn zum einen reiche das RLV, selbst wenn es auf der Grundlage seines von der Beklagten mitgeteilten Fallwertes im Quartal I/08 (76,83 €) gebildet werde – es betrüge dann 19.284,- € –, gerade einmal zur Deckung der laufenden Praxisunkosten. Zum andere würde auf dem Gebiet der Spezialisierung (spezielle Beratungsleistung, periradikuläre Schmerztherapie) nach der von der Beklagten erstellten erweiterten Anzahlstatistik für das Quartal I/08 ein Anteil von 62,12 % der Gesamtpunktmenge erbracht. Die Leistungen nach den GOP 30724 (periradikuläre Therapie) und 30760 (nachfolgende Überwachung der Vitalparameter) stellten arztgruppenübergreifende spezielle Leistungen dar, die besondere Zusatzqualifikationen und eine besondere Praxiseinrichtung erforderten.
Unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen müsse ein Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt ermöglicht werden.
Weil die Zuweisung des RLV für das Quartal I/09 nicht bis spätestens zum 30. November 2008 erfolgt sei, müsse ihm ein Honorar (Fallzahl x Fallwert) des entsprechenden Vorjahresquartals zugewiesen werden.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich in der Sache nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Die Berufungen sind zulässig. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, die des Klägers ist in geringem Umfang begründet.
A. Es bleibt ohne Einfluss auf den vorliegenden Rechtsstreit, dass wegen desselben Streitgegenstandes (RLV des Klägers im Quartal I/09) ein weiteres Widerspruchsverfahren ruht.
I.Die Beklagte hat – wie sich aus dem hiesigen Rechtsstreit sowie den am selben Tag entschiedenen Verfahren L 7 KA 154/11, L 7 KA 155/11 und L 7 KA 80/11 ergibt – bezüglich der Höhe des RLV eines Vertragsarztes für ein bestimmtes Quartal mehrere Verwaltungsverfahren unabhängig voneinander durchgeführt. So hat sie in Verfahren, in denen Widerspruch gegen den RLV-Zuweisungsbescheid (§ 87b Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB V in der vom 1. Juli 2008 bis 22. September 2011 geltenden Fassung <alte Fassung – aF>) erhoben wurde, nur bestimmte Einwände der Vertragsärzte (z.B. zur Arztgruppenzuordnung, Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des EBewA) berücksichtigt; alle Umstände, die wegen der Anerkennung von Praxisbesonderheiten zu einem höheren RLV führen können, hat sie demgegenüber – auf An-trag – in einem separaten Verwaltungsverfahren geprüft.
II. Die Ursachen für diese Vorgehensweise liegen einerseits in § 87b Abs. 5 SGB V aF sowie andererseits in § 6 Abs. 3 der Anlage 1 zum HV 2009. Nach § 87b Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB V aF obliegt die Zuweisung der RLV an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der RLV vergütet werden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise der Kassenärztlichen Vereinigung; die Zuweisung erfolgt erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV. Gemäß § 6 Abs. 3 der Anlage 1 zum HV 2009 können wegen im einzelnen aufgeführter arzt- bzw. praxisindividueller Umstände (z.B. urlaubs- oder krankheitsbedingte Vertretung, Praxisaufgabe in der näheren Umgebung) auf Antrag des Arztes und nach Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin Leistungen über das arzt-/praxisbezogene RLV hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Dass derartige Umstände bei der Ermittlung des RLV nur antragsabhängig Beachtung finden können, ist sachgerecht, weil sie der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) typischerweise nicht bekannt sind. Dies gilt gleichermaßen für nach § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V aF zwingend zu berücksichtigende Praxisbesonderheiten, auch wenn deren Einbeziehung in die Ermittlung des RLV der im Quartal I/09 geltende HV noch nicht ausdrücklich vorsah.
1. Diese Praxis der Beklagten begegnet gleichwohl rechtlichen Bedenken, weil die identische Regelung (Höhe des RLV eines Vertragsarztes in einem bestimmten Quartal) Gegenstand zweier Verwaltungs- bzw. Vorverfahren und sogar unterschiedlicher Rechtsstreite wurde, was zu divergierenden bestandskräftigen Festsetzungen zur Höhe des RLV führen könnte. Außerdem könnte die Frage, welcher Fachgruppe ein Vertragsarzt zuzuordnen ist, Voraussetzung für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten sein (da diese vor allem durch eine wesentliche Abweichung vom Leistungsverhalten der Fachgruppe gekennzeichnet sind), sodass bei einem Streit auch um die Arztgruppenzugehörigkeit vor der Bestandskraft des RLV-Zuweisungsbescheids wegen Vorgreiflichkeit nicht abschließend über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten entschieden werden dürfte. Werden daher die beiden Verwaltungsverfahren völlig unabhängig voneinander geführt, bleibt unbeachtet, dass es nicht um unterschiedliche Lebenssachverhalte geht, sondern nur um unterschiedliche Begründungen für ein und dieselbe Regelung.
Deshalb spricht einiges dafür, dass die Beklagte nicht hinsichtlich desselben Regelungsgegenstandes mehrere Widerspruchsverfahren durchführen, sondern im Hinblick auf § 86 SGG nur einen Widerspruchsbescheid erlassen darf, in dem sie auf die Einwände sowohl gegen den RLV-Zuweisungsbescheid als auch wegen nicht oder nur teilweise anerkannter Praxisbesonderheiten eingeht.
2. Über die Tragweite dieser Bedenken muss der Senat indes nicht abschließend befinden. Nähme man sie ernst, bedeutete dies für den hiesigen Rechtsstreit, dass die Beklagte im Zusammenhang mit dem ruhenden Widerspruchsverfahren (wegen des RLV-Zuweisungsbescheids vom 11. Dezember 2008) nicht erneut über das RLV des Klägers für das Quartal I/09 entscheiden dürfte. Denn nachdem die Widerspruchsstelle bereits mit dem Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2009 über diesen Streitgegenstand entschieden hatte, wäre sie zu einer erneuten Befassung hiermit nicht befugt (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2003 – B 11 AL 47/02 R –, juris; BSGE 75, 241). Da sich die Beklagte indes im Ergebnis dieses Urteils erneut mit dem RLV des Klägers im Quartal I/09 befassen muss (hierzu unter B.), wird sie die Einwände des Klägers aus dem ruhenden Widerspruchsverfahren in die erneute Entscheidung einbeziehen müssen, um divergierende Festsetzungen zum RLV des Quartals I/09 zu vermeiden.
3. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die gesetzliche Vorgabe, das RLV zur Gewährleistung von Kalkulationssicherheit (vgl. den Entwurf der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD für das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drs. 16/3100, S. 216) rechtzeitig vor Beginn eines Quartals dem Vertragsarzt zuzuweisen, mit der aus § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V aF und Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008 resultierenden Pflicht der KV, ihr bis dato in der Regel unbekannte und daher nur auf Antrag berücksichtigungsfähige Umstände als mögliche Praxisbesonderheiten einer Prüfung zu unterziehen und in Folge dessen ggf. ein höheres RLV festzusetzen, kollidiert. Insbesondere bezüglich des hier allein streitigen Quartals I/09 war es typischerweise ausgeschlossen, dass zum gesetzlich vorgegebenen Zeitpunkt der Zuweisung Praxisbesonderheiten der KV bereits mitgeteilt waren und von ihr auch geprüft und anerkannt werden konnten.
Angesichts dessen dürfte einiges dafür sprechen, § 6 Abs. 3 (und ebenso die mit Wirkung ab dem Quartal II/09 eingefügten Regelungen in § 5 Abs. 9) der Anlage 1 zum HV 2009 dahin auszulegen, dass die – zwingend vor Quartalsbeginn zu erfolgende – RLV-Zuweisung unter dem Vorbehalt einer späteren antragsabhängigen RLV-Erhöhung infolge der Anerkennung von Praxisbesonderheiten steht. Bei dieser Auslegung wäre gewährleistet, dass einerseits die RLV-Zuweisung rechtzeitig vor Quartalsbeginn erfolgen kann und andererseits Praxisbesonderheiten antragsabhängig geltend gemacht werden und zu einer RLV-Erhöhung noch für dieses Quartal führen können, ohne dass – etwa durch die Aufspaltung in zwei voneinander unabhängige Verwaltungsverfahren – geltendes Verwaltungsverfahrens- oder Prozessrecht verletzt wird.
Auf der Umsetzungsebene hätte dies zur Folge, dass alle RLV-Zuweisungsbescheide unter dem nicht ausdrücklich aufgenommenen Vorbehalt stehen, dass das darin festgesetzte RLV nur solange Wirkung entfaltet, bis infolge eines Antrags nach § 6 Abs. 3 (bzw. ab dem Quartal II/09 nach § 5 Abs. 9) der Anlage 1 zum HV 2009 ein höheres RLV festgesetzt wird. Ein solcher Vorbehalt wäre gemäß § 32 Abs. 1, 2. Alt. SGB X zulässig, da auf diese Weise eine RLV-Festsetzung unter Wahrung der o.g. kollidierenden normativen Vorgaben sichergestellt ist. Dieser Vorbehalt dürfte im Übrigen auch die Verwaltungspraxis der Beklagten widerspiegeln, da dem Senat – zumindest derzeit – kein Fall bekannt ist, in dem die Beklagte trotz anerkannter Praxisbesonderheiten und daraus resultierender RLV-Erhöhung das geringere RLV aus dem Zuweisungsbescheid der Honorarberechnung zugrunde gelegt hat. Hiermit übereinstimmend hat die Terminsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass sich die Beklagte nicht auf die Bestandskraft des ein niedrigeres RLV beinhaltenden Zuweisungsbescheids berufen werde.
B. Das angefochtene Urteil ist im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Der Kläger kann eine erneute Bescheidung seines Antrags auf Zuweisung eines höheren RLV unter Berücksichtigung möglicher Praxisbesonderheiten verlangen. Allerdings wird die Beklagte hierbei die Rechtsauffassung des Senats zu beachten haben, die in einigen wenigen Punkten von der des Sozialgerichts abweicht.
I. Gemäß § 153 Abs. 2 SGG verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts, soweit sie
- die Rechtsgrundlagen,
- die „für die Versorgung bedeutsame fachliche Spezialisierung“ i.S.v. Teil F Ziffer 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008,
- die Zulässigkeit der nur für das Quartal I/09 geltenden, auf die Fallwerte bezogenen Überschreitungsgrenze von 30 %,
- die uneingeschränkte gerichtliche Prüfungskompetenz im Hinblick auf Praxisbesonderheiten,
- die Mitwirkungsobliegenheiten des Vertragsarztes bei der Geltendmachung von Praxisbesonderheiten,
- die Ungeeignetheit des von der Beklagten vorgenommenen Fallzahlvergleichs zwischen den Quartalen III/02 bis II/03 und I/08,
- den Beurteilungsspielraum der Beklagten bei der Bestimmung der sich aus festgestellten Praxisbesonderheiten resultierenden Fallwerterhöhung sowie
- die Unbeachtlichkeit der verspäteten RLV-Zuweisung (hierzu auch: BSG, Urteil vom 15. August 2012 – B 6 KA 38/11 R –, juris)
betreffen.
II. Die streitgegenständlichen Bescheide sind aber auch aus weiteren Gründen rechtswidrig, zu denen sich das sozialgerichtliche Urteil nicht äußert.
1. So fehlt es für die Prüfung von Praxisbesonderheiten an der erforderlichen gesamtvertraglichen Regelung innerhalb des HV.
a. Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008 ermöglicht keine Prüfung von Praxisbesonderheiten im Einzelfall, sondern überlässt die diesbezüglichen Einzelheiten und das Verfahren den Gesamtvertragspartnern, die ausweislich des Wortlauts dieser Bestimmung („werden […] geregelt“, „einigen sich“) zwingend eine Regelung zu treffen haben. Eine entsprechende Regelung enthält der durch Beschluss des Landesschiedsamtes vom 21. November 2008 festgesetzte HV bezüglich des Quartals I/09 nicht. Die Auffassung der Beklagten, Teil 2 Nr. 1 des HV 2009, wonach die Vorgaben des Beschlusses des EBewA einzuhalten sind, stelle eine taugliche Rechtsgrundlage dar, teilt der Senat nicht. Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008 enthält gerade keine abschließende Regelung über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten, sondern nur einige der Voraussetzungen für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten, weist das Verfahren der Umsetzung jedoch den Gesamtvertragspartnern zu. Eine Regelung, die ihrerseits nur auf die Bestimmungen des EBewA verweist, genügt diesem Regelungsauftrag gerade nicht, zumal die Beklagte nach Teil 2 Nr. 4 des o.g. Beschlusses des Landesschiedsamtes bis zum 5. Dezember 2008 einen Vorschlag zu Praxisbesonderheiten erarbeiten und bis zum 15. Dezember 2008 mit den Vertragsparteien abstimmen musste. Das Landesschiedsamt hat damit ausdrücklich keine eigene Regelungen zu den Praxisbesonderheiten getroffen, sondern diese den Gesamtvertragspartnern im Nachgang in eigener Verantwortung übertragen. Diesem Auftrag sind die Gesamtvertragspartner für das Quartal I/2009 nicht nachgekommen (ebenso SG Berlin, Urteile vom 30. November 2011 – S 83 KA 159/10 und S 83 KA 199/10 –, juris).
b. Dass die Gesamtvertragsparteien in ihrem wechselseitigen Schriftverkehr ein Einvernehmen über eine Regelung zu Praxisbesonderheiten für das Quartal I/09 hergestellt haben, steht einer Regelung innerhalb des HV nicht gleich und ersetzt eine solche auch nicht. Es steht den Gesamtvertragsparteien nicht frei, Elemente der Honorarverteilung außerhalb des HV und ohne Publizierung zu vereinbaren. Denn es ist weder nach dem Vorbringen der Beklagten noch anderweitig ersichtlich, dass diese einvernehmlichen Regelungen – wie für Normen jeglicher Art unerlässlich (BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6 RKa 36/97 –, juris) – überhaupt veröffentlicht wurden. Nach § 13 ihrer Satzung erfolgen Bekanntmachungen der Beklagten im „Mitteilungsblatt der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin“, durch Rundschreiben oder – bei entsprechendem Hinweis im Mitteilungsblatt – auf ihrer Internetseite. Ohne Veröffentlichung kommt den normativ wirkenden Regelungen zu Praxisbesonderheiten im Verhältnis zwischen Vertragsarzt und Beklagter keine Verbindlichkeit zu.
c. Die Neuregelung des § 5 Abs. 9 HV in der am 31. März 2009 abgeschlossenen 1. Änderungsvereinbarung zum HV 2009 betrifft ausdrücklich nur den Zeitraum ab dem 1. April 2009 und nimmt zudem Bezug auf den ebenfalls erst ab dem 1. April 2009 geltenden Konvergenzbeschluss des EBewA vom 15. Januar 2009.
d. Ohne die zwingend erforderliche Regelung im HV ist eine Entscheidung über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten entgegen der Ansicht der Beklagten nicht möglich. So lässt der Beschluss des EBewA vom 27./28. August 2008 nicht nur offen, auf welche Fallwerte bezüglich der 30%-Grenze abzustellen ist (Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, EL 10/09, § 87b Rd. 53), sondern auch, in welchem Umfang das RLV infolge anerkannter Praxisbesonderheiten zu erhöhen ist. Dies sind Fragen, die zwingend einer abstrakten Regelung auf gesamtvertraglicher Ebene bedürfen (ebenso SG Berlin, Urteile vom 30. November 2011 – S 83 KA 159/10 und S 83 KA 199/10 –, juris). Zwar dürften die Gesamtvertragspartner grundsätzlich die Regelungsbefugnis teilweise auf den Vorstand der KV (weiter-)delegieren (vgl. BSG, Urteile vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R – und vom 3. März 1999 – B 6 KA 15/98 R –, juris). Ohne eine solche ausdrückliche Übertragung der Befugnisse fehlt es aber an einer ausreichenden Legitimationsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten.
e. Die Beklagte wird daher zunächst auf eine nachträgliche Vereinbarung zu den Praxisbesonderheiten auf gesamtvertraglicher Ebene hinzuwirken haben, um im Anschluss den Antrag des Klägers auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten auf dieser Grundlage neu bescheiden zu können.
2. Ohne gesamtvertragliche Regelungen zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten kann nicht davon ausgegangen werden, dass nur eine Spezialisierung, die sich in einem Anteil von mindestens 20 % des (angeforderten) Gesamtpunktzahlvolumens niederschlägt, eine Praxisbesonderheit begründen kann. Allerdings wurde dieser Grenzwert in der Rechtsprechung des BSG immer wieder aufgegriffen: So hat es zunächst diesen Wert herangezogen, um einen Versorgungsschwerpunkt zu kennzeichnen, der eine Ausnahme von der 1996/97 geltenden Teilbudgetierung erlaubt (BSG, Urteil vom 06. September 2000 – B 6 KA 40/99 R –, juris), in der Folgezeit aber auch verdeutlicht, dass dieser Grenzwert nicht unbesehen auf jede andere Form der Schwerpunktsetzung oder Spezialisierung übertragen werden darf (für Zusatzbudgets: BSG, Urteil vom 16. Mai 2001 – B 6 KA 53/00 R –, juris, Rd. 26). In jüngerer Zeit hat es einerseits im Zusammenhang mit Praxisbesonderheiten eine Überschreitung des Durchschnitts bzw. einen Anteil der Spezialleistungen am Gesamtpunktzahlvolumen von mindestens 20 % als überdurchschnittlich angesehen (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R –, juris), andererseits aber auch einen Anteil von 15 % des Gesamtleistungsbedarfs nicht beanstandet (BSG, Beschluss vom 28. August 2013 – B 6 KA 24/13 B –, juris). Die Beklagte darf daher im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit einen anderen Grenzwert festsetzen oder einen grundsätzlich anderen Maßstab zur Quantifizierung von Praxisbesonderheiten heranziehen (ebenso SG Berlin, Urteile vom 30. November 2011 – S 83 KA 159/10 und S 83 KA 199/10 –, juris).
3. Ferner hat die Beklagte die dem Fallwertvergleich zugrunde zu legenden Fallwerte auf fehlerhafter Grundlage berechnet, indem sie von den budgetierten Leistungen bzw. der Vergütung nach Budgetierung ausgegangen ist.
Welche Fallwerte dem Vergleich mit der Fachgruppe zu Grunde zu legen sind, ist mangels ausreichender Präzisierung im Beschluss des EBewA vom 27./28. August 2008 auf gesamtvertraglicher Ebene zu konkretisieren (Engelhard a.a.O.). Insbesondere besteht die Möglichkeit, entweder sämtliche Leistungen zu Grunde zu legen oder aber nur die RLV-relevanten Leistungen (Engelhard, a.a.O.). Weil der Umfang des Behandlungsbedarfs je Behandlungsfall im Vergleich zur Fachgruppe zu ermitteln ist, sind jedoch sowohl auf Seiten des zu beurteilenden Arztes als auch auf Seiten der Fachgruppe die unbudgetierten Fallwerte zu Grunde zu legen, d.h. die Fallwerte der abgerechneten Leistungen vor der RLV-Abstaffelung bzw. (für die Zeit vor dem 1. Januar 2009) vor der Individualbudgetierung. Legte man den individuellen Auszahlungspunktwert (Punktwert des Arztes nach der Anwendung mengenbegrenzender Regelungen) zugrunde, hätte dies z.B. zur Folge, dass bei gleichem prozentualen Anteil spezialisierter Leistungen ein Vertragsarzt, der bei geringer Fallzahl das IB nicht ausgeschöpft hat, einen deutlich höheren Fallwert hätte als ein Arzt derselben Fachgruppe mit hoher Fallzahl und deutlicher Überschreitung seines Individualbudgets. Allein die hohe Fallzahl des Letzteren im Bemessungsquartal würde nach Berücksichtigung der Mengenbegrenzung durch das IB bei identischem Leistungsspektrum und identischem unbudgetierten Fallwert zu einem erheblich geringeren Fallwert nach der Mengenbegrenzung und somit zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen im Hinblick auf die Anerkennung von Praxisbesonderheiten führen. Es ist daher bei dem Vergleich eines Vertragsarztes mit seiner Fachgruppe ein identischer Punktwert (z.B. der IB-Zielpunktwert von 4,15 Cent) zu Grunde zu legen; alternativ kann auch die durchschnittliche Fallpunktzahl des Arztes und seiner Fachgruppe verglichen werden (SG Berlin, Urteile vom 30. November 2011 – S 83 KA 159/10 und S 83 KA 199/10 –, juris).
III. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren überzeugt nicht. Da sie im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Klageverfahren verweist und das Sozialgericht sich überzeugend mit diesem Vorbringen auseinandergesetzt hat – hierauf sei verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG) –, erübrigen sich weitere umfangreiche Ausführungen des Senats.
Ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung wäre nur dann zu verneinen, wenn es einer Änderung des HV mit dem Ziel, ihn um Regelungen zu Praxisbesonderheiten zu ergänzen, deshalb nicht bedürfte, weil die Anerkennung von Praxisbesonderheiten unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen wäre. Dies ist allerdings nicht der Fall.
Die vom Kläger geltend gemachte Spezialisierung schließt eine Praxisbesonderheit nicht aus. Allerdings merkt die Beklagte zu Recht an, dass die überdurchschnittliche Erbringung von Leistungen nach den GOP 16230, 16232 und 16233 EBM für sich genommen keine Spezialisierung darstellen kann, weil es sich, isoliert betrachtet, um fachgruppentypische Leistungen handelt. Nimmt man hingegen in den Blick, dass der Kläger offensichtlich im Jahre 2008 insgesamt nur 15 verschiedene RLV-relevante GOP abgerechnet – und sich somit auf ein enges Leistungsspektrum konzentriert – hat und allein auf die (arztgruppenübergreifenden) Leistungen nach den GOP 30724, 30731 und 30760 nahezu ein Drittel der Leistungsanforderungen je Quartal entfiel, spricht einiges dafür, dass die fachgruppentypischen Pauschalen für Mitbetreuung und Diagnostik (GOP 16230, 16232 und 16233 EBM), die einen noch etwas höheren Leistungsanteil ausmachen, die gleiche Gruppe von Versicherten, insbesondere die vom Kläger ins Feld geführten Schmerzpatienten, betreffen und in deren Behandlung eine Praxisbesonderheit liegen kann.
IV. Aber auch das Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine Änderung des sozialgerichtlichen Urteils zu seinen Gunsten. Die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts, auf die der Senat verweist (§ 153 Abs. 2 SGG), beantworten nahezu sämtliche Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren.
Nur ergänzend ist daher darauf hinzuweisen, dass ein Härtefall und die Wachstumsmöglichkeiten unterdurchschnittlich abrechnender Praxen regelmäßig ausschließlich im Zusammenhang mit dem Honorarbescheid geprüft werden können. Beide Prüfungen setzen stets die Kenntnis des gesamten einem Vertragsarzt für ein Quartal zustehenden Honorars voraus; für die Wachstumsmöglichkeit muss darüber hinaus der das abgerechnete Quartal betreffende Fachgruppendurchschnitt ermittelt worden sein.
V. Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass am Ende der von der Beklagten durchzuführenden Prüfung auf Praxisbesonderheiten nicht zwangsläufig eine Erhöhung des klägerischen RLV für das Quartal I/09 stehen muss. Denn das Sozialgericht und der Senat beanstanden nahezu ausschließlich methodische Fehler der Beklagten im Rahmen der bisherigen Prüfung. Ein methodisch korrektes Vorgehen muss nicht automatisch ein anderes, dem Kläger günstigeres Ergebnis zur Folge haben.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht zu erstatten, weil sie keinen Antrag gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen haben.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.