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Bedarfsgemeinschaft - nichteheliche Lebensgemeinschaft - Hausbesuch - eidesstattliche Versicherung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 31. Senat Entscheidungsdatum 29.12.2017
Aktenzeichen L 31 AS 2248/17 B ER ECLI ECLI:DE:LSGBEBB:2017:1229.L31AS2248.17B.ER.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 7 SGB 2

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. September 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin entschieden, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen hat. Denn er hat einen solchen Anspruch weder glaubhaft gemacht (§ 86 b Abs. 2 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO) noch hat er Anspruch auf die Bewilligung dieser Leistungen im Rahmen einer Folgenabwägung. Denn die Verpflichtung der Behörde auf der Basis einer reinen Folgenabwägung ist dann nicht zulässig, wenn der Anspruchsteller nicht ausreichend an der Sachverhaltsaufklärung mitgewirkt hat (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 01.02.2010, 1 BvR 20/10; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, § 86 b, Rdnr. 2 a).

Nach Lage der Akten ist derzeit nicht feststellbar, dass der Antragsteller hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) ist. Entscheidend für diese Frage ist, ob der Antragsteller mit der Zeugin Seine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II bildet. Wäre dies der Fall, läge Bedürftigkeit nicht vor. Der Bedarf einer solchen Bedarfsgemeinschaft setzte sich zusammen aus dem Regelbedarf für Partner einer Bedarfsgemeinschaft (2 x 368,00 €) zuzüglich der Kosten der Unterkunft. Die Kosten der Unterkunft betragen 385,45 €. Hinzu kommen die Abschläge für die monatlichen Gaslieferungen von 75,00 €. Damit ergäbe sich ein Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft i. H. v. 1196,45 €. Nach den vorliegenden Unterlagen erhält die Zeugin S ein Nettoentgelt aus ihrem Arbeitsverhältnis von knapp 1500,00 € (z. B. im Monat Mai 2017 1459,84 €; 1465,40 € im Juni 2017). Damit steht fest, dass bei Annahme einer Bedarfsgemeinschaft der Bedarf durch die Einkünfte der Zeugin S gedeckt ist und keine Ansprüche des Antragstellers gegen den Antragsgegner bestehen würden.

Nach Lage der Akten spricht allerdings mehr dafür als dagegen, dass eine Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers mit der Zeugin S besteht. So führten die Zeugin und der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erhebung der einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Berlin noch ein gemeinsames Konto. Sie wohnen auch bereits seit Jahren zusammen in einer knapp 50 m² großen Wohnung und bestreiten auch nicht, dass sie in der Vergangenheit eine nichteheliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II dargestellt haben.

Allerdings macht der Antragsteller geltend, dass eine solche Lebensgemeinschaft spätestens seit 2014 nicht mehr bestehe, da er im Sommer 2014 eine Affäre mit Frau S T gehabt habe. Danach habe er mit der Zeugin S nur noch in einer Wohngemeinschaft zusammen gelebt, auch wenn es nicht zu einer dauerhaften Beziehung zu Frau T gekommen sei. Diese Ausführungen zu einer Affäre im Jahre 2014 belegen entgegen der Auffassung des Antragstellers keineswegs, dass er nicht mehr mit der Zeugin S in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.

So hat der Antragsgegner bereits im Schreiben vom 2. August 2017 an den Antragsteller darauf hingewiesen, dass es nicht gegen das Grundgesetz verstoße, wenn die Partner einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft sich im Rahmen des SGB II wie Ehegatten behandeln lassen müssten. Ziel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ( z.B, Urteil vom 17. 11. 1992,1 BvL 8/87) sei es, diejenigen Personen, die, obwohl sie miteinander nicht verheiratet seien, wie Ehepaare zusammenleben und zwischen denen die Ehe grundsätzlich möglich sei, genauso zu stellen, wie ein rechtmäßig getrautes Ehepaar, das in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft lebt. Die Ähnlichkeit mit der Ehe erstrecke sich insoweit aber entscheidend auf die wirtschaftliche Seite der gemeinsamen Lebensführung. Diese Ausführungen sind auch aus der Sicht des Senats zutreffend, so dass es nicht vorrangig darauf ankommt, in welchem emotional persönlichen Verhältnis der Antragsteller zur Zeugin S noch steht. Vor diesem Hintergrund ist auch die Affäre mit Frau T allenfalls nebensächlich von Bedeutung, nämlich insofern, als eine Affäre durchaus zur Aufkündigung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft führen kann. Dieses muss sie aber keineswegs. So dürfte es allgemein bekannt sein, dass sowohl in Ehen als auch in nichtehelichen Lebensgemeinschaften unterschiedliche Lebensentwürfe auch im Hinblick auf die partnerschaftliche Treue gelebt werden. So mag es auf der einen Seite Ehen geben, die von vornherein im Hinblick auf die eheliche Treue freizügig geführt werden, als auch solche Lebensgemeinschaften geben, die einem Partner oder einer Partnerin einen einmaligen Fehltritt auch verzeihen. Für die hier entscheidungserhebliche Frage einer Bedarfsgemeinschaft im wirtschaftlichen Sinne lässt sich aus diesen Umständen also allenfalls Nebensächliches ableiten.

Soweit der Antragsteller nach mehrfachen Hinweisen des Gerichts die bereits vom Sozialgericht gestellten ausführlichen Fragen mit Schreiben vom 25. November 2017 beantwortet hat, spricht ebenfalls mehr für eine Bedarfsgemeinschaft als dagegen. So führt der Antragsteller im Schreiben vom 23. November 2017 aus, dass die Wohnung aus einem kleinen Zimmer von ca. 13 m² und einem großen Zimmer von ca. 17 m² bestehe. In dem kleinen Zimmer sind danach beide Kleiderschränke untergebracht. Einen dieser Kleiderschränke nutze Frau S, den anderen der Antragsteller. Es erscheint aber für eine Wohngemeinschaft ausgesprochen ungewöhnlich, wenn der Partner mit dem schon kleineren Zimmer auch noch mit der Aufstellung beider Kleiderschränke in diesem kleinen Raum belastet wird, obwohl ein gemeinschaftliches Zusammenleben nicht stattfinden soll. Genauso erstaunlich ist es bei den eingeschränkten Wohnverhältnissen, dass im anderen Zimmer noch ein Doppelbett aufgestellt ist, obwohl der Platz in einer Zweizimmerwohnung von nur 46 m² besser genutzt werden kann, als durch die Aufstellung eines überflüssigen Doppelbettes. Bereits diese Erwägungen sprechen dafür, dass vorliegend doch ein gemeinsames Leben im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft stattfindet.

Auch der Umstand, dass mittlerweile kein gemeinsames Konto mehr geführt wird, spricht nicht eindeutig für das Nichtvorliegen einer Bedarfsgemeinschaft. Denn hier ist zu berücksichtigen, dass das gemeinsame Konto erst aufgelöst wurde, nachdem man im Sozialgerichtsverfahren festgestellt hat, dass ein solches gemeinsames Konto gegen eine Wohngemeinschaft und für eine Bedarfsgemeinschaft spricht. Denn wer räumt schon Menschen, mit denen er nicht gemeinsam wirtschaftet, den Zugriff auf das eigene Konto ein.

Soweit der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung der Zeugin S vorgelegt hat, dass diese nicht bereit und willens sei, für den Unterhalt des Antragstellers aufzukommen, spricht auch dies nicht gegen das tatsächliche, objektive Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Soweit als Empfänger der Antragsgegner angegeben ist, handelt es sich ohnehin nicht um eine eidesstattliche Versicherung im Rechtssinne, da es an den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 SGB X fehlt. Soweit angenommen werden könnte, die eidesstattliche Versicherung sei an das Gericht gerichtet, so dass § 23 SGB X nicht einschlägig sei, gilt das Folgende: Es wird sowohl in der Ehe als auch in festen nichtehelichen Lebensgemeinschaften zu Situationen kommen, in denen der eine oder andere Partner subjektiv keineswegs bereit ist, für die finanziellen Notwendigkeiten des jeweils anderen aufzukommen. Dieser Umstand an sich besagt aber gar nichts. Entscheidend ist, ob im Rahmen der Verantwortungsgemeinschaft tatsächlich ein Einstehen auch in finanzieller Hinsicht vorliegt. Der Wille, nicht zahlen zu wollen, bleibt bedeutungslos.

Danach spricht aus der Sicht des Senats vieles für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft, so dass Ansprüche des Antragstellers gerade nicht glaubhaft gemacht sind. Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich bei vollständiger Aufklärung des Sachverhalts durchaus noch das Gegenteil, nämlich das Bestehen einer bloßen Wohngemeinschaft, ergeben kann. In diesem Zusammenhang ist der Antragsteller vom Gericht mehrfach darauf hingewiesen worden, dass für Klarheit ein Hausbesuch sorgen könnte. Allerdings hat der Antragsteller einen Hausbesuch schon im Verwaltungsverfahren abgelehnt.

Im Gerichtsverfahren hat der Antragsteller weiter den mit Richterbrief vom 5. Dezember 2017 für notwendig gehaltenen Hausbesuch abgelehnt. Sowohl beim unangemeldeten Hausbesuch am 8. Dezember 2017 wie auch zum angekündigten Hausbesuch am 15. Dezember 2017 hat der Antragsteller sich geweigert, die Mitarbeiter des Antragsgegners die Wohnung besichtigen zu lassen. Der Umstand, dass der Antragsteller seinen Ärger gegen die Haltung des Antragsgegners und des Gerichts ausgedrückt hat, ändert nichts daran, dass ohne einen Hausbesuch ein wesentlicher Teil der Sachverhaltsaufklärung fehlt.

Zwar ist dem Antragsteller zuzugeben, dass er nicht gezwungen werden kann, die Wohnung für die Mitarbeiter des Antragsgegners oder für einen gerichtlichen Augenschein zu öffnen. Da ihm dieses Recht ohne weiteres zusteht und vom Antragsgegner und vom Gericht auch beachtet, liegt keine Verletzung des Artikels 13 Grundgesetz (GG) vor. Der Antragsteller verkennt allerdings die Folgen seiner Entscheidung. Auch wenn er nicht gezwungen ist, einen Hausbesuch zu dulden, so steht es auf der anderen Seite dem Antragsgegner und dem Gericht frei, daraus dem Antragsteller negative Schlussfolgerungen zu ziehen. Denn der Antragsteller trägt die Feststellungslast für den von ihm behaupteten Anspruch. Lässt sich dieser nicht feststellen, ist die Anspruchsablehnung durch Bescheid die zwingende Rechtsfolge.

Nur abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass der Antragsteller keinen Hausbesuch dulden muss, keineswegs dazu führt, dass hieraus rechtlich für ihn keine negativen Schlussfolgerungen zu ziehen seien. Das Sozialrecht kennt anders als z. B. das Strafrecht keinen Grundsatz wie „in dubio pro reo“ oder den weiteren ebenfalls strafrechtlichen Grundsatz, dass aus dem Schweigen des Angeklagten nichts Negatives gefolgert werden darf. Das Sozialrecht ist geprägt von der objektiven Feststellungslast zu Lasten des Antragstellers.

Aus diesen Gründen war vorliegend auch keine Folgenabwägung anzustellen, die im Hinblick auf existenzsichernde Leistungen in aller Regel zu Gunsten der Antragsteller vor dem Hintergrund der Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums ausgeht. Eine solche Folgenabwägung setzt allerdings voraus, dass seitens des Antragstellers alles getan worden ist, um seinerseits an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dies hat der Antragsteller vorliegend nicht getan, weil er einen Hausbesuch mit den in der Folge zu treffenden Feststellungen verweigert. In diesen Fällen ist es rechtlich nicht geboten, den Antragsgegner, der die Feststellungslast für den Anspruch gerade nicht trägt, mit den negativen Folgen einer Abwägungsentscheidung zu belasten (s.o.).

Die Beschwerde musste daher erfolglos bleiben.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).