Gericht | FG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 12.12.2012 | |
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Aktenzeichen | 12 K 12280/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung für die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) für das Jahr 2007 (Streitjahr).
Der Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Verwaltung von Grundstücken. Im Streitjahr erzielte die Klägerin aus der Grundstücksverwaltung Erlöse i. H. v. 141.058,69 €. Zudem erwirtschaftete sie sonstige Erlöse von 18,67 €, Zinserträge i. H. v. 428,18 € sowie weitere Zinsen i. H. v. 2.486,46 €, die mit Finanzierungsvorgängen im Zusammenhang standen, die über sogenannte Swap-Geschäfte abgesichert waren.
Im Rahmen der für das Streitjahr eingereichten Gewerbesteuererklärung machte die Klägerin einen erweiterten Kürzungsbetrag i. H. v. 420.808 € geltend. Nach den Angaben der Klägerin sei der Kürzungsbetrag ausschließlich aus der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes in der B…-Allee in C… entstanden; weitere Tätigkeiten seien nicht ausgeübt worden. Der Beklagte erließ daraufhin erklärungsgemäße Bescheide.
Im Jahre 2010 führte der Beklagte bei der Klägerin eine die Jahre 2006 und 2007 umfassende Betriebsprüfung durch. Die Prüfungsfeststellungen fasste die Prüferin im Betriebsprüfungsbericht (BP-Bericht) vom 14. Oktober 2010 zusammen. U. a. versagte die Prüferin die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für Grundstücksunternehmen (Textziffer 22 des BP-Berichts):
Voraussetzung der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sei, dass das die Kürzung begehrende Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalte und nutze. Die Ausschließlichkeit der Verwaltung eigenen Grundbesitzes bedeute, dass es notwenig sei, dem Unternehmen für den gesamten Erhebungszeitraum (§ 14 GewStG) den Charakter eines Grundstücksunternehmens zusprechen zu können. Das sei hier nicht der Fall, da nur in dem Zeitraum vom 01. Mai 2006 bis zum 12. Juli 2007 eigener Grundbesitz zum Betriebsvermögen der Klägerin gehört habe, so die Prüferin. Der im Streitjahr geltend gemachte Kürzungsbetrag von 420.808 € könne daher nicht berücksichtigt werden.
Der Beklagte folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ am 17. Februar 2011 für das Streitjahr entsprechend geänderte Bescheide. Hiergegen führte die Klägerin erfolglose Einspruchsverfahren (verbundene Einspruchsentscheidung vom 29. August 2011), so dass sie am 27. September 2011 Klage erhoben hat.
Soweit die Klage sich zunächst auch gegen die Bescheide über Gewerbesteuer 2007 und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2007 gerichtet hat, ist sie in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen und das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt worden.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin das Folgende vor:
Die Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht seien – wie der Beklagte mittlerweile selbst einräume – nicht korrekt. Das von ihr, der Klägerin, verwaltete Grundstück sei nicht bereits am 12. Juli 2007 aus ihrem Betriebsvermögen ausgeschieden. Bei diesem Datum handele es sich lediglich um das des Abschlusses des notariellen Vertrags. Der Übergang des Grundstücks sei dann erst zum 30. November 2007 erfolgt; das Grundstück habe also vom 01. Januar bis 30. November 2007 zu ihrem, der Klägerin, Betriebsvermögen gehört.
Im Übrigen habe sie, die Klägerin, die Absicht gehabt, nicht nur ein Grundstück zu verwalten, sondern noch weitere Grundstücke zu erwerben, um mit diesen dauerhafte Erträge zu erzielen. Zu diesem Zweck habe sie in den Jahren 2006 bis 2008 ständig im Kontakt mit Grundstücksmaklern gestanden.
Hinzu trete, dass im Streitjahr ausschließlich die Grundstücksverwaltung betrieben worden sei; es sei keine schädliche Tätigkeit ausgeübt worden, auch nicht nach der Veräußerung des einzigen Grundstücks. Da sich das Grundstück immerhin elf von zwölf Monaten des Streitjahrs in ihrem, der Klägerin, Betriebsvermögen befunden habe, müsste die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gewährt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Gewerbesteuermessbescheid für 2007 vom 17. Februar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. August 2011 dahingehend zu ändern, dass die erweiterte Kürzung i. H. v. 420.808 € gewährt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er begründet dies wie folgt:
Unstrittig sei, dass das Grundstück in der B…-Allee nur bis zum 30. November 2007 zum Betriebsvermögen der Klägerin gehört habe. Nach dem Abgang dieses Grundstücks habe die Klägerin keine grundstücksverwaltende Tätigkeit mehr ausgeübt, sondern sich auf die Verwaltung ihres Kapitalvermögens beschränkt. Die von der Klägerin im Streitjahr ausgeübte Haupttätigkeit habe somit nicht durchgängig in der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bestanden. Dass die Klägerin sich auch nach der Veräußerung des Grundstücks um den Erwerb neuer Grundstücke bemüht habe, ändere daran nichts.
I. Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung [FGO]).
Der Beklagte hat zu Recht die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG versagt.
1. Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, an Stelle der Kürzung gemäß Satz 1 der Vorschrift (= 1,2 v. H. des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Begünstigt sind nur die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes (Vermögensverwaltung). Zweck dieser erweiterten Kürzung ist es, die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes der kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften von der Gewerbesteuer aus Gründen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur Grundstücksverwaltung betreiben (dazu grundlegend Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 18. April 2000 VIII R 68/98, Bundessteuerblatt [BStBl] II 2001, 359, m. w. N.).
Der Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung ist jedoch insoweit eingeschränkt, als ein Steuerpflichtiger die begünstigte Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes „ausschließlich“ ausüben muss bzw. daneben nur die Verwaltung eigenen Kapitalvermögens bzw. die Errichtung und Veräußerung bestimmter Wohngebäude (§ 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG) betreiben darf.
Das Kriterium der Ausschließlichkeit gilt auch in zeitlicher Hinsicht. Der Steuerpflichtige muss während des gesamten Erhebungszeitraums i. S. des § 14 Satz 2 GewStG, also während des gesamten Kalenderjahrs, die Grundstücksverwaltung als Haupttätigkeit ausüben. Zwar ist es nicht erforderlich, dass die Grundstücksverwaltung während des gesamten Erhebungszeitraums bestanden haben muss. Sie kann auch vorzeitig enden. Aber solange das Unternehmen während des Erhebungszeitraums überhaupt tätig ist, muss seine Haupttätigkeit in der schlichten Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes durchgängig bestehen, um begünstigt zu sein (BFH-Urteile vom 29. März 1973 I R 199/72, BStBl II 1973, 563; vom 08. Juni 1978 I R 68/75, BStBl II 1978, 505; vom 20. Januar 1982 I R 201/78, BStBl II 1982, 477). Dies ist nicht der Fall, wenn die grundstücksverwaltende Tätigkeit mit der Übergabe des einzigen Grundstücks endet und die Tätigkeit des Unternehmens sich danach nur noch auf die Verwaltung des eigenen Kapitalvermögens beschränkt. Denn dann wird nicht ausschließlich eigener Grundbesitz verwaltet oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt, sondern die Verwaltung und Nutzung des Kapitalvermögens findet nicht neben derjenigen des Grundbesitzes, sondern zeitlich danach statt. Die vom Unternehmen während des Erhebungszeitraums entfaltete Haupttätigkeit besteht dann nicht durchgängig in der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes (BFH-Urteile vom 20. Januar 1982 I R 201/78, BStBl II 1982, 477; vom 19. Oktober 2010 I R 1/10, Sammlung der Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 2011, 841; Gosch in Blümich, Einkommensteuergesetz [EStG]/Körperschaft-steuergesetz [KStG]/GewStG, § 9 GewStG Rn. 76).
2. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen gilt hier das Folgende:
Die Klägerin hat lediglich in den ersten elf Monaten des Streitjahrs die Grundstücksverwaltung als Haupttätigkeit ausgeübt. Nach der Veräußerung des einzigen Grundstücks hat sie nur noch ihr Kapitalvermögen verwaltet und keine weitere Tätigkeit ausgeübt. Die Verwaltung des Kapitalvermögens wurde damit im Dezember 2007 zur Haupttätigkeit der Klägerin, mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht während des gesamten Streitjahrs erfüllt wurden.
Daran ändert auch der Vortrag der Klägerin nichts, sie habe sich nach der Veräußerung des einzigen Grundstücks um den Erwerb eines neuen Grundstücks bemüht. Denn maßgeblich ist nicht, ob der Steuerpflichtige anstrebt, in Zukunft weiterhin grundstücksverwaltend tätig zu werden, sondern ob er diese Tätigkeit als Haupttätigkeit während des gesamten Kalenderjahrs ausübt. Dies war hier im Streitjahr nicht der Fall. Ebenso unstrittig ist, dass die Klägerin während des ganzen Streitjahrs ihr Kapitalvermögen verwaltet hat, diese Tätigkeit also im Dezember 2007 nicht nur – und damit unschädlich – neben der Grundstücksverwaltung stattfand, sondern zeitlich danach.
Entgegen der Auffassung der Klägerin steht auch eine in zeitlicher Hinsicht nur geringfügige andere Haupttätigkeit der erweiterten Kürzung entgegen. Indem § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG die Ausschließlichkeit der begünstigten sowie der im Einzelnen aufgeführten nicht begünstigten, aber erlaubten Tätigkeiten verlangt, belässt die Vorschrift insofern keine Auslegungsspielräume. Ausschlaggebend ist, dass das Gesetz die Begünstigung von engen tatbestandlichen Erfordernissen abhängig macht. Ausnahmen wegen Geringfügigkeit sind auch nicht aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) geboten. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich - insbesondere bei Begünstigungsnormen - darin frei, tatbestandliche Voraussetzungen und Erfordernisse zu normieren, die erfüllt sein müssen, um in den Genuss einer steuerlichen Vergünstigung zu gelangen. Er kann daher den Regelungszweck der rechtsformunabhängigen Freistellung der grundbesitzverwaltenden Tätigkeit auf solche Steuersubjekte beschränken, die ihre Geschäftstätigkeit auf diesen Bereich konzentrieren (BFH-Urteile vom 17. Mai 2006 VIII R 39/05, BStBl II 2006, 659; vom 19. Oktober 2010 I R 67/09, BStBl II 2011, 367; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Dezember 2011 6 K 6181/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 959; Gosch in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 GewStG Rn. 69, 72).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Es ist klärungsbedürftig, ob das nachweisbare Bestreben, nach der Veräußerung des einzigen Grundstücks ein neues Grundstück zu erwerben, um dieses anschließend zu verwalten, das in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG normierte Tatbestandmerkmal der Ausschließlichkeit erfüllt.