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Entscheidung 6 W 148/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 28.01.2014
Aktenzeichen 6 W 148/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 11.07.2013 - 12 O 160/13 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.

Gründe

I.

Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von Mietzins von monatlich 200 € für den Zeitraum Januar 2012 bis einschließlich August 2012, gesamt 1.600 €.

Mit Vertrag vom 16.9.2010 vermietete die Klägerin an die Beklagte eine in dem Objekt A…, dort in Halle B 6 gelegene Fläche von ca. 90 qm zu einem monatlichen Mietzins von 200 €. Ausweislich des Mietvertrages erfolgt die Verwaltung des Objekts durch „H. K…“.

Die Mietfläche ist an drei Seiten von festen Wänden umschlossen, zum Hallenbereich hin ist die Fläche mittels eines Metallgitters abgegrenzt.

Die Beklagte ist Künstlerin (Malerin) und lagerte in dem Mietobjekt Kunstwerke (Bilder).

Weitere Mieterin der Klägerin ist die I… GmbH, deren in der Nachbarhalle B 5 A gelegene Mieträume mit einer Wand an die Mieträume der Beklagten angrenzen.

Die I… GmbH führte im März 2012 in Halle B 5 A Reinigungsarbeiten durch und reinigte die Hallenwände mit Trockeneis; sie nahm ferner Sandstrahlarbeiten vor.

Mit Mail vom 15.04.2012, gerichtet an I… K… (Anlage K 5), schrieb die Beklagte:

„... da ich sehr unzufrieden mit dem angemieteten Raum bin, teile ich ihnen hiermit mit, den Raum zu kündigen. ... es ist mir nicht möglich mit der Unsauberkeit anderer Mieter klar zu kommen...“

Mit weiterer Mail vom 28.04.2012 schrieb die Beklagte erneut an I… K… (Anlage K 4): „ ... mein ganzes Jahr 2011 ist mir gestohlen, auch der Einbruch und die Sandbestrahlung geben mir den Rest - hiermit kündige ich den angemieteten Raum !“

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.600 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus jeweils 200 € seit dem 06.01.2012, 06.02.2012, 06.03.2012, 06.04.2012, 06.05. 2012, 06.06. 2012, 06.07.2012 und 06.08.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat unter der Voraussetzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe angekündigt, beantragen zu wollen

1. die Klage abzuweisen,

2. im Wege der Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 38.400 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2012 zu zahlen.

Die Beklagte behauptet, durch die Sandstrahlarbeiten der I… GmbH seien, da die Wand zwischen ihrem Mietobjekt und demjenigen der I… GmbH löchrig und undicht gewesen sei, Staub und Reinigungsrückstände in ihren Mietraum eingedrungen und hätten sich in einer ca. 2 cm dicken Staubschicht - wie feiner Pulverschnee - auf ihre Kunstwerke gelegt (Beweis: Zeugnis des B… B…).

Davon habe sie erst Mitte April 2012 erfahren, als sie ihren Lagerraum aufgesucht habe.

Unmittelbar nach Beginn der Sandstrahlarbeiten habe ein weiterer Mieter, der Glaser C… S…, Staubbeeinträchtigungen erlitten (Beweis: Zeugnis des C… S…) und sich bei der I… GmbH beschwert, worauf hin diese eine Überprüfung der entsprechenden Wand vorgenommen und dort sodann Abdichtungsarbeiten durchgeführt habe. Darauf hin sei der durch Reinigungsarbeiten aufgewirbelte Staub nicht mehr in die angrenzenden Mietobjekte gezogen (Beweis: Zeugnis des H… C…).

Vor Beginn ihrer Arbeiten seien der I… GmbH die Wandritzen und - öffnungen wegen dort befestigter, zum Raum hin offener Stahlregale verborgen gewesen (Beweis: Zeugnis des H… C…).

Die Beklagte behauptet ferner, die weiße Pulverschicht auf den Kunstwerken habe eine dunkelbraune bis schwärzliche Verfärbung bewirkt. Durch diese erheblichen Beschädigungen, die durch Reinigung fast nicht zu beseitigen seien, habe sie, die Beklagte, einen erheblichen Schaden erlitten. Dieser sei angesichts des Wertes ihrer Kunstwerke mit 40.000 € zu bemessen (Beweis: Sachverständigengutachten).

In Höhe der Klageforderung werde die Aufrechnung erklärt.

Das Landgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 11.07.2013 den Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, angesichts der Beschaffenheit ihrer Mieträume habe die Beklagte nicht davon ausgehen können, das Mietobjekt frei von Immissionen nutzen zu können. Die Halle werde noch von anderen Mietern genutzt, so dass Staubablagerungen durch das Metallgitter in den von der Beklagten gemieteten Hallenteil eindringen konnten. Zudem habe die Beklagte den Schadensersatzanspruch der Höhe nach nicht substantiiert dargelegt.

Gegen diesen ihr am 23.07.2013 zugestellten Beschluss richtet sich die am 03.08.2013 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten.

Mit der Beschwerde macht die Beklagte unter Vorlage einer Skizze geltend, in der Halle B 6 teile sie sich lediglich mit den Mietern K… und S… Mietflächen. Von diesen Mietern seien keinerlei Beeinträchtigungen ausgegangen. Nur zu diesen Mietern bestünde ein offener Zugang, nicht jedoch zu den Räumen der I… GmbH. Als Schadensursache komme allein die undichte Wand zur Nachbarhalle B 5 A in Verbindung mit den Reinigungsarbeiten der I…GmbH in Betracht.

Es sei ein Schaden an 36 Kunstwerken aufgetreten, wie aus den nunmehr vorgelegten Anlagen WK 10 und 11 im Einzelnen hervorgehe. Die Wertangaben der Kunstwerke entsprächen dem Marktwert.

Die Klägerin stellt in Abrede, dass die nunmehr im Einzelnen benannten Kunstwerke in den Mieträumen gelagert waren, die Wände zur Nachbarhalle schadhaft waren und der Schaden durch Arbeiten der Nachbarmieterin I… GmbH eingetreten sei. Der Vortrag der Beklagten zum Wert der Kunstwerke bzw. zur Höhe der Beschädigungen sei weiter unsubstantiiert. Zudem habe die Beklagte ihre Bilder offensichtlich ohne jede Abdeckung gelagert. Das sich Absetzen von Staub sei daher ein natürlicher Vorgang und nicht auf einen Mangel des Mietobjektes zurückzuführen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Auf die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten (§§ 127 Abs. 2 S. 2 u. 3, 567 Abs. 1 Ziff. 1, 569 ZPO) ist die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Das Landgericht war gehalten, die Beklagte auf ihren unzureichenden Vortrag zur Höhe ihrer Schadensersatzforderungen hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu weiterem Vortrag nach entsprechenden rechtlichen Hinweisen zu geben. Der vorliegende Fall zeichnet sich durch besondere rechtliche Schwierigkeiten betreffend die Bemessung der Schadenshöhe aus.

Der Prozesskostenhilfeantrag vom 09.03.2013 dürfte so auszulegen sein, dass die Beklagte insgesamt Prozesskostenhilfe im vorliegenden Rechtsstreit begehrt.

1.

Ohne Erfolg ist allerdings die Rechtsverteidigung gegen die Klageforderung, wobei dahin stehen kann, inwieweit in der Erklärung der Beklagten im Klageerwiderungsschriftsatz eine unbedingte Aufrechnung, verbunden mit einem Anerkenntnis der Klageforderung liegen könnte.

Die Beklagte kann sich gegen die Klageforderung nicht mit der im April 2012 erklärten fristlosen Kündigung, wonach allenfalls Mietrückstände von Januar 2012 bis einschließlich April 2012 (gesamt 800 €) in Betracht kämen, nicht jedoch weitere 800 € zu begleichen wären, erfolgreich verteidigen.

Zwar kann ein Mieter ein Mietverhältnis aus wichtigem Grund fristlos kündigen, wenn ihm aufgrund bestimmter Umstände die Fortsetzung des Mitverhältnisses nicht zumutbar ist (§ 543 Abs. 1 BGB), wobei der Kündigung in der Regel eine Abmahnung vorausgehen muss.

Der von der Beklagten geltend gemachte und unter Beweis gestellte, von Anfang an gegebene Mangel der Mietsache, nämlich die undichten Wände zur Nachbarhalle und die damit verbundene Beeinträchtigung könnten zwar grundsätzlich einen zur Kündigung berechtigenden Grund darstellen. Allerdings ist dieser Mangel kurz nachdem er sich verwirklicht hatte, beseitigt worden. Rechtlich unerheblich ist, dass dies durch den Mieter der Halle 5 B A und nicht durch den Vermieter erfolgt ist. Inwiefern danach die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zu dessen Ablauf (31.10.2012) unzumutbar gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Dass gesundheitsbeeinträchtigende Zustände danach in den Mieträumen bestanden, trägt die Beklagte nicht vor; vielmehr sollen diese gesundheitsschädigenden Stoffe ihren Bildern anhaften. Zudem wäre bei einem die Gesundheit gefährdenden Raumklima erforderlich gewesen, den Vermieter (erfolglos) zur Abhilfe aufzufordern, andernfalls das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit nicht erfüllt wäre.

2.

Die Beklagte kann sich derzeit auch nicht mit Erfolg mittels Aufrechnung gegen die Klage verteidigen bzw. Gegenforderungen mittels Widerklage geltend machen.

Die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen sind der Höhe nach nicht hinreichend dargetan.

a.

Dem Mieter steht gegen den Vermieter ein Schadensersatzanspruch zu, wenn die Mietsache bei Vertragsschluss mangelhaft war und er dadurch einen Schaden erlitten hat ( § 536 a Abs. 1 BGB). Der Vermieter haftet in einem solchen Fall auch ohne Verschulden (sog. Garantiehaftung)(Palandt/Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 536 a Rn 9).

So hat die Beklagte hier substantiiert und unter Beweisantritt geltend gemacht, ein solcher anfänglicher Mangel habe vorgelegen und sich in Zusammenhang mit den Arbeiten des Nachbarmieters ausgewirkt. Erforderlich aber auch ausreichend für eine Haftung des Vermieters ist, dass das Eindringen von Staub und Reinigungsrückständen auf den baulichen Mängeln des Mietobjektes beruht, wie die Beklagte behauptet.

b.

Hinsichtlich der eingebrachten und beschädigten Sachen des Mieters haftet der Vermieter der Mieterin auf Schadensersatz nach §§ 249, 251 BGB. Da Naturalrestitution, also Reparatur der Sache oder Anschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache im vorliegenden Fall ausscheidet, richtet sich der Ersatzanspruch nach § 251 BGB. Es ist die Differenz zu ersetzen zwischen dem Wert des Gegenstandes ohne schädigendes Ereignis und dem nunmehr verminderten Wert.

Bei Kunstwerken bemisst sich der Wert des Werkes ohne schädigendes Ereignis in der Regel nach dem durch den Verkauf erzielbaren Wert. Die Bemessung letztgenannten Wertes begegnet in der Rechtsprechung erheblichen Schwierigkeiten (s. hierzu Heuer, NJW 2008, 689).

Nicht maßgeblich für die Wertbemessung sind die Einschätzung durch den Künstler selbst oder durch Auktionshäuser. Vielmehr muss die wirtschaftliche Bedeutung des Kunstwerkes am Markt in einer Art standardisiertem Verfahren erfolgen, andernfalls die Rechtsanwendungsgleichheit nicht gesichert ist (s. Heuer, a.a.O.). Wertbestimmende Anknüpfungspunkte, die bei anderen Wirtschaftsgütern eine Rolle spielen können, wie Gestehungskosten oder Anschaffungspreis, sind vorliegend nicht maßgeblich.

Ausschlaggebend für die Wertermittlung der Kunstwerke zum Stichtag (März 2012) ist daher, welche Verkaufserlöse für welche ihrer Bilder die Beklagte im Einzelnen in den zurückliegenden Jahren erzielt hat. Dabei müsste die Beklagte zunächst die von der Schadensersatzforderung betroffenen 36 Bilder mittels zu den Akten gereichter Lichtbilder oder Abbildungen aus Ausstellungskatalogen etc. in unbeschädigtem Zustand individualisieren und vortragen, welche Bilder vergleichbaren Sujets, vergleichbarer Größe und vergleichbaren Herstellungsdatums sie wann und zu welchem Preis veräußert hat.

Wertbildende Faktoren bei Kunstwerken sind u. a. Marktgängigkeit, Sujet und Format sowie der Entstehungszeitpunkt der Werke (frühe bzw. ältere Werke).

Ohne derartige Angaben dürfte eine Wertschätzung der Bilder in unbeschädigtem Zustand mittels Sachverständigenbeweis nicht in Betracht kommen.

Für ihren Vortrag, die Bilder seien in dem Mietobjekt gelagert und durch Reinigungs-rückstände der Arbeiten des Nachbarmieters beschädigt worden, hat die Beklagte sich das Zeugnis des B… B… berufen.

Zu berücksichtigen sein dürfte ferner ein Mitverschulden der Beklagten, welche die Bilder ohne Schutzvorrichtungen gelagert hatte, andernfalls die Staubablagerungen nicht zu erklären wären.

§ 254 BGB ist bei Garantiehaftung des Vermieters nach § 536 a BGB anwendbar (BGHZ 68, 281 Rn 46 - zitiert nach juris).

Eine Kostenentscheidung ist wegen § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.