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Entscheidung 7 Ta 2696/10


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer Entscheidungsdatum 24.02.2011
Aktenzeichen 7 Ta 2696/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 929 ZPO, § 85 ArbGG

Leitsatz

1. Auch die Unterlassungsverfügung muss innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen werden (BAG vom 18.09.2007 - 9 AZR 672/06)

2. Auch im Beschlussverfahren ersetzt die Amtszustellung die Vollziehung der einstweiligen Verfügung nicht.

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. November 2010 – 55 BVGa 18092/10 - abgeändert und der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Beteiligte zu 2 zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1. Der Antragsteller und Beteiligte zu 1 (im folgenden Betriebsrat) erwirkte gegen die Antragsgegnerin und Beteiligte zu 2 (im folgenden Arbeitgeberin) eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Einführung von Arbeitszeitkonten bis zur Entscheidung in der Hauptsache bzw. bis zu einer Einigung der Betriebsparteien darüber. Dieser in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2010 verkündete Beschluss, der mit der Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 10.000 € versehen war, wurde der Arbeitgeberin mit Gründen am 16. September 2010 zugestellt. Der Betriebsrat erhielt dazu unter dem Datum vom 22. September 2010 eine vollstreckbare Ausfertigung.

Auf den beim Arbeitsgericht am 2. November 2010 eingegangenen Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 25. November 2010 gegen die Arbeitgeberin wegen Zuwiderhandlung gegen die festgesetzte Verpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.000 € fest. Gegen diesen der Arbeitgeberin am 10. Dezember 2010 zugestellten Beschluss hat sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 17. Dezember 2010 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, die sie zum einen damit begründet, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss sei schon deshalb unstatthaft, weil der Betriebsrat den Beschluss nicht innerhalb der Monatsfrist der §§ 936, 929 ZPO vollzogen habe, zum anderen habe sie gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts nicht verstoßen und Arbeitszeitkonten geführt. Der Betriebsrat hält demgegenüber die Amtszustellung für die Vollziehung ausreichend und das Ordnungsmittel für verwirkt.

Mit Beschluss vom 2. Februar 2011 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

2. Die gemäß §§ 793, 764 Abs. 3 ZPO, § 85 Abs. 1 ArbGG statthafte, fristgemäß und formgerecht gemäß §§ 567, 569 ZPO eingereichte sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin hat in der Sache Erfolg. Der Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts ist aufzuheben und der Antrag des Betriebsrats auf Verhängung eines Ordnungsgeldes zurückzuweisen, weil die im Beschluss vom 18. August 2010 enthaltene einstweilige Verfügung nicht mehr vollstreckbar ist.

2.1 Nach § 85 ArbGG, §§ 935, 936, 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem sie verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch sie erging, zugestellt wurde, ein Monat verstrichen ist. Deshalb muss eine einstweilige Verfügung innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen werden. Unter „Vollziehung“ in diesem Sinne ist die Einleitung der Zwangsvollstreckung aus dem Arrest oder aus der einstweiligen Verfügung zu verstehen (BAG v. 18.09.2007 – 9 AZR 672/06 – BAGE 124, 80 ff.). Dies gilt grundsätzlich auch für eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung. Auch hier ist eine Vollziehung erforderlich (BGH 22.10.1992 – IX 36/92 – BGHZ 120, 73 ff.; BAG v. 18.07.2007 – 9 AZR 672/06 a.a.O; OLG Oldenburg v. 14.09.2010 – 1 W 40/10 in juris; a.A. LAG Hamm 7.8.1987 – 8 Sa 1369/86 – NZA 1987, 825).

2.2 Der Betriebsrat hat die einstweilige Verfügung innerhalb der Monatsfrist nicht vollzogen. Diese begann mit der Verkündung des Beschlusses auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (§ 85 Abs. 2 ArbGG, §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO) am 18. August 2010 und endete mit Ablauf des 18. Septembers 2010. Innerhalb dieser Frist hat der Betriebsrat keine Initiative ergriffen, um von dem Titel Gebrauch zu machen und keine Vollziehungsmaßnahmen iSv. § 929 Abs. 2 ZPO veranlasst. Weder hat er die einstweilige Verfügung im Parteibetrieb zustellen lassen, was für die Vollziehung grundsätzlich als ausreichend angesehen wird, noch hat er eine sonstige Handlung vorgenommen, mit der sein Vollziehungswille in eindeutiger Weise manifestiert werden sollte.

Die noch innerhalb der Monatsfrist vorgenommene Amtszustellung des Unterlassungstitels erfüllt nicht die Anforderungen einer Vollziehung iSv. § 929 Abs. 2 ZPO. Diese genügt für die Vollziehung nicht, weil ihr – da vom Gericht veranlasst – das „spezifisch-vollstreckungsrechtliche Element“ fehlt, dass der Gläubiger tätig wird und seinen Willen kundgibt, von dem Titel zwangsweise Gebrauch zu machen (BAG v. 18.09.2007 – 9 AZR 672/06 a.a.O.; BGH v. 22.10.1992 – IX ZR 36/92 a.a.O.; OLG Oldenburg 14.09.210 1 W 40/10; LAG Frankfurt v. 20.02.1990 – 5 TaBVGa 171/89; Germelmann ArbGG 7. Aufl. 2009 § 85 Rz. 46, Natter/Groß ArbGG 1. Aufl. 2010 § 85 Rz. 71; aA LAG Brandenburg 8.12.2004 – 4 Sa 435/04; LAG Berlin vom 12.11.2003 – 3 Ta 2142/03 in juris). Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG die erforderlichen Zustellungen von Amts wegen erfolgen. Damit wird nur die Parallele zum Urteilsverfahren hergestellt, also die Zustellung der Entscheidung für deren Wirksamkeit. Vollstreckungsmaßnahmen werden damit nicht ersetzt. Wäre die Amtszustellung hier ausreichend wäre zum einen die Vorschrift des § 929 Abs. 2 ZPO überflüssig, da es insoweit keiner weiteren Initiative des Gläubigers bedürfte, zum anderen wäre dem Gläubiger aber auch die Möglichkeit genommen, vor der Amtszustellung mit der Zustellung einer abgekürzten vollstreckbaren Ausfertigung die Zwangsvollstreckung einzuleiten. Er wäre darauf angewiesen, dass die Amtszustellung innerhalb der Vollstreckungsfrist erfolgen würde, ohne dass entsprechende Zustellungsfristen für das Gericht vorgesehen wären (vgl. LAG Frankfurt v. 20.02.1990 – 5 Ta BVGa 171/89). Denn würde man § 85 Abs. 2 ArbGG dahingehend auslegen, dass auch im Rahmen der Vollziehung die Amtszustellung an die Stelle der Parteizustellung tritt, könnte der Gläubiger nicht mit einer früheren Parteizustellung die Zwangsvollstreckung einleiten. Dies ist angesichts der tatsächlichen Eilbedürftigkeit vieler einstweiliger Verfügungsverfahren im Beschlussverfahren nicht sachgerecht (so schon LAG Frankfurt 20.02.1990 – 5 Ta BVGa 171/89).

Die Vollziehung wurde auch nicht dadurch ersetzt, dass der Beschluss zum Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Androhung eines Ordnungsgeldes versehen war. Das LAG Berlin hat dies in seiner Entscheidung vom 12.11.1997 – 3 Ta 15/97 und 6 Ta 16/97 veröffentlicht in juris im Urteilsverfahren dann als Vollziehungsmaßnahme angesehen, wenn der Gläubiger nicht zugleich einen vorläufigen Vollziehungsverzicht erklärt hat. Im Beschlussverfahren kann der Androhung eines Ordnungsgeldes aber nicht der gleiche Erklärungsgehalt beigemessen werden. Im Urteilsverfahren nimmt der Gläubiger mit der Androhung des Ordnungsgeldes das sich aus § 945 ZPO ergebende Schadensersatzrisiko auf sich, das er mit einem Vollziehungsverzicht ausschließen könnte. § 85 Abs. 2 ArbGG schließt indes von vorneherein mögliche Schadensersatzansprüche des Schuldners aus. Die Androhung des Ordnungsgeldes hat daher nicht denselben Erklärungsgehalt hinsichtlich der Zwangsvollstreckung. Der Gläubiger riskiert hier ohnehin keine Schadensersatzansprüche. Ohne einen solchen Erklärungsgehalt kann aber der auf Antrag des Gläubigers bereits mit der einstweiligen Verfügung verbundenen Androhung kein Vollziehungstatbestand entnommen werden. Dazu fehlt es an einer Gläubigerseitigen Maßnahme nach Erlass des Titels.

2.3 Aus diesen Gründen war der Beschluss des Arbeitsgerichts abzuändern und der Antrag zurückzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Das Bundesarbeitsgericht hat sich zur Erforderlichkeit der Vollziehung bei Unterlassungsverfügungen bereits positioniert.