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Einkommen - doppelte Kindergeldzahlung - Behaftung mit Rückzahlungsverpflichtung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 32. Senat Entscheidungsdatum 25.07.2018
Aktenzeichen L 32 AS 2145/17 B PKH ECLI ECLI:DE:LSGBEBB:2018:0725.L32AS2145.17B.PKH.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 11 Abs 1 S 1 SGB 2

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. Oktober 2017 aufgehoben.

Dem Sozialgericht werden die weiteren Anordnungen zur Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übertragen.

Gründe

I.

Die Klägerinnen wenden sich gegen die teilweise Aufhebung leistungsbewilligender Bescheide und Erstattung von 409,20 Euro und von 694,80 Euro für Oktober 2014 bis März 2015, von 0,50 Euro für September 2015 und von 976,00 Euro für April 2015 bis September 2015 sowie von 0,50 Euro und von 153,50 Euro für Oktober 2015.

Die im Juli 1989 geborene Klägerin zu 1 und deren im Februar 2014 geborene Tochter, die Klägerin zu 2, lebten seit 1. Oktober 2014 in Bedarfsgemeinschaft in der Tstraße in B.

Die Klägerin zu 1 bezog bis April 2015 Elterngeld. Ihr war zudem Kindergeld für die Klägerin zu 2 bewilligt worden. Die Klägerin zu 2 erhielt einen Unterhaltsvorschuss. Mit Bescheid des Bezirksamtes Mitte von Berlin – Jugendamt vom 28. April 2015 war der Unterhaltsvorschuss gewährende Bescheid vom 4. Februar 2015 für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 30. November 2014 aufgehoben worden.

An die Klägerin zu 1 wurde Kindergeld einerseits unter ihrem Namen „P “ und anderseits untr ihrem Namen „P“ und damit monatlich in doppelter Höhe in der Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 30. November 2015 (insgesamt 2.620,00 Euro zuviel: 3 x 184 Euro und 11 x 188 Euro) ausgezahlt. Mit Bescheid vom 20. November 2015 forderte die Familienkasse Berlin-Brandenburg den in diesem Zeitraum irrtümlich in doppelter Höhe gezahlten Betrag zurück: Eine der Zahlungen sei ohne Rechtsgrund erfolgt, so dass der zu viel gezahlte Betrag in Höhe von 2.620 Euro nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zu erstatten sei.

Mit Bescheid vom 22. Juni 2015 hatte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von Oktober 2014 bis Dezember 2014 in Höhe von 668,76 Euro monatlich (555,13 Euro für die Klägerin zu 1, 113,63 Euro für die Klägerin zu 2) und von Januar 2015 bis März 2015 in Höhe von 684,64 Euro monatlich (566,67 Euro für die Klägerin zu 1, 117,97 Euro für die Klägerin zu 2) bewilligt.

Mit weiterem Bescheid vom 22. Juni 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. August 2015 hatte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von April 2015 bis August 2015 in Höhe von 954,64 Euro monatlich (790,14 Euro für die Klägerin zu 1, 164,50 Euro für die Klägerin zu 2) und für September 2015 in Höhe von 943,64 Euro (790,14 Euro für die Klägerin zu 1, 153,50 Euro für die Klägerin zu 2) bewilligt.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2015 hatte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts u. a. für die Zeit von Oktober 2015 bis November 2015 in Höhe von 943,64 Euro monatlich (790,14 Euro für die Klägerin zu 1, 152,50 Euro für die Klägerin zu 2) bewilligt.

Der Beklagte berücksichtigte dabei im Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2015 als Einkommen der Klägerin zu 2 u. a. Kindergeld von 184,00 Euro monatlich.

Nachdem der Beklagte die Klägerin zu 1 dazu angehört hatte, dass wegen des doppelten Bezuges von Kindergeld die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in geringerer Höhe hilfebedürftig gewesen und deswegen die Bewilligungsentscheidungen teilweise zurückzunehmen seien, erteilte er die Bescheide zur Rücknahme und Erstattung jeweils vom 24. März 2016, mit denen er für die Zeit von Oktober 2014 bis März 2015 unter entsprechender Rücknahme der Bewilligungsbescheide die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes wie folgt festsetzte:

Oktober 2014 bis März 2015

        

484,76 Euro für die Klägerin zu 1,
0,00 Euro für die Klägerin zu 2,

April 2015 bis August 2015

        

790,14 Euro für die Klägerin zu 1,
0,00 Euro für die Klägerin zu 2

September 2015

        

789,64 Euro für die Klägerin zu 1,
0,00 Euro für die Klägerin zu 2

Oktober 2015 bis November 2015

        

789,64 Euro für die Klägerin zu 1,
0,00 Euro für die Klägerin zu 2.

Der Beklagte berücksichtigte dabei neben Kindergeld von 184 Euro monatlich als sonstiges Einkommen bei der Klägerin zu 2 184,00 Euro monatlich.

Zugleich forderte er Erstattung wie folgt:

1.Oktober 2014 bis 31. März 2015

409,20 Euro von der Klägerin zu 1,
694,80 Euro von der Klägerin zu 2

1. September 2015 bis 30. September 2015

0,50 Euro von der Klägerin zu 1

1. April 2015 bis 30. September 2015

976,00 Euro von der Klägerin zu 2

1.Oktober 2015 bis 30. November 2015

1,00 Euro von der Klägerin zu 1,
307,00 Euro von der Klägerin zu 2.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2016 zurück: Die Bescheide vom 22. Juni 2015, 24. August 2015 und 27. Oktober 2015 seien von Anfang an rechtswidrig gewesen, da tatsächlich für die Klägerin zu 2 doppelt Kindergeld bewilligt und laufend ausgezahlt worden sei. Die Rücknahme der Bewilligung sei möglich, da unzutreffende Angaben über die Höhe des erzielten Kindergeldes grob fahrlässig gemacht worden seien. Außerdem hätte die Klägerin zu 1 erkennen können, dass Kindergeld in Höhe von 184 Euro monatlich angerechnet worden sei, obwohl tatsächlich Kindergeld doppelt ausgezahlt worden sei.

Dagegen haben die Kläger am 4. Juli 2016 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben und zugleich Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beantragt.

Sie machen geltend, bereits im Zeitpunkt der Auszahlung des Kindergeldes sei es mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet gewesen und habe ihnen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zur Deckung ihres Lebensunterhalts nicht mehr zur Verfügung gestanden. Eine Rückforderung wäre unbillig, da das zu viel erhaltene Kindergeld nun doppelt zurückgezahlt werden müsste. Die Klägerin zu 1 habe auch nicht grob fahrlässig gehandelt. Sie habe mehrmals wegen der doppelten Kindergeldzahlung bei dem Beklagten persönlich vorgesprochen, wo man sie an die Familienkasse verwiesen habe. Sie sei daher ihren Obliegenheiten gegenüber dem Beklagten in ausreichendem Maße nachgekommen.

Der Beklagte trägt bezugnehmend auf den VerBis-Vermerk vom 21. März 2016 vor, es handele sich hierbei um den einzigen Vermerk, der irgendeinen Bezug zu der doppelten Kindergeldzahlung aufweise.

Unter dem 22. September 2017 hat der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2016 betreffend den Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis 30. November 2015 aufgehoben, soweit damit die Leistungsbewilligung für die Klägerin zu 1 in höherem Umfang als 0,50 Euro und für die Klägerin zu 2 in höherem Umfang als 153,15 Euro aufgehoben und von der Klägerin zu 1 ein höherer Betrag als 0,50 Euro und von der Klägerin zu 2 ein höherer Betrag als 153,50 Euro erstattet verlangt werde. Damit sei dieser Aufhebungs- und Erstattungsbescheid aufgehoben, soweit er den Zeitraum vom 1. November 2015 bis 30. November 2015 betreffe.

Mit Beschluss vom 2. Oktober 2017 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt: Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Für die Klage hinsichtlich des Monats November 2015 bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Die bewilligenden Bescheide seien von Anfang an rechtswidrig gewesen, da der Beklagte als Einkommen Kindergeld in Höhe von 184 Euro monatlich angerechnet habe, obwohl die Klägerin zu 1 für die Klägerin zu 2 doppeltes Kindergeld (zweimal 184 Euro monatlich) erhalten habe. Auf Vertrauensschutz könnten sich die Klägerinnen nicht berufen, da sie insofern grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht hätten. Die Klägerin zu 1 habe in den Anträgen von Oktober 2014 und August 2015 angegeben, dass sie Kindergeld in Höhe von 184 Euro monatlich erhalte und habe dem Beklagten auch keine Veränderung mitgeteilt. Die doppelte Kindergeldzahlung habe der Beklagte erst festgestellt, als die Klägerin zu 1 die am 27. Oktober 2015 beim Beklagten eingegangenen Kontoauszüge eingereicht habe. Der Rücknahme und Erstattung stehe nicht entgegen, dass die Klägerinnen von der Familienkasse mit Bescheid vom 20. November 2015 zur Rückzahlung des doppelt gezahlten Kindergeldes verpflichtet worden seien (Hinweis auf Bundessozialgericht, BSG-Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 165/10 R). Bei den Kindergeldzahlungen handele es sich um laufendes Einkommen. Die Rückzahlungsverpflichtung sei erst im November 2015 durch den Bescheid vom 20. November 2015 entstanden.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 10. Oktober 2017 zugestellten Beschluss richtet sich die am 16. Oktober 2017 eingelegte Beschwerde der Klägerinnen.

Sie machen geltend, die Klage habe jedenfalls hinsichtlich des Monats November 2015 hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten (Behelfsakte Band I, 96204 BG 0010091), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Sozialgericht hat die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig (§ 114 Abs. 2 ZPO) erscheint.

Hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Erfolgsprüfung der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Dies ist der Fall, wenn das erkennende Gericht den Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe beantragenden Beteiligten für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 12. Auflage, § 73a Rdnrn. 7, 7a und 7d). Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist, aber klärungsbedürftig ist, muss Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Ebenso gilt dies, wenn das Gericht von Rechtsprechung oder der herrschenden Meinung im Schrifttum abweichen will. Schließlich darf Prozesskostenhilfe nicht abgelehnt werden, wenn eine schwierige Rechtsfrage zu beantworten ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 73a Rdnr. 7b m.w.N.).

Der maßgebende Zeitpunkt der Erfolgsprüfung liegt nicht vor dem Tag des Eingangs der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Ein vollständiger und damit bewilligungsreifer Antrag auf Prozesskostenhilfe erfordert außerdem die Darstellung des Streitverhältnisses unter Angabe der Beweismittel, denn zu den zu prüfenden Bewilligungsvoraussetzungen gehören auch die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Eine solche Prüfung ist nur möglich, wenn dem Gericht eine substantiierte Darstellung des Streitverhältnisses vorgelegt worden ist. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO setzt daher voraus, dass derjenige, der Prozesskostenhilfe begehrt, den Sachverhalt schildert und wenigstens im Kern deutlich macht, auf welche rechtliche Beanstandung er seine Klage stützt (Bundesverfassungsgericht - BVerfG, Beschluss vom 14. April 2010 – 1 BvR 362/10, zitiert nach juris, m. w. N.).

Bei summarischer Prüfung in tatsächlicher Hinsicht unter Zugrundelegung der maßgebenden Rechtsgrundlagen ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der geltend gemachte Anspruch zusteht, zu bejahen.

Maßgebender Zeitpunkt der Erfolgsprüfung ist der Zeitpunkt der Klageerhebung am 11. Juli 2016, denn zu diesem Zeitpunkt ist nicht nur das Streitverhältnis dargestellt gewesen, sondern es hat auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen vorgelegen.

Ausgehend davon hat die Klage, soweit das Urteil des BSG vom 23. August 2011 – B 14 AS 165/10 R Anwendung findet, hinreichende Aussicht auf Erfolg (gehabt).

Die Rücknahme der leistungsbewilligenden Bescheide richtet sich nach der Vorschrift über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 SGB X).

Rechtsgrundlage für die Rücknahme ist § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB II, wonach für das Verfahren nach diesem Buch das SGB X gilt und die Vorschriften des SGB III über die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4 SGB III) entsprechend anwendbar sind.

§ 45 SGB Abs. 1 und Abs. 2 SGB X regelt u. a.: Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Ergänzend bestimmt § 330 Abs. 2 SGB III: Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der Bescheid vom 22. Juni 2015, der weitere Bescheid vom 22. Juni 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. August 2015 und der Bescheid vom 27. Oktober 2015 sind nicht insoweit rechtswidrig, als sie einen weiteren Betrag von 184 Euro monatlich nicht als sonstiges Einkommen berücksichtigen. Das doppelt gezahlte Kindergeld stellt kein Einkommen dar.

Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011, BGBl I 2011, 850).

Aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II folgt keine weitergehende Definition dessen, was Einkommen ist. Im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 SGB II kann nach Sinn und Zweck der Norm eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung nicht als Einkommen qualifiziert werden. Nur der "wertmäßige Zuwachs" stellt Einkommen i. S. des § 11 Abs. 1 SGB II dar; als Einkommen sind nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes dessen bewirken, der solche Einkünfte hat. Dieser Zuwachs muss dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lässt er seine Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfallen. Entscheidend ist allein, ob im Bedarfszeitraum Einkommen in bedarfsdeckender Höhe tatsächlich und zur endgültigen Verwendung zur Verfügung steht (so zum Darlehen: BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R, Rdnrn. 16, 17, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30).

Entscheidend für die Privilegierung von bestimmten Zuflüssen ist nach dieser Rechtsprechung, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden soll, der Zufluss bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Jedenfalls sofern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Einnahme erst nach dem Monat eintritt, für den sie berücksichtigt werden soll (zum Monatsprinzip bei laufenden Einnahmen vgl. § 2 Abs. 2 Alg II-V in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung), besteht die Verpflichtung des Hilfebedürftigen, die Leistung als "bereite Mittel" in dem Monat des Zuflusses auch zu verbrauchen. Insbesondere können solche Rückstellungen nicht geschützt sein, die Leistungsempfänger in Bezug auf möglicherweise eintretende, im Zeitpunkt des Zuflusses aber noch ungewisse, künftige Zahlungsverpflichtungen vornehmen. Bezogen auf eine durch Bescheid bewilligte Leistung bedeutet dies, dass die bewilligende Behörde an die Zuerkennung des Leistungsanspruchs gebunden ist, solange der Bewilligungsbescheid Bestand hat. Damit steht auch dem Leistungsempfänger in dieser Zeit ein Rechtsgrund für das Behalten der Leistung zur Seite. Die fehlende Übereinstimmung des Bezuges mit dem materiellen Recht kann dem Leistungsempfänger gegenüber also nicht vor der Aufhebung des Bescheides geltend gemacht werden, und zwar auch dann nicht, wenn er Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistung hatte. Spiegelbildlich dazu kann sich der Leistungsempfänger auf eine Rückzahlungsverpflichtung, die der Berücksichtigung als Einkommen durch den Träger der Grundsicherung entgegenstehen könnte, erst berufen, wenn die Bindungswirkung der Bewilligungsentscheidung aufgehoben worden ist. Insoweit kommt es allein auf den Zahlungsanspruch an, da dieser Anspruch (und nicht bereits das Stammrecht) den für § 11 Abs. 1 SGB II entscheidenden Zufluss der Einnahme vermittelt. Die so getroffene Abgrenzung ist schließlich sachgerecht auch deshalb, weil der Träger der Grundsicherung damit von einer Prüfung, ob bei materieller Rechtswidrigkeit die zusätzlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit vorliegen, entbunden ist und es allein auf die Aufhebung der Bewilligung durch die bewilligende Behörde ankommt. Die (bestandskräftig gewordene) Aufhebung der Bewilligungsentscheidung hat deshalb im Verhältnis zum Träger der Grundsicherung lediglich die Bedeutung, dass der Leistungsempfänger (erst) von diesem Zeitpunkt an mit Schulden (gegenüber der bewilligenden Behörde) belastet sind. Solche Verpflichtungen sind aber grundsätzlich bei Bestimmung der Hilfebedürftigkeit unbeachtlich (so zum nachträglich entfallenen Anspruch auf Arbeitslosengeld: BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 165/10 R, Rdnrn. 23, 24, 25, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 11 Nr. 43).

Ausgehend von letztgenannter Rechtsprechung des BSG war aufgrund des Bescheides der Familienkasse Berlin-Brandenburg vom 20. November 2015 die doppelte Kindergeldzahlung im Monat November 2015 mit der Rückzahlungsverpflichtung behaftet, so dass dieser Betrag jedenfalls nicht als Einkommen anzusehen ist. Die vom Beklagten unter dem 22. September 2017 erlassene Aufhebungsentscheidung bezogen auf den Zeitraum vom 1. November 2015 bis 30. November 2015 mit der damit verbundenen Verminderung des zu erstattenden Betrages um 0,50 Euro zugunsten der Klägerin zu 1 und um 153,50 Euro zugunsten der Klägerin zu 2 basiert auf dieser Rechtsprechung.

Die Behaftung mit einer Rückzahlungsverpflichtung trifft allerdings in gleicher Weise für die doppelte Kindergeldzahlung vom 1. Oktober 2014 bis 31. Oktober 2015 zu. Die doppelte Kindergeldzahlung beruhte ersichtlich nicht darauf, dass der Klägerin zu 1 Kindergeld zweimal bewilligt wurde, sondern darauf, dass ihr solches nur zweimal ausgezahlt wurde. Die Familienkasse Berlin-Brandenburg stützte ihren Bescheid vom 20. November 2015 auf § 37 Abs. 2 AO. Diese Vorschrift sieht vor: Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Die Begründung in diesem Bescheid lautet mithin dementsprechend, dass eine der Zahlungen ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Mithin fehlte es für die zweite (doppelte) Kindergeldzahlung an einem bewilligenden Bescheid, der für die Klägerin zu 1 bis zu seiner Aufhebung einen Rechtsgrund für das Behalten der Leistung geschaffen hätte. Die Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin zu 1 ist infolgedessen nicht erst durch den Bescheid der Familienkasse Berlin-Brandenburg vom 20. November 2015 entstanden, sondern hat bereits zum jeweiligen Zeitpunkt der zweiten (doppelten) Kindergeldzahlung bestanden. Stellt somit die zweite (doppelte) Kindergeldzahlung im Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2015 kein Einkommen dar, sind der Bescheid vom 22. Juni 2015, der weitere Bescheid vom 22. Juni 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. August 2015 und der Bescheid vom 27. Oktober 2015 insoweit rechtmäßig, so dass die Bescheide vom 24. März 2016 zur Rücknahme und Erstattung insoweit rechtswidrig sind und die Klägerinnen in ihren Rechten verletzen.

Selbst wenn dieser Ansicht nicht zugestimmt würde, wäre insoweit jedenfalls eine Rechtsfrage zu entscheiden, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist.

Die Klage hat somit hinreichende Aussicht auf Erfolg (gehabt).

Mithin kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht deswegen abgelehnt werden.

Die Vertretung der Klägerinnen durch einen Rechtsanwalt erscheint geboten (§ 121 Abs. 2 ZPO).

Ob die Klägerinnen die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen können, kann der Senat hingegen nicht entscheiden, weil keine entsprechenden aktuellen Erklärungen dazu vorliegen. Der Senat hat daher dem Sozialgericht insoweit die entsprechenden weiteren Anordnungen übertragen (§ 202 SGG i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO).

Die Beschwerde hat daher im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Erfolg.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundesozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).