Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass bei ihm die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erforderlichen Nachteilsausgleichs „RF“ vorliegen (vgl. § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuches, Neuntes Buch - SGB IX -).
Abzustellen ist, da der Kläger den Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ im Juni 2005 stellte, auf die Vorschriften des am 1. April 2005 in Kraft getretenen Achten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) in Verbindung mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 27. Januar 2005 (GVBl. S. 82), welches die bis dahin geltende Berliner Verordnung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 2. Januar 1992 (GVBl. S. 3) aufhob. Spätere Änderungen, zuletzt im Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Verbindung mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 2. April 2009 (GVBl. S. 138), haben die hier maßgeblichen Voraussetzungen unberührt gelassen.
Ob diese Vorschriften, wie das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung gemeint hat, wegen Verstoßes gegen höherrangiges Bundesrecht verfassungswidrig sind, wobei im Hinblick auf Art. 100 GG insbesondere die gerichtliche Verwerfungskompetenz fraglich sein dürfte, kann offen bleiben. Denn der Kläger gehört nicht zu dem Personenkreis des Art. 5 § 6 Abs. 1 Satz 1 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags.
Nach der hier allein in Frage stehenden Nr. 8 des Vertrags werden auf Antrag folgende natürliche Personen und deren Ehegatten im ausschließlich privaten Bereich von der Rundfunkgebührenpflicht befreit:
behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Nach Nr. 33 Abs. 2 lit. c (S. 141) der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen und im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Kläger (noch) geltenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ in der Fassung des Jahres 2005 (AHP 2005) gehören hierzu:
- behinderte Menschen, bei denen schwere Bewegungsstörungen – auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) – bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (z.B. Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können,
- behinderte Menschen, die durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken (z.B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können),
- behinderte Menschen mit – nicht nur vorübergehend – ansteckungsfähiger Lungentuberkulose,
- behinderte Menschen nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden,
- geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - sind als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern, also nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfeste, Messen, Märkte und Gottesdienste (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1982, 9a/9 RVs 6/81, SozR 3870 § 3 Nr. 15 = BSGE 53, 175). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen kann nur dann bejaht werden, wenn der Schwerbehinderte in einem derartigen Maße eingeschränkt ist, dass er praktisch von der Teilnahme am öffentlichen Gemeinschaftsleben ausgeschlossen und an das Haus gebunden ist. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der auch aus anderen Gründen problematische Nachteilsausgleich „RF“ (vgl. insbesondere BSG, Urteile vom 10. August 1993, 9/9a RVs 7/91, in: Breith 1994, S. 230, und vom 16. März 1994, 9 RVs 3/93, bei Juris, das die Auffassung vertritt, es erscheine wegen der nahezu vollständigen Ausstattung aller Haushalte in Deutschland mit Rundfunk- und Fernsehgeräten zunehmend zweifelhaft, dass durch den Nachteilsausgleich „RF“ tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen werde) nur Personengruppen zugute kommt, die den gesetzlich ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind.
Der Senat vermag den vorliegenden ärztlichen Äußerungen nicht zu entnehmen, dass der Kläger die geschilderten Voraussetzungen erfüllt. Zwar wurde ihm ein GdB von 100 zuerkannt. Bei ihm bestehen jedoch keine Leiden im Sinne des Art. 5 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags, die ihn ständig daran hinderten, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Dokumentiert sind schwere Bewegungsstörungen des Klägers, die im Laufe der Jahre noch zugenommen haben. Allerdings ist es dem Kläger nach Einschätzung des Senats zumutbar, öffentliche Veranstaltungen unter Verwendung eines Rollstuhls und mit Hilfe einer Begleitperson zu besuchen. Hierbei ist unerheblich, dass bestimmte Veranstaltungen für Rollstuhlfahrer nicht geeignet sein mögen. Denn nach Nr. 33 Abs. 2 (S. 142) der AHP 2005, deren Grundsätze auch nach Inkrafttreten des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags weitergelten, müssen die behinderten Menschen
allgemein
von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen sein. Es genügt nicht, dass die Teilnahme sich an einzelnen, nur gelegentlich stattfindenden Veranstaltungen – bestimmter Art – verbietet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.