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Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung des Sorgerechts für deutsches Kind; Titelerteilungssperre; Ausreise; einmonatige Besuchsreise nach Vietnam


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 21.04.2017
Aktenzeichen OVG 11 N 18.15 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 10 Abs 3 S 1 AufenthG, § 27 Abs 3 S 2 AufenthG, § 28 Abs 1 Nr 3 AufenthG, § 50 Abs 2 S 1 AufenthG, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 22. Januar 2015 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die vietnamesische Klägerin reiste 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein, durchlief hier erfolglos ein Asylverfahren und wurde in der Folgezeit bis zum 2. Mai 2006 geduldet. In der Zeit vom 3. Mai 2006 bis 8. Januar 2007 war die Klägerin unbekannten Aufenthalts. Ihr am 28. Dezember 2006 geborenes erstes Kind besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Im September 2010 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG. In der Zeit vom 25. Januar bis 23. Februar 2011 hielt diese sich in Vietnam auf. Mit Bescheid vom 26. August 2011 verlängerte die Beklagte die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG, lehnte es aber ab, sie auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zu verlängern. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 22. Januar 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG stehe die Sperrvorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen. Diese Sperrvorschrift sei anzuwenden, obgleich die Klägerin vorübergehend nach Vietnam ausgereist und ohne Visum wieder eingereist sei, denn insoweit habe es sich nur um eine vorübergehende Besuchsreise gehandelt, nicht aber um die in § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG geforderte Ausreise. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3, 1. Alt. AufenthG wirke die Sperre zwar dann ausnahmsweise nicht, wenn die Klägerin einen strikten, sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis habe. Daran fehle es hier, weil die Klägerin einen Ausweisungsgrund gesetzt habe, indem sie sich nach dem erfolglosen Abschluss ihres Asylverfahrens für über 8 Monate illegal in der Bundesrepublik aufgehalten habe. Auf die Möglichkeit, beim Familiennachzug gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen, könne sich die Klägerin nicht berufen, denn auch daraus ergebe sich nicht der für die Durchbrechung der Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 AufenthG notwendige strikte Rechtsanspruch.

II.

Der gegen dieses Urteil gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat die Klägerin nicht begründet dargelegt. Derartige Zweifel bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163 f.) und nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder nur einzelne Elemente dieser Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4/03 -, Buchholz 310 § 124 Nr. 33). Das ist hier nicht der Fall.

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, sie sei nicht im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausgereist, und macht geltend, aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Besuchsreise als Ausreise in diesem Sinne ausgeschlossen wäre. Weder der Grund der Ausreise, wie beispielsweise berufliche oder private Zwecke, ein längerer Aufenthalt, eine Städtereise oder eben ein kurzer Besuchsaufenthalt seien hierfür geeignete Kriterien. Aus dem Gesetzeszusammenhang könne geschlossen werden, dass die Ausreise der durch die Ablehnung des Asylantrages entstandenen Ausreisepflicht genügen müsse. Aus § 50 Abs. 3 AufenthG, wonach schon die legale Einreise in einen anderen Schengenstaat der Ausreisepflicht genüge, sei zu schließen, dass die Ausreisepflicht generell dann erfüllt sei, wenn der ausreisepflichtige Ausländer in ein Land ausreise, in welches er einreisen dürfe.

Dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Besuchsreise der Klägerin in Vietnam in der Zeit vom 25. Januar bis 23. Februar 2011 keine Ausreise im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darstellt. Ausreise im Sinne dieser Vorschrift ist die vollständige Erfüllung der Ausreisepflicht. Dies setzt das Verlassen des Bundesgebiets voraus (§ 50 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), und zwar nicht im Sinne eines bloßen Grenzübertritts, sondern im Sinne der Verlegung des dauernden Aufenthalts ins Ausland. Eine Ausreise nur zum Schein oder eine unverzügliche Wiedereinreise nach der Ausreise genügen nicht. Andernfalls könnten die Wirkungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG umgangen werden (vgl. zum Ganzen Discher, in: Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand Juli 2014, § 10, Rn. 126 f. m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 1990 – 1 B 80/89 – juris, Rn. 3 zu § 13 Abs. 1 AuslG 1965). Dass die Klägerin bei ihrer Reise nach Vietnam im Januar 2011 die Verlegung ihres dauernden Aufenthalts ins Ausland beabsichtigte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus den bei der Beklagten eingereichten Buchungsunterlagen, dass sie von vorneherein nur einen weniger als einmonatigen Kurzaufenthalt in Vietnam und die Rückkehr ins Bundesgebiet geplant hatte.

Soweit die Klägerin weiter geltend macht, die Tatsache, dass sie ohne Visum ins Bundesgebiet zurückgekehrt sei, hindere die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels nicht, weil sie diesen gemäß § 39 Nr. 1 AufenthV im Bundesgebiet einholen könne, geht dies ins Leere, weil das Verwaltungsgericht das angegriffene Urteil nicht auf das Visumerfordernis gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gestützt hat.

Das vom Verwaltungsgericht festgestellte Vorliegen eines Ausweisungsgrundes stellt die Klägerin nicht in Abrede. Soweit sie davon ausgeht, dass ihr die begehrte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sei, weil das Ermessen der Beklagten gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auf Null reduziert sei, setzt sie voraus, dass die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht mehr besteht. Dies trifft jedoch mangels Ausreise der Klägerin nicht zu.

2. Das Rechtsbehelfsvorbringen der Klägerin rechtfertigt auch keine Berufungszulassung wegen besonderer Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Ihr Vorbringen zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils reicht aus den bereits genannten Gründen auch zur Darlegung besonderer rechtlicher Schwierigkeiten nicht aus.

3. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (vgl. zum Revisionsrecht: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328). Daran fehlt es vorliegend. Die sinngemäß aufgeworfene Frage, ob eine knapp einmonatige Besuchsreise in das Heimatland eine Ausreise im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darstellt, bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie aus den oben genannten Gründen zu verneinen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).