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GdB


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat Entscheidungsdatum 25.04.2013
Aktenzeichen L 13 SB 160/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 69 SGB 9, VersMedV

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 22. April 2010 geändert sowie der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 3. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 verpflichtet, bei der Klägerin mit Wirkung ab dem 1. November 2010 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).

Die 1953 geborene Klägerin, bei der der Beklagte 2005 einen GdB von 40 festgestellt hatte, stellte am 25. September 2007 einen Verschlimmerungsantrag. Nach versorgungsärztlicher Auswertung der eingeholten ärztlichen Befunde lehnte der Beklagte eine Erhöhung des GdB mit Bescheid vom 3. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 ab. Dem legte er folgende (verwaltungsintern mit den aus den Klammerzusätzen ersichtlichen Einzel-GdB bewertete) Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

- Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen (30),

- Funktionsbehinderung der WS, Bandscheibenschäden (20),

- Depression (20),

- Muskelkrankheit, Muskelschwäche am linken Bein (10),

- Funktionsbehinderung der Schultergelenke beidseitig (10),

- Funktionsbehinderung des Hüftgelenks beidseitig (10),

- chronische Magenschleimhautentzündung (10).

Mit der Klage bei dem Sozialgericht Cottbus hat die Klägerin die Feststellung eines GdB von mehr als 40 begehrt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte das Gutachten der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. H vom 16. Dezember 2009 eingeholt. Die Sachverständige hat rechts eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und links eine geringgradige Schwerhörigkeit ermittelt und hierfür einen Einzel-GdB von 15 empfohlen. In Zusammenschau mit dem Ohrgeräusch hat sie den HNO-ärztlichen GdB insgesamt mit 30 bewertet.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. April 2010 abgewiesen. Ein höherer Gesamt-GdB als 40 komme nach dem vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht in Betracht.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, ihre Erkrankungen seien nicht ausreichend bewertet worden. Der Senat hat neben dem Befundbericht des HNO-Arztes Dr. F vom 19. März 2012 fachärztliche Gutachten eingeholt.

Der Nervenarzt Dr. A hat im Gutachten vom 31. Mai 2011 dargelegt, es sei nach der Ohrenoperation im Oktober 2010 insoweit zu einer Verstärkung des seelischen Leidens gekommen, als Schmerzen und Missempfindungen im Bereich der rechten Gesichtshälfte aufgetreten seien, die eine Verstärkung der depressiven Symptomatik zur Folge hätten. Hierbei handele es sich um eine stärker behindernde Störung, die unter Ausschöpfung des hierfür vorgegebenen Rahmens mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten sei.

In dem Gutachten vom 14. Mai 2012 hat der Orthopäde Dr. W auf seinem Fachgebiet das Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 20, den Kniegelenkverschleiß und die Muskelschwäche des linken Beins mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet. Funktionsbehinderungen an den Schulter- und Hüftgelenken bestünden nicht.

Schließlich hat die Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. H in ihrem weiteren Gutachten vom 13. Januar 2013 festgestellt, dass die Operation von 2010 das Hörvermögen der Klägerin verbessert habe. Die Schwerhörigkeit sei seitdem mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Für das Ohrgeräusch hat die Gutachterin mit der Begründung, es sei bereits psychiatrisch berücksichtigt worden, keine Bewertung vorgenommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25. April 2013 hat die Klägerin die Berufung für den Zeitraum vom 25. September 2007 bis zum 30. Oktober 2010 sowie für den danach verbleibenden Zeitraum ab 1. November 2010 insoweit zurückgenommen, als sie einen höheren GdB als 50 begehrt hatte.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 22. April 2010 aufzuheben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 3. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 zu verpflichten, bei ihr mit Wirkung ab 1. November 2010 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist.

Er hält an seiner Entscheidung fest.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist – soweit die Klägerin diese aufrecht erhalten hat – begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch, dass dieser bei ihr mit Wirkung ab 1. November 2010 einen GdB von 50 feststellt.

Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412), die am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, festgelegten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ heranzuziehen.

Bei der Klägerin bestehen im noch streitigen Zeitraum – neben verschiedenen Behinderungen mit einem Einzel-GdB von 10 und der Schwerhörigkeit – ein depressiv-ängstliches Syndrom, das nach der überzeugenden Einschätzung des Nervenarztes Dr. A einen Einzel-GdB von 40 bedingt, sowie Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei Osteochondrose HWK 6/7 und rezidivierenden Cervicocephalgien/Hemicranien, die, wie der Orthopäde Dr. W in seinem Gutachten dargelegt hat, mit einem Einzel-GdB von 20 in Ansatz zu bringen sind.

Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Teil A Nr. 3c der Anlage zur VersMedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.

Mit Wirkung ab 1. November 2010 ist der für das seelische Leiden festgestellte GdB von 40 unter Berücksichtigung des Wirbelsäulenleidens der Klägerin auf 50 heraufzusetzen. Nach den gutachterlichen Feststellungen bestehen die Auswirkungen dieser einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig und betreffen damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens (vgl. Teil A Nr. 3d aa der Anlage zur VersMedV). Zu berücksichtigen ist, dass durch die neben dem führenden Leiden vorliegende unabhängige Funktionsbeeinträchtigung das Ausmaß der Gesamtbehinderung zunimmt. Dem ist durch eine angemessene Erhöhung des GdB um 10 Rechnung zu tragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Beklagte entgegen den überzeugenden Feststellungen des Nervenarztes Dr. A im Gutachten vom 31. Mai 2011 kein entsprechendes Teilanerkenntnis abgegeben hat.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.